download - Gymnasium Francisceum Zerbst
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estand die Angst vor der russischen Front, die immer näher rückte. Die Pferde<br />
trugen die Lasten von den Betten, Essen, Heu und Hafer. Die Gruppe, bestehend<br />
aus der Familie von Franz Morawietz und anderen Dorfbewohnern, lief in<br />
Richtung Niederschlesien, nach Waldenburg, weiter nach Hirschburg und dann<br />
nach Reichenberg (dem heutigen Liberetsch) in die Tschechoslowakei.<br />
Eigentlich war geplant, dass sie über die Neiße nach Dresden gelangen, aber das<br />
hatten bereits die Russen blockiert. Somit gingen sie zu Fuß weiter bei -20°C bis<br />
-25°C und 3-5 cm Schnee über Prag bis kurz vor Bayern. Dort erfuhren sie von<br />
der deutschen Kapitulation. Somit durften sie in der Tschechoslowakei nicht<br />
bleiben, da diese wieder eigenständig wurde. Die Amerikaner boten ihnen an,<br />
gemeinsam nach Bayern zu gehen, mit der Bedingung, Pferde und Wagen<br />
zurückzulassen, oder sie gingen wieder zurück in die Heimat. Eine schwere<br />
Entscheidung, denn bis dahin waren sie ca. 600 km unter harten winterlichen<br />
Bedingungen gelaufen und hatten entweder im Freien, in Schulen oder in<br />
Gaststätten genächtigt.<br />
Sie gingen zurück, bis kurz hinter Prag, wo ihnen alles von den<br />
Tschechoslowaken weggenommen wurde, außer dem, was sie selber tragen<br />
konnten (hauptsächlich Lebensmittel). Dann wurden sie mit vielen anderen auf<br />
eine Wiese zusammengetrieben. Es gab kein Essen und kein Trinkwasser. Sie<br />
versuchten etwas Trinkwasser durch Regen aufzufangen, dennoch sind viele<br />
verdurstet. Auch Franz war mit seiner Familie und den anderen Dorfbewohnern<br />
dort, die den weiten Weg bis dahin überlebt hatten (ältere Menschen und Babys<br />
sind gestorben). Einige Tage später wurden alle (ca. 50 Leute) in einen Zug<br />
geladen, welcher nur nachts fuhr. Keiner wusste wohin. Endstation war<br />
Theresienstadt, das ehemalige KZ von Hitler. Dort hausten sie in Baracken,<br />
welche von den Tschechoslowaken überwacht wurden. Nun hatten sie die<br />
Hoffnung aufgegeben, in ihre Heimat zurückkehren zu können. Wieder mussten<br />
sie alles abgeben, was diese verlangten. Die ihnen noch gebliebenen Zigaretten<br />
tauschten sie bei dem Aufpasser ihrer Baracke gegen ihre Freiheit ein. Früh halb<br />
drei kam ein LKW und brachte ca. 39 Leute vor die deutsche Grenze, wo sie<br />
tagelang die Grenzwacht beobachteten und sich dann durch den Wald über die<br />
Grenze in die sowjetische Besatzungszone schlichen.<br />
Ab da ging jede Familie ihren eigenen Weg. Es war bereits Juli 1945. Franz`<br />
Familie fuhr mit dem Zug ziellos von Stadt zu Stadt, im August waren sie auch<br />
schon einmal in <strong>Zerbst</strong>. Sie bettelten oder entwendeten unerlaubt Möhren und<br />
Kartoffeln von den Feldern, um nicht zu verhungern. Als in Jüterbog die Russen<br />
abzogen und die Kasernen frei wurden, gingen sie dort hin. Der Vater zog dann<br />
allein los, um sich Arbeit zu suchen. In Dobritz fand er diese und gleichzeitig<br />
eine Wohnung für seine Familie.<br />
Am 19. September 1945 kam die Familie von Franz Morawietz in Dobritz an,<br />
wo sie sich ein neues Zuhause aufbauten. Ab November 1945 ging Franz nach<br />
fast einem Jahr wieder zur Schule.<br />
Er war als elfjähriger 8 Monate unterwegs ohne ein Dach über dem Kopf, hatte<br />
nicht viel zu essen und ist ca. 1000 km gelaufen. Eine sehr schwere Zeit lag