Feminismus und Glücksvorstellungen
Feminismus und Glücksvorstellungen
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Nun zur 2. Frage an die beiden Texte:<br />
2. Welche Einstellung zum Zusammenhang von <strong>Feminismus</strong> <strong>und</strong> Glück<br />
vermittelt der Text, explizit <strong>und</strong> implizit? Soll sich <strong>Feminismus</strong> mit Glück<br />
beschäftigen?<br />
Auch wenn hier von Glück nicht direkt die Rede ist, so wirft Thürmer-Rohr in<br />
einem Abschnitt ihres Textes der Frauenbewegung vor, die Frauen in eine völlig<br />
falsche Richtung zu drängen. Der von ihr diagnostizierte Egozentrismus der Frau<br />
sei nämlich durch die Neue Frauenbewegung verschärft oder legitimiert worden:<br />
„Die Frauenbewegung hat z.B. die Selbstaufopferung der Frau zu einem<br />
vorrangigen Tagesordnungspunkt ihrer Patriarchatskritik gemacht“ <strong>und</strong> die Frauen<br />
dazu aufgefordert, das eigene Ich endlich wichtig zu nehmen. Das habe zum<br />
modernen „Therapismus“ geführt, der vor allem von Frauen getragen werde<br />
(Thürmer-Rohr 1990 S.13). Sie skizziert Argumente eines Phasenmodells: „Im<br />
ersten Schritt nämlich sei das Ich zu finden, zu füllen, zu stärken, zu stabilisieren,<br />
im zweiten Schritt könne es sich dann gegebenenfalls auch anderen Aufgaben<br />
zuwenden.“ (ebd.) Was eben den „weltarmen Zustand“ der Frauen hervorrufe, den<br />
„Weltverlust“ der Frauen, die sich nicht genügend der Welt zuwänden, nicht der<br />
Analyse <strong>und</strong> Kritik an Missständen, <strong>und</strong> damit am Wesentlichen vorbeigingen<br />
(ebd.). Damit sei <strong>Feminismus</strong> als Gesellschaftskritik vergessen (ebd. S.14). „So<br />
wird der Autonomiebegriff offenbar besonders im westlichen <strong>Feminismus</strong> immer<br />
wieder mißverstanden als individuelle Unabhängigkeit, als Selbstbestimmung der<br />
individuellen Frau oder als Recht auf individuelle Wahlmöglichkeiten“. (ebd. S.15)<br />
Wenn schon Streben nach Glück, dann sollten es ihrer Meinung nach die Frauen<br />
zumindest in einem Aspekt den Männern gleichtun: Der bürgerliche Mann habe<br />
nicht „als separates <strong>und</strong> separiertes Individuum um sein individuelles Glück“<br />
gekämpft, „sondern immer auch auf der Basis eines männerbündischen <strong>und</strong><br />
kulturellen Kooperationszusammenhangs" (ebd. S.16). D.h. für die Frauenbewegung,<br />
Frauen sollten zumindest gemeinsam kämpfen, um kollektive<br />
Veränderungen bewirken zu können.<br />
Für mich ist allerdings nicht nachzuvollziehen, warum nicht beides angestrebt<br />
werden sollte: Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen, <strong>und</strong> gleichzeitig<br />
individuelle Unabhängigkeit, die darauf basiert, dass Frauen sich selbst ernst<br />
nehmen. Denn muss es dem <strong>Feminismus</strong> nicht auch – wenn natürlich nicht<br />
ausschließlich – darum gehen, dass für die Frauen individuell eine solche<br />
Selbstbestimmung möglich ist?<br />
Gegen Ende ihres Textes stellt Thürmer-Rohr die Frage: „Kann der <strong>Feminismus</strong><br />
sein Motiv, seine Sprengkraft nur behalten oder wiedergewinnen, wenn er eine<br />
Vorstellung von irgendeinem Glück enthält? (...) Ist eine politische Befreiungsidee<br />
nur mit dem Köder dieses Glücks wachzuhalten?“ (Thürmer-Rohr 1990 S.17) Ihre<br />
Antwort darauf: "<strong>Feminismus</strong> ist nicht Glück, sondern Erkenntnis. Wenn dieses<br />
Elisabeth Moder, <strong>Feminismus</strong> <strong>und</strong> <strong>Glücksvorstellungen</strong>, FGS VI 35