Kein Königsweg: Die erweiterte EU und - Deutsche-Aussenpolitik.de
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Gesellschaft <strong>und</strong> Kirche, Vorstellungen von <strong>de</strong>n Aufgaben <strong>de</strong>s Staates wären etwa<br />
hier zu nennen - gehört auch ein aus teilweise bitteren Erfahrungen <strong>de</strong>stilliertes<br />
an<strong>de</strong>res Verständnis von staatlicher Selbständigkeit <strong>und</strong> Souveränität. Da geht es<br />
nicht nur um ein halbes Jahrh<strong>und</strong>ert Entmündigung durch Warschauer Pakt, RGW<br />
<strong>und</strong> Sowjetunion. Viele in Deutschland haben ja aus <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s 20.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts die Lehre gezogen, daß <strong>de</strong>r Nationalstaat ein überholtes Mo<strong>de</strong>ll sei, daß<br />
Frie<strong>de</strong>n, Wohlstand <strong>und</strong> Fortschritt durch das Abgeben von Souveränität an<br />
supranationale Institutionen zu wahren <strong>und</strong> zu mehren seien, daß also die<br />
supranationale Organisation die eigentliche politische Innovation sei: gewissermaßen<br />
<strong>de</strong>r Masterplan zur Rettung eines Europa, das Jahrh<strong>und</strong>erte lang zerstritten war <strong>und</strong><br />
sich schließlich in weltumspannen<strong>de</strong>n Kriegen nahezu selbst zerstört hätte.<br />
Das wird schon in einigen westeuropäischen Staaten, die ihre Geschichte als weniger<br />
gescheitert empfin<strong>de</strong>n, an<strong>de</strong>rs gesehen. In <strong>de</strong>n meisten Staaten Osteuropas gilt es<br />
noch weniger. Der Historiker Heinrich August Winkler hat dafür ein Beispiel<br />
genannt: „In Polen, <strong>de</strong>m Hauptopfer <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges unter <strong>de</strong>n neuen<br />
Beitrittsstaaten, kommt dazu (das heißt zur Erfahrung <strong>de</strong>r kommunistischen<br />
Unterjochung) noch die allgegenwärtige Erinnerung an die lange, über ein<br />
Jahrh<strong>und</strong>ert währen<strong>de</strong> Zeit, in <strong>de</strong>r das Land seiner Staatlichkeit <strong>und</strong> nationalen<br />
Selbstbestimmung durch die drei Teilungsmächte Rußland, Österreich <strong>und</strong> Preußen<br />
beraubt war.“ An<strong>de</strong>rs gesagt: <strong>Die</strong> Frage <strong>de</strong>r Souveränität wird von vielen Polen nicht<br />
als ein Problem <strong>de</strong>r Abgabe o<strong>de</strong>r Übertragung von Rechten angesehen, son<strong>de</strong>rn als<br />
eine Existenzfrage, als die Frage nach „Sein o<strong>de</strong>r Nichtsein“. Nur so ist zu erklären,<br />
daß in <strong>de</strong>r polnischen Innenpolitik in <strong>de</strong>r Diskussion über die Stimmengewichtung im<br />
Ministerrat <strong>de</strong>r <strong>EU</strong> ein vornehmlich <strong>de</strong>utsch-französischer Vorschlag mit <strong>de</strong>r in<br />
unseren Augen irrwitzig klingen<strong>de</strong>n Parole „Nizza o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Tod“ verworfen wur<strong>de</strong>.<br />
<strong>Die</strong>ser Nationalismus bekommt mit <strong>de</strong>m Beitritt gewissermaßen eine europäische<br />
Bühne. Wie tief in die historisch-zivilisatorischen Gr<strong>und</strong>lagen die Differenzen<br />
reichen, war neulich auf <strong>de</strong>r Leipziger Buchmesse zu beobachten. Da stellte die<br />
frühere lettische Außenministerin <strong>und</strong> jetzige <strong>EU</strong>-Kommissarin Sandra Kalniete die<br />
kommunistische Diktatur, unter <strong>de</strong>r ihr Land – <strong>und</strong> ganz persönlich auch ihre Familie<br />
– zu lei<strong>de</strong>n hatte, in eine Kontinuitätslinie mit <strong>de</strong>r Diktatur <strong>de</strong>s Nationalsozialismus,<br />
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