frauenstudien 14 - Frauenbeauftragte - LMU
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DES ABSCHEUS (Hauptseminar, auch für Nicht-<br />
IndologInnen)<br />
Zeit: Mi 11-13<br />
Ort: Raum 498<br />
Beginn: 7.5.<br />
Anmeldung: nicht erforderlich<br />
Sprechstunde: Mo <strong>14</strong>-15, Raum 489, und nach tel. Vereinbarung<br />
unter Tel. 21 80-25 78<br />
Der weibliche Körper wird in der altindischen Literatur im<br />
Wesentlichen unter zwei Gesichtspunkten gesehen. In der lyrischen<br />
Dichtung wird er als Objekt des männlichen Begehrens<br />
verklärt und u.a. als eine idyllische Landschaft geschildert, in<br />
welcher der weltliche Mann die Stillung seiner Sehnsüchte<br />
erhoffen darf. In den Texten der Philosophen wird der Leib der<br />
Frau hingegen als ein Hort des Verfalls und daher häufig als<br />
verwesender Fleischklumpen beschrieben, an Hand dessen dem<br />
nach Erkenntnis und Erlösung strebenden Mann die Gefährlichkeit<br />
der Sexualität und die Vergeblichkeit menschlicher Liebe,<br />
die Bedeutungslosigkeit des irdischen Lebens und der Tod vor<br />
Augen geführt werden sollen.<br />
Deutlich wird, daß die ausnahmslos männlichen Autoren der<br />
poetischen und der philosophischen Texte Altindiens nach<br />
Bedarf einen weiblichen Körper konstruierten, um an diesem<br />
ihre jeweiligen Interessen, vor allem Sexualität und Enthaltsamkeit,<br />
zu behandeln: Der Sehnsucht nach der Frau als williger<br />
Geliebten steht die Abwehr der auf ihre Körperlichkeit<br />
reduzierten Frau als Inbegriff der Verführung gegenüber. Im<br />
Werk des Dichters BHARTRHARI, der im 5. oder 6. Jahrhundert<br />
lebte, wird das Schwanken zwischen Erotik und Askese, wie es<br />
sich nach indischer Auffassung in jedem Mann abspielt, besonders<br />
deutlich: In seiner Liebeslyrik verherrlicht er die Frau und<br />
ihren Körper als das Ziel jeglichen Begehrens, während er in<br />
seiner Asketendichtung die ewig lockende Frau und ihre fesselnde<br />
Sexualität für das intellektuelle und spirituelle Scheitern<br />
des Mannes verantwortlich macht.<br />
An Hand der Texte dieses Dichters sowie anderer indischer<br />
Quellen sollen diese Konzepte des weiblichen Körpers, die als<br />
kulturelle und damit willkürliche Konstrukte aufzufassen sind,<br />
genauer untersucht werden. Ausgehend von den Ansätzen<br />
Thomas LAQUEURS und Judith BUTLERS, aber auch der Körperhistorikerin<br />
Barbara DUDEN, soll erörtert werden, wie biologische<br />
Gegebenheiten in feste Bedeutungen umgewandelt werden,<br />
die für beide Geschlechter weitreichende Konsequenzen<br />
im kulturellen und gesellschaftlichen Symbolgefüge haben, vor<br />
allem jedoch für die Frauen, die in patriarchalischen Gesell-<br />
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