die räumliche verteilung der ausländerbevölkerung in japan - DIJ
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DIE RÄUMLICHE VERTEILUNG DER<br />
AUSLÄNDERBEVÖLKERUNG IN JAPAN<br />
- STRUKTUREN UND ERKLÄRUNGSANSÄTZE -<br />
Ralph LÜTZELER<br />
1. PROBLEMSTELLUNG<br />
1.1. Zur Relevanz <strong>der</strong> Beziehung "M<strong>in</strong>oritäten und Raum"<br />
In den vergangenen Jahrzehnten ist es <strong>in</strong> vielen westlichen IndustrieländeIn,<br />
und zwar auch <strong>in</strong> solchen, <strong>die</strong> sich nicht als klassische E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungslän<strong>der</strong><br />
verstehen, zu e<strong>in</strong>er erheblichen Zuwan<strong>der</strong>ung von ausländischer<br />
Bevölkerung 1 gekommen. Während <strong>der</strong> nachkriegszeitlichen Wirtschaftswachstumsphase<br />
und auch noch <strong>in</strong> den 70er Jahren handelte es<br />
sich dabei vorwiegend um e<strong>in</strong>e staatlich geför<strong>der</strong>te o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest tolerierte<br />
IInmigration von Arbeitssuchenden (sog. Gastarbeitern) und - etwas<br />
später - ihren Familienangehörigen, woh<strong>in</strong>gegen es seit den 80er Jahren<br />
zu e<strong>in</strong>er Überschichtung verschiedener Wan<strong>der</strong>ungsphänomene - Zuwan<strong>der</strong>ung<br />
von Hochqualifizierten, von illegalen Arbeitssuchenden und<br />
von politischen Flüchtl<strong>in</strong>gen kam (WHITE 1993: 48-51). Daß <strong>die</strong>s e<strong>in</strong> Phänomen<br />
ist, das <strong>in</strong> den Aufnahmelän<strong>der</strong>n nicht immer als erwünscht angesehen<br />
wird, beweisen <strong>die</strong> jüngeren auslän<strong>der</strong>fe<strong>in</strong>dlichen Ausschreitungen<br />
<strong>in</strong> Deutschland o<strong>der</strong> auch <strong>in</strong> Frankreich.<br />
Derartige Reaktionen - wie auch immer sie zu bewerten s<strong>in</strong>d -- entzünden<br />
sich nicht zuletzt an <strong>der</strong> zumeist räumlich konzentrierten Verteilung<br />
von ausländischen M<strong>in</strong>oritäten - sei es <strong>in</strong> sog. Asylantenheimen o<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />
1 In <strong>der</strong> Literatur werden neben dem Begriff "Auslän<strong>der</strong>" auch <strong>die</strong> Term<strong>in</strong>i "Arbeitsmigranten"<br />
sowie "ethnische" bzw. "ausländische M<strong>in</strong>oritäten" häufig<br />
benutzt, oftmals <strong>in</strong> e<strong>in</strong> und <strong>der</strong>selben Arbeit. E<strong>in</strong>e Festleglmg auf e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>heitlichen<br />
Begriff kann auch <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Aufsatz nicht erfolgen: Während im<br />
Zusammenhang mit den Ergebnissen <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Segregationsforschung<br />
besser nur von "M<strong>in</strong>oritäten" gesprochen werden sollte, da sowohl<br />
ausländische als auch <strong>in</strong>ländisd1e M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten (z. B. <strong>die</strong> Schwarzen <strong>in</strong> den<br />
USA o<strong>der</strong> <strong>die</strong> Katholiken <strong>in</strong> Nordirland) betrachtet werden, soll bei Bezug auf<br />
Japan <strong>der</strong> Begriff "Auslän<strong>der</strong>" verwendet werden, um das hier behandelte<br />
Phänomen von dem Problem <strong>der</strong> A<strong>in</strong>u o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Burakum<strong>in</strong> abgrenzen zu können.<br />
Zudem beruhen auch <strong>die</strong> <strong>der</strong> Analyse zugrunde gelegten Daten auf dem<br />
Kriterium <strong>der</strong> Staatsangehörigkeit.<br />
119
ganzen Stadtvierteln -, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Zusammenhang rnit bestimmten, als fremd<br />
ernpfundenen Verhaltensweisen <strong>der</strong> e<strong>in</strong>gesessenen Bevölkerung das E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsphänomen<br />
überhaupt erst sichtbar vor Augen führt. Auch<br />
und gerade amBeispiel <strong>der</strong> Entstehung vonSchwarzenghettos <strong>in</strong> den USA<br />
läßt sich beobachten, daß <strong>die</strong> Zuwan<strong>der</strong>ung von M<strong>in</strong>oritäten <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen<br />
Nachbarschaft oft Überfremdungsängste weckt, <strong>die</strong> zu e<strong>in</strong>em auf Abweisung<br />
<strong>der</strong> Fremden gerichteten Territorialverhalten <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heirnischen<br />
führen (vgl. THIEME 1993: 170). Umgekehrt werden freilich - etwa von<br />
Städtetouristen - Konzentrationen ethnischer M<strong>in</strong>oritäten auch als attraktiv<br />
angesehen, da sie <strong>in</strong> Zusammenhang mit zahlreichen Institutionenund<br />
E<strong>in</strong>kaufsläden <strong>der</strong> M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit e<strong>in</strong> multikulturelles Flair vermitteln (vgl.<br />
BOAL 1987: 98). In jedem Fall ist aber hieraus zu erschließen, daß bei <strong>der</strong><br />
Diskussion des Phänomens ethnischer M<strong>in</strong>oritäten <strong>in</strong> Industrielän<strong>der</strong>n<br />
<strong>die</strong> räurnliche Dimension des "Problems" nicht außer acht gelassen werden<br />
darf.<br />
Die Stärke <strong>der</strong> <strong>räumliche</strong>n Trennung zweier Bevölkerungsgruppen- im<br />
folgenden Segregation genannt - wird im allgeme<strong>in</strong>en als Ausdruck <strong>der</strong><br />
Stärke sozialer Distanz zwischen <strong>die</strong>sen Gruppen angesehen; <strong>die</strong>s gilt sowohl<br />
für ethnische als auch für sozioökonomisch def<strong>in</strong>ierte Gruppen<br />
(THIEME 1993: 167). E<strong>in</strong>e starke Segregation selbst verstärkt aber ihrerseits<br />
wie<strong>der</strong>um <strong>die</strong> soziale Distanz, <strong>in</strong>dem jede Gruppe für sich lebt, Interaktionen<br />
somit unterbleiben und stattdessen Vorurteile das Bild von <strong>der</strong> jeweils<br />
an<strong>der</strong>en Gruppe prägen. Unter an<strong>der</strong>em aus <strong>die</strong>sem Grunde haben sich<br />
Wissenschaft und Politik <strong>in</strong> den Industrieländem zumeist an <strong>der</strong>n Leitbild<br />
<strong>der</strong> Integration, wozu auch <strong>die</strong> Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung starker <strong>räumliche</strong>r Konzentrationen<br />
von M<strong>in</strong>oritäten gehört, orientiert? In den vielfach zur Messung<br />
<strong>der</strong> Konzentration verwendeten "Segregations<strong>in</strong>dizes" schw<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e solche<br />
Bewertung mit: Die errechneten Werte, <strong>die</strong> von 0 (identisches Raumilluster<br />
zwischen zwei Bevölkerungen) bis 100 (totale Unähnlichkeit)<br />
schwankenkönnen, werden nämlich "als Prozentsatz e<strong>in</strong>er Bevölkerungsgruppe<br />
<strong>in</strong>terpretiert, <strong>der</strong> umgesiedelt werden müßte, wenn e<strong>in</strong>e vollständige<br />
Ähnlichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verteilung zweier Gruppen hergestellt werden<br />
soll" (GLEBE 1984: 99).3<br />
120<br />
2 E<strong>in</strong> bekanntes Beispiel s<strong>in</strong>d etwa <strong>die</strong> Zuzugsbeschränkungen für Auslän<strong>der</strong>,<br />
<strong>die</strong> e<strong>in</strong>zelne westeuropäische Städte für bestimmte Stadtbezirke <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
während <strong>der</strong> 70er und frühen 80er Jahre verhängt hatten (WHITE 1993: 54).<br />
3 E<strong>in</strong>e noch deutlichere Sprache spricht <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Zusammenhang <strong>der</strong> von LIE<br />
BERSON (1980) entwickelte "Isolations<strong>in</strong>dex", <strong>der</strong> <strong>die</strong> Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit <strong>der</strong> Interaktion<br />
zwischen den Mitglie<strong>der</strong>n zweier Bevölkerungsgruppen mißt (GLEBE<br />
1984: 102).
Die <strong>räumliche</strong> Verteilung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>in</strong> [apan<br />
Nur vere<strong>in</strong>zelt und erst <strong>in</strong> jüngerer Zeit werden auch <strong>die</strong> positiven<br />
Aspekte <strong>räumliche</strong>r Segregation gesehen, wozu etwa <strong>die</strong> Bewahrung kultureller<br />
Vielfalt o<strong>der</strong> <strong>die</strong> Schaffung e<strong>in</strong>es geschützten Bereichs für M<strong>in</strong>oritätsangehörige,<br />
von dem aus sich leichter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er als fremd empfundenen<br />
Gesellschaft agieren läßt, gehören. Als Grundbed<strong>in</strong>gung für e<strong>in</strong>e positive<br />
E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> Segregation von M<strong>in</strong>oritäten gilt allerd<strong>in</strong>gs, daß<br />
sie von <strong>die</strong>sen selbst gewünscht ist (BOAL 1987: 103-104).<br />
Entscheidend für <strong>die</strong> Bewertung von <strong>räumliche</strong>r Segregation s<strong>in</strong>d somit<br />
nicht zuletzt ihre Ursachen. Hierzu existieren im wesentlichen zwei Erklärungsansätze<br />
(vgl. zum folgenden näher KESTELOOT (1987: 230-235)<br />
o<strong>der</strong> auch THIEME (1993: 170-171»:<br />
Der erste Ansatz hebt auf sozialpsychologische Ursachen ab und mag<br />
als <strong>die</strong> ethnische Erklärung bezeichnet werden. Es wird davon ausgegangen,<br />
daß ethnische Gruppen unter sich bleiben wollen, und zwar <strong>die</strong> e<strong>in</strong>heimische<br />
Bevölkerung, <strong>die</strong> sich aus Überfremdungsangst o<strong>der</strong> Statusdenken<br />
gegen den Zuzug von M<strong>in</strong>oritäten wehrt, o<strong>der</strong> aber auch <strong>die</strong> M<strong>in</strong>orität<br />
selbst, <strong>die</strong> ihre kulturelle Identität nicht verlieren will. In <strong>die</strong>sem<br />
Fall werden M<strong>in</strong>oritäten mit hoher sozialkultureller Distanz zur E<strong>in</strong>heimischenbevölkerung<br />
stärker von <strong>die</strong>ser segregiert leben als solche mit relativ<br />
ger<strong>in</strong>ger Distanz; das oben genannte politische Ziel e<strong>in</strong>er Integration<br />
liegt entwe<strong>der</strong> nicht im Interesse <strong>der</strong> M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit selbst o<strong>der</strong> dürfte zum<strong>in</strong>dest<br />
mittelfristig nicht zu erreichen se<strong>in</strong>, da tiefliegende psychologische<br />
Vorbehalte nur schwer zu beseitigen s<strong>in</strong>d.<br />
E<strong>in</strong> zweiter Ansatz kann als sozialstrukturell bezeichnet werden. Dernnach<br />
ist <strong>die</strong> <strong>räumliche</strong> Segregation ethnischer M<strong>in</strong>oritäten nichts weiter<br />
als e<strong>in</strong> Spiegelbild ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten sozioökonomischen<br />
Gruppen und damit e<strong>in</strong>e bloße Variante <strong>der</strong> Schichtensegregation.Infolge<br />
selektiver Zuwan<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> sozialer Diskrim<strong>in</strong>ierung üben <strong>die</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
bestimmter ethnischer Gruppen häufig ähnliche Berufe aus o<strong>der</strong> gehören<br />
<strong>der</strong>selben sozialen Schicht an; sie wohnen daher - oft geme<strong>in</strong>sam<br />
mit den <strong>der</strong>selben Schicht angehörenden E<strong>in</strong>heimischen an e<strong>in</strong>em bestimmten<br />
Ort o<strong>der</strong> Viertel zusammen. Steuerungsfaktoren hierfür bilden<br />
sowohl <strong>die</strong> Nähe <strong>der</strong> Arbeitsplätze als auch bestimmte Variablen des Wohnungsmarktes<br />
(räumlich differenzierte Mietpreise und Wohnungsgrößen<br />
etc.). Je stärker <strong>die</strong> soziale Zusamrnensetzung e<strong>in</strong>er ethnischen Gruppe<br />
<strong>der</strong>jenigen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heimischenbevölkerung gleicht, umso ger<strong>in</strong>ger dürfte<br />
sie von <strong>die</strong>ser räumlich separiert leben. Träfe e<strong>in</strong> solcher Erklärungsansatz<br />
zu, so könnte e<strong>in</strong>e Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung von Segregation über e<strong>in</strong>e Verbesserung<br />
bzw. Diversifizierung <strong>der</strong> sozialen Situation e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>orität erreicht werden.<br />
121
Die <strong>räumliche</strong> Verteilung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>in</strong> [apan<br />
noch vielen ausländischen Arbeitsmigranten, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Japan ungelernte Tätigkeiten<br />
verrichten wollen, dorth<strong>in</strong> zu gelangen, was <strong>die</strong> oben angeführte<br />
hohe Zahl illegaler Auslän<strong>der</strong> erklärt. Doch kann hier<strong>in</strong> ke<strong>in</strong> befriedigen<strong>der</strong><br />
Dauerzustand gesehen werden, zumal <strong>die</strong> Illegalität ZUITl Klischee<br />
hoher Auslän<strong>der</strong>krim<strong>in</strong>alität <strong>in</strong> Japan beih"ägt und somit <strong>die</strong> Akzeptanz<br />
ausländischer M<strong>in</strong>oritäten <strong>in</strong> Japan herabsetzt (vgl. HERBERI 1993).<br />
Was bei aller Diskussion über <strong>die</strong> jüngste Zuwan<strong>der</strong>ung von Ausländem<br />
nach Japan häufig übersehen wird, ist <strong>die</strong> Tatsache, daß das Land<br />
zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> quantitativer H<strong>in</strong>sicht noch ke<strong>in</strong>eswegs zu dem <strong>in</strong> den meisten<br />
an<strong>der</strong>en Industrieländem erreichten Niveau aufgeschlossen hat. So<br />
betrug <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>anteil <strong>in</strong> den größten westdeutschen Städten gegen<br />
Ende <strong>der</strong> 80er Jahre etwa 15 bis 25 Prozent (BÄHR, JENISCH und KULs 1992:<br />
670), während <strong>in</strong> <strong>der</strong> Weltstadt Tökyö 1993 weniger als drei Prozent <strong>der</strong><br />
gemeldeten Bevölkerung e<strong>in</strong>en ausländischen Paß besaßen (vgl. hierzu<br />
näher Abschnitt 4). H<strong>in</strong>zu kommt, daß es sich bei "Auslän<strong>der</strong>n" <strong>in</strong> Japan<br />
oft nur um Auslän<strong>der</strong> im juristischen S<strong>in</strong>ne handelt. Die heute <strong>in</strong> Japan<br />
lebenden Koreaner etwa s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrer ganz überwiegenden Mehrheit <strong>in</strong><br />
Japan geboren, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>japan</strong>ischen Kontext aufgewachsen lmd sprechen<br />
authentisches Japanisch (RrNGHOFER 1990). Auch viele <strong>der</strong> aus late<strong>in</strong>amerikanischen<br />
Staaten Zugewan<strong>der</strong>ten besitzen <strong>in</strong>folge ihrer<strong>japan</strong>ischenAbstammlmg<br />
noch gewisse verwandtschaftliche und/o<strong>der</strong> kulturelle Beziehungen<br />
zu Japan. Es verbleiben somit deutlich weniger als e<strong>in</strong>e Million<br />
Personen, <strong>die</strong> man als "echte" Auslän<strong>der</strong> ansprechen könnte. Dies ist e<strong>in</strong>e<br />
Zahl, <strong>die</strong> kaum mehr als e<strong>in</strong>em halben Prozent <strong>der</strong> <strong>in</strong> Japan <strong>in</strong>sgesamt<br />
lebenden Bevölkerung entspricht.<br />
1.3. Vorgehensweise<br />
Die unter re<strong>in</strong> quantitativen Gesichtspunkten immer noch zu konstatierende<br />
Ger<strong>in</strong>gfügigkeit des Phänomens zugewan<strong>der</strong>ter Auslän<strong>der</strong> <strong>in</strong> Japan,<br />
aber auch <strong>die</strong> Tatsache, daß hierzu schon e<strong>in</strong>ige an<strong>der</strong>e Untersuchungen<br />
vorliegen,6lassen es als wenig s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>en, <strong>die</strong> Frage nach <strong>der</strong><br />
Bedeutung ausländischer Arbeitsmigranten im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e Verjün-<br />
nehmer und Japan] des Autors MITTA Takamichi. Auf <strong>die</strong>sem 1994 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Taschenbuchreihe<br />
des öffentlich-rechtlichen Sen<strong>der</strong>s NHK erschienenen Buch<br />
blicken 23 ausländische Personen dem Leser entgegen, davon 14 mit weißer<br />
Hautfarbe, w1d <strong>die</strong> meisten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kleidw1g, <strong>die</strong> sie als Ausübende von Spezialberufen<br />
(Pilot, Koch, Dolmetscher<strong>in</strong>, Wirtschaftsmanager etc.) ausweist, e<strong>in</strong>e,<br />
wie noch zu zeigen se<strong>in</strong> wird, alles an<strong>der</strong>e als repräsentative Zusammenstelhmg.<br />
6 Vgl. hierzu etwa <strong>die</strong> Werke von TEZUKA (1989, 1991), JMS w1d KJMK (1993)<br />
o<strong>der</strong> SHIMADA (1994).<br />
123
gung <strong>der</strong> <strong>japan</strong>ischen Altersstruktur o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Mil<strong>der</strong>ung des Arbeitskräftemangels<br />
<strong>in</strong> bestimmten Industriesektoren <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund <strong>der</strong><br />
vorliegenden Analyse zu stellen. Auch e<strong>in</strong>e Behandlung des Auslän<strong>der</strong>llproblems<br />
ll als Problem sozialer und wirtschaftlicher Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />
istbereits des öfteren durchgeführt worden (vgl. etwa GOHL (1976), TANAKA<br />
(1991) o<strong>der</strong> HERBERT (1993)). Als <strong>in</strong>teressant und noch nicht erschöpfend<br />
behandelt ersche<strong>in</strong>en h<strong>in</strong>gegen bestimmte strukturelle, und zwar vor allem<br />
herkunftslän<strong>der</strong>- sowie aufenthaltsgrundbezogene Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Zusarnmensetzung <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung. Unter Zugrundelegung<br />
<strong>der</strong> <strong>in</strong> Abschnitt 1.1. geführten Diskussion ist zu erwarten, daß<br />
solche strukturellen Verän<strong>der</strong>ungen auch neue Muster <strong>der</strong> <strong>räumliche</strong>n<br />
Verteilung von Auslän<strong>der</strong>n <strong>in</strong> Japan hervorgebracht haben, <strong>der</strong>en Erforschung<br />
wie<strong>der</strong>um Rückschlüsse sowohl auf wissenschaftlicher als auch<br />
politischer Ebene zulassen könnte. Inwieweit etwa gleichen <strong>die</strong> Befunde<br />
denen aus den USA o<strong>der</strong> aus westeuropäischen Staaten bzw. <strong>in</strong>wieweit<br />
ordnen sie sich <strong>in</strong> <strong>die</strong> bisherige M<strong>in</strong>oritätensegregationsforschung e<strong>in</strong>?<br />
Inwieweit schließlich bestehen Notwendigkeit und Möglichkeiten für e<strong>in</strong>e<br />
Politik auch <strong>der</strong> <strong>räumliche</strong>n Integration von Auslän<strong>der</strong>n <strong>in</strong>}apan? Der vorliegende<br />
Aufsatz will versuchen, <strong>die</strong>se recht umfangreichen und bislang<br />
noch nicht untersuchten Fragestellungen zurn<strong>in</strong>dest ansatzweise zu beantworten.<br />
Im e<strong>in</strong>zelnen erfolgt <strong>in</strong> Abschnitt 2 zunächst e<strong>in</strong> Überblick über <strong>die</strong><br />
jüngere zeitliche Entwicklung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>in</strong> Japan als<br />
Ganzes. Im Vor<strong>der</strong>grund steht dabei <strong>die</strong> Frage, warum <strong>die</strong> Zahl welcher<br />
Auslän<strong>der</strong> wann zugenommen hat.<br />
Den Hauptteil <strong>der</strong> Analyse bildet e<strong>in</strong>e rnakroanalytisch angelegte<br />
Untersuchung <strong>der</strong> <strong>räumliche</strong>n Verteilung ausländischer Bevölkerung,<br />
<strong>die</strong>s zunächst bezüglich <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Präfekturen (Makroebene; Abschnitt<br />
3) und anschließend auf <strong>der</strong> zwischengeme<strong>in</strong>dlichen Ebene (Mesoebene;<br />
Abschnitt 4). Für letztere wurde <strong>die</strong> Präfektur Tökyö als Fallbeispiel<br />
gewählt, da dort erstens <strong>die</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung e<strong>in</strong>en Umfang<br />
aufweist, <strong>der</strong> <strong>die</strong> statistische Signifikanz <strong>der</strong> Analyseergebnisse<br />
garantieren dürfte, und zweitens <strong>der</strong> Anteil von neu <strong>in</strong>s Land gekommenen<br />
Auslän<strong>der</strong>n, auf <strong>die</strong> sich das beson<strong>der</strong>e Interesse <strong>die</strong>ses Aufsatzes<br />
richtet, beson<strong>der</strong>s hoch ist. Das methodische Werkzeug bilden vor<br />
allem multivariate Verfahren, <strong>die</strong> sowohl <strong>die</strong> Verteilungsstruktur (Clusteranalyse)<br />
als auch <strong>die</strong> Zusammenhänge <strong>der</strong> Verteilungen mit an<strong>der</strong>en<br />
Faktoren (Regressionsanalyse) klären sollen. E<strong>in</strong> an sich wünschenswerter<br />
E<strong>in</strong>schluß <strong>der</strong> <strong>räumliche</strong>n Mikroebene (Stadtteile, Häuserblocks etc.)<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong> Untersuchung, über <strong>die</strong> zurn<strong>in</strong>dest für Deutschland oft erst e<strong>in</strong>e<br />
starke Konzentration ausländischer M<strong>in</strong>oritäten überhaupt spürbar<br />
wird, ist <strong>in</strong> Japan im Rahmen e<strong>in</strong>er massenstatistisch orientierten Ana-<br />
124
Die <strong>räumliche</strong> Verteilung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>in</strong> [apan<br />
lyse mangels Datenverfügbarkeit nicht möglich (vgl. auch TSUCHIDA und<br />
WATANABE (1986)), wenn man e<strong>in</strong>mal von den Stadtbezirken (ku) <strong>der</strong><br />
Millionenstädte absieht, <strong>die</strong> aber von ihrer Größe her eher noch <strong>der</strong><br />
Mesoebene zuzurechnen s<strong>in</strong>d. Allerd<strong>in</strong>gs ließ sich <strong>die</strong>ser Nachteil teilweise<br />
wie<strong>der</strong> dadurch ausgleichen, daß e<strong>in</strong>zelne auf Befragungen beruhende<br />
mikrosoziologische Untersuchungen vorliegen (vgl. z. B. <strong>die</strong><br />
Aufsätze <strong>in</strong> OKUDA, HIROTA und TAJIMA (1994)), über <strong>die</strong> auf das tatsächliche<br />
Ausmaß und <strong>die</strong> Ursachen <strong>der</strong> Segregation von Auslän<strong>der</strong>n<br />
auf kle<strong>in</strong>räumiger Ebene <strong>in</strong> Tökyö geschlossen werden kann.<br />
Für <strong>die</strong> Makro- und Mesoebene liegen zu Japan ke<strong>in</strong>e geographischen<br />
Analysen über Auslän<strong>der</strong><strong>verteilung</strong> vor, welche über e<strong>in</strong>en re<strong>in</strong> deskriptiven<br />
Ansatz h<strong>in</strong>ausg<strong>in</strong>gen/ <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel wird <strong>die</strong>se auch darm nur als<br />
e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Nebenaspekt <strong>der</strong> gesamten Auslän<strong>der</strong>"problematik" behandelt<br />
(vgl. z. B. GOHL (1976: 108-109), TANAKA (1991: 30-34) o<strong>der</strong> JMS<br />
und KJMK (1993: 37-38)). Auch für an<strong>der</strong>e Industrielän<strong>der</strong> ist e<strong>in</strong> relativer<br />
Mangel an Analysen zu verzeichnen, <strong>die</strong> sich mit <strong>der</strong> <strong>räumliche</strong>n<br />
Verteilung ethnischer M<strong>in</strong>oritäten auf <strong>der</strong> Basis ganzer Prov<strong>in</strong>zen, Regierungsbezirke<br />
o<strong>der</strong> selbst von Geme<strong>in</strong>den beschäftigen (WHITE 1993:<br />
58). Vermutlich ist <strong>die</strong>s so, weil man es auf <strong>die</strong>sen Ebenen nicht mit<br />
geschlossenen Konzentrationen von M<strong>in</strong>oritäten zu tun hat und daher<br />
ke<strong>in</strong> gesellschaftspolitischer Handlungsbedarf gesehen wird. Nichtsdestoweniger<br />
zeigen sich auch hier markante Verteilungsmuster (vgl.<br />
BÄHR, JENTSCH und KULS 1992: 662-670), <strong>die</strong> oft regionale Arbeitsmarktstrukturen<br />
wi<strong>der</strong>spiegeln, aber auch H<strong>in</strong>weise auf Art und Ursachen<br />
des zeitlichen Ausbreitungsprozesses von ausländischer Bevölkerung<br />
geben können (vgl. hierzu etwa <strong>die</strong> Arbeit von GIESE (1978)). Es ersche<strong>in</strong>t<br />
somit als gerechtfertigt, sich auch für Japan näher mit <strong>die</strong>sen Raumebenen<br />
zu beschäftigen.<br />
2. DIE JÜNGERE ENTWICKLUNG DER AUSLÄNDERBEVÖLKERUNG<br />
IN JAPAN<br />
E<strong>in</strong>en komprimierten E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> <strong>die</strong> zahlenmäßige Entwicklung und<br />
<strong>die</strong> Nationalitätenstruktur <strong>der</strong> sich <strong>in</strong> Japan legal aufhaltenden Auslän<strong>der</strong>bevölkerung<br />
seit 1980 bietet Tab. 1. Deutlich wird zunächst <strong>der</strong> markante<br />
Anstieg <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong> <strong>in</strong>sgesamt seit Mitte <strong>der</strong> 80er<br />
Jahre auf über 1,3 Millionen Personen zum Ausgang des Jahres 1993,<br />
7 Beispiele für solche beschreibenden Untersuchungen bilden im H<strong>in</strong>blick auf<br />
<strong>die</strong> Stadtbezirksebene <strong>in</strong> Täkyä etwa <strong>die</strong> Aufsätze von TSUCHIDA und WATANABE<br />
(1986) und WATADO (1988).<br />
125
was e<strong>in</strong>e Vermehrung gegenüber dem Jahr 1980 um das l,7fache bedeutet.<br />
Der Anteil <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung an <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung<br />
Japans (Ende 1993 waren es geschätzte 124.764.000 Personen)<br />
beträgt somit nunmehr 1,06%, was aber e<strong>in</strong>en im <strong>in</strong>ternationalen Vergleich<br />
immer noch sehr ger<strong>in</strong>gen Wert darstellt: In <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Deutschland etwa machte Ende 1991 <strong>der</strong> Anteil ausländischer Bevölkerung<br />
an <strong>der</strong> Gesamtpopulation 7,3% aus (STATISTISCHES BUNDESAMT 1993:<br />
72), <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz waren es 1987/88 gar 15,4% (BÄHR, JENTSCH und<br />
KULS 1992: 647).<br />
Aus <strong>der</strong> Tabelle läßt sich weiterh<strong>in</strong> erkennen, daß zunächst, d. h. bis<br />
etwa 1990, vor allem <strong>die</strong> Zuwan<strong>der</strong>ung von Ch<strong>in</strong>esen (wor<strong>in</strong> taiwanesisehe<br />
Staatsbürger e<strong>in</strong>geschlossen s<strong>in</strong>d) zur Gesamtentwicklung beigetragen<br />
hat. Des weiteren ist seit Mitte <strong>der</strong> 80er Jahre auch <strong>der</strong> Zustrom von<br />
Filip<strong>in</strong>os und überwiegend <strong>japan</strong>ischstärrunigen Mittel- und Südamerikanern<br />
(beson<strong>der</strong>s Brasilianern) von Bedeutung. Seit etwa 1990 tragen<br />
hauptsächlich letztere zur weiteren Zunahme <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung<br />
<strong>in</strong> Japan bei, während <strong>die</strong> Zuwan<strong>der</strong>ungsrate von Ch<strong>in</strong>esen und auch von<br />
Filip<strong>in</strong>os etwas zurückgegangen ist. Vergleichsweise unerheblich war und<br />
ist <strong>der</strong> Anstieg <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zahl von Auslän<strong>der</strong>n aus dem westlich geprägten<br />
Kulturraum, e<strong>in</strong> Faktum, das offenbar <strong>in</strong> Japan selbst bislang noch nicht<br />
genügend bekannt und umgesetzt worden ist. s Als von quantitativ untergeordneter<br />
Bedeutung, aber mit ansteigen<strong>der</strong> Tendenz und bemerkenswert<br />
im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e weitere nationale Diversifizierung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung,<br />
stellt sich wie<strong>der</strong>um <strong>die</strong> Entwicklung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zahl von<br />
Afrikanern und "sonstigen Asiaten" dar, worunter vor allem Südostasiaten,<br />
<strong>in</strong> zunehmendem Maße aber auch Personen aus süd- und westasiatischen<br />
Staaten wie Bangla Desh, Pakistan o<strong>der</strong> <strong>der</strong>n Iran fallen. Die Koreaner,<br />
bis zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> 80er Jahre fast e<strong>in</strong> Synonym für "Auslän<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />
Japan", haben sich <strong>in</strong> ihrer Zahl h<strong>in</strong>gegen während des Betrachtungszeitraums<br />
kaum verän<strong>der</strong>t: Neuerd<strong>in</strong>gs wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>setzende Arbeitsmigration<br />
überwiegend gut ausgebildeter Personen aus Südkorea (vgl. z. B. Aera<br />
21.3.1994: 48-51) wird durch jährlich etwa 5000 E<strong>in</strong>bürgerungen bereits<br />
lange ansässiger Koreaner (RINGHOFER 1990: 96-98) nahezu kompensiert,<br />
so daß mittlerweile nur noch <strong>die</strong> Hälfte aller legalen Auslän<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en koreanischen<br />
Paß besitzt. Bedeutende Kont<strong>in</strong>gente von mehr als zehn Prozent<br />
an <strong>der</strong> ausländischen Gesarntpopulation stellen nunmehr auch Ch<strong>in</strong>esen<br />
und Brasilianer.<br />
126<br />
S Vgl. etwa <strong>die</strong> überwiegend englischsprachig-bil<strong>in</strong>gualen Straßenschil<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>japan</strong>ischen<br />
Städten o<strong>der</strong> <strong>die</strong> auf Anglophone zugeschnittenen Japanisd1kurse<br />
im <strong>japan</strong>isd1en Fernsehen, weiterh<strong>in</strong> <strong>die</strong> Ausführungen <strong>in</strong> Fußnote 5.
Die Gründe für <strong>die</strong>se Entwicklung s<strong>in</strong>d vielfältig und sollen hier nur<br />
stichwortartig erwälmt werden. 9 Den allgeme<strong>in</strong>en Rahmen setzen ökonomische<br />
Faktoren wie das wirtschaftliche Gefälle zwischen Japan und se<strong>in</strong>en<br />
Nachbarlän<strong>der</strong>n, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>die</strong> krassen Lohnunterschiede, <strong>die</strong> sich<br />
seit <strong>der</strong> durch das Plaza-Abkommen 1985 angeregten Yen-Aufwertung<br />
nochmals stark vergrößert haben. Weiterh<strong>in</strong> existiert e<strong>in</strong> gravieren<strong>der</strong> Arbeitskräftemangel<br />
<strong>in</strong> Teilbereichen <strong>der</strong> <strong>japan</strong>ischen Wirtschaft wie den<br />
Kle<strong>in</strong>- und Mittelunternehmen des produzierenden Sektors, <strong>der</strong> Bauwirtschaftund<br />
des Gaststätten- und Vergnügungsgewerbes, <strong>der</strong> durch <strong>die</strong> spekulativ<br />
aufgeheizte Hochkonjunktur (bubble economy) zwischen 1986 und<br />
1991, demographische Faktoren (Rückgang <strong>der</strong> Zahl junger Erwerbspersonen)<br />
sowie durch Arbeitsnachfrageverän<strong>der</strong>ungen (zunehmende Ablehnung<br />
"schwieriger" und schlechtbezahlter Arbeiten durch Japaner)<br />
hervorgerufen ist (HERBERT 1993: 5; SHIMADA 1994: 33-35). An<strong>der</strong>e Faktoren<br />
betreffen eher <strong>die</strong> wirtschaftliche Lage <strong>in</strong> den Entsen<strong>der</strong>län<strong>der</strong>n. Dabei<br />
muß zwischen Län<strong>der</strong>n, <strong>in</strong> denen hohe Arbeitslosigkeit und rnangelnde<br />
Perspektiven zur zurn<strong>in</strong>dest temporären Auswan<strong>der</strong>ung von Arbeitskräften<br />
führen (beispielsweise <strong>die</strong> Philipp<strong>in</strong>en; vgl. AMANTE 1992: 83-85), und<br />
solchen Län<strong>der</strong>n, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e modeme <strong>in</strong>dustrielle Entwicklung <strong>in</strong>Gang<br />
gekorrunen ist (beispielsweise <strong>die</strong> Volksrepublik Ch<strong>in</strong>a), unterschieden<br />
werden. Die Situation <strong>in</strong> den letztgenarmten Län<strong>der</strong>n erzeugt bei e<strong>in</strong>zelnen,vor<br />
allem höhergebildeten und <strong>in</strong>formierten Personene<strong>in</strong>e Aufbruchstimmung,<br />
<strong>die</strong> u. a. auch <strong>die</strong> Motivation e<strong>in</strong>schließt, über zeitweilige Arbeit<br />
<strong>in</strong> Japan Geld für e<strong>in</strong>e EXistenzgründung im Heimatland zu erwirtschaften<br />
(vgl. TAJIMA (1992: 82-85) und SHlMADA (1994: 35-36». Schließlich<br />
wird auch <strong>die</strong> Abflachung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Entwicklung <strong>in</strong> den erdölexportierenden<br />
Staaten des Nahen und Mittleren Ostens seit Mitte <strong>der</strong><br />
80er Jahre als e<strong>in</strong> Argurrlent angeführt (vgl. u. a. HERBERT 1993: 5), mit dem<br />
sich wohl <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>die</strong> jüngste Zuwan<strong>der</strong>ung aus den islamischen<br />
Län<strong>der</strong>n Süd- und Westasiens erklären läßt.<br />
Teilweise als Reaktion auf den durch <strong>die</strong> genarmten Faktoren entstandenen<br />
Zuwan<strong>der</strong>ungsdruck, teilweise aber auch <strong>die</strong> Zuwan<strong>der</strong>ungen erst<br />
stimulierend, hat es seit den frühen 80er Jahren e<strong>in</strong>e ganze Reihe von<br />
gesetzlichen Än<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong>Japan gegeben, <strong>die</strong> schließlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Revision<br />
des E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungskontrollgesetzes (NyükanhiJ) von 1990 kulrn<strong>in</strong>ierte. So<br />
wurde 1982 <strong>der</strong> Visastatus des "Praktikanten" (kenshüsei) neu e<strong>in</strong>gerichtet,<br />
<strong>der</strong> <strong>japan</strong>ischen Firmen <strong>die</strong> Möglichkeit geben sollte, <strong>in</strong> Japan Personen<br />
aus asiatischen Län<strong>der</strong>n für ihre dortigen Zweig- o<strong>der</strong> Tochternie<strong>der</strong>las-<br />
128<br />
9 Vgl. für e<strong>in</strong>e ausführliche und kritische Diskussion <strong>der</strong> verschiedenen Erklärungsansätze<br />
zum Phänomen <strong>der</strong> Arbeitsrnigration nach Japan <strong>in</strong> deutscher<br />
Sprache auch <strong>die</strong> Arbeit von HERBERT (1993: <strong>in</strong>sb. 2-16).
Die <strong>räumliche</strong> Verteilung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>in</strong> Japan<br />
sungen auszubilden, schon bald aber zu e<strong>in</strong>em juristischen Schlupfloch<br />
für <strong>die</strong> unkontrollierte Rekrutierung billiger Arbeitskräfte aus dem Ausland<br />
geriet. Im Herbst 1984 lockerte man <strong>die</strong> E<strong>in</strong>reisebestimmungen für<br />
Auslandsstudenten und hob das generelle Arbeitsverbot für <strong>die</strong>se auf,<br />
was zusammen mit dem unzureichenden Angebot an Stipen<strong>die</strong>n schon<br />
bald dazu führte, daß nunmehr viele ausländische Studenten, vor allem<br />
Fach- und Japanischschüler (shügakusei), ihr Studiumvernachlässigen und<br />
schlechtbezahlte Arbeiten zur notwendigen Sicherung ihres Lebensunterhaltes<br />
verrichten. Teilweise sche<strong>in</strong>en mit dem Visastatus e<strong>in</strong>es Studenten<br />
versehene Personen aber auch von vornhere<strong>in</strong> mit Arbeitsabsichten nach<br />
Japan gekommen zu se<strong>in</strong>. 1990 schuf man im Rahmen <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung des<br />
Nyükanhö schließlich für <strong>japan</strong>ischstämmige Südamerikaner (nikkeij<strong>in</strong>)<br />
und anerkannte Asylbewerber (vorwiegend Vietnamesen) den Visastatus<br />
e<strong>in</strong>es "Ansässigen" (teijüsha), <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e une<strong>in</strong>geschränkte Arbeitserlaubnis<br />
mit e<strong>in</strong>schließt (HERBERT 1993: 81-82, 89, 92-93). Der Zweck <strong>die</strong>ser letzten<br />
Gesetzesän<strong>der</strong>ung ist offensichtlich: Die zur Behebung des Arbeitskräftemangels<br />
<strong>in</strong> Japan offenbar unvermeidliche Zuwan<strong>der</strong>ung aus dem Ausland<br />
wird <strong>in</strong> Richtung auf ethnisch und kulturell nah und damit assimilierbar<br />
ersche<strong>in</strong>ende Personenkreise gelenkt. Entsprechend verstärkte sich<br />
seit 1990 <strong>die</strong> Immigrationsbewegung von Personen aus Brasilien und an<strong>der</strong>en<br />
late<strong>in</strong>amerikanischen Staaten.<br />
Komplementär zu <strong>die</strong>sen rechtlichen E<strong>in</strong>reiseerleichterungen <strong>in</strong> Japan<br />
gab es speziell <strong>in</strong> den Nachbarlän<strong>der</strong>n Japans während <strong>der</strong> 80er Jahre auch<br />
Erleichterungen bei den Ausreisebestimmungen, so <strong>in</strong> Taiwan, Südkorea<br />
und schließlich 1986 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Volksrepublik Ch<strong>in</strong>a (vgl. TAJlMA 1994: 36, 52).<br />
Zu betonen bleibt, daß <strong>die</strong> seit etwa Mitte <strong>der</strong> 80er Jahre zu beobachtende<br />
Arbeitsmigration nach Japan bislang ohne Werbung o<strong>der</strong> Vermittlung<br />
seitens staatlicher <strong>japan</strong>ischer Behörden erfolgt ist. Es existiert auch<br />
gar ke<strong>in</strong> Visastahls, <strong>der</strong> auf <strong>die</strong> Situation <strong>der</strong> meisten Migranten <strong>in</strong> etwa<br />
zugeschnitten ist, da man <strong>die</strong> Zuwan<strong>der</strong>ung ungelernter ausländischer<br />
Arbeitskräfte im Pr<strong>in</strong>zip weiterh<strong>in</strong> ablelmt. Die bereits genannte Ausnahme<br />
stellen <strong>japan</strong>ischstämmige Personen aus late<strong>in</strong>amerikanischen Staaten<br />
dar. Dieser Zustand führt - oft unter Beteiligung dubioser professioneller<br />
Arbeitsvermittler --letztlich dazu, daß an<strong>der</strong>e Visastatus zweckentfremdet<br />
werden bzw. <strong>der</strong> Aufenthalt nach Ablauf des Visums illegal fortgesetzt<br />
wird (HERBERT 1993: 2--4). Infolgedessen bilden <strong>die</strong> offiziellen Auslän<strong>der</strong>statistiken<br />
<strong>die</strong> tatsächliche Situation nur partiell zutreffend ab/ o im be-<br />
10 Trotz <strong>die</strong>ser Probleme h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Zuverlässigkeit und Aussagekraft <strong>der</strong><br />
offiziellen Daten wurden sie <strong>der</strong> quantitativen Analyse <strong>die</strong>ser Arbeit zugrunde<br />
gelegt, da m. E. zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> <strong>räumliche</strong>r H<strong>in</strong>sicht ke<strong>in</strong>e größeren systematischen<br />
Abweichungen von <strong>der</strong> Realität zu erwarten s<strong>in</strong>d.<br />
129
son<strong>der</strong>en sollte man sich davor hüten, <strong>die</strong> Klassifikation nach Visastatus<br />
im wortwörtlichen S<strong>in</strong>ne zu verstehen.<br />
Gleichwohl kann <strong>die</strong>se Klassifikation e<strong>in</strong>ige H<strong>in</strong>weise auf <strong>die</strong> Tätigkeiten<br />
geben, denen bestimmte Auslän<strong>der</strong>gruppen <strong>in</strong> Japan nachgehen,<br />
wenngleich sie mehr noch über <strong>die</strong> rechtliche Stellung und <strong>die</strong> Wege verrät,<br />
auf denen Auslän<strong>der</strong> nach Japan gelangt s<strong>in</strong>d. In Tab. 2 wurde versucht,<br />
e<strong>in</strong>zelne Visastatus zu aussagekräftigen Gruppen zusammenzufassen<br />
und <strong>die</strong> Verteilung <strong>der</strong> legal <strong>in</strong> ganz Japan wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hauptstadtpräfektur<br />
Tökyö sich aufhaltenden Auslän<strong>der</strong> auf <strong>die</strong>se Gruppen abzubilden.<br />
Es zeigt sich, daß <strong>in</strong> Japan <strong>in</strong>sgesamt gut <strong>die</strong> Hälfte <strong>der</strong> ausländischen<br />
Bevölkerung e<strong>in</strong> Daueraufenthaltsrecht (eijüken) besitzt. Ganz überwiegend<br />
handelt es sich hierbei um Koreaner sowie e<strong>in</strong>ige tausend taiwanstämrnige<br />
Ch<strong>in</strong>esen, <strong>die</strong> bereits seit mehreren Generationen, undzwar seit<br />
<strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> <strong>japan</strong>ischen Okkupation <strong>die</strong>ser beiden Län<strong>der</strong> vor und während<br />
des Zweiten Weltkriegs <strong>in</strong> Japan ansässig s<strong>in</strong>d. Zusammen mit den<br />
schon erwähnten "ansässigen" Südamerikanern und den mit <strong>japan</strong>ischen<br />
Staatsbürgern verwandten o<strong>der</strong> verheirateten Personen 11 bilden sie e<strong>in</strong>e<br />
Gruppe von Auslän<strong>der</strong>n mit vergleichsweise sicherem Aufenthaltsrecht<br />
und une<strong>in</strong>geschränkter Arbeitserlaubnis; auf gesarntstaatlicher Ebene<br />
s<strong>in</strong>d <strong>die</strong>s imrnerh<strong>in</strong> 76,1% aller legal sich <strong>in</strong>Japanaufhaltenden Auslän<strong>der</strong>.<br />
Die übrigen 23,9% verteilen sich relativ gleichrrläßig auf <strong>die</strong> sonstigen Statusgruppen,<br />
von denen aber nur <strong>die</strong> oberen sechs <strong>in</strong> Tab. 2 abgebildeten<br />
Kategorien genaue Tätigkeitsbezeichnungen enthalten; hierauf entfallen<br />
nicht mehr als 16,2% <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung.<br />
Nach Nationen aufgeglie<strong>der</strong>t zeigt sich (vgl. NYÜl
elativ günstige Bed<strong>in</strong>gungen bieten, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Präfektur Tökyö "nur" 50,5%<br />
aller legal gemeldeten Auslän<strong>der</strong>. Es sche<strong>in</strong>t mith<strong>in</strong> deutliche regionale<br />
Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verteilung von Auslän<strong>der</strong>n <strong>in</strong> Japan zu geben, denen<br />
nunmehr im folgenden Abschnitt auf <strong>der</strong> Basis aller 47 Präfekturen (to,<br />
da, fu, ken) genauer nachgegangen werden soll.<br />
3. DAS GROSSRÄUMIGE VERBREITUNGSMUSTER VON AUSLÄNDERN<br />
IN JAPAN<br />
Bereits e<strong>in</strong> flüchtiger Blick auf Abb. 1 zeigt, daß sich <strong>die</strong> Auslän<strong>der</strong>anteile<br />
auf präfekturaler Ebene gut <strong>in</strong> das <strong>räumliche</strong> Stadt-Land-Gefälle e<strong>in</strong>passen.<br />
12 Hohe Werte treten <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e entlang <strong>der</strong> hochverstädterten Achse<br />
zwischen Tökyö und dem Großraum Ösaka/Köbe auf; daneben existieren<br />
nur noch zwei Räume (<strong>die</strong> Präfekturen Yamaguchi und Gunma) mit<br />
Anteilswerten von mehr als e<strong>in</strong>em Prozent an <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung.<br />
Die peripheren Regionen Hokkaidä, Töhoku, Shikoku und Kyüshü sowie<br />
<strong>der</strong> <strong>japan</strong>meerseitige Teil <strong>der</strong> Chügoku-Region s<strong>in</strong>d fast durchweg durch<br />
unterdurchschnittliche Auslän<strong>der</strong>anteile charakterisiert.<br />
Dieses an sich klare Muster ist freilich das Ergebnis höchst unterschiedlicher<br />
Verteilungen e<strong>in</strong>zelner Gruppen. Bereits e<strong>in</strong>e grobe Unterscheidung<br />
nach <strong>der</strong> überwiegend koreanischen, alte<strong>in</strong>gesessenen Bevölkerung mit<br />
Daueraufenthaltsrecht und den übrigen Auslän<strong>der</strong>n macht <strong>die</strong>s deutlich.<br />
So lebt <strong>der</strong> erstgenannte Personenkreis vorwiegend <strong>in</strong> den bzw. im Umkreis<br />
<strong>der</strong> stärker verstädterten Präfekturen des westlichen Japan (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
im Raum Ösaka) sowie <strong>in</strong> Täkyä, während <strong>die</strong> meist erst während<br />
<strong>der</strong> letzten zehn Jahre <strong>in</strong>s Land gekomrnene letztere Gruppe <strong>die</strong>se Präfekturen<br />
auffällig meidet und stattdessen mit dem gesamten Kantö-Raum<br />
und dem Tökai-Bereich von <strong>der</strong> Präfektur Shizuoka über <strong>die</strong> Metropolregion<br />
Nagoya bis nach Shiga-ken e<strong>in</strong>en stärker nach Osten verschobenen<br />
Verbreitungsschwerpunkt aufweist (eig. Berechnungen nach NYüKAN Kyö<br />
KAI (1993: 54-57)). In etwa <strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>ne läßt sich auch Abb. 2 <strong>in</strong>terpretieren:<br />
Hohe Zuwachsraten an ausländischer Bevölkerung von teilweise<br />
mehr als 200% während <strong>der</strong> letzten zehn Jahre zeigen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>die</strong><br />
umden BallungskernTäkyö gelagerten Präfekturen, woh<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong>e Zone<br />
vom westlichen Hokuriku (Präfekturen Ishikawa und Fukui) und dem<br />
Verdichtungsraum Ösaka über den nördlichen Inlandseeküstenraum bis<br />
nach Nord-Kyüshü nur wenig von <strong>der</strong> starken Zuwan<strong>der</strong>ung ausländischer<br />
Bevölkerung nach Japan berührt worden ist. Dennoch stellt mit<br />
12 E<strong>in</strong>e Übersicht <strong>der</strong> adm<strong>in</strong>istrativen Großglie<strong>der</strong>ung Japans bietet <strong>die</strong> den Aufsätzen<br />
des vorliegenden Bandes vorangestellte Karte.<br />
132
Die <strong>räumliche</strong> Verteilung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>in</strong> [apan<br />
E<strong>in</strong>schluß des E<strong>in</strong>zugsgebietes von Nagoya stagniert. Zwischen 1990 und<br />
1992 greift dann <strong>der</strong> Bereich hoher Zuwachsraten von <strong>der</strong> oben umschriebenen<br />
Zone bis <strong>in</strong> <strong>die</strong> südliche Töhoku-Region sowie <strong>die</strong> gesamte Chübu<br />
Region um Nagoya unter E<strong>in</strong>schluß <strong>der</strong> PräfekturenMie und Shiga aus,<br />
während <strong>der</strong> unmittelbare E<strong>in</strong>zugsbereich von Tökyö, <strong>der</strong> südliche Kantö-Raum,<br />
nurmehr durchschnittliche Werte aufweist. Stagnation, z. T. sogar<br />
zurückgehende Anteilswerte s<strong>in</strong>d nach wie vor <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für <strong>die</strong><br />
K<strong>in</strong>ki-Region umÖsaka und Kyöto kermzeichnend. Seit Beg<strong>in</strong>n des Jahres<br />
1993 schließlich sche<strong>in</strong>t <strong>die</strong> räurrl1iche Entwicklung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e völlig neue Phase e<strong>in</strong>getreten zu se<strong>in</strong>, <strong>in</strong>dem nun speziell<br />
<strong>in</strong> ländlichen Bereichen wie etwa <strong>in</strong> den meisten <strong>der</strong> <strong>der</strong>n Japanischen<br />
Meer zugewandten Präfekturen unter E<strong>in</strong>schluß von Nagano-ken sowie<br />
auf Shikoku und Süd-Kyüshü <strong>die</strong> höchsten Zuwachsraten auftreten, während<br />
alle verstädterten Zonen von Tökyö im Osten bis Fukuoka imWesten,<br />
aber auch <strong>die</strong> Präfekturen des nördlichen Kantö gleichbleibende o<strong>der</strong> s<strong>in</strong>kende<br />
Anteilswerte verzeichnen. Das bisherige Ost-West-Gefälle bei den<br />
Zuwan<strong>der</strong>ungsraten <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung hat sich mith<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong> Land-Stadt-Gefälle verwandelt (eig. Berechnungen nach HÖMU DAI}IN<br />
(1984: 184; 1994: 196) und NYüKAN KYÖKAI (1991: 42; 1993: 42)).<br />
Es stellt sich nunmehr <strong>die</strong> Frage, wie <strong>die</strong> verschiedenen ausländischen<br />
Nationalitäten über den Raum h<strong>in</strong>weg verteilt s<strong>in</strong>d. Da <strong>die</strong> Behandlung<br />
je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Nationalität freilich den Rahmen <strong>der</strong> vorliegenden Analyse<br />
gesprengt hätte, wurde e<strong>in</strong>e Gruppierung <strong>der</strong> Präfekturen nach <strong>der</strong><br />
ethnischen Zusammensetzung ihrer Auslän<strong>der</strong>bevölkerung mittels <strong>der</strong><br />
sogenannten Clusteranalyse vorgenomrnen. 13 Hierdurch lassen sich nicht<br />
nur <strong>die</strong> E<strong>in</strong>zel<strong>verteilung</strong>en zu e<strong>in</strong>em übersichtlichen Bild zusammenfas-<br />
13 Vgl. e<strong>in</strong> ähnliches Vorgehen bei LAUX und THIEME (1992: 197-198). Im Unterschied<br />
zur Analyse <strong>die</strong>ser beiden Autoren wurden allerd<strong>in</strong>gs im vorliegenden<br />
Fall <strong>in</strong>folge <strong>der</strong> zahlenmäßigen Ger<strong>in</strong>gfügigkeit <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Auslän<strong>der</strong>anteile<br />
<strong>in</strong> Japan nicht <strong>die</strong> jeweiligen Prozentanteile aller <strong>der</strong> zu Gruppen zusammengefaßten<br />
Ethnien an <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung, son<strong>der</strong>n nur <strong>die</strong> Anteile <strong>der</strong><br />
ausländischen Ethnien an <strong>der</strong> gesamten Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>der</strong> Klassifikation<br />
zugrunde gelegt. Da jedoch nur <strong>die</strong> Beachtung von Zusammensetzung<br />
und quantitativem Umfang <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>population zu Clustern führen dürfte,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> jeweilige "Problematik" umfassend berücksichtigen, wurde weiterh<strong>in</strong><br />
auf das Merkmal "Anteil aller Auslän<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung" als<br />
zusätzliche Ausgangsvariable <strong>der</strong> Clusteranalyse zurückgegriffen. Die Gruppenbildung<br />
erfolgte auf <strong>der</strong> Basis des nach dem Pr<strong>in</strong>zip des m<strong>in</strong>imalen Distanzzuwachses<br />
operierenden Ward'schen Verfahrens, um e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>igermaßen<br />
ausgeglichene Verteilung <strong>der</strong> Raume<strong>in</strong>heiten auf <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zelnen Cluster zu gewährleisten<br />
(vgl. zur Verwendung <strong>der</strong> Clusteranalyse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geographie näher<br />
BAHRENBERG, GIESE und NIPPER (1992 2 : 278-315)).<br />
135
sen; <strong>die</strong> Ergebnisse sollten vielmehr auch e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck von dem <strong>räumliche</strong>n<br />
Konzentrationsgrad e<strong>in</strong>zelner Nationalitäten liefern. Über<strong>die</strong>s ist<br />
durch <strong>die</strong> nachträgliche Zuordnung weiterer Variablen e<strong>in</strong>e umfassende<br />
Charakterisierung <strong>der</strong> erhaltenen <strong>räumliche</strong>n "Auslän<strong>der</strong>strukturcluster"<br />
möglich.<br />
Aus Tab. 3 kann nun anhand <strong>der</strong> arithmetischen Mittelwerte für <strong>die</strong><br />
Prozentanteile e<strong>in</strong>zelner Gruppen von Nationalitäten, den Auslän<strong>der</strong>anteil<br />
an <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung <strong>in</strong> Promille, <strong>die</strong> Zahl weiblicher Auslän<strong>der</strong><br />
je 100 männliche Auslän<strong>der</strong> (Sexualproportion) sowie <strong>die</strong> prozentualen<br />
Verän<strong>der</strong>ungsraten zwischen 1982 und 1992 e<strong>in</strong>e Vorstellung von dem<br />
Charakter <strong>der</strong> <strong>in</strong>sgesamt acht gebildeten Gruppen gewonnen werden. Zugleich<br />
wurden mittels e<strong>in</strong>er Varianzanalyse sogenamlte Eta 2 -Werte ermittelt,<br />
<strong>die</strong> für jedes <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tabelle aufgeführten Merkmale den Anteil<br />
<strong>der</strong> <strong>räumliche</strong>n Varianz angeben, <strong>der</strong> durch <strong>die</strong> gewählte Gruppene<strong>in</strong>teilung<br />
statistisch "erklärt" wird. Bemerkenswerterweise treten nichtnur <strong>die</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong> Clusteranalyse aufgenommenen Nationalitätenvariablen sowie <strong>der</strong><br />
Auslän<strong>der</strong>gesamtanteil, son<strong>der</strong>n auch <strong>die</strong> übrigen fünf Variablen mit relativ<br />
hohen erklärten Varianzanteilen von stets über 50% hervor. Dies bedeutet,<br />
daß durch <strong>die</strong> vorliegende Gruppene<strong>in</strong>teilung <strong>die</strong> großräumige<br />
Differenzierung <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung <strong>in</strong> Japan im H<strong>in</strong>blick auf<br />
Struktur, numerische Stärke und jüngere Entwicklung gleichermaßen gut<br />
wie<strong>der</strong>gegeben wird. Die Zuordnung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Präfekturen <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />
verschiedenen Cluster läßt sich <strong>der</strong> Abb. 3 entnehnlen.<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 Eta 2<br />
Auslän<strong>der</strong>anteil 1992 <strong>in</strong> %0 2,09 2/84 11/03 9/21 6/22 11,47 21/19 5/56 .8125<br />
Sexualproportion 90 86 104 106 93 112 100 107 .5165<br />
% Ch<strong>in</strong>esen 21,4 16/6 21/2 11,7 8/6 6/6 8/4 25/1 .6600<br />
% Koreaner 37,6 46/1 33/2 19/5 68/8 50/9 81/0 4/3 .8558<br />
% Filip<strong>in</strong>os 13,9 12/6 8/0 8/4 6/2 3,4 2/1 18/6 .5795<br />
% Sonstige Asiaten 6,0 4/0 8/0 5,1 2/2 1/8 1/9 5/2 .7534<br />
% Europäer 3/3 2/0 3/2 1/2 1,4 0/8 1,4 2/3 .5391<br />
% Nordamerikaner 8/1 6,1 4/9 2,5 3,4 1/7 2/0 26/6 .8778<br />
% Brasilianer 4/8 9/0 15/0 39,7 6/6 30/2 1/9 2/2 .7594<br />
% Sonst. Late<strong>in</strong>amerikaner 2/3 2/0 5,2 11/2 1/9 4/0 0/8 13/7 .8209<br />
% Sonstige 2/6 1/5 1,4 0/8 0/9 0/6 0/6 2/0 .7560<br />
% Wandel 1982-92 59/8 72,4 152/2 320/2 21/3 64/9 7/0 35/3 .8334<br />
% Wandel 1982-87 5,6 6/2 24,4 20,1 -0/7 -3/0 -0/1 -4/9 .7097<br />
% Wandel 1987-90 25/0 26/2 51/3 110/1 8/7 22/5 3,4 25/6 .7618<br />
% Wandel 1990-92 20,7 26/1 33/0 67/0 12/1 38/8 3/6 13/2 .7006<br />
Tab. 3: Clusteranalyse: Ausgewählte Strukturmerkmale <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>-Raumtypen<br />
na(h Präfekturen<br />
Quelle: Eigene Beredm1..mgen nach NYÜI
81 % an <strong>der</strong> gesamten ausländischen Bevölkerung. Ähnlich dom<strong>in</strong>iert auch<br />
bei Gruppe 5, <strong>die</strong> sich <strong>in</strong> direktem <strong>räumliche</strong>n Anschluß an Gruppe 7 über<br />
Nord-Kyushu, <strong>die</strong> Chugoku-Region und e<strong>in</strong>ige Präfekturen des äußeren<br />
K<strong>in</strong>ki-Raumes erstreckt, <strong>der</strong> koreanische Bevölkerungsanteil, doch bleibt<br />
hier <strong>die</strong> relative Zahl aller Auslän<strong>der</strong> deutlich h<strong>in</strong>ter <strong>der</strong> vorgenarmten<br />
Gruppe zurück. Es ist unschwer anzunehmen, daß <strong>die</strong>se Tatsache von<br />
deIn städtischeren Charakter <strong>der</strong> <strong>in</strong> Gruppe 7 zusammengeschlossenen<br />
Präfekturen bee<strong>in</strong>flußt worden ist. Beide Gruppen ähneln sich aber wie<strong>der</strong>Ul'n<br />
im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>en nur ger<strong>in</strong>gen Anstieg <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zahl von Auslän<strong>der</strong>n<br />
seit 1982.<br />
Die Gruppen 3 und vor allem 4 erfassen dagegen Räume, <strong>in</strong> denen<br />
das e<strong>in</strong>gangs geschil<strong>der</strong>te Phänomen <strong>der</strong> neuerlichen Zuwan<strong>der</strong>ung<br />
ausländischer Bevölkerung nach Japan hauptsächlich stattgefunden hat.<br />
In beiden Fällen ist <strong>die</strong> Bevölkerung mehrheitlich männlich, typisches<br />
Kennzeichen e<strong>in</strong>er vorwiegend durch (temporäre) ArbeitsInigration entstandenen<br />
Bevölkerungsgruppe (BÄHR, ]ENTSCH und KULS 1992: 152).<br />
Während allerd<strong>in</strong>gs bei Gruppe 3, <strong>die</strong> den Ballungsraum Tökyö umfaßt,<br />
Ch<strong>in</strong>esen, "sonstige Asiaten" und auch Europäer im Vergleich zu den<br />
an<strong>der</strong>en Gruppen relativ stark vertreten s<strong>in</strong>d, werden <strong>die</strong> Präfekturen<br />
<strong>in</strong> Gruppe 4, <strong>die</strong> sich halbkreisförmig um Gruppe 3 legt, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
durch hohe Anteile an Mittel- und 5üdarnerikanern geprägt. E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressante<br />
Vermittlerposition zwischen den Gruppen 3 und 4 e<strong>in</strong>erseits<br />
sowie 5 und 7 an<strong>der</strong>erseits nimmt Gruppe 6 e<strong>in</strong>, <strong>die</strong> mit dem E<strong>in</strong>zugsbereich<br />
von Nagoya gleichzusetzen ist. Die hier zusammengeschlossenen<br />
Präfekturen zeichneten sich ursprünglich durch e<strong>in</strong>en sehr hohen<br />
Koreaneranteil aus (vgl. HöMU DAIJIN 1983: 184-189) und zeigten <strong>der</strong>nentsprechend<br />
nur durchschnittliche bis unterdurchschnittliche Zuwachsraten<br />
an ausländischer Bevölkerung. Um 1990 allerd<strong>in</strong>gs wurde<br />
<strong>die</strong>ser Raum gewissermaßen von Osten her <strong>in</strong> den Bereich starker Zuwan<strong>der</strong>ung<br />
ausländischer Arbeitssuchen<strong>der</strong> e<strong>in</strong>bezogen; dabei hat sich<br />
vor allem <strong>der</strong> Anteil an Brasilianern stark erhöht. Auffällig ist weiterh<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong> sehr hoher Männerüberschuß.<br />
Die Gruppen 1 und 2 setzen sich aus vorwiegend ländlichen Präfekturen<br />
<strong>der</strong> räumlich peripheren Teile Japans zusammen. In beiden Fällen<br />
nimrnt <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>anteil e<strong>in</strong>en stark unterdurchschnittlichen Wert von<br />
unter 0,3% an; <strong>die</strong> Zuwachsraten während <strong>der</strong> letzten zehn Jahre halten<br />
sich auf e<strong>in</strong>em dem Landesmittel entsprechenden Niveau. E<strong>in</strong>en vergleichsweise<br />
hohen Anteil an <strong>der</strong> gesamten Auslän<strong>der</strong>bevölkerung stellen<br />
Filip<strong>in</strong>os bzw. Filip<strong>in</strong>as; möglicherweise hat <strong>die</strong>s den im Falle bei<strong>der</strong><br />
Gruppen zu beobachtenden hohen Frauenüberschuß mitbee<strong>in</strong>flußt. H<strong>in</strong>sichtlich<br />
<strong>der</strong> Nationalitätenzusammensetzung werden auch e<strong>in</strong>ige Unterschiede<br />
offenbar, <strong>die</strong> jedoch als nur graduell ersche<strong>in</strong>en. 50 spielen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
138
Die <strong>räumliche</strong> Verteilung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>in</strong> Tapan<br />
Kornposition <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung bei Gruppe 2 Koreaner und<br />
Brasilianer e<strong>in</strong>e recht bedeutende Rolle, während bei Gruppe 1 relativ<br />
hohe Anteile von Ch<strong>in</strong>esen, den "sonstigen Asiaten", Europäern und<br />
Nordarnerikanern hervortreten. E<strong>in</strong>e sehr eigentümliche Struktur kennzeichnet<br />
schließlich Gruppe 8, <strong>die</strong> nur aus <strong>der</strong> Präfektur Ok<strong>in</strong>awa besteht.<br />
Infolge se<strong>in</strong>er Eigenschaft als arnerikanischer Truppenstützpunkt, aber<br />
wohl auch aufgrund <strong>der</strong> Nähe zu Südostasien liegen <strong>die</strong> Anteile von Ch<strong>in</strong>esen,<br />
Filip<strong>in</strong>os und Nordamerikanern <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Raum weit über dem<br />
Landesdurchschnitt, während Koreaner kaum vertreten s<strong>in</strong>d. 14 Augenfällig<br />
ist auch <strong>die</strong> starke Präsenz von "sonstigen Late<strong>in</strong>amerikanern" im Kontrast<br />
zu e<strong>in</strong>em deutlich unterdurchschnittlichen Bevölkerungsanteil an<br />
Brasilianern. Hier dürfte mit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>spielen, daß etwa 80% <strong>der</strong> <strong>japan</strong>ischstämmigen<br />
Peruaner, aber nur rund 10% <strong>der</strong> Brasilianer ihre familiären<br />
Wurzeln <strong>in</strong> Ok<strong>in</strong>awa besitzen (vgl. ISHIYAMA 1989: 123).<br />
E<strong>in</strong>e Zusammenschau <strong>der</strong> Anteilswerte für <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zehlen Nationalitätengruppen<br />
vermittelt den E<strong>in</strong>druck, daß sowohl <strong>die</strong> koreanische als auch<br />
<strong>die</strong> (<strong>japan</strong>ischstämrnige) mittel- und südamerikanische Bevölkerung recht<br />
stark auf e<strong>in</strong>zelne Regionen konzentriert s<strong>in</strong>d und dort <strong>in</strong> hohem Maße<br />
das Bild <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>in</strong>sgesamt prägen, während im Falle<br />
<strong>der</strong> übrigen Gruppen e<strong>in</strong>e relativ ausgewogene Raum<strong>verteilung</strong> konstatiert<br />
werden kann von dem hohen Anteil <strong>der</strong> Nordarnerikaner auf<br />
Ok<strong>in</strong>awa e<strong>in</strong>mal abgesehen. Die Frage, wie stark das räurrlliche Verteilungsmuster<br />
<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Nationalitäten von dem <strong>der</strong> <strong>japan</strong>ischen Bevölkerung<br />
abweicht, läßt sich aus den Werten <strong>in</strong> Tab. 3 allerd<strong>in</strong>gs nicht<br />
beantworten. Es wurden daher sog. Dissimilaritäts<strong>in</strong>dizes, e<strong>in</strong>e Variante<br />
<strong>der</strong> <strong>in</strong> Abschnitt 1.1. angesprochenen Segregations<strong>in</strong>dizes, berechnet und<br />
damit <strong>die</strong> Stärke <strong>der</strong> Älmlichkeit zwischen <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong> <strong>japan</strong>ischen<br />
Staatsbürger und <strong>der</strong> <strong>der</strong> wichtigsten übrigen Nationalitäten ermittelt. 15<br />
14 Hier spiegelt sich wohl <strong>die</strong> Tatsache wi<strong>der</strong>, daß Ok<strong>in</strong>awa <strong>in</strong>folge se<strong>in</strong>er Abgelegenheit<br />
und Strukturschwäche vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zwischenkriegszeit selbst e<strong>in</strong><br />
bedeutendes Auswan<strong>der</strong>ungsgebiet darstellte (TAEuBER 1958: 179-180) und somit<br />
für damalige koreanische Arbeitsmigranten e<strong>in</strong> alles an<strong>der</strong>e als attraktives<br />
Zuwan<strong>der</strong>ungsgebiet war.<br />
15 Vgl. zu Methode und technischen Problemen <strong>der</strong> Berechnung KEMPER (1993:<br />
132-133). Segregations- und Dissimilaritäts<strong>in</strong>dex werden, wie oben bereits angedeutet,<br />
meist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sehr anwendungsbezogenen S<strong>in</strong>ne als Meßziffern für<br />
das Ausmaß sozialer Interaktion zwischen zwei Bevölkerungsgruppen <strong>in</strong>terpretiert<br />
und daher nahezu ausschließlich auf sehr kle<strong>in</strong>e Raume<strong>in</strong>heiten wie<br />
etwa Häuserblocks o<strong>der</strong> Stadtviertel angewandt. Die Berechnung des Dissimilaritäts<strong>in</strong>dex<br />
im vorliegenden Fall soll h<strong>in</strong>gegen nur <strong>die</strong> Stärke des statistischen<br />
Zusammenhangs zwischen den Raum<strong>verteilung</strong>en von Japanern und an<strong>der</strong>en<br />
Nationalitäten <strong>in</strong> Japan klären.<br />
139
Als Resultat ergab sich, daß Myarunarer, Iraner und Pakistani, aber auch<br />
Franzosen und Deutsche mit Werten von jeweils über 50 e<strong>in</strong>e von <strong>der</strong><br />
E<strong>in</strong>heimischenbevölkerung beson<strong>der</strong>s dist<strong>in</strong>kte Raum<strong>verteilung</strong> aufweisen,<br />
während e<strong>in</strong>e ethnisch gleichfalls sehr heterogene Gruppe, bestehend<br />
aus Indonesiern, Filip<strong>in</strong>os, Kana<strong>die</strong>rn und Australiern, mit Werten von<br />
unter 30 e<strong>in</strong> recht ähnliches Verteilungsmuster dokumentiert.<br />
Wie schon oben am Beispiel von Ok<strong>in</strong>awa <strong>der</strong>nonstriertwerden konnte,<br />
läßt sich e<strong>in</strong>e Interpretation <strong>der</strong> anhand von Tab. 3 und Abb. 3 aufsche<strong>in</strong>enden<br />
großräumigen Verteilungsmuster rnittels <strong>der</strong> vorhandenen Literatur<br />
und unter Verwendung landeskundlicher Basiskenntnisse recht e<strong>in</strong>fach<br />
bewerkstelligen, so daß auf den Weg e<strong>in</strong>er "statistischen Erklärung"<br />
rnittels <strong>der</strong> multiplen Regressionsanalyse 16 verzichtet wurde. Über <strong>die</strong><br />
<strong>räumliche</strong> Verbreitung <strong>der</strong> koreanischen Staatsbürger <strong>in</strong> Japan etwa gibt<br />
WEINER (1994: 124) e<strong>in</strong>en plausiblen Erklärungsansatz, wenn er anführt,<br />
daß <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>die</strong> west<strong>japan</strong>ischen Großstadträume und hiervor allem<br />
Ösaka während <strong>der</strong> Zwischenkriegszeit <strong>die</strong> bedeutendsten Handels- und<br />
Industriezentren des Landes darstellten, welche zu<strong>der</strong>n von <strong>der</strong> koreanischen<br />
Halb<strong>in</strong>sel z. T. über direkte Fährverb<strong>in</strong>dungen sehr gut erreichbar<br />
und damit für koreanische Arbeitsmigranten imbeson<strong>der</strong>en Maße attraktiv<br />
waren. Erstaunlich bleibt, daß sich <strong>die</strong>se <strong>räumliche</strong> Konzentration von<br />
Koreanern bis heute gehalten hat. E<strong>in</strong>e stärkere B<strong>in</strong>nenwan<strong>der</strong>ungsbewegung<br />
etwa <strong>in</strong> <strong>die</strong> Hauptstadtregion Tökyö ist aber wohl deshalb unterblieben,<br />
weil <strong>die</strong> dortige, sich auf adm<strong>in</strong>istrative Tätigkeiten und modeme<br />
Industriezweige stützende Wirtschaftsstruktur nur wenig Arbeitsmöglichkeiten<br />
für <strong>die</strong> weiterh<strong>in</strong> vorwiegend <strong>in</strong> <strong>in</strong>dustriellen Kle<strong>in</strong>betrieben<br />
und "nie<strong>der</strong>en" Dienstleistungsbereichen wie dem Vergnügungsgewerbe<br />
tätigen bzw. abgedrängten Koreaner (vgl. GOHL 1976: 108, 111-113; RrNG<br />
HOFER 1990: 104-105) bieten dürfte.<br />
Bei den südarnerikanischen nikkeij<strong>in</strong> wie<strong>der</strong>um spielt, abgesehen von<br />
dem Faktor "Herkunftsort <strong>der</strong> <strong>japan</strong>ischen Vorfahren" wie im Falle von<br />
Ok<strong>in</strong>awa, <strong>der</strong>en juristisch legalisierte E<strong>in</strong>setzbarkeit als ungelernte manuelle<br />
Arbeitskräfte e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle bei <strong>der</strong> regionalen Verteilung.<br />
Neben dem Baugewerbe und solchen Dienstleistungsbereichen, <strong>die</strong> ke<strong>in</strong>e<br />
beson<strong>der</strong>e Ausbildung verlangen, treten vor allem <strong>die</strong> nur ger<strong>in</strong>g autornatisierten<br />
Zulieferbetriebe <strong>der</strong> Automobil<strong>in</strong>dustrie als Wirtschaftsbereiehe<br />
hervor, <strong>die</strong> um 1990 unter starkem Arbeitskräftemangel litten und<br />
bevorzugt nikkeij<strong>in</strong> e<strong>in</strong>stellten (HERBERT 1993: 93-94). Deren Standorte ordnen<br />
sich überwiegend halbkreisförmig um den Ballungskern <strong>der</strong> Agglo-<br />
16 Vgl. zu <strong>die</strong>ser Methode näher BAHRENBERG, GIESE und NIPPER (1992 2 : 31-43) sowie<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong>sbezüglichen Ausführungen <strong>in</strong> Abschnitt 4 des vorliegenden Aufsatzes.<br />
140
Die <strong>räumliche</strong> Verteilung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>in</strong> Japan<br />
meration Tökyö an o<strong>der</strong> bef<strong>in</strong>den sich im Großraum Nagoya (vgl. KEN<br />
SETSUSHÖ KOKUDO CHIRIIN 1990: 124), was durch bekannte Markermamen<br />
wie Isuzu <strong>in</strong> <strong>der</strong> Präfektur Kanagawa, Honda <strong>in</strong> Saitama-, Mie- und Shizuoka-ken,<br />
Nissan <strong>in</strong> den Präfekturen Tochigi, Shizuoka und Kanagawa<br />
o<strong>der</strong> Toyota <strong>in</strong> <strong>der</strong> Präfektur Aichi illustriert werden kann. In etwa entsprechend<br />
gestaltet sich, wie sich aus Tab. 3 und Abb. 3 ersehen ließ, <strong>die</strong><br />
<strong>räumliche</strong> Verteilung <strong>der</strong> mittel- und südamerikanischen Staatsbürger <strong>in</strong><br />
Japan.<br />
Die starke Konzentration von ch<strong>in</strong>esischen E<strong>in</strong>wohnern (sowie vonethnischen<br />
Ch<strong>in</strong>esen aus südostasiatischen Staaten) im Großraum Tökyö erklärt<br />
sich weitgehend aus <strong>der</strong> Bildungsorientierung, <strong>die</strong> viele Personen<br />
<strong>die</strong>ser Bevölkerungsgruppe entwe<strong>der</strong> tatsächlich haben o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest<br />
als E<strong>in</strong>reisegrund vorgeben. Wie bereits oben angedeutet, bef<strong>in</strong>det sich<br />
e<strong>in</strong> Großteil <strong>der</strong> <strong>japan</strong>ischen Bildungse<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> o<strong>der</strong> um Tökyö;<br />
<strong>die</strong>s gilt umso mehr für Sprachschulen (TAJlMA 1994: 52).17 Räurnliche Nähe<br />
zur Heimat dürfte weiterh<strong>in</strong> den zweiten Verbreitungsschwerpunkt<br />
auf Kyüshü und Ok<strong>in</strong>awa verursacht haben.<br />
Filip<strong>in</strong>os bzw. Filip<strong>in</strong>as zeigen demgegenüber e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> <strong>japan</strong>ischen Bevölkerung<br />
recht ähnliche Verteilung, was durch e<strong>in</strong>en Dissirrlilaritäts<strong>in</strong>dexwert<br />
von 24,9, dem niedrigsten von 23 e<strong>in</strong>bezogenen Nationen, belegt<br />
werden kann. Dem entspricht, daß sich <strong>die</strong>se Nationalität mcht wie fast<br />
alle an<strong>der</strong>en Auslän<strong>der</strong>gruppen vornehmlich auf <strong>die</strong> urbanen Bereiche<br />
konzentriert, son<strong>der</strong>n auch im ländlichen Raum substantiell vertreten ist,<br />
wie wie<strong>der</strong>um <strong>die</strong> hohen Anteile <strong>in</strong> den Gruppen I, 2 und 8 (vgl. Tab. 3)<br />
dokumentieren. Auch <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Fall ist <strong>die</strong> <strong>räumliche</strong> Verteilung aber nur<br />
e<strong>in</strong> Spiegelbild <strong>der</strong> hauptsächlichen Aufenthaltsgründe und Tätigkeiten.<br />
Filip<strong>in</strong>as s<strong>in</strong>d als Ehefrauen vor allem <strong>in</strong> den von <strong>der</strong> Landwirtschaft<br />
dom<strong>in</strong>ierten Regionen ]apans "nachgefragt", wo sie auch dem Arbeitskräftemangel<br />
<strong>in</strong> bäuerlichen Familienbetrieben o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en ländlichen<br />
Kle<strong>in</strong>beh"ieben abhelfen sollen (HERBERT 1993: 25-27). Auch e<strong>in</strong>e Tätigkeit<br />
im Vergnügungsgewerbe istnicht notwendigerweise an große Metropolen<br />
gebunden.<br />
17 Das Motiv gerade von Ch<strong>in</strong>esen für e<strong>in</strong>en Sprachlem- o<strong>der</strong> sonstigen Fachschulaufenthalt<br />
<strong>in</strong> Japan wird von HERBERT (1993: 85) als unter an<strong>der</strong>em "politisch-sozial"<br />
charakterisiert, worunter er den Wunsch, <strong>in</strong>s Ausland zu kommen<br />
und dabei sozial aufzusteigen, faßt. Im H<strong>in</strong>tergrund dürfte dabei vor<br />
allem <strong>die</strong> <strong>der</strong>zeitige wirtschaftliche Aufbruchstimmung <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a und Südostasien<br />
stehen, <strong>die</strong> dazu anreizt, Wissen und Geld <strong>in</strong> Japan als dem räumlich<br />
nächsten Industrieland für e<strong>in</strong>e spätere Existenzgründung zu akkumulieren<br />
(vgl. TAJIMA 1992: 82-85).<br />
141
Europäer und Nordamerikaner schließlich orientieren sich auf den<br />
Raum Tökyö, da dort neben den Botschaften (<strong>der</strong>en Personal <strong>in</strong> den Auslän<strong>der</strong>statistiken<br />
garnicht erfaßt ist) auchnahezu sämtliche ausländischen<br />
Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzvertretungen lokalisiert s<strong>in</strong>d. Speziell seit <strong>der</strong> <strong>die</strong><br />
Importe nach Japan verbilligenden Yen-Aufwertung zur Mitte <strong>der</strong> 80er<br />
Jahre hat sich <strong>die</strong> Repräsentanz US-amerikanischer bzw. europäischer Unternehmen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>japan</strong>ischen Hauptstadt deutlich verstärkt (vgl. WATADO<br />
1988: 46). Weiterh<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e englischsprachige Auslän<strong>der</strong>gruppen<br />
auch iIn ländlichen Raum <strong>in</strong> nicht unerheblicher Zahl präsent, was<br />
man womöglich auf Sprachlehrtätigkeiten - Englisch wird als erste<br />
Fremdsprache an je<strong>der</strong> Oberschule und Universität des Landes gelehrtzurückführen<br />
kann.<br />
Wie bereits angeführt, zeigen sich seit dem Ende des Jahres 1992<br />
erste Anzeichen für e<strong>in</strong>e stärkere <strong>räumliche</strong> Dispersion von ausländischer<br />
Bevölkerung, was anhand von Abb. 3 und Tab. 3 nicht rnehr<br />
berücksichtigt werden korillte. 18 E<strong>in</strong>e stagnierende o<strong>der</strong> gar rückläufige<br />
Zahl an Auslän<strong>der</strong>n ist speziell <strong>in</strong> den Schwerpunktgebieten <strong>der</strong> Automobil<strong>in</strong>dustrie,<br />
so <strong>in</strong> den Präfekturen Tochigi, Gunma, Kanagawa o<strong>der</strong><br />
Aichi, zu verzeichnen, was deutlich <strong>die</strong> Auswirkungen <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen<br />
Wirtschaftsrezession <strong>in</strong> Japan auf stark exportabhängige Branchen wi<strong>der</strong>spiegelt.<br />
Auf <strong>der</strong> Suche nach neuen Arbeitsplätzen <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en, weniger<br />
stark von <strong>der</strong> Rezession bee<strong>in</strong>trächtigten Wirtschaftsbranchen ge-,<br />
langen ausländische Arbeitskräfte dabei verstärkt auch <strong>in</strong> den ländlichen<br />
Raum (KAJITA 1994: 100).19<br />
4. DIE VERTEILUNG VON AUSLÄNDERN AUF DER RÄUMLICHEN<br />
MESOEBENE - DAS FALLBEISPIEL TÖKYÖ-TO<br />
Wie bereits verschiedentlich angedeutet, wird <strong>die</strong> Zusammensetzung<br />
<strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung nach Nationen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Präfektur Tökyö<br />
entscheidend durch ihre Haupt- und Universitätsstadtfunktion bee<strong>in</strong><br />
Hußt. Aus Tab. 4 läßt sich ersehen, daß <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Ch<strong>in</strong>esen, aber<br />
18 Die Analysen waren bereits vor Veröffentlichung <strong>der</strong> neuen Daten im Herbst<br />
1994 abgeschlossen.<br />
19 Derzeit bieten <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>die</strong> Bautätigkeiten <strong>in</strong> Zusammenhang rnit <strong>der</strong> für<br />
1998 vorgesehenen W<strong>in</strong>terolympiade <strong>in</strong> Nagano zahlreiche neue Arbeitsmöglichkeiten<br />
für ungelernte ausländische Arbeiter (Information beruhend auf persönlicher<br />
Mitteilung von Herrn IGUCHI Yasushi, Abteilungsleiter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Foreign<br />
Workers' Affairs Division des <strong>japan</strong>ischen Arbeitsm<strong>in</strong>isteriums, vom<br />
21.9.1994).<br />
142
Die <strong>räumliche</strong> Verteilung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>in</strong> Japan<br />
auch "westliche" Auslän<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Anteil halten, <strong>der</strong> deutlich über dem<br />
Landesdurchschnitt liegt. Die sich stärker an Industriestandorte orientierenden<br />
Late<strong>in</strong>amerikaner h<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d klar unterrepräsentiert. Ähnliches<br />
gilt für Koreaner, <strong>der</strong>en absolute Zahl - im Gegensatz zur gesamtstaatlichen<br />
Ebene hier freilich weiter im Ansteigen begriffen ist,<br />
was sich mit e<strong>in</strong>er verstärkten Neuzuwan<strong>der</strong>ung koreanischer Studenten,<br />
Sprachschüler o<strong>der</strong> Firmenentsandter erklären läßt (TAJIMA 1994:<br />
93). Zur Verdoppelung des Auslän<strong>der</strong>anteils <strong>in</strong> Tökyö-to von 1,04% im<br />
Jahre 1982 auf 2,10% zum Jahresende 1993 haben <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Ch<strong>in</strong>esen<br />
beigetragen: Zwischen 1986 und 1990 entfiel mehr als <strong>die</strong> Hälfte des<br />
Gesamtzuwachses alle<strong>in</strong> auf <strong>die</strong>se Nationalität. Daneben zeichneten<br />
während <strong>der</strong> 80er Jahre auch Koreaner sowie Personen aus westlichen<br />
Industriestaaten für den Anstieg <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zahl ausländischer Bewohner<br />
wesentlich verantwortlich, während seit 1990 neben den Ch<strong>in</strong>esen primär<br />
"sonstige Asiaten" (speziell aus Thailand, Myanmar, Malaysia, Pakistan<br />
und dem Iran) sowie Late<strong>in</strong>amerikaner (speziell Brasilianer) <strong>in</strong><br />
größerer Zahl zugewan<strong>der</strong>t s<strong>in</strong>d. In jüngster Zeit hat auch <strong>die</strong> Zahl von<br />
Schwarzafrikanern zugenommen. So befanden sich am 31.12.1993 alle<strong>in</strong><br />
1.122 Nigerianer im Raum Tökyö (TÖKYÖ-TO 1993). Trotz unterschiedlicher<br />
Gesamtanteile zeigt sich somit <strong>in</strong> <strong>der</strong> zeitlichen Entwicklung e<strong>in</strong>e<br />
ungefähre Übere<strong>in</strong>stirnmung mit den Tendenzen, <strong>die</strong> anhand von Tab.<br />
1 für das gesamte Japan konstatiert werden konnten.<br />
E<strong>in</strong> überaus deutliches Bild von den <strong>räumliche</strong>n Unterschieden <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Höhe des Auslän<strong>der</strong>anteils <strong>in</strong> Tökyö-to nach Stadtgeme<strong>in</strong>den (shi), Landkreisen<br />
(gun) und Stadtbezirken (ku), <strong>der</strong>en Namen und Lage aus Abb. 4<br />
hervorgehen, liefert Abb. S?O Hohe Anteile bis zu maximal 8,3% (M<strong>in</strong>atoku<br />
im südlichen Stadtzentrum) s<strong>in</strong>d für <strong>die</strong> <strong>in</strong>neren Bezirke <strong>in</strong>nerhalb o<strong>der</strong><br />
entlang des Yamanote-R<strong>in</strong>gbahn-Gürtels <strong>der</strong> eigentlichen Stadt Tökyö (Tökyö-tokubetsu<br />
kubu) feststellbar, während <strong>die</strong> meisten <strong>der</strong> selbständigen<br />
Geme<strong>in</strong>den im Westen <strong>der</strong> Präfektur sowie <strong>die</strong> zur Präfektur gehörenden,<br />
weitab im Pazifik gelegenen Inseln <strong>der</strong> Izu- und Ogasawara-Archipele<br />
fast durchweg unterdurchschnittliche Werte von weniger als 1,3% aufweisen.<br />
An<strong>der</strong>s dagegen das <strong>räumliche</strong> Verteilungsmuster bei den prozentualen<br />
Zuwachsraten zwischen 1983 und 1993 (Abb. 6): Gerne<strong>in</strong>den o<strong>der</strong><br />
Bezirke mit überdurchschnittlichem und rrut unterdurchschnittlichem<br />
Wachstum <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung liegen sche<strong>in</strong>bar ungeregelt neben-<br />
20 In den zugrunde gelegten Statistiken s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Daten weiter auch nach den<br />
e<strong>in</strong>zelnen Landgeme<strong>in</strong>den (chö, san) <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Landkreise aufgeschlüsselt.<br />
Umjedoch systematische Verzerrungen <strong>der</strong> Ergebniswerte <strong>in</strong>folge von Zufallsschwankungen<br />
aufgrund zu kle<strong>in</strong>er Fallzahlen zu vermeiden, wurde nicht von<br />
<strong>die</strong>ser fe<strong>in</strong>eren Raumunterglie<strong>der</strong>ung ausgegangen.<br />
143
75.164 61,8 82.279 53,1 91.931 43,1 94.689 37,8 21 17<br />
17.446 14,3 30.459 19,7 60.156 28,2 75.195 30,0 39 51 4<br />
1.633 1,3 4.778 3,1 11.224 5,3 15.008 6,0 9 11 1<br />
iaten 4.317 3,5 8.194 5,3 12.271 5,8 18.604 7,4 12 7 1<br />
98.560 81,0 125.710 81,2 175.582 82,4 203.496 81,3 81 86 7<br />
8.538 7,0 10.663 6,9 12.818 6,0 13.711 5,5 6 4<br />
er und Ozeanier 12.405 10,2 16.145 10,4 18.967 8,9 20.173 8,1 11 5<br />
ner 1.176 1,0 1.386 0,9 4.455 2,1 10.394 4,2 1 5 1<br />
436 0,4 573 0,4 874 0,4 2.222 0,9 1 1<br />
gesamt 121.663 1,04 154.834 1,30 213.056 1,80 250.339 2,10<br />
eranteile nach Staatsangehörigkeit, Tökyö-to 1982-1993<br />
ngaben <strong>in</strong> Spalte 3, 5, 7 und 9 bezeichnen <strong>die</strong> Anteile an <strong>der</strong> gesamten Auslän<strong>der</strong>population (Auslän<strong>der</strong>gruppe) bzw. den<br />
evölkerung <strong>der</strong> Präfektur Thkyä (Auslän<strong>der</strong> <strong>in</strong>sgesamt).<br />
Berechnungen nach NYÜKAN KYÖKAI (1987: 34-45; 1991: 42-53) und HÖMU DAIJIN (1983: 184-189; 1994: 196-205).
Die <strong>räumliche</strong> Verteilung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>in</strong> Japan<br />
e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Allenfalls kann festgestellt werden, daß vor allem <strong>der</strong> nordwestliche<br />
Teil <strong>der</strong> Stadt Tökyö mit den Zentren Sh<strong>in</strong>juku und Ikebukuro<br />
(Toshima-ku) sowie den Bereichen entlang <strong>der</strong> von <strong>die</strong>sen Zentren ausgehenden<br />
Vorortbahnen stark h<strong>in</strong>zugewonnen hat, während <strong>der</strong> Anteil ausländischer<br />
Bevölkerung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadtmitte (Chiyoda-ku, M<strong>in</strong>ato-ku) sowie<br />
<strong>in</strong> Teilen <strong>der</strong> von kle<strong>in</strong>en Gewerbetreibenden geprägten shitamachi [Unterstadt]<br />
nordöstlich davon relativ stagniert. Unterteilt nach e<strong>in</strong>zehlen<br />
Zeitphasen (hier nicht abgebildet) wird offenbar, daß Abb. 6 höchst unterschiedliche<br />
Entwicklungen zusammenfaßt. So konzentrierte sich <strong>die</strong><br />
Zuwan<strong>der</strong>ung von Auslän<strong>der</strong>n zunächst auf <strong>die</strong> Stadt Tökyö, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
auf <strong>der</strong>en nördliche und westliche Bezirke, während seit etwa 1987<br />
und vor allem seit <strong>der</strong> Jahrzehntwende eher <strong>die</strong> Umlandgeme<strong>in</strong>den an<br />
Auslän<strong>der</strong>n h<strong>in</strong>zugew<strong>in</strong>nen und <strong>die</strong> <strong>in</strong>neren Stadtbezirke stagnieren bzw.<br />
s<strong>in</strong>kende Anteile aufweisen (eig. Berechnungen nach TÖKYÖ-TO (1983,<br />
1987, 1990, 1993».<br />
1 Chiyoda-ku<br />
5 Bunkyö-ku<br />
9 Sh<strong>in</strong>agawa-ku<br />
13 Shibuya-ku<br />
17 Kita-ku<br />
21 Adachi-ku<br />
25 Tachikawa-shi<br />
29 Fuchü-shi<br />
33 Koganei-shi<br />
37 Kokubunji-shi<br />
41 Fussa-shi<br />
45 Higashikurume-shi<br />
49 Akigawa-shi<br />
2 Chüö-ku<br />
6 Taitö-ku<br />
10 Meguro-ku<br />
14 Nakano-ku<br />
18 Arakawa-ku<br />
22 Katsushika-ku<br />
26 Musash<strong>in</strong>o-shi<br />
30 Akishima-shi<br />
34 Kodaira-shi<br />
38 Kunitachi-shi<br />
42 Komae-shi<br />
46 Musashimurayama-shi<br />
50 Hamura-shi<br />
3 M<strong>in</strong>ato-ku<br />
7 Sumida-ku<br />
11 Öta-ku<br />
15 Sug<strong>in</strong>ami-ku<br />
19 Itabashi-ku<br />
23 Edogawa-ku<br />
27 Mitaka-shi<br />
31 Chöfu-shi<br />
35 H<strong>in</strong>o-shi<br />
39 Tanashi-shi<br />
43 Higashiyamato-shi<br />
47 Tama-shi<br />
51 Nishitama-gull<br />
Abb. 4: Adm<strong>in</strong>istrative Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Präfektur Tökyö (Tökyö-fo)<br />
10 km<br />
'---'----',<br />
(schematische<br />
Darstellung)<br />
4 Sh<strong>in</strong>juku-ku<br />
8 Kötö-ku<br />
12 Setagaya-ku<br />
16 Toshima-ku<br />
20 Nerima-ku<br />
24 Hachiöji-shi<br />
28 Öme-shi<br />
32 Machida-shi<br />
36 Higashimurayama-shi<br />
40 Hoya-shi<br />
44 Kiyose-shi<br />
48 Inagi-shi<br />
52 Töbu [Inseln]<br />
145
1,29 - 2,93<br />
lIIIIlIIIrn 2,94 - 3,75<br />
x = 2,11<br />
s = 1,64<br />
3,76 u höher<br />
Abb. 5: Ausländischer Bevölkerungsanteil <strong>in</strong> %, Tökyö-to 1993<br />
Quelle: Eigene Bereclmungen nach TSTTC (1993: 273) und TÖKYÖ-TO (1993).<br />
Aussagen über <strong>die</strong> Zusammensetzung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>in</strong><br />
den e<strong>in</strong>zelnen Geme<strong>in</strong>den und Stadtbezirken nach Nationalitäten lassen<br />
sich auf <strong>der</strong> Grundlage von Tab. 5 bzw. Abb. 7 treffen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Ergebnisse<br />
e<strong>in</strong>er entsprechend dem Vorgehen <strong>in</strong> Abschnitt 3 durchgeführten Clusteranalyse<br />
wie<strong>der</strong>geben. Als Räume mit beson<strong>der</strong>s hohen Auslän<strong>der</strong>anteilen<br />
von rund 5% fallen <strong>die</strong> <strong>in</strong> den Gruppen 1 und 3 zusammengeschlossenen<br />
Stadtbezirke auf. Gruppe 1 erstreckt sich dabei auf den<br />
Südwestsektor des <strong>in</strong>neren Bereichs von Tökyö-Stadt (Chiyoda-, M<strong>in</strong>ato-<br />
und Shibuya-ku), e<strong>in</strong> bevorzugter Standort von Botschaften und an<strong>der</strong>en<br />
<strong>in</strong>ternationalen E<strong>in</strong>richtungen wie etwa von ausländischen<br />
Firmenvertretungen, politischen Organisationen, Supermärkten o<strong>der</strong><br />
Krankenhäusern. Hier s<strong>in</strong>d vor allem US-Amerikaner und Personen aus<br />
sonstigen westlichen Industrielän<strong>der</strong>n stark präsent, von denen man<br />
annehmen kann, daß sie überwiegend <strong>in</strong> unmittelbarer o<strong>der</strong> mittelbarer<br />
Weise auf <strong>die</strong>se E<strong>in</strong>richtungen bezogen s<strong>in</strong>d (vgl. TSUCHIDA und WATA<br />
NABE 1986; KAJITA 1994: 96). Während es sich jedoch bei Gruppe 1 UITl<br />
e<strong>in</strong> "altes" Auslän<strong>der</strong>gebiet mit relativ ger<strong>in</strong>gen Zuwachsraten seit 1983<br />
handelt, zeichnet sich <strong>der</strong> zweite Raum mit e<strong>in</strong>em hohen ausländischen<br />
Bevölkerungsteil, umfassend <strong>die</strong> <strong>in</strong>nerstädtischen R<strong>in</strong>gzentren Sh<strong>in</strong>ju-<br />
146
lIIlIßIII) 256,2 - 269.5<br />
x= 222,8<br />
s = 66,7<br />
289,6 u. höher<br />
Die <strong>räumliche</strong> Verteilung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>in</strong> Tapan<br />
Abb. 6: Prozentuale Verän<strong>der</strong>ung des ausländischen Bevölkerungsanteils, Tökyö-to<br />
1983-1993<br />
Quelle: Eigene Beredmlmgen nach TÖKY
Die <strong>räumliche</strong> Verteilung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>in</strong> Japan<br />
struktur aufweisen, umfaßt Gruppe 4 <strong>die</strong>jenigen Raume<strong>in</strong>heiten, <strong>die</strong> sich<br />
durch e<strong>in</strong>en hohen Koreaneranteil auszeichnen. Zum e<strong>in</strong>en handelt es sich<br />
um Bezirke <strong>der</strong> shitamachi östlich des Stadtzentrums, <strong>der</strong>en kle<strong>in</strong>gewerbliche,<br />
durch vorwiegend manuelle Tätigkeiten geprägte Wirtschaftsstruktur<br />
bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg Arbeitsmigranten aus<br />
dem okkupierten Korea <strong>in</strong> großer Zahl angezogen hatte. In Arakawa-ku<br />
etwa spezialisierte sich <strong>die</strong> koreanische M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit auf das sogenannte<br />
Abfallgewerbe (kuzumonogyo), d. h. <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>verwertung verschiedenster<br />
Rückstände und Restmaterialien aus <strong>der</strong> Produktion <strong>der</strong> umliegenden<br />
Industriebetriebe (MUN 1994: 134-135). An<strong>der</strong>erseits f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong>Gruppe<br />
4 auch zahlreiche Umlandgeme<strong>in</strong>den. Der E<strong>in</strong>schluß typischer "Schlafstädte"<br />
(beddo tmm) wie beispielsweise von Tama-shi und Machida-shi irn<br />
Südwesten <strong>der</strong> Präfektur könnte dabei von <strong>der</strong> Tatsache bee<strong>in</strong>flußt se<strong>in</strong>,<br />
daß <strong>in</strong> Japan nur Auslän<strong>der</strong> mit Daueraufenthaltsrecht, mith<strong>in</strong> vorwiegend<br />
Koreaner, e<strong>in</strong>en Anspruch auf den Erhalt e<strong>in</strong>er durch öffentliche<br />
Mittel geför<strong>der</strong>ten Sozialwohnung besitzen (vgl. RINGHOFER 1990: 98; KA<br />
JITA 1994: 92), <strong>die</strong> <strong>in</strong> solchen Geme<strong>in</strong>den - wie nicht an<strong>der</strong>s auch <strong>in</strong><br />
Deutschland beson<strong>der</strong>s zahlreich s<strong>in</strong>d.<br />
Die übrigen durch <strong>die</strong> Clusteranalyse gebildeten Gruppen bestehen jeweils<br />
aus nur wenigen Geme<strong>in</strong>den und konzentrieren sich auf den Nordwesten<br />
bzw. <strong>die</strong> noch recht ländlich geprägten äußeren Teile <strong>der</strong> Präfektur.<br />
Von Gruppe 8 abgesehen s<strong>in</strong>d aber gerade sie es, <strong>der</strong>en Raume<strong>in</strong>heiten<br />
während <strong>der</strong> letzten Jahre <strong>in</strong> überdurchschnittlichem Maße an ausländischer<br />
Bevölkerung zugenommen haben. Im e<strong>in</strong>zelnen zeigt sich für Gruppe<br />
6 e<strong>in</strong> sehr hoher Anteil an Mittel- und Südamerikanem, was angesichts<br />
des Vorhandense<strong>in</strong>s vonStandorten <strong>der</strong> Automobilproduktion <strong>in</strong>Geme<strong>in</strong>den<br />
<strong>die</strong>ser Gruppe (H<strong>in</strong>o <strong>in</strong> Hamura-shi und Nissan <strong>in</strong> Musashimurayama-shi<br />
nebst umliegen<strong>der</strong> kle<strong>in</strong>er Zulieferbetriebe) und des oben dazu<br />
Gesagten wenig verwun<strong>der</strong>t. E<strong>in</strong>e ähnliche Charakterisierung gilt für<br />
Gruppe 7 (Stammwerk des Lastkraftwagenherstellers H<strong>in</strong>o <strong>in</strong> H<strong>in</strong>o-shi),<br />
doch s<strong>in</strong>d hier <strong>in</strong> stärkerem Umfang anstelle von nikkeij<strong>in</strong> auch "sonstige<br />
Südostasiaten" (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Indonesier, Laoten und Thailän<strong>der</strong>) vertreten.<br />
Ob <strong>die</strong>se ebenfalls <strong>in</strong> unmittelbarem Zusammenhang rnit <strong>der</strong> Industriestruktur<br />
von Gruppe 7 gesehen werden müssen, kann an <strong>die</strong>ser Stelle<br />
allerd<strong>in</strong>gs nicht endgiUtig beurteilt werden?1<br />
21 Der an <strong>der</strong> Sexualproportion <strong>in</strong> Tab. 5 erkennbare hohe Männerüberschuß gerade<br />
bei <strong>die</strong>ser Gruppe spricht allerd<strong>in</strong>gs für <strong>die</strong> Interpretation e<strong>in</strong>er vorwiegend<br />
durch Industriearbeitsmigration begründeten Auslän<strong>der</strong>bevölkerung.<br />
Im übrigen stellt sich auch <strong>die</strong> nikkeij<strong>in</strong>-Bevölkerung als nicht e<strong>in</strong>heitlich dar.<br />
So überwiegen bei Gruppe 7 deutlich <strong>die</strong> Peruaner, während bei Gruppe 6<br />
Peruaner und Brasilianer <strong>in</strong> etwa gleichstark präsent s<strong>in</strong>d. Hier zeigt sich mög-<br />
149
Während <strong>die</strong> Zusammensetzung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung vonGruppe<br />
8, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> hohe Anteil von US-Amerikanern, nicht unwesentlich<br />
durch den amerikanischen Luftwaffenstützpunkt "Yokota-Airbase"<br />
<strong>in</strong> Fussa-shi bee<strong>in</strong>flußt se<strong>in</strong> dürfte, bleiben <strong>die</strong> Gründe für <strong>die</strong> Nationalitätenstruktur<br />
von Gruppe 5 und 9 relativ im Dunkeln. Im ersteren Fall<br />
mag <strong>die</strong> Nähe des dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geschlossenen Stadtbezirks Itabashi zum R<strong>in</strong>gzentrUITl<br />
Ikebukuro für den hohen Ch<strong>in</strong>esenanteil verantwortlich se<strong>in</strong>,<br />
woh<strong>in</strong>gegen <strong>die</strong> starke Präsenz von Westasiaten und Afrikanern (speziell<br />
iranische und nigerianische Staatsbürger) wohl eher mit <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>betrieblichen,<br />
durch Arbeitskräftemangel gekennzeichneten Industriestruktur<br />
des Täkyäter Nordens (vgl. KAJITA 1994: 96) <strong>in</strong>Verb<strong>in</strong>dung steht. Bei Gruppe<br />
9 schließlich - sie umfaßt nur <strong>die</strong> <strong>der</strong> Präfektur zugeordneten pazifischen<br />
Inseln - ist auf <strong>die</strong> ger<strong>in</strong>ge absolute Zahl von Auslän<strong>der</strong>n h<strong>in</strong>zuweisen,<br />
wodurch <strong>die</strong> Anwesenheit von 46 philipp<strong>in</strong>ischen Staatsbürgern<br />
auf <strong>der</strong> Insel Hachijäjima (<strong>in</strong> Anbetracht <strong>der</strong> niedrigen Sexualproportion<br />
<strong>der</strong> Gesamtpopulation vermutlich vorwiegend weibliche Personen) e<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong>sgesamt hohes Gewicht erhält.<br />
Insgesamt lassen sich somit aus den Ergebnissen <strong>der</strong> Clusteranalyse <strong>in</strong><br />
manchenFällenbereits plausible Erklärungsansätze ableiten, während <strong>die</strong><br />
möglichen Ursachen <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Fällen vergleichsweise unklar bleiben.<br />
Um weitere Aufschlüsse über Faktoren zu erhalten, <strong>die</strong> <strong>die</strong> <strong>räumliche</strong> Verteilung<br />
<strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung nach Nationalitäten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Präfektur<br />
Täkyä bee<strong>in</strong>flußt haben könnten, bzw. um <strong>die</strong> bisherigen Hypothesen<br />
zu überprüfen, wurde im folgenden auf das statistische Verfahren <strong>der</strong> multiplen<br />
Regressionsanalyse zurückgegriffen. Als Erklärungsvariablen <strong>die</strong>nten<br />
dabei <strong>in</strong> Anlehnung an bisherige Forschungsergebnisse (vgl. z. B.<br />
WHITE 1993: 57-62; KAJITA 1994: 79-88) zum e<strong>in</strong>en Merkmale aus den Bereichen<br />
Wohnverhältnisse und Arbeitsmarktstruktur. Zum an<strong>der</strong>en wurden<br />
zur ÜberprüfLmg des sozialstrukturellen Segregations-Erklärw"lgsansatzes<br />
(s. o. Abschnitt 1.1.) auch Variablen e<strong>in</strong>bezogen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> allgeme<strong>in</strong>e<br />
demographische und sozioökonornische Situation e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de o<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>es Stadtbezirks näher beleuchten. Die Frage, <strong>in</strong>wieweit alternativ dem<br />
ebenfalls <strong>in</strong> 1.1. skizzierten "ethnischen Erklärungsansatz" Plausibilität<br />
bei <strong>der</strong> Deutung <strong>der</strong> <strong>räumliche</strong>n Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong><strong>verteilung</strong><br />
zukommen könnte, läßt sich mit <strong>der</strong> Regressionsanalyse freilich mangels<br />
operationalisierbarer Daten nicht beantworten. Überlegungen hierzu wer-<br />
150<br />
licherweise <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluß von <strong>in</strong> unterschiedlichen Län<strong>der</strong>n tätigen Vermittlungsagenturen,<br />
<strong>die</strong> durch <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zelnen Betriebe <strong>in</strong> Anspruch genommen<br />
worden s<strong>in</strong>d. Inwieweit bestimmte "Vorlieben" e<strong>in</strong>zelner Betriebe <strong>die</strong> Nationalitätenzusanunensetzung<br />
<strong>der</strong> jeweiligen Geme<strong>in</strong>de gesteuert haben, bleibt<br />
unklar.
Die <strong>räumliche</strong> Verteilung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>in</strong> [apan<br />
den imAnschIuß an <strong>die</strong> Besprechung <strong>der</strong>sich aus <strong>der</strong> Analyse ergebenden<br />
Resultate erfolgen.<br />
Aus Tab. 6 läßt sich <strong>die</strong> Stärke <strong>der</strong> statistischen Zusammenhänge zwischen<br />
<strong>der</strong> Verteilung e<strong>in</strong>zelner Nationalitätengruppen bzw. aller gemeldeten<br />
Auslän<strong>der</strong> und je<strong>der</strong> gewählten Erklärungsvariable (unter Konstanthaltung<br />
<strong>der</strong> jeweils an<strong>der</strong>en Variablen) anhand <strong>der</strong> sogenannten<br />
Beta-Koeffizienten genau ersehen?2 Das Bestimmtheitsmaß R 2 gibt <strong>in</strong> Prozent<br />
an, <strong>in</strong> welchem Umfang <strong>die</strong> <strong>räumliche</strong> Gesamtvarianz e<strong>in</strong>er Nationalität<br />
durch <strong>die</strong> <strong>in</strong> das jeweilige Regressionsmodell aufgenommenen<br />
Variablen statistisch erklärt wird. Insgesamt vermittelt sich <strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck<br />
e<strong>in</strong>er weitgehenden Bestätigung <strong>der</strong> oben dargelegten Hypothesen, wenn<br />
auch <strong>die</strong> Erklärungskraft <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zehlen Regressionsmodelle nicht immer<br />
hoch ist. Auslän<strong>der</strong> aus westlichen Industriestaaten orientieren sich vor<br />
allem an den Standorten <strong>in</strong>temationalerInstitutionen und ten<strong>die</strong>ren<br />
außerdem dazu, ihre Wohnung <strong>in</strong> Gebieten mit e<strong>in</strong>em hohen Anteil an<br />
wohlhabenden Personen zu nehmen (hohe positive Koeffizienten bei Var.<br />
6), was e<strong>in</strong> Licht auf <strong>die</strong> privilegierte E<strong>in</strong>kommenssituation <strong>die</strong>ser Personengruppe<br />
im Vergleich mit an<strong>der</strong>en Auslän<strong>der</strong>n wirft. 23 Ch<strong>in</strong>esen und<br />
Südostasiaten - Filip<strong>in</strong>os ausgenommen - h<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d vor allem <strong>in</strong> solchen<br />
Räumen anzutreffen, <strong>in</strong> denen zahlreiche Fachschulen (senshü gakkö;<br />
kalcushu galclcö) existieren. Zugleich lassen sich <strong>die</strong> von ihnen bewohnten<br />
Gebiete durch e<strong>in</strong>en überdurchsclmittlich hohen Anteil erwerbsloser Personen<br />
und von alle<strong>in</strong>lebenden Menschen bzw. von privat vermieteten<br />
Wohnungen kennzeichnen, Merkmale, h<strong>in</strong>ter denen sich vor allem <strong>die</strong><br />
oben beschriebene Bevorzugung kle<strong>in</strong>er und billiger, aus Holz errichteter<br />
Mietwohnhäuser durch <strong>die</strong>se Personengruppe verbirgt zwischen <strong>der</strong><br />
nicht <strong>in</strong> <strong>die</strong> Regressionsmodelle aufgenommenen Variable "Anteil von<br />
Kle<strong>in</strong>wohnlmgen (apäto) <strong>in</strong> aus Holz errichteten Gebäuden an allen Wohnungen"<br />
und Var. 1 sowie Var. 3 bestehen hochsignifikante Korrelationen<br />
von r = 0.819 bzw. 0.539.<br />
E<strong>in</strong> mit den obigen hypothetischen Überlegungen sche<strong>in</strong>bar nicht vere<strong>in</strong>bares<br />
Bild liefert das auf <strong>die</strong> koreanische Bevölkerung bezogene Regressionsmodell:<br />
Nicht e<strong>in</strong> hoher Anteil an Beschäftigten <strong>in</strong> <strong>in</strong>dustriellen<br />
Kle<strong>in</strong>betrieben (Var. 8) o<strong>der</strong> von öffentlich geför<strong>der</strong>ten Mietwolmungen,<br />
22 Abgebildet s<strong>in</strong>d nur solche Variablen, <strong>die</strong> zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> neun Regressionsgleichtmgen<br />
aufgenommen wurden. Als Variablenauswahlverfahren<br />
wurde dabei <strong>die</strong> Methode <strong>der</strong> "sclu·ittweisen Auswahl" (stepwise selection) verwendet<br />
(vgl. BAHRENBERG, GIESE und NIPPER 1992 2 : 34-36).<br />
23 Diese Interpretation unterstützt auch <strong>der</strong> sehr hohe Korrelationskoeffizient<br />
von r = 0.879 zwischen Val'. 6 und <strong>der</strong> durchschnittlichen Höhe <strong>der</strong> Bodenpreise<br />
für Wohngebiete.<br />
151
Sonstige Pers. sonst.<br />
Auslän<strong>der</strong> Südost- Westasiatenl US- <strong>in</strong>dustrialis. L<br />
<strong>in</strong>sgesamt Ch<strong>in</strong>esen Koreaner Filip<strong>in</strong>os asiaten Afrikaner Amerikaner Westlän<strong>der</strong> am<br />
ter .57'1'+ .409++ .385++<br />
ngen<br />
tandard- .627++ .518++ -.312 +<br />
ehaushalte .483++ .259 +<br />
rbslose .389 + .348++<br />
lhilfeempfänger .465++<br />
ivate<strong>in</strong>kommen .728++ .865++<br />
häftigte im .<br />
scl1<strong>in</strong>enbau<br />
äftigte <strong>in</strong>dustr. .230 + .274 +<br />
e<br />
I .299 + .385++ .238 + .501 ++<br />
nmg<br />
ernationaler .55'1'+ .499++ .582++ .458++<br />
n<br />
74,7 64,1 57,8 51,2 49,6 53,6 74,1 81,2<br />
isse <strong>der</strong> Regressionsanalyse, Tökyö-to (Geme<strong>in</strong>den) 1993<br />
ignifikant auf dem 5 0 1o-Niveau. ++: signifikant auf dem O,l%-Niveau.<br />
Var. 10 handelt es sich um e<strong>in</strong>e Dummy-Variable, wobei Chiyoda-ku, M<strong>in</strong>ato-ku und Shibuya-ku = 2, Chüö-ku, Sh<strong>in</strong><br />
guro-ku, Sh<strong>in</strong>.agawa-ku lmd Fussa-shi =1 sowie alle übrigen Raume<strong>in</strong>heiten =0 gesetzt wurden. Vgl. näher zu Dummy-V<br />
ihrer Anwendung bei e<strong>in</strong>er Regressionsanalyse BAHRENBERG, GIESE und NIPPER (1992 2 : 56-62).<br />
Bereclmungen nach TÖKYÖ-TO 1993 (Auslän<strong>der</strong>daten), TÖKYÖ-TO SÖMUKYOKU TÖKEIBU TÖKEI CHÖSEIKA 1993 (Var. 2,7,8,9<br />
HA 1993 (Var. 6), SÖMUCHÖ TÖKEIKYOKU 1992 (Var. 1,3,4) und TSTTC 1993 (Var. 5).
Die <strong>räumliche</strong> Verteilung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>in</strong> Japan<br />
son<strong>der</strong>n das Vorhandense<strong>in</strong> zahlreicher Wohnungen, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>enbehördlich<br />
festgelegten M<strong>in</strong>imalstandard (saitei kyojü suijun) nicht erreichen (Var. 2)<br />
- <strong>die</strong>s betrifft <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e zu kle<strong>in</strong> geschnittene Wohnungen - umschreibt<br />
<strong>die</strong> <strong>räumliche</strong> Verteilung <strong>die</strong>ser Personengruppe. Allerd<strong>in</strong>gs wird<br />
e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>betriebliehe Industriestruktur von Var. 2 zu e<strong>in</strong>em gewissen Grade<br />
statistisch mitrepräsentiert (r28 = 0.594); weiterh<strong>in</strong> besteht e<strong>in</strong>e hochsignifikante<br />
korrelative Beziehlmg zu e<strong>in</strong>ern hohen Anteil von Sozialhilfeempfängern<br />
(r25 = 0.601), so daß Var. 2 <strong>in</strong>sgesamt als Indikator für e<strong>in</strong>e<br />
problematische Wohn- und Sozialstruktur angesprochen werden kaml.<br />
Weiterh<strong>in</strong> deutet <strong>die</strong> Aufnahme <strong>der</strong> Var. 3 und 9 <strong>in</strong> das Modell e<strong>in</strong>e Bee<strong>in</strong>flussung<br />
<strong>der</strong> Koreaner<strong>verteilung</strong> von Faktoren an, <strong>die</strong> auch <strong>die</strong> räum-·<br />
liehe Orientierung von Ch<strong>in</strong>esen und Südostasiaten bestimmen, erklärbar<br />
mit <strong>der</strong> oben erwähnten Zuwan<strong>der</strong>ung koreanischer Sprach- und Fachschüler.<br />
Bei den übrigen drei Nationalitätengruppen erweist sich <strong>die</strong> <strong>in</strong>dustrielle<br />
Struktur als von zum<strong>in</strong>dest partieller Relevanz. West- und Südasiaten<br />
sowie Afrikaner orientieren sich auf Geme<strong>in</strong>den o<strong>der</strong> Bezirke mit kle<strong>in</strong>betrieblicher<br />
Gewerbestruktur, mehr aber noch auf Räume mit kle<strong>in</strong>en<br />
und privat vermieteten Wohnungen. Bei den Filip<strong>in</strong>os ist mehr noch als<br />
e<strong>in</strong> hoher Anteil von Kle<strong>in</strong>betrieben e<strong>in</strong>e ungünstige Sozialstruktur (Var.<br />
5) kennzeichnend für <strong>die</strong> von <strong>die</strong>ser Gruppe bewohnten Räume. Den<br />
stärksten E<strong>in</strong>fluß übt allerd<strong>in</strong>gs überraschen<strong>der</strong>weise das zahlreiche Vorhandense<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong>ternationaler Institutionen aus, ad hoc erklärbar wohl vor<br />
allem nut <strong>der</strong> Tatsache, daß <strong>der</strong> mit solchen Institutionen beson<strong>der</strong>s ausgestattete<br />
Stadtbezirk M<strong>in</strong>ato-ku zugleich als e<strong>in</strong> bedeuten<strong>der</strong> Standort<br />
von E<strong>in</strong>richtungen des Unterhaltungsgewerbes gilt. 24 Late<strong>in</strong>amerikaner<br />
schließlich zeigen <strong>die</strong> erwartete Aff<strong>in</strong>ität zu Standorten <strong>der</strong> Transportmasch<strong>in</strong>en<strong>in</strong>dustrie,<br />
sonst aber ke<strong>in</strong>erlei signifikante Beziehungen zu e<strong>in</strong>er<br />
<strong>der</strong> gewählten Variablen, so daß <strong>der</strong> Gesamterklärungswert des Modells<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Fall ger<strong>in</strong>g bleibt.<br />
Insgesamt kann aber aus den Ergebnissen <strong>der</strong> Regressionsanalyse <strong>der</strong><br />
Schluß gezogen werden, daß Wohnverhältnisse, Arbeitsmarktstruktur<br />
und allgeme<strong>in</strong>e sozialstrukturelle Merkmale e<strong>in</strong>es Raumes <strong>die</strong> Verteilung<br />
von ausländischer Bevölkerung auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Agglomeration Tökyö <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
wesentlichen Maße steuern. Je nach vorherrschen<strong>der</strong> Tätigkeit und<br />
E<strong>in</strong>kommenssituation <strong>der</strong> jeweils betrachteten Nationalitätengruppe lassen<br />
sich freilich z. T. höchst unterschiedliche Verteilungsdeterm<strong>in</strong>anten<br />
24 Speziell s<strong>in</strong>d hier <strong>die</strong> Stadtviertel Roppongi und Akasaka angesprochen. Philipp<strong>in</strong>ische<br />
Staatsbürger stellen <strong>in</strong>sgesamt 0,52% an <strong>der</strong> Gesamtbevälkerung<br />
von M<strong>in</strong>ato-ku, verglichen mit e<strong>in</strong>em Auslän<strong>der</strong>gesamtanteil von 2,8% <strong>in</strong> 10kyä-Stadt<br />
für e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>zelnation e<strong>in</strong> recht hoher Wert.<br />
153
ausmachen. Bei <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>gesamt<strong>verteilung</strong> bilden <strong>die</strong> Verfügbarkeit<br />
(billiger) privat vermieteter Wohnungen, <strong>die</strong> Nähe von Standorten <strong>in</strong>ternationaler<br />
Institutionen, e<strong>in</strong> von e<strong>in</strong>em überdurchschnittlichen Anteil erwerbsloser<br />
Personen geprägtes ungünstiges Sozialklima sowie <strong>die</strong> Häufung<br />
von Sprach- und sonstigen Fachschulen <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Reihung <strong>die</strong> wichtigsten<br />
statistischen Ursachenfaktoren; zusammen "erklären" sie 74,7%<br />
<strong>der</strong> <strong>räumliche</strong>n Varianz (vgl. Tab. 6, äußere l<strong>in</strong>ke Spalte).<br />
Die hohe Erklärungskraft sozioökonomischer Faktoren ist für sich genommen<br />
natürlich noch ke<strong>in</strong> Beweis für <strong>die</strong> Irrelevanz o<strong>der</strong> rn<strong>in</strong><strong>der</strong>e Bedeutung<br />
des zweiten genannten Erklärungsansatzes, <strong>der</strong> auf e<strong>in</strong>en psychologisch<br />
motivierten Wunsch von Ethnien, ausschließlich unter sich leben<br />
zu wollen, als Hauptursache <strong>der</strong> <strong>räumliche</strong>n Verteilungsmuster von<br />
Auslän<strong>der</strong>gruppen abhebt. Wie bereits angesprochen, ist e<strong>in</strong>e Operationalisierung<br />
<strong>die</strong>ses Sachverhaltes im Rahmen e<strong>in</strong>er massenstatistischen<br />
Raumanalyse kaum s<strong>in</strong>nvoll möglich; auf <strong>der</strong> Ebene des Individuums mögen<br />
<strong>der</strong>lei etlmo-psychologische Erwägungen gleichwohl e<strong>in</strong>e wichtige<br />
Rolle spielen (vgl. THIEME 1993: 170). Zudem besitzen ausländische Arbeitsmigranten<br />
aufgrund ihrer meist re<strong>in</strong> manuellen Tätigkeiten häufig<br />
e<strong>in</strong>en nie<strong>der</strong>en Sozialstatus; es ist dann oft gar nicht mehr unterscheidbar,<br />
ob bei <strong>räumliche</strong>n Auslän<strong>der</strong>konzentrationen eher e<strong>in</strong>e soziale o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e<br />
ethnische Diskrim<strong>in</strong>ierung im Vor<strong>der</strong>grund gestanden hat. E<strong>in</strong>e annäherungsweise<br />
Klärung <strong>die</strong>ser Frage karm allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e Berechnlmg von<br />
Dissimilaritäts<strong>in</strong>dizes ergeben, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Stärke <strong>der</strong> <strong>räumliche</strong>n Segregation<br />
zwischen e<strong>in</strong>zelnen ausländischen Nationalitäten und <strong>der</strong> <strong>japan</strong>ischen Bevölkerung<br />
zum Ausdruck br<strong>in</strong>gen. Träfe <strong>die</strong> "ethnische Hypothese" zu,<br />
müßten Nationen mit e<strong>in</strong>er hohen kulturellen Distanz zu Japan stärker<br />
von <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heimischenbevölkerung getrennt leben als solche mit ger<strong>in</strong>ger<br />
Distanz. Bei Überwiegen sozialer Faktoren dagegen ist aufBasis bisheriger<br />
Forschungsergebnisse zu sozialen Segregationsformen (vgl. THIEME 1993:<br />
170) anzunehmen, daß <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Auslän<strong>der</strong>gruppen mit im Durchschnitt<br />
deutlich höherem o<strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gerem Sozialstatus als <strong>die</strong> <strong>japan</strong>ische<br />
Bevölkerung zu scharfer <strong>räumliche</strong>r Abgrenzung ten<strong>die</strong>ren - im ersteren<br />
Fall meist freiwillig, imletzteren Fall dagegen <strong>in</strong>folge <strong>der</strong> Diskr<strong>in</strong>l<strong>in</strong>ierung<br />
durch sozial höhergestellte E<strong>in</strong>heimische.<br />
Betrachtet man nun <strong>die</strong> Ergebnisse <strong>in</strong> Tab. 7, so läßt sich zunächst <strong>die</strong><br />
Aussage treffen, daß zurn<strong>in</strong>dest <strong>die</strong> erste Annahme wohl ke<strong>in</strong>e Rolle bei<br />
<strong>der</strong> <strong>räumliche</strong>n Konzentration von Auslän<strong>der</strong>gruppen auf mittlerer<br />
Raumebene <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Präfektur Tökyö spielt. Dies zeigt sich beson<strong>der</strong>s<br />
e<strong>in</strong>prägsam an <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gen Segregiertheit <strong>der</strong> Iraner, e<strong>in</strong>er ausländischen<br />
Bevölkerungsgruppe, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Japan nicht zuletzt <strong>in</strong> den Me<strong>die</strong>n <strong>in</strong><br />
ganz beson<strong>der</strong>s hohem Maße Diskrim<strong>in</strong>ierungen ausgesetzt ist (vgl. HER<br />
BERT 1993: 41-45). Älmlich rätselhaft bliebe bei dem Versuch, <strong>räumliche</strong><br />
154
Die <strong>räumliche</strong> Verteilung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>in</strong> Japan<br />
Konzentration durch ethnisch-kulturelle Distanz zu erklären, <strong>die</strong> ger<strong>in</strong>ge<br />
Segregation <strong>der</strong> christlichen Filip<strong>in</strong>os o<strong>der</strong> <strong>die</strong> Tatsache, daß brasilianische<br />
nikkeij<strong>in</strong> <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gem, peruanische nikkeij<strong>in</strong> h<strong>in</strong>gegen <strong>in</strong> hohem Maße von<br />
<strong>der</strong> <strong>japan</strong>ischen Bevölkerung räumlich getrennt wohnen. An<strong>der</strong>erseits<br />
greift auch das Erklärungskonzept <strong>der</strong> "sozialen Distanz" nicht wirklich:<br />
Zwar leben Franzosen und Deutsche sowie, <strong>in</strong> etwas ger<strong>in</strong>gerem Maße,<br />
auch <strong>die</strong> Angehörigen <strong>der</strong> übrigen hier aufgeführten westlichen Industrienationen<br />
räumlich klar von <strong>der</strong> <strong>japan</strong>ischen Bevölkerung getrennt, was<br />
mit dem überwiegend hohen Sozialstatus <strong>die</strong>ser Gruppen <strong>in</strong> Zusammenhang<br />
gebracht werden könnte, doch im Falle von Nationen <strong>der</strong> "Dritten<br />
Welt" ergibt sich e<strong>in</strong> weniger gut <strong>in</strong>terpretierbares Bild, denn von Nigerianern<br />
und Myanmarem abgesehen s<strong>in</strong>d sie, entgegen den Annahmen,<br />
eher ger<strong>in</strong>g segregiert. Auch zeigt sich we<strong>der</strong> e<strong>in</strong> durchgängiger Zusammenhang<br />
mit <strong>der</strong> Länge <strong>der</strong> Präsenz e<strong>in</strong>er Nationengruppe <strong>in</strong> Japan}5<br />
noch läßt sich e<strong>in</strong> ergebnisverzerren<strong>der</strong> - E<strong>in</strong>fluß unterschiedlicher<br />
Gruppengrößen (vgl. KEMPER 1993: 132-133) als wesentlicher Faktor feststellen.<br />
26<br />
Nation Nation Nation<br />
Brasilianer 22,7 Malaysier 32,1 Australier 43,8<br />
Filip<strong>in</strong>os 22,9 Bangla Deshi 33,1 Briten 46,6<br />
Iraner 23,3 In<strong>der</strong> 35,8 Peruaner 50,4<br />
Koreaner 24,1 Pakistani 37,7 Deutsche 52,2<br />
Thailän<strong>der</strong> 26,0 Kana<strong>die</strong>r 39,0 Franzosen 59,7<br />
Ch<strong>in</strong>esen 29,2 Vietnamesen 39,8 Myanmarer 62,6<br />
Indonesier 30,8 US-Amerikaner 43,7 Nigerianer 72,1<br />
Tab. 7: Dissimilaritäts<strong>in</strong>dizes für e<strong>in</strong>zelne Nationen, Tökyö-to 1993<br />
Quelle: Eigene Berechnungen nach TÖKYÖ-m (1993) und TSTTC (1993: 273).<br />
Das Ausmaß <strong>der</strong> Segregation e<strong>in</strong>er Auslän<strong>der</strong>gruppe aufmittel<strong>räumliche</strong>r<br />
Ebene läßt sich demgegenüber recht gut erklären, wenn man <strong>die</strong> Unterschiede<br />
im sozialen und beruflichen Homogenitätsgrad, <strong>in</strong> <strong>der</strong> durchschnittlichen<br />
Höhe <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommen sowie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> überwiegend<br />
ausgeübten Tätigkeiten <strong>in</strong> Betracht zieht. So handelt es sich bei ansässigen<br />
25 Hier lautete <strong>die</strong> Hypothese, daß bei längerem Aufenthalt e<strong>in</strong>e stärkere Dispersion<br />
<strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>er Akkulturation an <strong>die</strong> Bed<strong>in</strong>gtmgen des Aufnahmelandes zu<br />
erwarten ist (<strong>die</strong>s entspräche den Mechanismen des colony-Segregationstyps<br />
nach BOAl (1987: 109)).<br />
26 Der Korrelationskoeffizient zwischen <strong>der</strong> Personenstärke e<strong>in</strong>er Nation und<br />
"ihrem" Dissimilaritäts<strong>in</strong>dex bleibt bei zweiseitiger Fragestelltmg mit r = 0.348<br />
deutlich unterhalb statistischer Signifikanz.<br />
155
Auslän<strong>der</strong>n westlicher Industrienationen ganz überwiegend um e<strong>in</strong>e relativ<br />
hornogene Schicht von Entsandten politischer, wissenschaftlicher,<br />
wirtschaftlicher o<strong>der</strong> auch religiöser Organisationen mit vergleichsweise<br />
hohem Sozialstatus, <strong>die</strong> <strong>in</strong> etwa ähnliche Wohn(ort)vorstellungen besitzen<br />
und <strong>die</strong>se <strong>in</strong>folge hoher E<strong>in</strong>korrunen meist auch realisieren können?7 H<strong>in</strong>gegen<br />
s<strong>in</strong>d beispielsweise Ch<strong>in</strong>esen schon anhand <strong>der</strong> Visastatus-Statistik<br />
als e<strong>in</strong>e sehr heterogene Gruppe zu identifizieren, <strong>die</strong> zu etwa gleichen<br />
Teilen aus spezialberuflich Tätigen, Universitätsstudenten, Fachschülern,<br />
Farnilienangehörigen von Japanern und Personen mit Daueraufenthaltsrecht<br />
besteht (vgl. NYÜKAN KYÖKAI 1993: 2-7). Unterschiedliche f<strong>in</strong>anzielle<br />
Ressourcen und unterschiedliche Tätigkeitsstandorte dürften e<strong>in</strong>em<br />
räumlich engen Zusammenwohnen aller Mitglie<strong>der</strong> <strong>die</strong>ser Gruppe entgegenstehen.<br />
Ähnlich kann wohl im H<strong>in</strong>blick auf <strong>die</strong> meisten an<strong>der</strong>en Nationalitäten<br />
<strong>der</strong> "Dritten Welt" argumentiert werden. Selbst wenn es sich<br />
überwiegend e<strong>in</strong>heitlich um "manuelle Arbeiten" handelt, denen Arbeitsmigranten<br />
aus Län<strong>der</strong>n wie etwa <strong>der</strong>n Iran, Bangla Desh, Thailand o<strong>der</strong><br />
Indonesien nachgehen, so ist doch davon auszugehen, daß <strong>die</strong> Vielzahl<br />
<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Tätigkeitsbereiche, <strong>in</strong> denen <strong>die</strong>se Personen zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d<br />
(vgl. HERBERT 1993: 55-58), <strong>in</strong> aller Regel ke<strong>in</strong>e übermäßig starke Segregation<br />
zuläßt. Wo <strong>die</strong>s dennoch so ist (Nigerianer, Peruaner, Myanmarer),<br />
müßte durch E<strong>in</strong>zelstu<strong>die</strong>n überprüft werden, ob evtl. e<strong>in</strong>e konzentrierte<br />
Anwerbung bestirrunter Nationalitäten durch e<strong>in</strong>ige wenige Industriebetriebe<br />
stattgefunden hat - angesichts <strong>der</strong> eher ger<strong>in</strong>gen Personenstärke<br />
<strong>die</strong>ser Nationen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Präfektur Tökyö würden solche Maßnahmen<br />
schnell auf <strong>die</strong> Indexwerte durchschlagen - o<strong>der</strong> ob tatsächlich von e<strong>in</strong>er<br />
ethnischen Diskrim<strong>in</strong>ierung <strong>die</strong>ser Nationalitäten gesprochen werden<br />
kann; letzteres ersche<strong>in</strong>t zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> bezug auf <strong>die</strong> rassisch und kulturell<br />
deutlich als "Fremde" erkennbaren Nigerianer denkbar. Im Falle <strong>der</strong> Filip<strong>in</strong>os<br />
wie<strong>der</strong>um spielen schließlich, wie schon unter Abschnitt 3 besprochen,<br />
wohl auch <strong>die</strong> an sich e<strong>in</strong>e <strong>räumliche</strong> Dispersion begünstigenden<br />
Aufenthaltsgründe wie <strong>die</strong> Arbeit im Vergnügungsgewerbe o<strong>der</strong> <strong>die</strong> E<strong>in</strong>heirat<br />
<strong>in</strong> <strong>japan</strong>ische Familien bei dem Zustandekommen e<strong>in</strong>es niedrigen<br />
Dissimilaritäts<strong>in</strong>dexes e<strong>in</strong>e Rolle.<br />
Wenn auch e<strong>in</strong>e endgültige Klärung e<strong>in</strong>zelner Sachverhalte mittels makroanalytischer<br />
Analysemethoden alle<strong>in</strong> nicht geschehen kann, so wird<br />
<strong>die</strong>ser Argumentation folgend als Trend <strong>der</strong>moch deutlich, daß es tatsäch-<br />
27 Insoweit hat GLEBE (1984: 100) wohl nur teilweise Recht, wenn er als Begründung<br />
<strong>der</strong> starken Raumsegregation <strong>der</strong> Japaner <strong>in</strong> Düsseldorf ohne weitere<br />
Belege ausführt: "Das <strong>räumliche</strong> Wohnverhalten <strong>der</strong> <strong>japan</strong>ischen Gruppe ist<br />
[...] geprägt durch e<strong>in</strong>en hohen Grad an Ethnozentrismus, <strong>der</strong> durch <strong>die</strong> relative<br />
Statushomogenität noch verstärkt wird".<br />
156
Die <strong>räumliche</strong> Verteilung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>in</strong> Japan<br />
lich ganz überwiegend sozioökonomische Faktoren s<strong>in</strong>d, <strong>die</strong> <strong>die</strong> <strong>räumliche</strong><br />
Verteilung von Auslän<strong>der</strong>n im Raum Täkyä und wohl auch <strong>in</strong> Japan<br />
<strong>in</strong>sgesamt steuern. Die von <strong>der</strong> Datenaufbereitung <strong>in</strong> den Statistiken vorgegebene<br />
Betrachtungsverengung auf das durch Staatsbürgerschaft def<strong>in</strong>ierte<br />
Nationalitätenkriterium beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t allerd<strong>in</strong>gs <strong>die</strong> Messung solcher<br />
E<strong>in</strong>flüsse, da <strong>die</strong> Angehörigen e<strong>in</strong>er bestimmten Nation nur selten e<strong>in</strong>e<br />
im beruflich-sozialen S<strong>in</strong>ne homogene Gruppe darstellen.<br />
Auch <strong>die</strong> bisherigen Ergebnisse <strong>der</strong> wenigen mikrosoziologischen Untersuchungen<br />
zu ausländischem Wohnverhalten <strong>in</strong> Täkyä deuten nicht<br />
auf e<strong>in</strong> Überwiegen <strong>räumliche</strong>r Orientierungen anhand ethnischer Trennungsl<strong>in</strong>ien<br />
h<strong>in</strong>. Nur auf <strong>der</strong> Ebene e<strong>in</strong>zelner Wohngebäude s<strong>in</strong>d starke<br />
<strong>räumliche</strong> Konzentrationen von Angehörigen e<strong>in</strong>er Nation erkennbar;<br />
<strong>die</strong>se lassen sich - abgesehen von dem Son<strong>der</strong>fall werkseigener Wohnhäuser<br />
für ausländische Arbeiter - <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf <strong>die</strong> (selektiven) Informationen<br />
o<strong>der</strong> <strong>die</strong> aktive Hilfe von bereits ansässigen Landsleuten bei<br />
<strong>der</strong> Wohnungssuche von Neuankömml<strong>in</strong>gen zurückführen. 28 Freilich<br />
fehlt auch <strong>die</strong>sen Konzentrationen das Merkmal von Stabilität, da bei sich<br />
verbessern<strong>der</strong> Ortskenntnis o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Aufnahme e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en als <strong>der</strong> ursprünglichen<br />
Tätigkeit Umzüge <strong>in</strong> an<strong>der</strong>e Stadtviertel offenbar häufig<br />
s<strong>in</strong>d (SHUvilZU 1994; TAJlMA 1994). Bereits auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> aus mehreren<br />
Häuserblocks bestehenden Untere<strong>in</strong>heiten von Stadtvierteln (chöme) lassen<br />
sich Segregationsersche<strong>in</strong>ungen vorwiegend als Resultat arbeitsplatzorientierter<br />
Wohnstandortentscheidungen und darüber h<strong>in</strong>aus auch nur<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sehr milden Form nachweisen (KAJITA 1994: 96-97). Selbst <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
am stärksten von Auslän<strong>der</strong>n bewohnten Gegend TäkyäS, dem Ökubo-1chäme-Viertel<br />
im nördlichen Teil von Sh<strong>in</strong>juku-ku, stellen Japaner mit ca.<br />
70% weiterh<strong>in</strong> <strong>die</strong> absolute Bevölkerungsmehrheit, während sich <strong>die</strong> ausländische<br />
Bevölkerung aus sehr verschiedenen Ethnien vorwiegend asiatischer<br />
Herkunft zusammensetzt (OKUDA 1994: 12; TAJIMA 1994: 92-98).<br />
5. SCHLUSSFOLGERUNGEN<br />
Die vorangegangenen Analysen haben gezeigt, daß sich <strong>in</strong> Zusammenhang<br />
mit dem erheblichen Anstieg <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zahl von Zuwan<strong>der</strong>ern aus dem<br />
Ausland während <strong>der</strong> letzten zehn Jahre auch Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>räumliche</strong>n Verteilung, speziell <strong>der</strong> Konzentration von Auslän<strong>der</strong>n so-<br />
28 Darüber h<strong>in</strong>aus läßt sich <strong>in</strong> begrenztem Umfang auch <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluß von Diskrim<strong>in</strong>ierungen<br />
sozialstatusnie<strong>der</strong>er Auslän<strong>der</strong>gruppen auf dem Wohnungsmarkt<br />
als e<strong>in</strong>e Ursache <strong>der</strong> Konzentration auf bestimmte Gebäude benennen<br />
(vgl. SHIMIZU 1994: 390).<br />
157
wohl auf <strong>der</strong> regionalen als auch <strong>der</strong> lokalen und <strong>in</strong>nerstädtischen Ebene<br />
<strong>in</strong> Japan ergeben haben. Als Steuerungsfaktoren spielen dabei <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>die</strong> Art <strong>der</strong> ausgeübten Tatigkeiten bzw. <strong>der</strong> Aufenthaltsgrund sowie<br />
<strong>die</strong> jeweilige soziale Schichtzugehörigkeit e<strong>in</strong>e Rolle. Es bestätigt sich somit<br />
auch für Japan <strong>die</strong> Hypothese, daß e<strong>in</strong>e <strong>räumliche</strong> Segregation ethnischer<br />
M<strong>in</strong>oritäten <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>der</strong>en Zugehörigkeit zu bestimrrlten sozioökonomischen<br />
Gruppen wi<strong>der</strong>spiegelt und damit e<strong>in</strong> soziales Problern<br />
darstellt, das gesellschaftspolitisch durch e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong> Lebensbed<strong>in</strong>gungen<br />
und beruflichen Aufstiegschancen <strong>die</strong>ser Personen zurn<strong>in</strong>dest<br />
abgenül<strong>der</strong>t werden könnte, falls <strong>die</strong>s gewünscht wird. 29 E<strong>in</strong> genereller<br />
Wille <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heirnischenbevölkerung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> M<strong>in</strong>oritäten selbst,<br />
räumlich unter sich bleiben zu wollen, konnte h<strong>in</strong>gegen zum<strong>in</strong>dest auf<br />
Basis <strong>der</strong> vorliegenden Analysen nicht als Ursache für Segregationsphänomene<br />
ausgemacht werden, wenngleich solcherlei Motivationen auf <strong>der</strong><br />
Ebene e<strong>in</strong>zelner Individuen durchaus bestehen können.<br />
Freilich liegt Segregation <strong>in</strong> Japan <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er eher milden Form vor, <strong>die</strong><br />
weit stärker an <strong>die</strong> Verhältnisse <strong>in</strong> Deutschland als etwa an <strong>die</strong> <strong>in</strong> nordamerikanischen<br />
Großstädten er<strong>in</strong>nert (vgl. GLEBE 1984; YAMAMOTO 1993).<br />
Angesichts <strong>der</strong> immer noch ger<strong>in</strong>gen Zahl von Auslän<strong>der</strong>n, aber auch <strong>der</strong><br />
vielen strukturellen Ähnlichkeiten zwischen den gegenwärtigen Zuwan<strong>der</strong>ern<br />
nach Japan und den "Gastarbeitern" während <strong>der</strong> 60er Jahre <strong>in</strong><br />
Mitteleuropa - man denke etwa an den temporären Charakter <strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>ung,<br />
<strong>die</strong> vorwiegend manuellen und ungelernten Tätigkeiten, <strong>die</strong><br />
häufige Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> Werkswohnheimen sowie den relativ unsicheren<br />
juristischen Status <strong>der</strong> Migranten - hätte auch jedes an<strong>der</strong>e Ergebnis<br />
überrascht. Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d aber auch auf <strong>der</strong> Seite des Aufnahmelandes<br />
Japan bestimmte Umstände registrierbar, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>er Verstärkung <strong>der</strong><br />
<strong>räumliche</strong>n Segregation von Auslän<strong>der</strong>nwohl auch<strong>in</strong> Zukunftenge Grenzen<br />
setzen werden. Auf<strong>in</strong>nerstädtischer Ebene etwa dürfte <strong>die</strong>hohe <strong>räumliche</strong><br />
Dynamik <strong>der</strong> <strong>japan</strong>ischen Stadtzentren, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>die</strong> Ausbreitung<br />
kommerzieller City-Funktionen, e<strong>in</strong>e dauerhafte Nie<strong>der</strong>lassung von<br />
ausländischer Bevölkerung <strong>in</strong> Teilen des hochverdichteten <strong>in</strong>neren Wohngürtels<br />
(<strong>der</strong> sogenannten <strong>in</strong>ner city o<strong>der</strong> <strong>in</strong>ner area) nach nordarnerikanisehern<br />
o<strong>der</strong> europäischem Vorbild wahrsche<strong>in</strong>lich verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Zudembeschränken<br />
<strong>die</strong> <strong>in</strong> den Städten überall sehr hohen Boden- und Mietpreise<br />
29 Zu e<strong>in</strong>em ganz ähnlichen Ergebnis kommen KESTELOOT (1987) <strong>in</strong> bezug auf<br />
belgische Städte und GLEBE (1984) sowie YAMAMOTO (1993) <strong>in</strong> ihren Untersuchungen<br />
deutscher Großstädte, wobei letztere beson<strong>der</strong>s E<strong>in</strong>schränkungen auf<br />
dem Wohnungsmarkt hervorheben, <strong>die</strong> aber letztlich nur durch <strong>die</strong> meist ungünstige<br />
f<strong>in</strong>anzielle Situation <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung bed<strong>in</strong>gt und damit<br />
ebenso Ausdruck sozialschichtspezifischer Zugehörigkeit s<strong>in</strong>d.<br />
158
Die <strong>räumliche</strong> Verteilung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>bevölkerung <strong>in</strong> Japan<br />
<strong>die</strong> freie Wohnungswahl und damit <strong>die</strong> Ausprägung e<strong>in</strong>er Inarkanten sozial<strong>räumliche</strong>n<br />
Differenzierung überhaupt (vgl. KA]ITA 1994: 88-92). H<strong>in</strong>sichtlich<br />
<strong>der</strong> präfekturalen Ebene ist davon auszugehen, daß <strong>die</strong> aus konjunkturellen<br />
Gründen zu erwartende und <strong>in</strong> Ansätzen bereits beobachtbare<br />
branchenmäßige Diversifizierung <strong>der</strong> von ausländischen Arbeitern<br />
durchgeführten Tätigkeiten sogar zu e<strong>in</strong>er gleichmäßigeren Verteilung<br />
von Auslän<strong>der</strong>n im Raum führen wird, da kaum e<strong>in</strong>e weitere Industriebranche<br />
e<strong>in</strong>e <strong>der</strong>art starke <strong>räumliche</strong> Konzentration aufweist wie <strong>die</strong> bislang<br />
von <strong>die</strong>sen beson<strong>der</strong>s präferierte Automobil<strong>in</strong>dustrie. Die großräumige<br />
Entwicklung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>zahlen seit 1992 gibt hierauf bereits erste<br />
H<strong>in</strong>weise.<br />
Derlei Überlegungen setzen natürlich <strong>die</strong> Prämisse voraus, daß auch<br />
<strong>in</strong> Zuktmft <strong>die</strong> Zahl <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong> weiter ansteigen o<strong>der</strong> doch zum<strong>in</strong>dest<br />
nicht zurückgehen wird. Angesichts <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen wirtschaftlichen Rezession<br />
und <strong>der</strong> damit verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Arbeitskräftenachfrage <strong>in</strong>Japan mag<br />
man zwar zu e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>schätzung gelangen, zumal <strong>die</strong> Zahl <strong>der</strong><br />
sich legal <strong>in</strong> Japan aufhaltenden Auslän<strong>der</strong> seit 1992 nahezu stagniert.<br />
Mittelfristig dürfte sich <strong>die</strong> Zuwan<strong>der</strong>ung jedoch wie<strong>der</strong> beschleunigen,<br />
da und solange <strong>die</strong> meisten Auslän<strong>der</strong> "schmutzigen, anstrengenden und<br />
gefährlichen" Tätigkeiten 30 nachgehen, für <strong>die</strong> sich wohl auch <strong>in</strong> Zukunft<br />
kaum E<strong>in</strong>heimische f<strong>in</strong>den werden. H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Zusammensetzung<br />
<strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung s<strong>in</strong>d freilich Än<strong>der</strong>ungen zu erwarten, da<br />
das Reservoir von <strong>japan</strong>ischstämmigenArbeitsrnigranten mittel- und südamerikanischer<br />
Herkunft bald erschöpft se<strong>in</strong> wird - so befanden sich bereits<br />
1992 rund 200.000 <strong>der</strong> auf vielleicht e<strong>in</strong>e Million geschätzten nikkeij<strong>in</strong><br />
Late<strong>in</strong>amerikas, wor<strong>in</strong> natürlich auch nichterwerbsfähige Personen e<strong>in</strong>geschlossen<br />
s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong>Japan (vgl. HERBERT 1993: 92,94). Als Alternative sche<strong>in</strong>en<br />
sich den jüngsten nationalitätenspezifischen Zuwan<strong>der</strong>ungsdaten zufolge<br />
vor allem Personen aus dem süd- tmd westasiatischen Raum sowie<br />
aus Afrika anzubieten, <strong>die</strong> allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong>folge ihres kulturell völlig an<strong>der</strong>en<br />
H<strong>in</strong>tergrundes <strong>die</strong> <strong>japan</strong>ische Gesellschaft vor größere Integrationsprobleme<br />
stellen könnten. Inwieweit dann <strong>die</strong> Segregationsproblematik auch<br />
stärker von e<strong>in</strong>er ethnischen Ursachenkomponente geprägt werden wird,<br />
bleibt abzuwarten.<br />
30 In Japan mit dem e<strong>in</strong>prägsamen Schlagwort <strong>der</strong> san-K [Drei-K}-Arbeiten umschrieben,<br />
basierend auf den Anfangskonsonanten von kitanai [schmutzig},<br />
kitsui [anstrengend} und kiken [gefährlich}.<br />
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