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Die Grundlagen der Arithmetik. Eine logisch mathematische ...

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Gottlob Frege – <strong>Die</strong> <strong>Grundlagen</strong> <strong>der</strong> <strong>Arithmetik</strong> - 22<br />

Abbildung würden die Einheiten nur in Hinsicht ihrer Häufigkeit dargestellt, indem von allen<br />

an<strong>der</strong>n Bestimmungen <strong>der</strong> Dinge als Farbe, Gestalt abgesehen werde. Hier ist Häufigkeit nur ein<br />

an<strong>der</strong>er Ausdruck für Anzahl. Schrö<strong>der</strong> stellt also Häufigkeit o<strong>der</strong> Anzahl in eine Linie mit Farbe<br />

und Gestalt und betrachtet sie als eine Eigenschaft <strong>der</strong> Dinge.<br />

§ 22. Dagegen Baumann: die äussern Dinge stellen keine strengen Einheiten dar. <strong>Die</strong> Anzahl hängt<br />

scheinbar von unserer Auffassung ab.<br />

Baumann 35 verwirft den Gedanken, dass die Zahlen von den äussern Dingen abgezogene<br />

Begriffe seien: „Weil nämlich die äussern Dinge uns keine strengen Einheiten darstellen; sie stellen<br />

uns abgegränzte Gruppen o<strong>der</strong> sinnliche Punkte dar, aber wir haben die Freiheit, diese selber<br />

wie<strong>der</strong> als Vieles zu betrachten“. In <strong>der</strong> That, während ich nicht im Staude bin, durch blosse<br />

Auffassungsweise die Farbe eines Dinges o<strong>der</strong> seine Härte im Geringsten zu verän<strong>der</strong>n, kann ich<br />

die Ilias als Ein Gedicht, als 24 Gesänge o<strong>der</strong> als eine grosse Anzahl von Versen auffassen. Spricht<br />

man nicht in einem ganz an<strong>der</strong>n Sinne von 1000 Blättern als von grünen Blättern des Baumes? <strong>Die</strong><br />

grüne Farbe legen wir jedem Blatte bei, nicht so die Zahl 1000. Wir können alle Blätter des Baumes<br />

unter dem Namen seines Laubes zusammenfassen. Auch dieses ist grün, aber nicht 1000. Wem<br />

kommt nun eigentlich die Eigenschaft 1000 zu? Fast scheint es we<strong>der</strong> dem einzelnen Blatte noch<br />

<strong>der</strong> Gesammtheit; vielleicht gar nicht eigentlich den Dingen <strong>der</strong> Aussenwelt? Wenn ich jemandem<br />

einen Stein gebe mit den Worten: bestimme das Gewicht hiervon, so habe ich ihm damit den<br />

ganzen Gegenstand seiner Untersuchung gegeben. Wenn ich ihm aber einen Pack Spielkarten in<br />

die Hand gebe mit den Worten: bestimme die Anzahl hiervon, so weiss er nicht, ob ich die Zahl<br />

<strong>der</strong> Karten o<strong>der</strong> <strong>der</strong> vollständigen Spiele o<strong>der</strong> etwa <strong>der</strong> Wertheinheiten beim Skatspiele erfahren<br />

will. Damit, dass ich ihm den Pack in die Hand gebe, habe ich ihm den Gegenstand seiner<br />

Untersuchung noch nicht vollständig gegeben; ich muss ein Wort: Karte, Spiel, Wertheinheit<br />

hinzufügen. Man kann auch nicht sagen, dass die verschiedenen Zahlen hier so wie die<br />

verschiedenen Farben neben einan<strong>der</strong> bestehen. Auf die einzelne farbige Fläche kann ich<br />

hindeuten, ohne ein Wort zu sagen, nicht so auf die einzelne Zahl. Wenn ich einen Gegenstand<br />

mit demselben Rechte grün und roth nennen kann, so ist das ein Zeichen, dass dieser Gegenstand<br />

nicht <strong>der</strong> eigentliche Träger des Grünen ist. <strong>Die</strong>sen habe ich erst in einer Fläche, die nur grün ist.<br />

So ist auch ein Gegenstand, dem ich mit demselben Rechte verschiedene Zahlen zuschreiben<br />

kann, nicht <strong>der</strong> eigentliche Träger einer Zahl.<br />

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Farbe und Anzahl besteht demnach darin, dass die<br />

blaue Farbe einer Fläche unabhängig von unserer Willkühr zukommt. Sie ist ein Vermögen,<br />

gewisse Lichtstrahlen zurückzuwerfen, an<strong>der</strong>e mehr o<strong>der</strong> weniger zu verschlucken, und daran kann<br />

unsere Auffassung nicht das Geringste än<strong>der</strong>n. Dagegen kann ich nicht sagen, dass dem Pack<br />

Spielkarten die Anzahl 1 o<strong>der</strong> 100 o<strong>der</strong> irgend eine an<strong>der</strong>e an sich zukomme, son<strong>der</strong>n höchstens in<br />

Bezug auf unsere willkührliche Auffassungsweise, und dann auch nicht so, dass wir ihm die Anzahl<br />

einfach als Praedicat beilegen könnten. Was wir ein vollständiges Spiel nennen wollen, ist offenbar<br />

eine willkührliche Festsetzung und <strong>der</strong> Pack Spielkarten weiss nichts davon. Indem wir ihn aber in<br />

dieser Einsicht betrachten, entdecken wir vielleicht, dass wir ihn zwei vollständige Spiele nennen<br />

können. Jemand, <strong>der</strong> nicht wüsste, was man ein vollständiges Spiel nennt, würde wahrscheinlich<br />

irgend eine an<strong>der</strong>e Anzahl eher an ihm herausfinden, als grade die Zwei.<br />

§ 23. Mills Meinung, dass die Zahl eine Eigenschaft des Aggregats von Dingen sei, ist unhaltbar.<br />

<strong>Die</strong> Frage, wem die Zahl als Eigenschaft zukomme, beantwortet Mill 36 so:<br />

„Der Name einer Zahl bezeichnet eine Eigenschaft, die dem Aggregat von Dingen angehört,<br />

welche wir mit dem Namen benennen; und diese Eigenschaft ist die charakteristische Weise, in<br />

welcher das Aggregat zusammengesetzt ist o<strong>der</strong> in Theile zerlegt werden kann.“<br />

Hier ist zunächst <strong>der</strong> bestimmte, Artikel in dem Ausdrucke „die charakteristische Weise“ ein<br />

Fehler; denn es giebt sehr verschiedene Weisen, wie man ein Aggregat zerlegen kann, und man<br />

kann nicht sagen, dass <strong>Eine</strong> allein charakteristisch wäre. Ein Bündel Stroh kann z. B. so zerlegt<br />

34 Lehrbuch <strong>der</strong> <strong>Arithmetik</strong> und Algebra, Leipz. 1873, S. 6, 10 u. 11.<br />

35 A. a. O. Bd. II, S. 669.<br />

36 A. a. O. III. Buch, XXIV. Cap., § 5.

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