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Die Grundlagen der Arithmetik. Eine logisch mathematische ...

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Gottlob Frege – <strong>Die</strong> <strong>Grundlagen</strong> <strong>der</strong> <strong>Arithmetik</strong> - 42<br />

Wir werden durch das Denken gar oft über das Vorstellbare hinausgeführt, ohne damit die<br />

Unterlage für unsere Schlüsse zu verlieren. Wenn auch, wie es scheint, uns Menschen Denken<br />

ohne Vorstellungen unmöglich ist, so kann doch <strong>der</strong>en Zusammenhang mit dem Gedachten ganz<br />

äusserlich, willkührlich und conventionell sein.<br />

Es ist also die Unvorstellbarkeit des Inhaltes eines Wortes kein Grund, ihm jede Bedeutung<br />

abzusprechen o<strong>der</strong> es vom Gebrauche auszuschliessen. Der Schein des Gegentheils entsteht wohl<br />

dadurch, dass wir die Wörter vereinzelt betrachten und nach ihrer Bedeutung fragen, für welche<br />

wir dann eine Vorstellung nehmen. So scheint ein Wort keinen Inhalt zu haben, für welches uns<br />

ein entsprechendes inneres Bild fehlt. Man muss aber immer einen vollständigen Satz ins Auge<br />

fassen. Nur in ihm haben die Wörter eigentlich eine Bedeutung. <strong>Die</strong> innern Bil<strong>der</strong>, die uns dabei<br />

etwa vorschweben, brauchen nicht den <strong>logisch</strong>en Bestandtheilen des Urtheils zu entsprechen. Es<br />

genügt, wenn <strong>der</strong> Satz als Ganzes einen Sinn hat; dadurch erhalten auch seine Theile ihren Inhalt.<br />

<strong>Die</strong>se Bemerkung scheint mir geeignet, auf manche schwierige Begriffe wie den des<br />

Unendlichkleinen 79 ein Licht zu werfen, und ihre Tragweite beschränkt sich wohl nicht auf die<br />

Mathematik.<br />

<strong>Die</strong> Selbständigkeit, die ich für die Zahl in Anspruch nehme, soll nicht bedeuten, dass ein<br />

Zahlwort ausser dem Zusammenhange eines Satzes etwas bezeichne, son<strong>der</strong>n ich will damit nur<br />

dessen Gebrauch als Praedicat o<strong>der</strong> Attribut ausschliessen, wodurch seine Bedeutung etwas<br />

verän<strong>der</strong>t wird.<br />

§ 61. Einwand <strong>der</strong> Unräumlichkeit <strong>der</strong> Zahlen. Nicht je<strong>der</strong> objective Gegenstand ist räumlich.<br />

Aber, wendet man vielleicht ein, mag auch die Erde eigentlich unvorstellbar sein, so ist sie<br />

doch ein äusseres Ding, das einen bestimmten Ort hat; aber wo ist die Zahl 4? sie ist we<strong>der</strong> ausser<br />

uns noch in uns. Das ist in räumlichem Sinne verstanden richtig. <strong>Eine</strong> Ortsbestimmung <strong>der</strong> Zahl 4<br />

hat keinen Sinn; aber daraus folgt nur, dass sie kein räumlicher Gegenstand ist, nicht, dass sie<br />

überhaupt keiner ist. Nicht je<strong>der</strong> Gegenstand ist irgendwo. Auch unsere Vorstellungen 80 sind in<br />

diesem Sinne nicht in uns (subcutan). Da sind Ganglienzellen, Blutkörperchen und <strong>der</strong>gl., aber<br />

keine Vorstellungen. Räumliche Praedicate sind auf sie nicht anwendbar; die eine ist we<strong>der</strong> rechts<br />

noch links von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n; Vorstellungen haben keine in Millimetern angebbaren Entfernungen<br />

von einan<strong>der</strong>. Wenn wir sie dennoch in uns nennen, so wollen wir sie damit als subjectiv<br />

bezeichnen.<br />

Aber wenn auch das Subjective keinen Ort hat, wie ist es möglich, dass die objective Zahl 4<br />

nirgendwo sei? Nun ich behaupte, dass darin gar kein Wi<strong>der</strong>spruch liegt. Sie ist in <strong>der</strong> That genau<br />

dieselbe für jeden, <strong>der</strong> sich mit ihr beschäftigt; aber dies hat mit Räumlichkeit nichts zu schaffen.<br />

Nicht je<strong>der</strong> objective Gegenstand hat einen Ort.<br />

Um den Begriff <strong>der</strong> Anzahl zu gewinnen, muss man den Sinn einer Zahlengleichung feststellen.<br />

§ 62. Wir bedürfen eines Kennzeichens für die Zahlengleichheit.<br />

Wie soll uns denn eine Zahl gegeben sein, wenn wir keine Vorstellung o<strong>der</strong> Anschauung von<br />

ihr haben können? Nur im Zusammenhange eines Satzes bedeuten die Wörter etwas. Es wird also<br />

darauf ankommen, den Sinn eines Satzes zu erklären, in dem ein Zahlwort vorkommt. Das giebt<br />

zunächst noch viel <strong>der</strong> Willkühr anheim. Aber wir haben schon festgestellt, dass unter den<br />

Zahlwörtern selbständige Gegenstände zu verstehen sind. Damit ist uns eine Gattung von Sätzen<br />

gegeben, die einen Sinn haben müssen, <strong>der</strong> Sätze, welche ein Wie<strong>der</strong>erkennen ausdrücken. Wenn<br />

uns das Zeichen a einen Gegenstand bezeichnen soll, so müssen wir ein Kennzeichen haben,<br />

welches überall entscheidet, ob b dasselbe sei wie a, wenn es auch nicht immer in unserer Macht<br />

steht, dies Kennzeichen anzuwenden. In unserm Falle müssen wir den Sinn des Satzes<br />

„die Zahl, welche dem Begriffe F zukommt, ist dieselbe, welche dem Begriffe G zukommt“<br />

79 Es kommt darauf an, den Sinn einer Gleichung wie<br />

d f (x) = g (x) dx<br />

zu definiren, nicht aber darauf, eine von zwei verschiedenen Punkten begrenzte Strecke<br />

aufzuweisen, <strong>der</strong>en Länge dx wäre.<br />

80 <strong>Die</strong>s Wort rein psycho<strong>logisch</strong>, nicht psychophysisch verstanden.

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