Gemeinde Journal Frühjahr 2012 - Ev.-Luth. Kirchengemeinde ...
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T H E O L O G I E<br />
Ein Teil des Problems liegt sicher in unserer Sprache,<br />
in den Möglichkeiten unseres Denkens begründet: „Wir<br />
müssen“, so hat Karl Barth es sinngemäß einmal auf den<br />
Punkt gebracht, „als Menschen von Gott reden und können<br />
es zugleich als Menschen nicht.“ Wir können es<br />
jedenfalls nicht auf angemessene Weise. Wir erleben<br />
Gott manchmal als ganz nah, fast greifbar seine<br />
Gegenwart, und dann wieder entzieht er sich, kommt uns<br />
abhanden in allen Erfahrungen, die gegen ihn sprechen.<br />
Beides zusammenzudenken, zusammenzubringen in<br />
einem göttlichen Wesen, das ist schwer. Vielleicht ist dies<br />
aber genau der Versuch, den Jesaja im Rahmen seiner<br />
geschichtlichen Denkweise mit den uns überlieferten<br />
Worten unternimmt. Der uns wohlgesonnene und der<br />
feindliche Gott, sie schließen einander nicht aus, sondern<br />
gehören zusammen. Wie Gott sich uns gegenüber letztlich<br />
verhält und zeigt, das liegt nach Jesaja dann in unserem<br />
eigenen Verhalten begründet. Diese Schlussfolgerung<br />
allerdings ist problematisch und verdankt sich wohl<br />
dem verständlichen Bedürfnis, die Erfahrungen von<br />
Gottes Abwesenheit verstehbar zu machen und damit zu<br />
legitimieren.<br />
Wir haben es heute schwerer damit, den „lieben Gott“<br />
gegen den uns fremden und fernen Gott in Schutz zu<br />
nehmen. Wir stehen beiden Gesichtern Gottes gegenüber<br />
und halten es dann unbewusst vielleicht mit <strong>Luth</strong>er,<br />
dem wir die Empfehlung verdanken, dass es gut sei, in<br />
solchen Situation von Gott zu Gott zu fliehen – also dem<br />
uns im Leiden abhanden gekommenen Gott immer wieder<br />
den anderen Gott entgegenzustellen, von dem jeder<br />
von uns auch etwas zu erzählen hat und der da ist, auch<br />
wenn wir ihn nicht sehen können. Ich glaube, dass es<br />
wichtig ist, die Verse des Jesaja ganz bewusst zu lesen<br />
auch vor dem Hintergrund der Passionszeit, auf die wir<br />
zugehen. Von Jesus ist uns überliefert, er habe am Kreuz<br />
den Satz hinausgeschrien: „Mein Gott, mein Gott,<br />
warum hast du mich verlassen?“ Und fast scheint es, als<br />
würde selbst in diesem Ausdruck tiefster Gottver -<br />
lassenheit noch tröstliche Gewissheit schlummern – wie<br />
sonst könnte man sich an jemanden wenden, von dem<br />
man sich zugleich verlassen meint?<br />
Nils Kiesbye<br />
Über das<br />
Gefühl, von<br />
Gott verlassen<br />
worden zu sein,<br />
philosophiert<br />
Pastor Nils<br />
Kiesbye<br />
So wie Janus in<br />
der römischen<br />
Mythologie hat<br />
auch der Gott<br />
des Alten<br />
Testaments<br />
mindestens zwei<br />
Gesichter<br />
G e m e i n d e A l t o n a – O s t · 21