Dezember 2005 - Der Fels
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Bücher<br />
Heinrich Basilius Streithofen: „Macht,<br />
Moneten und Moral. Die Kardinaltugenden<br />
als Normen für Politik und<br />
Wirtschaft“, MM Verlag, Aachen <strong>2005</strong>,<br />
186 Seiten, Euro 17,-, ISBN 3-928272-<br />
67-5.<br />
Konkrete Tugenden statt diffuser Werte.<br />
Pater Streithofen aktiviert die klassischen<br />
Kardinaltugenden für Politik und<br />
Ökonomie<br />
Zahlreich sind theologische Traktate<br />
über die Tugenden. Nicht minder zahlreich<br />
sind politisch intendierte Schriften<br />
über Miss- und Umstände in Politik und<br />
Wirtschaft unserer Tage. Wert und Bedeutung<br />
des neuen Buchs des durchaus<br />
berühmten Dominikanerpaters Heinrich<br />
Basilius Streithofen liegen darin, dass<br />
er sein profundes philosophisch-theologisches<br />
Nachdenken über Tugenden,<br />
Werte und Normen in einer dem heutigen<br />
Zeitungsleser verständlichen Sprache<br />
auf Politik und Wirtschaft unserer Tage<br />
anwendet. Nicht ohne klares Ziel, wie<br />
der Leser rasch bemerkt: der streitbare<br />
und mit den Niederungen von Politik und<br />
Ökonomie vertraute Pater möchte einer<br />
– nicht schuldlos – in die Vertrauenskrise<br />
geratenen so genannten Elite eine Art intellektuelle<br />
Bluttransfusion verpassen: die<br />
Kardinaltugenden nämlich.<br />
Wer noch einen Zweifel haben sollte,<br />
dass eine Rückbesinnung auf die Kardinaltugenden<br />
ein Königsweg wäre, um die<br />
bereits weit fortgeschrittene Entfremdung<br />
der Gewählten von den Wählern, wie auch<br />
der Konsumenten von den Produzenten<br />
zu überbrücken, wird durch Streithofens<br />
flott geschriebenes Plädoyer eines Besseren<br />
belehrt. Scharfsichtig, wie es einem<br />
geistigen Sohn des heiligen Dominikus<br />
und des wohl größten Theologen aller<br />
Zeiten, Thomas von Aquin, zukommt,<br />
stellt Streithofen fest, in Deutschland<br />
(und nicht nur hier) herrsche „so etwas<br />
wie eine Moralinflation“. Kein Grund,<br />
sich beruhigt zurück zu lehnen, sondern<br />
die moralisierenden Nebelwerfer aus<br />
Journalismus, Gewerkschaften und Theologie<br />
gekonnt beiseite zu schieben.<br />
Streithofen verjagt tatsächlich die<br />
Nebel, gibt den ungetrübten, wertenden<br />
Blick auf Ist und Sollen frei. Er tut<br />
dies, indem er einfache pädagogische<br />
Weisheiten wie auch in Jahrhunderten<br />
gereifte theologische und philosophische<br />
Erkenntnisse kenntnisreich und maximal<br />
konkret auf die Wirklichkeit von Politik<br />
und Wirtschaft anwendet. Solch fächerübergreifende<br />
Virtuosität beherrschen<br />
eben die wenigsten Theologen; solch<br />
profundes Wissen und Werten vermögen<br />
sich die wenigsten Politiker oder<br />
Ökonomen anzueignen. Und genau in<br />
dieser Verknüpfung liegt der Wert und die<br />
Unverzichtbarkeit des neuen Buchs von<br />
Pater Streithofen.<br />
<strong>Der</strong> Autor ist überzeugt, dass die Zehn<br />
Gebote und die vier Kardinaltugenden<br />
– Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und<br />
Maß – „auch in einer sich wandelnden<br />
Welt gültig“ bleiben. „Sie müssen nur auf<br />
die veränderten Verhältnisse in Politik,<br />
Wirtschaft und Gesellschaft angewandt<br />
werden.“ Genau dies exerziert Streithofen<br />
vor: Er demaskiert Verstöße gegen<br />
die Klugheit, etwa in der Struktur- und<br />
Wettbewerbspolitik, bei Technologie und<br />
Forschung. Er trifft kluge Unterscheidungen<br />
zur Rechtspolitik, etwa wenn er<br />
die Dimensionen des Lebens- und des<br />
Umweltschutzes wieder ins Lot bringt<br />
und das Schlagwort von der „sozialen<br />
Gerechtigkeit“ als Beliebigkeits- und<br />
Willkürbegriff enttarnt. Er geißelt „strangulierende<br />
Vorschriften“ im Arbeitsmarkt<br />
und ein „Übermaß an Regulierung“.<br />
Vorbehaltlos ist dem Autor zuzustimmen,<br />
wenn er das Ausufern der Staatlichkeit<br />
ins Visier nimmt: „Es ist ein Irrglaube,<br />
möglichst viele Gesetze könnten die<br />
Moral ersetzen.“ In der Tat ist nichts von<br />
Gesetzen zu halten, „die zwar im Bundestag<br />
verabschiedet werden, aber von<br />
denen, für die sie gemacht sind und die<br />
sie verpflichten, nicht verstanden werden<br />
können“. Und man kann ihm auch kaum<br />
widersprechen, wenn er keck behauptet:<br />
„Einige Gewerkschaftsführer sind in<br />
Deutschland die reaktionärsten aller wirtschaftlich-sozialen<br />
Interessensvertreter.“<br />
Auch wenn manche Polemik (etwa gegen<br />
den Widerstand gegen Bushs Irak-Feldzug)<br />
und manche referierte Theorie (etwa<br />
die „klassischen Bedingungen für einen<br />
gerechten und erlaubten Krieg“) beim<br />
Leser auf Widerspruch stoßen mögen:<br />
Streithofens gelehrte Schrift ist unterhaltsam<br />
und bereichernd – nicht nur für die<br />
Täter in Wirtschaft und Politik.<br />
Seine Erklärungen zu den vier Kardinaltugenden,<br />
seine religionsvergleichenden<br />
Studien über einen „Kern von moralischen<br />
Grundsätzen“ und seine fundierte<br />
Kritik verschiedener moraltheologischer<br />
Ansätze verdienen Beachtung. Streithofens<br />
teilweise gepfefferten Polemiken<br />
gegen bestimmte Praktiken in Politik und<br />
Wirtschaft geben dem Buch eine überaus<br />
praktische Bedeutung: etwa als Weihnachtspräsent<br />
für befreundete Politiker<br />
und Unternehmer.<br />
Stephan Baier<br />
Joachim Kuropka: Geistliche und Gestapo. Klerus zwischen Staatsallmacht und<br />
kirchlicher Hierarchie. LIT - Verlag Münster 2004, 303 Seiten, 24;90 Euro, ISBN 3-8258-<br />
8115-6<br />
Es handelt sich um einen Sammelband, in dem der Herausgeber selbst mit drei Beiträgen<br />
vertreten ist. Gegenstand der Untersuchungen sind überwiegend nordwestdeutsche Kirchenbezirke<br />
zur Zeit des NS-Regimes. Die Aufsätze zeigen, dass die katholischen Geistlichen von<br />
Anfang an fast geschlossen vor den neuheidnischen und pseudogermanischen Vorstellungen<br />
der Nationalsozialisten aus grundsätzlichen Erwägungen heraus warnten. Anders die evangelische<br />
Pfarrerschaft. Dort waren die Warner eher die Ausnahme. Während sich folglich Katholiken<br />
überwiegend am Zentrum orientierten, neigten die Protestanten in ihrem Wahlverhalten<br />
zur NSDAP. Das belegt Thomas Fandel eindrucksvoll am Beispiel der evangelischen<br />
Pfarrer in der Pfalz. Was den Sammelband so wertvoll macht, sind die Dokumente, welche<br />
den einzelnen Beiträgen als Beweis für ihre Schlussfolgerungen angefügt sind.<br />
Irritieren mag der Titel des Sammelbandes. <strong>Der</strong> Leser erwartet nicht nur exemplarische<br />
Untersuchungen zu einzelnen Kirchenbezirken, sondern eine umfassende Darstellung des<br />
Themas „Geistliche und Gestapo“ in ganz Deutschland. Dies ist nicht geschehen. Es wäre<br />
auch ohne Berücksichtigung des Hauptwerkes der Opfergeschichte nicht zu leisten gewesen.<br />
Das ist das deutsche Martyrologium „Zeugen für Christus“ von Helmut Moll aus dem Schöningh-Verlag.<br />
Trotz dieses Mangels ist der Sammelband sehr zu empfehlen. Eduard Werner<br />
372 DER FELS 12/<strong>2005</strong>