Es gibt drei Camps: Camp X-Ray, welches bereits geschlossen wurde, Camp Delta und Camp Iguana, welche noch in Betrieb sind. 2009, als Obama ein Dekret zur Schließung unterschrieb, befanden sich noch 245 Gefangene in Guantanamo. Mittlerweile sitzen dort noch 171 Häftlinge und die endgültige Schließung erweist sich als schwerer als gedacht. Obama hat es trotz seines Versprechens noch nicht geschafft, Guantanamo zu schließen. Doch auch wenn dieses Thema momentan in den Medien nicht mehr so präsent ist, wird es wahrscheinlich rechtzeitig zu den Wahlen wieder aufkommen, um Wähler zu gewinnen. Seite 16
Bosnienreflexionen Im Augenblick würde ich mich einem Chimäre, halb Schwamm, halb Kuh, vergleichen: Während unserer Bosnienreise habe ich so viel aufgesaugt, wie ich nur konnte, und nun gilt es, all diese Erlebnisse, Informationen und Gedanken wiederzukauen. Wiederkäuer sind nicht die dümmsten Lebewesen; aber gerade Leuchten im Tierreich sind sie auch nicht. Also, die Gedanken einer Kuh sind nicht zu ernst zu nehmen. Wenn ich an den 24. April zurückdenke, an den Vortrag Doktor Schneebachers über Weltwirtschaftskrise, Banken und Euro, scheint mir eine Ewigkeit vergangen zu sein. Am selben Samstagabend waren wir schon in Zagreb und siehe da, genau das, wovon wir am Vormittag gehört hatten: Überall österreichische Konzerne: Kika, Spar…Globalisierung! “Muh, das werden schon noch die Überbleibsel der K.u.K- Zeit sein!“, schoss es mir durch den Kopf. In Sarajevo konnte man auch noch zwischen Gebäuden aus der Donaumonarchie im Jugendstil und gleich darauf zwischen niederen Häusern, Bazaren und Minaretten herumspazieren. Ein Konglomerat nicht nur verschiedener Stile, sondern auch verschiedener Religionen. Wir haben Menschen verschiedener Religionen und Konfessionen getroffen: Muslime, Juden, Katholiken, Serbisch- Orthodoxe: All diese Menschen leben im selben Staat…das richtige Wort wäre jetzt „zusammen“. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob man das wirklich Zusammenleben nennen kann. Ja, die Menschen leben schon in den gleichen Städten, kaufen oft in den gleichen Geschäften ein, aber zusammen leben ist das (noch) nicht. Man merkt es nicht gleich, aber die Wunden des Krieges sind noch spürbar. Serbisches Bier in serbischen Lokalen, bosnisches in bosnischen Bars. Aber niemand hat mit uns offen über den Hass gesprochen, denn wir kamen hauptsächlich mit Menschen in Kontakt, die eine gemeinsame Zukunft sehen. Diese Begegnungen mit Menschen sind das Tiefste und Schönste, was ich wiederzukauen habe. Lessings Ringparabel ist mir eingefallen, als wir bei einem muslimischen Imam, einer Art Pfarrer, zu Besuch waren. Er hat uns alle Fragen über Frauenrechte im Islam, Terror, Zusammenleben und noch vieles mehr kompetent und überzeugend beantwortet. Hauptsächlich sind mir jedoch zwei Sachen klar Seite 17 geworden: Bosnien ist ein Land, in dem Orient und Okzident sich getroffen haben und treffen. Der Islam hier ist europäisch das heißt, man merkt oft keinen Unterschied zwischen muslimischen Familien und christlichen; kein Burka oder ähnliches! Ins Bewusstsein eingedrungen ist mir auch die Situation hierzulande. Um unsere Welt zu überblicken, muss man weit weg, auf den Mond, gehen. Von dort erscheint sie schimmernd schön, aber klein, sehr klein und unbedeutend im Vergleich zum Rest des Alls. Hauptsächlich aber nicht zu perfekt und fortgeschritten, wie wir sie zu sein glauben. „Leben wir hier in Südtirol, der Schnittstelle zwischen Norden und Süden, bereichert? Leben wir wirklich miteinander und nicht nebeneinander? Ist es überhaupt möglich?“ Das sind Fragen, auf die mir Antworten fehlen. Das Zäheste, was ich wiederzukauen habe, ist jedoch der Krieg: Für mich ist er Geschichte. Ich war gerade dabei, sprechen zu lernen, als er aufhörte. Für mich waren die Gräber und die Massaker der Armee der „Republika Srpska“ gleich schrecklich, aber auch gleich weit entfernt wie die Gräueltaten Hitlers und seiner Schergen. Ich habe nur noch einige Einschusslöcher in den Häusern gesehen; nichts im Vergleich -glaube ich - zum Leid, das die Menschen ertragen mussten. Doch was mir zu schaffen machte und zu schaffen macht, sind die Verantwortlichen für die Massaker. Und verantwortlich sind sie alle: Serben, Bosniaken und Kroaten. Wie kann ein Mensch, ein Mann, jetzt im Alter meines Vaters, hunderte Leute erschießen, foltern, schlagen, vergewaltigen und nun normal weiterleben, eine Familie haben, Kinder haben? Wie kann er mit sich selbst zurechtkommen? Vielleicht hat der Dorfpolizist hunderte Leute erschossen? Vielleicht der Bäcker? Vielleicht der Nachbar? Nicht alles war jedoch so trübe. Ich bin lachend hingefahren und komme auch so zurück. Die Wiesen und Weiden - eine Kuh schaut auf solche Dinge - waren noch nicht grün, die Landschaft noch grau und ermüdet vom harten Winter, doch der Frühling war schon spürbar; wir waren nur zu früh dort!