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Die Grundlagen der Arithmetik. Eine logisch mathematische ...

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Gottlob Frege – <strong>Die</strong> <strong>Grundlagen</strong> <strong>der</strong> <strong>Arithmetik</strong> - 24<br />

§ 25. Mills physikalischer Unterschied zwischen 2 und 3. Nach Berkeley ist die Zahl nicht realiter<br />

in den Dingen, son<strong>der</strong>n durch den Geist geschaffen.<br />

Während für Mill die Zahl etwas Physikalisches ist, besteht sie für Locke und Leibniz nur in<br />

<strong>der</strong> Idee. In <strong>der</strong> That sind, wie Mill 41 sagt, zwei Aepfel von drei Aepfeln, zwei Pferde von einem<br />

Pferd physikalisch verschieden, ein davon verschiedenes sichtliches und fühlbares Phänomen 42 .<br />

Aber ist daraus zu schliessen, dass die Zweiheit, Dreiheit, etwas Physikalisches ist? Ein Paar Stiefel<br />

kann dieselbe sichtbare und fühlbare Erscheinung sein, wie zwei Stiefel. Hier haben wir einen<br />

Zahlenunterschied, dem kein physikalischer entspricht; denn zwei und Ein Paar sind keineswegs<br />

dasselbe, wie Mill son<strong>der</strong>barer Weise zu glauben scheint. Wie ist es endlich möglich, dass sich zwei<br />

Begriffe von drei Begriffen physikalisch unterscheiden?<br />

So sagt Berkeley 43 : „Es ist zu bemerken, dass die Zahl nichts Fixes und Festgestelltes ist, was<br />

realiter in den Dingen selber existirte. Sie ist gänzlich Geschöpf des Geistes, wenn er entwe<strong>der</strong> eine<br />

Idee an sich o<strong>der</strong> eine Combination von Ideen betrachtet, <strong>der</strong> er einen Namen geben will und sie<br />

so für eine Einheit gelten lässt. Jenachdem <strong>der</strong> Geist seine Ideen variirend combinirt, variirt die<br />

Einheit, und wie die Einheit so variirt auch die Zahl, welche nur eine Sammlung von Einheiten ist.<br />

Ein Fenster = 1; ein Haus, in dem viele Fenster sind, = 1; viele Häuser machen <strong>Eine</strong> Stadt aus.“<br />

Ist die Zahl etwas Subjectives ?<br />

§ 26. Lipschitzs Beschreibung <strong>der</strong> Zahlbildung passt nicht recht und kann eine<br />

Begriffsbestimmung nicht ersetzen. <strong>Die</strong> Zahl ist kein Gegenstand <strong>der</strong> Psychologie, son<strong>der</strong>n etwas<br />

Objectives.<br />

In diesem Gedankengange kommt man leicht dazu, die Zahl für etwas Subjectives anzusehen.<br />

Es scheint die Weise, wie die Zahl in uns entsteht, über ihr Wesen Aufschluss geben zu können.<br />

Auf eine psycho<strong>logisch</strong>e Untersuchung also würde es dann ankommen. In diesem Sinne sagt wohl<br />

Lipschitz 44 :<br />

„Wer über gewisse Dinge einen Ueberblick gewinnen will, <strong>der</strong> wird mit einem bestimmten<br />

Dinge beginnen und immer ein neues Ding den früheren hinzufügen“. <strong>Die</strong>s scheint viel besser<br />

darauf zu passen, wie wir etwa die Anschauung eines Sternbildes erhalten, als auf die Zahlbildung.<br />

<strong>Die</strong> Absicht, einen Ueberblick zu gewinnen, ist unwesentlich; denn man wird kaum sagen können,<br />

dass eine Herde übersichtlicher wird, wenn man erfährt, aus wieviel Häuptern sie besteht.<br />

<strong>Eine</strong> solche Beschreibung <strong>der</strong> innern Vorgänge, die <strong>der</strong> Fällung eines Zahlurtheils<br />

vorhergehen, kann nie, auch wenn sie zutreffen<strong>der</strong> ist, eine eigentliche Begriffsbestimmung<br />

ersetzen. Sie wird nie zum Beweise eines arithmetischen Satzes herangezogen werden können; wir<br />

erfahren durch sie keine Eigenschaft <strong>der</strong> Zahlen. Denn die Zahl ist so wenig ein Gegenstand <strong>der</strong><br />

Psychologie o<strong>der</strong> ein Ergebniss psychischer Vorgänge, wie es etwa die Nordsee ist. Der<br />

Objectivität <strong>der</strong> Nordsee thut es keinen Eintrag, dass es von unserer Willkühr abhangt, welchen<br />

Theil <strong>der</strong> allgemeinen Wasserbedeckung <strong>der</strong> Erde wir abgrenzen und mit dem Namen „Nordsee“<br />

belegen wollen. Das ist kein Grund, dies Meer auf psycho<strong>logisch</strong>em Wege erforschen zu wollen.<br />

So ist auch die Zahl etwas Objectives. Wenn man sagt „die Nordsee ist 10,000 Quadratmeilen<br />

gross“, so deutet man we<strong>der</strong> durch „Nordsee“ noch durch „10,000“ auf einen Zustand o<strong>der</strong><br />

Vorgang in seinem Innern hin, son<strong>der</strong>n man behauptet etwas ganz Objectives, was von unsern<br />

Vorstellungen und dgl. unabhängig ist. Wenn wir etwa ein an<strong>der</strong> Mal die Grenzen <strong>der</strong> Nordsee<br />

etwas an<strong>der</strong>s ziehen o<strong>der</strong> unter „10,000“ etwas An<strong>der</strong>es verstehen wollten, so würde nicht <strong>der</strong>selbe<br />

Inhalt falsch, <strong>der</strong> vorher richtig war; son<strong>der</strong>n an die Stelle eines wahren Inhalts wäre vielleicht ein<br />

falscher geschoben, wodurch die Wahrheit jenes ersteren in keiner Weise aufgehoben würde.<br />

41 A. a. O. III. Buch, XXIV. Cap. § 5.<br />

42 Genau genommen müsste hinzugefügt werden: sobald sie überhaupt ein Phänomen sind. Wenn<br />

aber Jemand ein Pferd in Deutschland und eines in Amerika (und sonst keins) hat, so besitzt er<br />

zwei Pferde. <strong>Die</strong>se bilden jedoch kein Phänomen, son<strong>der</strong>n nur jedes Pferd für sich könnte so<br />

genannt werden.<br />

43 Baumann a. a. O. Bd. II. S. 428.<br />

44 Lehrbuch <strong>der</strong> Analysis, S. 1. Ich nehme an, dass Lipschitz einen innern Vorgang im Sinne hat.

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