Verschwendung - repOSitorium - Universität Osnabrück
Verschwendung - repOSitorium - Universität Osnabrück
Verschwendung - repOSitorium - Universität Osnabrück
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Verschwendung</strong> – Philosophie, Soziologie und Ökonomie des Überflusses<br />
„Essai sur le don“ gelang ihm gleichzeitig ein ökonomisches, juristisches, morali-<br />
sches, ästhetisches, religiöses, mythologisches und sozio-morphologisches Werk.<br />
Vorwiegend sind seine Thesen insbesondere soziologisch und kulturell geprägt.<br />
Grundsätzlich ging es gegen Ende des 19. Jahrhunderts in der Debatte um Gaben-<br />
austausch, um das Verhältnis von Ökonomie und Moral in modernen Gesellschaf-<br />
ten. Im Folgenden wird auf einige nennenswerte Gedankenrichtungen der ver-<br />
schiedenen Fachgebiete eingegangen, um einen Überblick zum Thema Gabe zu<br />
erhalten. In den weiteren Kapiteln werden zwei spezielle Formen der Gabe unter-<br />
sucht, um eine Brücke von der Gabe hin zur <strong>Verschwendung</strong> zu schlagen.<br />
Bronislaw Malinowski beschreibt Gaben in seinem Buch „Argonauten des westli-<br />
chen Pazifiks“ als eine sinnlose Form des Güteraustauschs. 3 Malinowski berichtet<br />
dort von einer Gesellschaftsform, die im Gegensatz zur imperialen Ökonomie<br />
Europas eine alternative Lebensweise bietet. Marcel Mauss nimmt diesen Gedan-<br />
ken auf und nutzt ihn für einen Angriff auf die Prinzipien des modernen Rationa-<br />
lismus und Merkantilismus. Er kritisiert dabei, dass sich Begriffe wie Individuum<br />
und Profit einer immer größeren Bedeutung frönen. Im Resümee seiner Studie<br />
betont Mauss, dass es „den Zwecken des Ganzen, dem Rhythmus unserer Arbeit<br />
und unseren Freuden und letztlich dem Einzelnen selbst“ schade, wenn man den<br />
Profit und das Individuum in den Vordergrund stellt. 4 Mit diesen Sätzen wird<br />
deutlich, dass Mauss die Beachtung von Moral im ökonomischen Handeln propa-<br />
giert.<br />
Die Gabe spielt für Mauss dabei eine übergeordnete Rolle. Der Gabentausch wird<br />
von Mauss als ein alternatives System gesehen, das dem modernen Markthandel<br />
gegenüber steht. Das System des Gabentauschs nennt Mauss le system des presta-<br />
tions totales; ein System der totalen Leistung. In den folgenden Kapiteln über das<br />
Opfer und den Potlatsch werden einige Beispiele zu diesem ‚Idealsystem’ gege-<br />
ben. Das grundsätzliche Prinzip des Systems der totalen Leistung ist, dass ein<br />
Austausch von Dingen und Dienstleistungen nicht im streng ökonomischen Sinne<br />
abläuft, sondern freiwillig erfolgt; und zwar in Form von Gaben und Geschenken.<br />
3 Vgl. Malinowski, B., Argonauts, 1922, S. 557.<br />
4 Vgl. Mauss, M., Gabe, 1925, S. 135-147.<br />
14