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Madame

Eine Freundin von mir brachte neulich einen Hund mit nach Hause, gerettet vor seinem Besitzer, der es nicht gut mit ihm meinte. Sie gab dem Unhold 100 Euro, ließ beim Tierarzt checken, ob der kleine Cocker gesund und nicht gestohlen war, und da saß er nun verschüchtert rum mit seinen Kulleraugen und dem wuscheligen Fell. Die Kinder waren entzückt, der Ehemann weniger. „Ihr seid verrückt“, meinte er. „Wir haben doch schon einen Hund.

Eine Freundin von mir brachte neulich einen Hund mit nach Hause, gerettet vor seinem Besitzer, der es nicht gut mit ihm meinte. Sie gab dem Unhold 100 Euro, ließ beim Tierarzt checken, ob der kleine Cocker gesund und nicht gestohlen war, und da saß er nun verschüchtert rum mit seinen Kulleraugen und dem wuscheligen Fell. Die Kinder waren entzückt, der Ehemann weniger. „Ihr seid verrückt“, meinte er. „Wir haben doch schon einen Hund.

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FILM<br />

66<br />

sie haben. Ob sie auf die veränderten<br />

Umstände reagiert und sich verändert<br />

haben. Und inwieweit sie in der falschen<br />

Identität, die sie sich zulegen<br />

mussten, gefangen sind.<br />

Ihre große moralische Frage ist doch:<br />

Muss man nach 30 Jahren immer noch einstehen für seine Taten?<br />

Genau! Ob wir für unsere Vergangenheit zur Verantwortung<br />

gezogen werden müssen. Mich interessierte, dass diese Aktivisten<br />

im Untergrund sehr unterschiedliche Wege eingeschlagen<br />

haben. Einige bedauern, was sie getan haben.<br />

Andere eher, dass die Bewegung sich selbst zerstört hat.<br />

Und es gibt welche, die immer noch an die Sache glauben.<br />

Wie haben Sie sich Ihrer Figur angenähert?<br />

Langsam. Es hat vier Jahre gedauert, bis wir mit dem Dreh<br />

beginnen konnten. Neil Gordons Roman „The Sea of Green“<br />

lieferte mir die Grundlage und umfasst sehr viele Handlungsstränge.<br />

Ich habe die Geschichte auf den Reporter und den<br />

Anwalt eingedampft. Das hat Zeit gekostet, mir die Figur aber<br />

auch immer näher gebracht. Am Ende passte sie mir wie<br />

angegossen. Also wollte ich sie auch spielen. Selbst wenn ich<br />

es nicht so mag, gleichzeitig Regisseur und Darsteller zu sein.<br />

Warum nicht?<br />

Ich kann mich selbst nicht gut inszenieren. Spielen ist okay,<br />

Regie führen ist okay. Aber ich mochte mich noch nie gern<br />

selbst in Filmen sehen. Ich könnte mir nie beim Spielen<br />

zugucken und sagen: Ja, das war gut.<br />

Welches Buch hat Sie noch fasziniert und geprägt?<br />

„Les Misérables“. Den Roman habe ich mit sieben Jahren<br />

gelesen und geliebt. Er wirkte ewig in mir nach. Ich glaube,<br />

es war mir lange nicht bewusst, aber das Thema Jäger und<br />

Gejagte oder auch Verfolger und Verfolgte war immer meins.<br />

Die meisten meiner Filme handeln davon.<br />

Das ist also eine Art roter Faden in Ihrem Werk?<br />

Ja, und das ist mir erst kürzlich klar geworden. Sogar in<br />

„Quiz Show“, in der es scheinbar um die Unter hal tungsindus<br />

trie geht, kommt dieses Motiv vor. Letztendlich geht<br />

es immer um die Suche nach der Wahrheit.<br />

In „The Company You Keep“ zeigt sich das in der Jagd zwischen<br />

Reporter und Ex-Aktivist.<br />

Auch da gibt es wieder die Spannung der Verfolgung. Und<br />

das Thema, dass du deiner Vergangenheit nicht entkommen<br />

kannst. Shia LaBeouf als Reporter, der nach der Wahrheit<br />

sucht, ist wie Inspektor Javert aus „Les Misérables“, der hinter<br />

Jean Valjean her ist, mit dem ich mich identifiziere.<br />

In Cannes wurden Sie jetzt als Schiffbrüchiger in „All Is Lost“ gefei<br />

ert. Da fungieren sie nur als Schauspieler, wie auch in „Captain<br />

America“, wofür Sie gerade den Vertrag unterzeichnet haben.<br />

Eine Kehrt wende zur reinen Schauspielerei?<br />

„WICHTIG IST DIE<br />

DISTANZ<br />

ZWISCHEN<br />

ARBEIT UND<br />

PRIVATEM.“<br />

ROBERT REDFORD<br />

Ja. Im Gegensatz zu früher, wo ich<br />

fast ausschließlich als Schauspieler<br />

und Produzent gleichzeitig gearbeitet<br />

habe, was sehr stressig war,<br />

will ich jetzt wieder zurück zu meinen<br />

eigentlichen Wurzeln.<br />

Aber in „Jenseits von Afrika“, in „Ein unmoralisches Angebot“<br />

oder „Der Pferdeflüsterer“ traten Sie doch auch nur als Schauspieler<br />

in Aktion.<br />

Ich bin immer mal kurz aufgewacht und habe diese Rollen<br />

angenommen. Aber nun steht Sundance auf festen Füßen.<br />

Und ich habe gemerkt, dass mir etwas Wesentliches fehlt:<br />

das, womit bei mir alles anfing und was mir als Künstler<br />

am meisten bedeutet hat – die Schauspielerei. Dahin will<br />

ich zurück, solange ich noch kann. Das ist meine Basis.<br />

Sie sind aber auch als Regisseur legendär. 1980 feierten Sie Ihr<br />

Regiedebüt mit „Eine ganz normale Familie“, womit Sie groß<br />

rauskamen: sechs Oscar-Nominierungen, vier Trophäen.<br />

Das hat mich umgehauen. Ich war gar nicht auf diesen gigantischen<br />

Erfolg vorbereitet. Letztlich war es ja nur ein<br />

Low-Budget-Film. Der ganze Hype hat mich total nervös<br />

gemacht. Ich wollte eine Pause machen, um danach frisch<br />

loszulegen. In dieser Zeit wurde mir klar, dass es mich am<br />

meisten erfüllt, wenn ich meine Popularität so einsetze,<br />

dass sie anderen zu Chancen verhilft. So kam ich auf das<br />

Sundance Festival, das dem unabhängigen Film eine Lobby<br />

bietet. Aber dieser Aufgabe habe ich mich viel intensiver<br />

und länger verschrieben, als ich eigentlich vorhatte.<br />

Ihre Rolle in „All Is Lost“ von J. C. Chandor ist sehr extrem. Sie<br />

sind in diesem intensiven Drama, das nächstes Frühjahr bei uns<br />

anläuft, der einzige Schauspieler.<br />

Dieser Mann, der allein auf seinem Boot einem Sturm ausgesetzt<br />

ist und kaum spricht, hat mich fasziniert. Genau so<br />

was wollte ich spielen. Ich kenne J. C. von der Sundance-<br />

Premiere seines Films „Margin Call – Der große Crash“. 30<br />

Jahre lang habe ich junge Filmemacher unterstützt – aber nie<br />

hat einer von ihnen mir mal eine Rolle angeboten. Verrückt,<br />

oder? Und dann erzählte mir J. C., er habe etwas für mich<br />

geschrieben. „Mache ich!“, rief ich sofort, allein schon weil<br />

ich es so toll fand, dass endlich mal einer was für mich hat.<br />

In dem Film sprechen Sie ungefähr 50 Worte.<br />

Wirklich, so viele?<br />

Vielleicht auch nur zwölf. Jedenfalls sind nur Sie auf der Leinwand<br />

zu sehen. War das der Reiz, diese Rolle anzunehmen?<br />

Absolut! Ganz allein zu sein und fast keine Worte als Ausdrucksmittel<br />

nutzen zu können ist für einen Schauspieler irre<br />

reizvoll. Ich hatte auch Lust, mich völlig in die Hand eines<br />

Regisseurs zu begeben und mich führen zu lassen, nachdem<br />

ich so oft gleichzeitig Regisseur und Schauspieler war.<br />

MADAME 8/2013

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