52*53*54*55*56*58 *59*60*61*62*63 - Schauspiel Stuttgart
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Was für sie zählt, wenn sie in die Tiefe schaut,<br />
ist der Moment der Erhabenheit über die Welt,<br />
zur gleichen Zeit von allem losgelöst und ganz<br />
und gar im Gefühl der Nähe mit allem aufzugehen.<br />
Der Sprung, so schön er ist, würde diese<br />
Einheit vergänglich werden lassen. Und so<br />
verweilt sie im perfekten Moment, zelebriert<br />
seine Schönheit, den Genuss des Verzichts, der<br />
hier nichts beschränkt, sondern im Gegenteil<br />
alles möglich macht.<br />
Luise liebt um der Liebe willen. Jeder kennt<br />
diese genügsamen Momente des ersten Verliebtseins,<br />
in denen ein Gedanke an die geliebte<br />
Person das vollkommene Glück bedeutet, der<br />
Anblick des Geliebten ausreicht um die Welt in<br />
einen Ort der bedingungslosen Glückseligkeit<br />
zu verwandeln. Das Gefühl der ersten Berührung,<br />
des ersten Kusses, die so nie wiederkehren.<br />
Und jeder kennt sie, die hilflosen Versuche<br />
die Perfektion dieser ersten Momente wiederherzustellen.<br />
Denn die Befriedigung eines Begehrens macht<br />
aus dem Begehren ein Besitzen, und nur zu oft<br />
ist der nächste Schritt, der auf das Besitzen<br />
folgt, der Überdruss. Wir entlieben uns und<br />
ziehen weiter zum nächsten Objekt unseres<br />
Begehrens. So stellt sich die Nicht-Befriedigung<br />
s: 32 ˚<br />
schauspielstuttgart<br />
kabale und liebe<br />
s: 33 ˚<br />
schauspielstuttgart<br />
kabale und liebe<br />
unseres Begehrens als eigentlich erstrebenswerter<br />
Zustand heraus, der uns vor der<br />
Enttäuschung und dem Schmerz einer entschwindenden<br />
Liebe schützt. Gleichzeitig wird das<br />
beständige Begehren als größerer Genuss als<br />
eine schnelle, kurzfristige Befriedigung<br />
kultiviert. »Denn die Lust setzt dem Genießen<br />
Grenzen, die Lust als inkohärentes Band des<br />
Lebens.« Das Prinzip des Verzichts ist nicht<br />
nur ein entbehrendes, sondern vielmehr ein<br />
erhaltendes.<br />
Wenn die Vergänglichkeit der Liebe zur<br />
Wesenhaftigkeit ihrer selbst gehört, bleibt<br />
den Liebenden nichts anderes als aktiv zu<br />
werden und selbst die magischen Schwellen,<br />
die Grenzen im Genießen permanent neu<br />
zu erschaffen. Das Begehren selbst wird zum<br />
Gesetz, denn jede Liebe ist endlich, das<br />
Begehren aber ist es nicht. ° Verena Eitel