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Du bist frech, mein Junge

„Wie kommst du denn auf die Idee, mit einer Frau, die dich so liebt, Schluss zu machen?“ fragte er sich vorwurfsvoll. „Du bist selber verrückt, nichts als ver­rückt und durchgedreht. Schraubst dir irgendwelche Hypothesen über die Zu­kunft zusammen und zerstörst so eine wunderbare Beziehung. Elena ist doch ein Mensch, wie kannst du denn so wahnsinnig mit ihr umgehen?“ Jetzt war Rolf völlig konfus. Wie es nach Juliane weitergehen sollte, eine Vorstellung von seinem neuen Leben hatte er nie gehabt. Er wusste nur, allein wollte er nicht bleiben. Aber wen wollte er denn finden, wenn es seiner Meinung nach mit Ele­na nicht einmal funktionieren würde. Welche Hirngespinste von Vorstellungen tobten denn in seinem Kopf herum? Wahrscheinlich durfte es nur Juliane Nu­mero 2 mit der Garantie für keine Differenzen sein. „Du lebst kein neues Le­ben. Den Traum von deinem alten willst du weiterleben.“ wurde Rolf sich klar.

„Wie kommst du denn auf die Idee, mit einer Frau, die dich
so liebt, Schluss zu machen?“ fragte er sich vorwurfsvoll.
„Du bist selber verrückt, nichts als ver­rückt und durchgedreht. Schraubst dir irgendwelche Hypothesen über die Zu­kunft
zusammen und zerstörst so eine wunderbare Beziehung.
Elena ist doch ein Mensch, wie kannst du denn so wahnsinnig
mit ihr umgehen?“ Jetzt war Rolf völlig konfus. Wie es nach
Juliane weitergehen sollte, eine Vorstellung von seinem neuen
Leben hatte er nie gehabt. Er wusste nur, allein wollte er
nicht bleiben. Aber wen wollte er denn finden, wenn es seiner
Meinung nach mit Ele­na nicht einmal funktionieren würde.
Welche Hirngespinste von Vorstellungen tobten denn in
seinem Kopf herum? Wahrscheinlich durfte es nur Juliane
Nu­mero 2 mit der Garantie für keine Differenzen sein.
„Du lebst kein neues Le­ben. Den Traum von deinem
alten willst du weiterleben.“ wurde Rolf sich klar.

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können.“ reagierte Rolf. „Worüber hast du dich früher immer aufgeregt?“ erwiderte<br />

Paul, „Dass du hier immer Stuss schreiben musst. <strong>Du</strong> könntest Leitartikel<br />

und Essays wie in der Süddeutschen oder Frankfurter Rundschau schreiben,<br />

aber das wollte hier keiner lesen. Ein Bericht übers letzte Ge<strong>mein</strong>defest von St.<br />

Patroculus sei wichtiger. Jetzt hast du doch alle Freiheiten. Schreib doch was<br />

du möchtest und schau was du noch kannst. Das <strong>bist</strong> du doch, der schreibend<br />

etwas rüberbringen wollte. Ob's irgendwo veröffentlicht wird, ist doch egal. Es<br />

geht doch um deine Lust am Schreiben, die hast du doch nicht verloren. Ich<br />

fände es zum Beispiel toll, mal etwas von dir zu lesen, wie's nicht im Ortsteil<br />

gestanden hätte.“<br />

Wieso war Rolf eigentlich nicht selber darauf gekommen. Wahrscheinlich hatte<br />

er Schreiben so mit Lokalteil zusammenschustern internalisiert, dass er froh<br />

war, nichts mehr formulieren zu müssen. So etwas wie ein Tagebuch in Essayform<br />

würde er schreiben, darauf konnte er sich freuen. Rolf war ja froh, dass<br />

er nicht mehr zu arbeiten brauchte, aber trotzdem hatte Paul Recht. Wenn er<br />

es auch ablehnte, seine Persönlichkeit über seine Arbeit zu definieren, empfand<br />

er doch eine leere Stelle, wenn es Derartiges nicht mehr gab. Der Stil, das Literarische,<br />

die pointierten Formulierungen, in der Lokalredaktion war das alles<br />

sekundär geworden, jetzt gefiel es ihm alles wieder neu zu entdecken und<br />

auszuprobieren. Manchmal schrieb er fast die ganze Nacht durch, verwarf es<br />

wieder, formulierte neu und korrigierte. Zum Schluss fand er es oft richtig toll,<br />

aber ob es daran lag, dass er die Urfassung gekannt hatte und von seinen<br />

Verbesserungen überzeugt war, oder ob andere den Text auch gut finden<br />

würden. Er wusste es nicht, trotzdem machten ihm die literarischen<br />

Selbstgespräche ein sehr gutes Gefühl. Es machte ihn kräftiger, psychisch<br />

stabiler. Er fühlte sich gesund und hatte Lust, aktiv zu werden.<br />

Habanera<br />

Anett wollte er anrufen und ihr mal mitteilen, dass er jetzt tatsächlich begonnen<br />

habe zu singen. Vor Lachen konnten sie sich am Telefon gar nicht verstehen.<br />

„Ich will das hören, wir müssen uns treffen und du musst mir etwas vorsingen.<br />

Vielleicht kannst du ja auch <strong>mein</strong> Leid gleich mit beklagen.“ erklärte<br />

Anett. „Nein, das geht nicht. Das darf doch keiner hören. Da würde ich mich ja<br />

zu Tode schämen.“ lehnte Rolf ab. „Dann komme ich zu dir nach Hause, und<br />

ich singe dir auch deine Habanera.“ entgegnete Anett. Als er Anett die Tür öffnete,<br />

mussten sie schon wieder lachen. Und so blieb es auch. „Weißt du das<br />

deine Große Gnade das große Schaf ist, das Agnus Dei. Natürlich weißt du das.<br />

Ich mag es, würde auch gern Missae singen, aber da sieht man mich wohl<br />

nicht. Dabei stünde es einer Edelmaitresse doch gut an, mal das 'Kyrie eleison'<br />

zu preisen oder?“ <strong>mein</strong>te Anett, „<strong>Du</strong> hast ja Lust bekommen. <strong>Du</strong> möchtest ja<br />

mehr machen. Da musst du Gesangsunterricht nehmen, musst deine Stimme<br />

ausbilden lassen. Alles andere ist Pippifax. <strong>Du</strong> wirst es bestimmt schaffen, die<br />

Gesangslehrerin zu überzeugen, dass sie Spaß daran bekommt.“ „Die Habanera<br />

hast du versprochen.“ erinnerte Rolf, „Vergiss es nicht.“ „Steh auf, Don Rolfino.<br />

Begib dich auf deinen Marktplatz. Nur ohne Chor und Orchester wird es ein<br />

<strong>Du</strong> <strong>bist</strong> <strong>frech</strong>, <strong>mein</strong> <strong>Junge</strong> – Seite 18 von 33

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