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Die Grundlagen der Arithmetik. Eine logisch mathematische ...

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Gottlob Frege – <strong>Die</strong> <strong>Grundlagen</strong> <strong>der</strong> <strong>Arithmetik</strong> - 36<br />

In Bezug auf Eins und Einheit blieb die Frage, wie die Willkühr <strong>der</strong> Auffassung zu<br />

beschränken sei, die jeden Unterschied zwischen <strong>Eine</strong>m und Vielen zu verwischen schien.<br />

<strong>Die</strong> Abgegrenztheit, die Ungetheiltheit, die Unzerlegbarkeit sind keine brauchbaren Merkmale<br />

für das, was wir durch das Wort „Ein“ ausdrücken.<br />

Wenn man die zu zählenden Dinge Einheiten nennt, so ist die unbedingte Behauptung, dass<br />

die Einheiten gleich seien, falsch. Dass sie in gewisser Hinsicht gleich sind, ist zwar richtig aber<br />

werthlos. <strong>Die</strong> Verschiedenheit <strong>der</strong> zu zählenden Dinge ist sogar nothwendig, wenn die Zahl<br />

grösser als 1 werden soll.<br />

So schien es, dass wir den Einheiten zwei wi<strong>der</strong>sprechende Eigenschaften beilegen müssten:<br />

die Gleichheit und die Unterscheidbarkeit.<br />

Es ist ein Unterschied zwischen Eins und Einheit zu machen. Das Wort „Eins“ ist als<br />

Eigenname eines Gegenstandes <strong>der</strong> <strong>mathematische</strong>n Forschung eines Plurals unfähig. Es ist also<br />

sinnlos, Zahlen durch Zusammenfassen von Einsen entstehen zu lassen. Das Pluszeichen in<br />

1+1=2 kann nicht eine solche Zusammenfassung bedeuten.<br />

§ 46. <strong>Die</strong> Zahlangabe enthält eine Aussage von einem Begriffe. Einwand, dass bei unverän<strong>der</strong>tem<br />

Begriffe die Zahl sich än<strong>der</strong>e.<br />

Um Licht in die Sache zu bringen, wird es gut sein, die Zahl im Zusammenhange eines<br />

Urtheils zu betrachten, wo ihre ursprüngliche Anwendtingsweise hervortritt. Wenn ich in<br />

Ansehung <strong>der</strong>selben äussern Erscheinung mit <strong>der</strong>selben Wahrheit sagen kann: „dies ist eine<br />

Baumgruppe“ und „dies sind fünf Bäume“ o<strong>der</strong> „hier sind vier Compagnien“ und „hier sind 500<br />

Mann,“ so än<strong>der</strong>t sich dabei we<strong>der</strong> das Einzelne noch das Ganze, das Aggregat, son<strong>der</strong>n meine<br />

Benennung. Das ist aber nur das Zeichen <strong>der</strong> Ersetzung eines Begriffes durch einen an<strong>der</strong>n. Damit<br />

wird uns als Antwort auf die erste Frage des vorigen Paragraphen nahe gelegt, dass die Zahlangabe<br />

eine Aussage von einem Begriffe enthalte. Am deutlichsten ist dies vielleicht bei <strong>der</strong> Zahl 0. Wenn<br />

ich sage: „die Venus hat 0 Monde“, so ist gar kein Mond o<strong>der</strong> Aggregat von Monden da, von dem<br />

etwas ausgesagt werden könnte; aber dem Begriffe „Venusmond“ wird dadurch eine Eigenschaft<br />

beigelegt, nämlich die, nichts unter sich zu befassen. Wenn ich sage: „<strong>der</strong> Wagen des Kaisers wird<br />

von vier Pferden gezogen“, so lege ich die Zahl vier dem Begriffe „Pferd, das den Wagen des<br />

Kaisers zieht“, bei.<br />

Man mag einwenden, dass ein Begriff wie z. B. „Angehöriger des deutschen Reiches“, obwohl<br />

seine Merkmale unverän<strong>der</strong>t bleiben, eine von Jahr zu Jahr wechselnde Eigenschaft haben würde,<br />

wenn die Zahlangabe eine solche von ihm aussagte. Man kann dagegen geltend machen, dass auch<br />

Gegenstände ihre Eigenschaften än<strong>der</strong>n, was nicht verhin<strong>der</strong>e, sie als dieselben anzuerkennen.<br />

Hier lässt sich aber <strong>der</strong> Grund noch genauer angeben. Der Begriff „Angehöriger des deutschen<br />

Reiches“ enthält nämlich die Zeit als verän<strong>der</strong>lichen Bestandtheil, o<strong>der</strong>, um mich mathematisch<br />

auszudrücken, ist eine Function <strong>der</strong> Zeit. Für „a ist ein Angehöriger des deutschen Reiches“ kann<br />

man sagen: „a gehört dem deutschen Reiche an“ und dies bezieht sich auf den gerade<br />

gegenwärtigen Zeitpunkt. So ist also in dem Begriffe selbst schon etwas Fliessendes. Dagegen<br />

kommt dem Begriffe „Angehöriger des deutschen Reiches zu Jahresanfang 1883 berliner Zeit“ in<br />

alle Ewigkeit dieselbe Zahl zu.<br />

§ 47. <strong>Die</strong> Thatsächlichkeit <strong>der</strong> Zahlangabe erklärt sich aus <strong>der</strong> Objectivität des Begriffes.<br />

Dass eine Zahlangabe etwas Thatsächliches von unserer Auffassung Unabhängiges ausdrückt,<br />

kann nur den Wun<strong>der</strong> nehmen, welcher den Begriff für etwas Subjectives gleich <strong>der</strong> Vorstellung hält.<br />

Aber diese Ansicht ist falsch. Wenn wir z. B. den Begriff des Körpers dem des Schweren o<strong>der</strong> den<br />

des Wallfisches dem des Säugethiers unterordnen, so behaupten wir damit etwas Objectives. Wenn<br />

nun die Begriffe subjectiv wären, so wäre auch die Unterordnung des einen unter den an<strong>der</strong>n als<br />

Beziehung zwischen ihnen etwas Subjectives wie eine Beziehung zwischen Vorstellungen. Freilich<br />

auf den ersten Blick scheint <strong>der</strong> Satz<br />

„alle Wallfische sind Säugethiere“<br />

von Thieren, nicht von Begriffen zu handeln ; aber, wenn man fragt, von welchem Thiere denn die<br />

Rede sei, so kann man kein einziges aufweisen. Gesetzt, es liege ein Wallfisch vor, so behauptet<br />

doch von diesem unser Satz nichts. Man könnte aus ihm nicht schliessen, das vorliegende Thier sei

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