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mitleidigen Schwestern gaben mir noch Decken und Babysachen mit.<br />

Untergebracht waren wir in einer Baracke, die vorher zur Unterbringung<br />

serbischer Kriegsgefangener gedient hatte. Sie stand ja nun leer und meine<br />

Mutter hat versucht, es einigermaßen wohnlich zu machen. Dort bin ich das<br />

erste Mal in meinem Leben betteln gegangen. Ich hatte ja Verantwortung für<br />

zwei kleine Kinder. Für Halbweisen gab es je 35 Mark, für die Witwen gab es<br />

noch nichts.<br />

Was hast du nach Kriegsende unternommen, um wieder auf die Beine zu<br />

kommen? Wie waren deine Gefühle?<br />

Ich war 23 Jahre alt und es konnte doch nicht alles zu Ende sein. Ich musste<br />

mich um Arbeit bemühen und zum Glück hatte sich ein Zahnarzt in seinem<br />

Jagdhaus mit Familie hier niedergelassen. Seine Praxis wurde in Hannover<br />

zerstört und er richtete sich hier in einem großen Bauernhof eine neue Praxis<br />

ein. Ich bekam die Arbeit. Wir wussten aber, dass wir hier niemals sesshaft<br />

werden würden. Als die Züge wieder fuhren, ist meine Mutter erstmals in unsere<br />

Heimat gefahren. Sie hat unser Haus und unser Grundstück als eine einzige<br />

Trümmerstätte wieder gefunden. Die Russen war so schnell an der Oder und<br />

man hatte die gesamte Munition, die bei uns gelagert wurde, einfach in die Luft<br />

gesprengt. In der Straße wurde vieles mit zerstört, aber die Menschen kamen<br />

wieder und haben sich untereinander geholfen. Für uns haben fleißige Helfer<br />

eine Anderthalb-Zimmerwohnung instand gesetzt. Das war dann die Zeit nach<br />

dem Krieg. Jeder hat es auf seine Weise schmerzlich empfunden. Bevor ich in<br />

meine Heimatstadt kam, habe ich in Hannover von einem Ohrenspezialisten<br />

erfahren müssen, dass meine kleine Tochter gehörlos geboren wurde. Sie war<br />

ein fröhliches Kind und geistig aufgeweckt und dann die furchtbare Gewissheit.<br />

Wie habe ich diesen Krieg verflucht! Ich bin auch wieder in meine Heimat<br />

zurück. Dort habe ich als Trümmerfrau in den zerschossenen Straßen die Oder<br />

entlang Steine geputzt und schwere Arbeit leisten müssen. Für meine gehörlose<br />

Tochter gab es nicht einmal einen Kindergartenplatz. Mit vielen Gesprächen<br />

erreichte ich, dass ein Platz im Oberlin-Haus in Potsdam-Babelsberg, bis zu<br />

ihrer Vorschulung, frei war.<br />

Nachdem das geregelt war, habe ich Frankfurt verlassen und bin nach<br />

Annaberg-Erzgebirge gegangen, um im Bergbau zu arbeiten. Ich bekam eine<br />

gute Stelle als topographische Helferin, ein schönes Zimmer, und die<br />

Versorgung war bestens. Im Winter kam ich nach Johanngeorgenstadt und<br />

bekam die Stelle als Köchin im Clubhaus "Franz Mehring". Ich lernte meinen<br />

Mann kennen, er arbeitete als Bohrmeister. Wir heirateten und bekamen eine<br />

schöne Wohnung und haben zwei Söhne und zwei Töchter.<br />

Mein Mann wollte zurück in seine Heimatstadt, <strong>Zerbst</strong>, das war 1963. Wir<br />

lebten uns hier gut ein, aber leider starb mein Mann 2003 und ich lebe in dem<br />

Haus und auf dem Grundstück meiner Kinder.<br />

Was hieltest du und hältst du vom Krieg?

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