FILM 64 DER GROSSE R.R. Früher waren wir vernarrt in seine blitzblauen Augen, sein Lächeln, seine Verwegenheit. Und heute? Gehen wir auf die Knie vor einem Mann, dessen Schauspielkunst wir vielleicht jetzt erst richtig zu würdigen wissen: Robert Redford – nun mit „The Company You Keep“ am Start MADAME 8/2013 FOTO: Vittorio Zunino Celotto/Contour by Getty Images
Als George Clooney noch die Schulbank drückte, war Robert Redford, heute 76, schon längst das politische Gewissen Hollywoods. Nach Kassenschlagern wie „Barfuß im Park“ oder „So wie wir waren“ galt er nicht nur als das Sexsymbol schlechthin, sondern auch als sichere Bank im Filmgeschäft. War jemand, der darauf bestehen konnte, gesellschaftskritische Filme wie das Watergate-Drama „Die Unbestechlichen“ selbst zu produzieren. Sei ne Kurzvita: Nach einem Theaterwissenschaftsstudium in New York und einigen Hungerjahren auf der Bühne gelingt ihm 1969 mit „Butch Cassidy und Sundance Kid“ der Sprung auf die Kinoleinwand. Sein Privatleben? Ungewöhnlich skandalfrei für jemanden seines Kalibers in der Traum fabrik. Von 1958 bis 1985 ist er mit der Schauspielerin Lola Van Wangenen verheiratet, hat mit ihr die Kinder Shauna, 52, James, 50, und Amy, 42. Das älteste, Scott, starb 1959 an plötzlichem Kindstod. 1981 gründet Robert Redford in Utah das Sundance Institute, das wohl wichtigste Forum für den Independent Film, dessen alljährliches Festival bis heute ein Highlight der internationalen Kinolandschaft ist. 1996 lernt er bei diesem Event die deutsche Künstlerin Sibylle Szaggars kennen und lieben, im Sommer 2009 heiratet das Paar in Hamburg, der Heimat der Braut, höchst unauffällig in der kleinen Kirche St. Severini im Stadtteil Kirchwerder. In eigenen Regiewerken wie „Der Kandidat“ oder „Von Löwen und Lämmern“ hat er immer wieder große ethische Fragen aufgeworfen. Wie jetzt in „The Company You Keep – Die Akte Grant“ (Start: 25. Juli). Robert Redford schrieb das Drehbuch, führte Regie und spielt die Hauptrolle: einen ehemaligen Linksradikalen, der einst in der Untergrundbewegung Weathermen die Viet nam politik der US-Regierung bekämpfte. Und nunmehr unter falschem Namen als geachteter Anwalt und allein erzie hen der Vater einer Zwölfjährigen lebt und nach der Verhaftung einer früheren Mitstreiterin (Susan Sarandon) eines Tages von einem übereifrigen Reporter (Shia LaBeouf) aufgespürt wird. Beim Gespräch im Pariser Hotel „Georges V“ wirkt Robert Redford oberlässig. Jeans, schwarzes Shirt, Türkisring. Die rotblonden Haare fallen ihm so jungenhaft ins (mittlerweile nicht nur windund wettergegerbte) Gesicht wie eh und je. Er begrüßt mich auf Deutsch. Fast akzentfrei. Und sehr charmant: „Hallo, ich erinnere mich an Sie.“ Um dann, augenzwinkernd, ins Englische überzugehen: „Erinnern Sie sich auch an mich?“ Sie haben in Paris und Florenz gelebt. Hat Europa Sie geprägt? Meine eigentliche Bildung begann mit meiner Reise dorthin, nach dem Tod meiner Mutter. Ich war 18, hatte keine Lust aufs College und ahnte, dass es mich weiterbringen würde, wenn ich raus in die Welt zöge. Meine erste Station in Deutschland war München. Ich hatte überhaupt keine Vorstellung. Ich trampte in die Stadt, und als ich aus dem Auto stieg, kamen ein paar Studenten vorbei, nahmen mich in ihre Mitte und gingen mit mir ins „Hofbräuhaus“. Ich war völlig begeistert und dachte: Toll, hier sind alle so gut gelaunt! Was ich nicht wusste: Es war Fasching. Wann fingen Sie an, sich für Politik zu interessieren? Nach Paris kam ich 1957, zur Zeit des Algerienkriegs. Damals wollte ich Maler werden, beschäftigte mich vor allem mit Kunst. Wenn ich mich aber mit Leuten in meinem Alter unterhielt, in Cafés und auf der Straße, fragten die mich dauernd nach meiner Meinung zu politischen Themen. Und ich hatte von nichts Ahnung. Das war mir echt peinlich. Ich habe mich so geschämt, dass ich anfing, mich von Europa aus mit meinem Land auseinanderzusetzen. Ich habe viele ausländische Zeitungen gelesen und so ganz unterschiedliche Standpunkte über die USA kennengelernt. Während die USA in den 1970ern mit der Terrorgruppe der Weathermen zu tun hatten, hatten wir unter Baader-Meinhof zu leiden. Ist Ihnen diese Bewegung ein Begriff? Ja, ich erinnere mich. Ich interessiere mich schon lange für jede Form von Anarchie. In der Geschichte findet sie sich in allen Ländern: in Russland die Bolschewiken, in den USA um 1900 herum Figuren wie Emma Goldman. Etwa alle 20 Jahre kommt es zum Aufstand gegen etwas, was manche als totalitäres Regime empfinden oder zumindest als Gefahr, dass die Meinungsfreiheit des Einzelnen eingeschränkt werden soll. Dann melden sich Anarchisten lautstark zu Wort. Seit ich einen größeren Einblick in die Geschichte habe, stelle ich mir immer wieder die Frage, warum Anarchie beginnt und warum sie endet. In „The Company You Keep“ geht es um eine Gruppe Anti-Vietnam-Aktivisten, die militant wurden. Es geht um eine Widerstandsbewegung von jungen Leuten gegen einen Krieg, an den sie nicht glaubten. Sie wurden damals gegen ihren Willen eingezogen und zu etwas gezwungen, das sie moralisch und rechtlich für falsch hielten. Ich habe damals mit ihren Idealen sympathisiert. Aber nicht mitgemacht? Ich war noch sehr jung und gerade dabei, eine Familie zu gründen und in New York eine Theaterkarriere auf die Beine zu stellen. Aber meine Sicht stimmte größtenteils mit der der Weathermen überein. Bis sie Gewalt einsetzten. Für mich der Anfang vom Ende, so kam’s dann auch: Sie lösten sich auf, einige tauchten in den Untergrund ab. Warum schildern Sie das Thema aus der heutigen Perspektive? Mich interessierte, was aus diesen Leuten 30, 40 Jahre später geworden ist. Wer sie heute sind, welche Haltung ➛ 65
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