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seinen eigenen Landsleuten angeschossen, weil er die Erkennungsparole nicht<br />

nennen konnte. Ihr Bruder Leo Röschke wurde 1943 als Soldat bei der Marine<br />

eingezogen.<br />

Meine damals 13-jährige Oma erinnert sich, wie ihre Familie in einer Aprilnacht<br />

im Jahre 1945 von deutschen Soldaten aufgefordert wurde, ihr Zuhause<br />

schnellstmöglich zu verlassen. Die Familie hatte keine Zeit mehr, irgendwelches<br />

Hab und Gut einzupacken, also blieb ihnen nur das, was sie am Körper trugen<br />

und alle anderen Gebrauchsgegenstände, Papiere und sonstige Erinnerungsstücke<br />

mussten sie in der Eile der Flucht zurücklassen. Umgebene Dörfer<br />

und auch das von weiten zu erkennende Danzig gingen durch alliierte<br />

Bombenangriffe in Flammen auf. Zum kleinen Hafen des Fischerdorfes rennend<br />

wurde meine Oma Zeuge eines heillosen Durcheinanders: Sie erinnert sich an<br />

die vielen Tiere, die von ihren Weiden in Ostpreußen immer weiter nach<br />

Westpreußen gedrängt wurden, an die anderen Menschen im Dorf, die ihre<br />

Heimat verlassen mussten und an die brennende Landschaft. Mit Fischerbooten<br />

wurden die Familien auf die vor der Danziger Bucht liegenden Halbinsel Hela<br />

verschifft und von dort aus brachte sie das nächste Schiff nach Gotenhafen.<br />

Als sie dort ankamen, trafen sie auf tausende Flüchtlinge, die größtenteils mit<br />

der Gustloff nach Gotenhafen fahren sollten. Elli Röschke, eine ältere Schwester<br />

meiner Oma wurde durch die riesigen Menschenmassen vom Rest der Familie<br />

getrennt und rettete sich mit der Lützow (ehemals Deutschland) trotz<br />

zweimaliger Bombardierungen nach Dänemark. Aber dennoch hatte auch die<br />

Familie meiner Oma vor, mit der Gustloff zu fliehen, da dieses Schiff ja ein<br />

großes und angeblich sehr sicheres Gefährt war. Doch der Opa meiner Oma, ein<br />

erfahrener Fischer, konnte sich denken, dass gerade große Schiffe bevorzugte<br />

Versenkungsziele der alliierten Flieger waren. Deshalb ließ er unter den<br />

tausenden Flüchtlingen Hulda Röschke, die Mutter meiner Oma, und ihre<br />

Kinder ausrufen, um an einem vereinbarten Ort am Hafen mit ihm neu<br />

zusammenzukommen. Als sich die Familie dort getroffen hat, fuhr sie mit einem<br />

Fischkutter auf die offene See, wo sie auf einen Schwimmbagger trafen, der die<br />

Flüchtlingsfamilie aufnahm. Diese Zeit auf dem Schwimmbagger, der sie nach<br />

Stralsund bringen sollte, war geprägt von fürchterlicher Angst und vom Kampf<br />

ums Überleben, denn die Bomben fielen nicht weiter entfernt als 20 Meter ins<br />

Wasser. Zusammen mit drei anderen Familien, die mit an Bord waren, hat meine<br />

Oma ausgeharrt und darauf gehofft, dass keine Bombe den Schwimmbagger<br />

treffen möge, denn das wäre ihr sicherer Tod gewesen. Meine Oma hört noch<br />

heute den Lärm der Bomben, die unmittelbar neben ihnen in die Ostsee stürzten.<br />

Doch ihr Opa hat ihrer Familie durch seinen Ausruf am Gotenhafener Hafen das<br />

Leben gerettet, denn die Gustloff ist bei dieser Fahrt bombardiert worden und<br />

alle Menschen, die sich an Bord befanden, sind ums Leben gekommen. Die<br />

Lützow, auf der sich die Schwester meiner Oma befand, ist bei einem darauf<br />

folgenden Flüchtlingstransport untergegangen. Unter den Toten war auch der

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