Madame

Wir nehmen Platz, schon weht ein bisschen Nostalgie durch
den wohl gestylten Innenraum. Die Sportsitze haben die
legendären Karomuster, der Dachhimmel ist wie bei den
Vorgängern schwarz, und den manuellen Schaltknüppel
krönt nicht eine banale Kugel, sondern ein Golfball. Jetzt
aber los! Beim Start und beim Beschleunigen auf den ersten
Metern signalisiert der starke GTI Bescheidenheit. Kein angeberisches
Motorengejaule, nur sanftes Brummen entfährt
der Zwei-Liter-Maschine. Was der Agilität keinen Abbruch
tut, im Gegenteil, irgendwie scheint es, als hätte der GTI tief
in seinem Inneren sämtliche Kurven der französischen Seealpen
gespeichert und könnte jede einzelne sofort abrufen.
Traumwandlerisch sicher zieht er seine Bahnen. Zauberei?
Nein, des Rätsels Lösung hat einen langen Namen: Vorderachs-Differenzialsperre.
Sie regelt die Kraftverteilung der
beiden Vorderräder, was bei Bedarf dazu führt, dass sich
das kurvenäußere Rad schneller dreht und so das Auto stabil
um die Kurve wuppt. Für das schöne, sichere Feeling ist
noch eine weitere Neuerung verantwortlich, die sogenannte
Progressivlenkung. Man kommt mit kleineren Lenkbewegungen
aus, das hilft beim Kurvenfahren (und auch beim
Einparken). Urteil nach einigen Testfahrten: Die siebte
Generation (ab 28 500 Euro) ist ein Garant für dynamischen
Fahrspaß. Ob der allerdings bei dem offiziell angegebenen
Durchschnittsverbrauch von sechs Litern pro 100 Kilometer
zu haben ist, sei dahingestellt.
Der GTI ist eine echte Legende. Und wie um das zu untermauern,
haben die VW-Verantwortlichen ein älteres,
30 Jahre altes Modell vor das Hotel gestellt. Da gibt es nur
eins: unbedingt testen. Beim Einsteigen beamt man sich in
die automobile Wirklichkeit des Jahres 1983. Zu diesen
Zeiten wurde den Fahrern noch eine gewisse Grundfitness
abverlangt: Die Türe fällt nicht sanft ins Schloss, sie muss
mit viel Schwung zugezogen werden. Damit etwas mediterrane
Hitze entweichen kann, kurbelt man mit Verve das
Fenster herunter, der Sicherheitsgurt gibt sich beim Nachvorneziehen
widerborstig. Servolenkung? Fehlanzeige!
Auch das Bremsen verlangt vollen Einsatz auf dem Pedal.
Bei den Armaturen gibt es Kippschalter fürs Licht. Und für
das Audio-Entertainment ist das Autoradio mit Drehknopf
zuständig. Doch es wäre unfair, jetzt an dem GTI der zweiten
Generation herumzunörgeln. Der Youngtimer, dessen
Motor manchmal seltsam rasselt, hat auf der Straße eine
gute Performance. Klar, in Kurven neigt er sich bedenklicher
und fühlt sich einfach stämmiger an. Doch der alte GTI
besinnt sich immer auf seine Kernkompetenz: Er sorgt für
Fahrfreude im Überfluss. Das Einzige, was noch gefehlt
hätte, wäre ein flotter Boney-M.-Song gewesen. Aber man
kann ja nicht alles haben.
MARTIN VOGELSANG
25.01.–15.09.2013
Münchner Stadtmuseum
Sammlung Mode / Textilien
www.Muenchner-stadtmuseum.de
Mode der
1970er-Jahre
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