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Gab es in deiner Familie auch Gefallene?<br />

Ja. Der Bruder meiner Mutter fiel bei Gefechten. Es war schrecklich. Meine<br />

Mutter weinte den ganzen Tag. Sie stand ihren 3 Brüdern immer sehr nahe. Er<br />

war Soldat bei der Wehrmacht, glaube ich. Sie bekam einen Brief von einem<br />

Freund ihres Bruders. Er hatte ihn gebeten, ihr zu schreiben, falls er sterben<br />

sollte. Ich kann mich noch daran erinnern. Ich war 9, als das geschehen ist.<br />

Meine Mutter, mein Vater, meine Tante und ihr Mann saßen mit uns Kindern<br />

am Tisch und lasen den Brief. Ich weiß leider nicht mehr, was genau in dem<br />

Brief stand, jedoch kann ich mich noch gut an dieses bedrückte Gefühl erinnern,<br />

das alle danach hatten. Und an die Stimme meiner Mutter, die nach der Hälfte<br />

abbrach und den Zettel mit zitternden Händen an meinen Vater weiterreichte.<br />

Der Bruder wurde bei einem Gefecht in Ostpreußen von einem russischen<br />

Soldaten erschossen. Es war ein Lungenschuss. Meine Tante hat mir später<br />

erzählt, dass er wohl mit diesem Freund und drei weiteren in einer Scheune<br />

Zuflucht gesucht hatten. Als die zwei zusammen die Scheune verließen um nach<br />

Wasservorräten zu suchen, wurde er in die Lunge getroffen. Der russische<br />

Soldat war allein gewesen. Er sollte wohl das Gelände erkunden. Mein Onkel<br />

hat noch eine Nacht überlebt. Er soll sehr gekämpft haben. Seine Kameraden<br />

brachten ihn zur Kirche des Ortes. Sie fanden dort einen Pfarrer, der auf einem<br />

Feld oder so ein Begräbnis für ihn abhielt. Dieser Freund meines Onkels hat<br />

meine Tante nach Kriegsende besucht.<br />

[...]<br />

An was erinnerst du dich in Bezug auf eure Vertreibung?<br />

Wir wussten, dass der Krieg bald zu Ende sein würde. Auch wenn noch kurze<br />

Zeit vorher der Sieg Deutschlands standfest herausgeschrieen wurde, so wussten<br />

wir doch, dass das nicht stimmte. Die Briefe, die von der Front zu Angehörigen<br />

in unser Dorf kamen, machten uns bewusst, dass Deutschland wohl erliegen<br />

würde. Der Tag, an dem wir dann aus unserem Haus mussten, kam jedoch<br />

überraschend. Aus dem Nachbardorf kamen Leute. Mit Pferdekarren und schwer<br />

beladen mit ihren Sachen. Sie sagten wir sollten sofort unser Haus verlassen und<br />

nach Westen gehen. Jemand Hohes von der Wehrmacht ist in ihr Dorf<br />

gekommen und hat ihnen gesagt, sie sollen jetzt schnell verschwinden. Nur<br />

wenige Kilometer weiter östlich sind die Russen dabei, die Front zu<br />

durchbrechen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie kämen und das Dorf<br />

einnähmen. Es war Vormittag, als sie in unser Dorf kamen. Meine Mutter<br />

handelte ganz besonnen, aber in höchster Eile. Rasch packte sie ein paar Sachen<br />

für jeden von uns ein. Ich wurde zu meiner Tante geschickt. Sie sollte sich auch<br />

vorbereiten und ich half ihr und ihrem Mann beim Packen. Um die Mittagszeit<br />

kam der Treck dann und wir zogen nach Westen. Meine Mutter wollte zu einem<br />

Cousin in die Stadt. [...] Ich kann mich noch an das dröhnende Geräusch der<br />

Flugzeugmotoren erinnern. Es waren russische Jagdbomber. Sie warfen

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