kompendium für private ermittler in europa - Der Detektiv
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ekanntesten und umstrittensten<br />
Spitzenpolitiker der Republik wurde<br />
systematisch ausgespäht.“<br />
Nicht nur Lafonta<strong>in</strong>e wurde systematisch<br />
ausgespäht, wie man heute<br />
weiß, sondern auch Franz Müntefer<strong>in</strong>g<br />
und offenbar auch Horst<br />
Seehofer. Focus zitierte <strong>in</strong> Ausgabe<br />
48/2009 ausführlich aus Überwachungsprotokollen:<br />
„Es ist der 10.<br />
Dezember 2007. Gleich mehrere<br />
Observationsteams s<strong>in</strong>d an diesem<br />
Tag im Fall Lafonta<strong>in</strong>e unterwegs.<br />
Sie beobachten, wie der Spitzenpolitiker<br />
mit Gregor Gysi, se<strong>in</strong>em<br />
Co-Fraktionschef im Bundestag,<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Berl<strong>in</strong>er Restaurant tafelt.<br />
(...) Während des Abendessens<br />
kl<strong>in</strong>gelt Lafonta<strong>in</strong>es Handy, notieren<br />
die Privat<strong>ermittler</strong> vor Ort.“ Die akribischen<br />
Schilderungen legen den<br />
Verdacht nahe, dass dem Focus die<br />
Observationsprotokolle vorlagen.<br />
Offenbar handelte es sich hier allerd<strong>in</strong>gs<br />
um e<strong>in</strong>e Beschattung, die mit<br />
den Aktivitäten von CMK nicht <strong>in</strong> Zusammenhang<br />
stand. <strong>Der</strong> Chef der<br />
bei der Observation federführenden<br />
„Sicherheitsfirma“, der „unter<br />
strenger Geheimhaltung möglicher<br />
Auftraggeber“ Ermittler zu E<strong>in</strong>satzorten<br />
beorderte, wurde damals von<br />
Focus befragt. Er gab <strong>in</strong> Burdas<br />
Nachrichtenmagaz<strong>in</strong> zu Protokoll:<br />
„Ich weiß, dass da mal was gelaufen<br />
ist. Aber Näheres kann ich Ihnen<br />
nicht sagen.“ Daraufh<strong>in</strong> fragte die<br />
Focus-Redaktion, wer die „brisante<br />
Beschattung“ <strong>in</strong>itiiert und bezahlt<br />
haben könnte. Zitat aus dem Focus:<br />
„Waren es womöglich partei<strong>in</strong>terne<br />
Gegner, die der umstrittene Ober-<br />
L<strong>in</strong>ke zuhauf hat? Verbirgt sich<br />
dah<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>e eifersüchtige Ehefrau,<br />
sprich Christa Müller? Oder gibt es<br />
e<strong>in</strong>en ganz anderen H<strong>in</strong>tergrund?“<br />
Heute kann man zum<strong>in</strong>dest <strong>für</strong> die<br />
folgenden Monate im Jahr 2008<br />
sagen: Ja, den gab es.<br />
Bezüglich der vom Focus berichteten<br />
Observation Oskar Lafonta<strong>in</strong>es<br />
erklärte Kiessl<strong>in</strong>g: „Die CMK hat mit<br />
der angeblichen Bespitzelung von<br />
Oskar Lafonta<strong>in</strong>e, wie der Focus<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Ausgabe 48/2009 berichtete,<br />
nichts zu tun. Es ist unwahr,<br />
dass die Bunte diesen Auftrag an<br />
CMK erteilte. Es ist weiterh<strong>in</strong> unwahr,<br />
dass die CMK <strong>in</strong> Form von<br />
Recherchen, oder sonstig <strong>in</strong> dieser<br />
Sache tätig war.“ Dies erhärtet die<br />
Vermutung, dass es neben der Beschattung<br />
Anfang 2008, von der im<br />
Stern-Artikel die Rede ist, noch e<strong>in</strong>e<br />
weitere Bespitzelung des Politikers<br />
von anderer Seite gegeben hat.<br />
In e<strong>in</strong>er Stellungnahme schreibt<br />
Patricia Riekel: „(…)Wer behauptet,<br />
die Medien dürften über das Privatleben<br />
von Politikern überhaupt nicht<br />
oder nur bei Auswirkungen auf die<br />
„Amtsführung“ berichten, blendet<br />
sozialwissenschaftliche Erkenntnisse<br />
aus und hat auch die Position des<br />
Bundesverfassungsgerichts nicht<br />
verstanden. Nach dessen Rechtsprechung<br />
darf generell – auch<br />
bei Nicht-Politikern – aus dem Privat-<br />
und Alltagsleben prom<strong>in</strong>enter<br />
Personen berichtet werden, wenn<br />
dies der Me<strong>in</strong>ungsbildung zu Fragen<br />
von allgeme<strong>in</strong>em Interesse<br />
dienen kann. Prom<strong>in</strong>ente Personen<br />
können auch Orientierung bei<br />
eigenen Lebensentwürfen bieten<br />
sowie Leitbild- oder Kontrastfunktionen<br />
erfüllen. Diese Erkenntnis<br />
hat das Bundesverfassungsgericht<br />
schon im Jahr 1999 <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er ersten<br />
„Carol<strong>in</strong>e“-Entscheidung formuliert<br />
(Beschluss vom 15.12.1999, abgedruckt<br />
<strong>in</strong> NJW 2000, 1921), und<br />
es hat sie im Jahr 2008 bekräftig<br />
(Beschluss vom 26.02.2008, abgedruckt<br />
<strong>in</strong> NJW 2008, 1793). Selbstverständlich<br />
bleibt die Intimsphäre<br />
absolut geschützt. Die erfasst aber<br />
nur den <strong>in</strong>nersten Bereich. Beziehungen,<br />
Partnerschaften, Trennung<br />
und Scheidung mögen privat se<strong>in</strong>,<br />
aber zur Intimsphäre gehören sie<br />
nach der völlig e<strong>in</strong>helligen Auffassung<br />
der Juristen nicht. Wenn<br />
„nur“ der Privatbereich betroffen ist,<br />
dann muss im Rahmen e<strong>in</strong>er Abwägung<br />
das Informations<strong>in</strong>teresse im<br />
Verhältnis zu kollidierenden Persönlichkeitsrechten<br />
gewichtet werden,<br />
denn die Privatsphäre genießt<br />
Stern Nr. 09, 25.2.2010<br />
ihrerseits e<strong>in</strong>en verfassungsrechtlich<br />
verbürgten Schutz. Bei Politikern<br />
ist der aber nicht ausgeprägt.<br />
Selbst der Europäische Gerichtshof<br />
<strong>für</strong> Menschenrechte erkennt <strong>in</strong><br />
dieser Konfliktsituation e<strong>in</strong> gesteigertes<br />
Informations<strong>in</strong>teresse der<br />
Öffentlichkeit h<strong>in</strong>sichtlich politischer<br />
Akteure an, wobei nicht nur die<br />
Amtsführung, sondern auch Aspekte<br />
des Privatlebens betroffen se<strong>in</strong><br />
können. Das Bundesverfassungsgericht<br />
hat dies <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Beschluss<br />
vom 26.02.2008 (Randnummer<br />
99) präzise dargestellt und bestätigt.<br />
(…) Auch der Bundesgerichtshof<br />
hat <strong>in</strong> zwei jüngeren Entscheidungen<br />
(Urteil vom 24.06.2008, abgedruckt<br />
<strong>in</strong> NJW 2008, 3134, sowie<br />
vom 19.05.2009, abgedruckt <strong>in</strong><br />
GRUR 2009, 1089) ausdrücklich<br />
ausgesprochen, dass sogar das<br />
Privatleben ehemaliger Spitzenpolitiker<br />
(Heide Simonis, Joschka<br />
Fischer) zulässiger Gegenstand<br />
von Berichterstattung ist, obwohl<br />
hier Auswirkungen auf die Amtsführung<br />
gar nicht mehr e<strong>in</strong>treten<br />
konnten. Maßgeblich war die Leitbildfunktion,<br />
die mit dem Rückzug<br />
aus der aktiven Politik nicht entfiel.<br />
Deshalb durfte „Bunte“ e<strong>in</strong> Foto der<br />
Villa zeigen, die sich der ehemalige<br />
Hausbesetzer Joschka Fischer<br />
als Alterssitz ausgesucht hatte.<br />
Auch hier ist die Rechtsprechung<br />
offenbar vielen voraus, die sich jetzt<br />
zu Wort melden: Sie hat verstanden,<br />
dass politische Me<strong>in</strong>ungsbildung<br />
e<strong>in</strong> komplexer Prozess ist, <strong>in</strong><br />
dem auch der Übergang verdienter<br />
Politiker <strong>in</strong> den Ruhestand Auswirkungen<br />
auf zukünftige Präferenzen<br />
haben kann (…).“<br />
(Die Welt, Hamburger Abendblatt, Handelsblatt,<br />
Meedia, Bunte, ...)<br />
„der detektiv“ März 2010 13