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Dezember 2005 - Der Fels

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lative Orden kaum über sinkende<br />

Nachwuchszahlen klagen. Es sollte<br />

zu denken geben, dass die Krise der<br />

Kirche ausgerechnet an den strengsten<br />

Orden fast unbemerkt vorüberging.<br />

Ebenso ist auffallend, dass in<br />

den vergangenen Jahren eine stattliche<br />

Anzahl von Orden oder sogenannten<br />

„neuen religiösen Gemeinschaften“<br />

entstanden ist, die vor allem<br />

das kontemplative Gebet stark<br />

betonen. Gemeinsam ist diesen neuen<br />

Gemeinschaften auch eine eucharistische<br />

und eine marianische Frömmigkeit<br />

sowie eine große Treue zum<br />

Papst. Außerdem legen sie großen<br />

Wert auf das Tragen des Ordenskleids.<br />

Doch nicht nur in den kirchlichen<br />

Orden, sondern in der gesamten<br />

christlichen Bevölkerung – sogar bei<br />

den Protestanten – erfreuen sich viele<br />

Bräuche, die man noch vor wenigen<br />

Jahren für hoffnungslos veraltet hielt,<br />

wieder großer Beliebtheit: Marien-<br />

und Heiligenverehrung, Rosenkranz,<br />

Prozessionen, Weihrauch. Vielerorts<br />

wurde in den vergangenen Jahren in<br />

der Kirche eine Selbstbanalisierung<br />

und Selbstsäkularisierung betrieben.<br />

Doch die Hauptaufgabe des Christentums<br />

ist es, dem Menschen von<br />

heute eine Begegnung mit Gott zu<br />

ermöglichen. Dies geschieht neben<br />

dem privaten Gebet vornehmlich in<br />

der Liturgie der Kirche. Ureigenste<br />

Aufgabe der Kirche ist daher die<br />

Pflege der christlichen Spiritualität in<br />

ihrem ganzen Reichtum. Zur Gottesbegegnung<br />

gehören wesensmäßig<br />

auch Kult und Mystik. Da eine Gottesbegegnung<br />

nicht nur rational, sondern<br />

ganzheitlich erfolgt, worauf gerade<br />

in der Postmoderne wieder großer<br />

Wert gelegt wird, sind kirchliche<br />

Riten und die Betonung des Sakralen<br />

Die Kirche erneuert jeden<br />

Tag, gegen den Geist dieser<br />

Welt, einen Kampf, der nichts<br />

anders ist als der Kampf um die<br />

Seele dieser Welt. Wenn in ihr,<br />

einerseits das Evanglium und die<br />

Evangelisierung steht, gibt es auf<br />

der anderen Seite eine mächtige<br />

Gegenevangelisierung, die über<br />

Mittel und Programme verfügt<br />

und sich mit großer Kraft dem<br />

Evangelium und der Evangelisierung<br />

entgegenstellt.<br />

Johannes Paul II. in: „Die Schwelle<br />

der Hoffnung überschreiten“<br />

von entscheidender Wichtigkeit. Man<br />

kann sicherlich jetzt schon prognostizieren,<br />

dass Kerzen, Weihrauch, liturgische<br />

Gewänder, die lateinische<br />

Kultsprache und der Gregorianische<br />

Choral in Zukunft weiterhin an Bedeutung<br />

und Beliebtheit gewinnen<br />

werden. <strong>Der</strong> Journalist Peter Seewald,<br />

ein ehemals engagierter Linker,<br />

der zwei Buch-Interviews mit<br />

Kardinal Josef Ratzinger führte und<br />

schließlich zum katholischen Glauben<br />

zurückfand, schreibt über die<br />

vergangene innerkirchliche Entwicklung:<br />

„Übungen, die über Jahrhunderte<br />

den Menschen geholfen hatten,<br />

sich selbst zu finden, wurden einer<br />

verstaubten Frömmigkeit zugeschrieben<br />

und abgelegt. Prächtiges Mobiliar<br />

und Gemälde des Ewigen flogen in<br />

hohem Bogen aus den Gotteshäusern<br />

wie wertloses Gerümpel. Die Heiligen<br />

musterte man aus und die Schar<br />

der Engel schien es schließlich von<br />

selbst vorzuziehen, aus der Kirche<br />

auszutreten – um eines Tages in den<br />

Zirkeln des New Age wieder aufzutauchen,<br />

plötzlich ganz en vogue.“<br />

(Peter Seewald, Grüß Gott. Als ich<br />

begann, wieder an Gott zu denken,<br />

Deutsche Verlags Anstalt, München<br />

2002) Selbst Schlagersängerin Juliane<br />

Werding hat nach einem Ausflug<br />

in die Esoterik zur katholischen Kirche<br />

zurückgefunden. In einem Interview<br />

sagte sie: „Ich glaube es ist ein<br />

Fehler der katholischen Kirche gewesen,<br />

die Liturgie ins Deutsche zu<br />

übersetzen. Dadurch ist viel vom Geheimnis<br />

des Glaubens verloren gegangen.“<br />

Und sie präzisiert: „Die<br />

Menschen auf der Straße sind doch<br />

auf der Suche nach etwas Geheimnisvollem!<br />

Wenn ihnen die Kirche<br />

das vorenthält, braucht sie sich nicht<br />

zu wundern, wenn die Menschen<br />

nicht mehr kommen.“ <strong>Der</strong> Pfarrer,<br />

der in Zivilkleidung Gottesdienst<br />

feiert und mit banalen Sprüchen und<br />

kreativen Gestaltungselementen die<br />

Lebenswirklichkeit seiner Zuhörer<br />

treffen möchte, hat also bald endgültig<br />

ausgedient. Es ist wirklich eine<br />

neue Epoche angebrochen. Das 21.<br />

Jahrhundert wird ein religiöses Jahrhundert<br />

sein. Doch schon sein Auftakt<br />

am 11. September 2001 machte<br />

deutlich, dass dieses Jahrhundert<br />

auch geprägt sein wird von der Auseinandersetzung<br />

zwischen den unterschiedlichen<br />

Religionen. Neben einem<br />

erstarkenden Islam wird das<br />

Christentum nur bestehen können,<br />

wenn es wieder zu neuem Selbstbewusstsein<br />

findet und seine Identität<br />

nicht verleugnet. Profiliertes soziales<br />

Engagement, Verteidigung der überlieferten<br />

Werte und Wiederentdeckung<br />

der Sakralität heißen die<br />

Anbetung und Stille im Wechsel mit Lobpreis während des Kongresses „Freude am Glauben“ in Regensburg.<br />

362 DER FELS 12/<strong>2005</strong>

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