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„Figuren, Stelen, Blicke“ zu drei Installationen von Christine Düwel

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d.h. eine Meta-Reflexion über die Todesreflexionen an<strong>zu</strong>strengen.<br />

Betrachten wir die Aufschriften: Da finden sich beispielsweise<br />

all jene Notate, die aussehen, als wären sie während einer Lektüre<br />

<strong>von</strong> Martin Heideggers Sein und Zeit entstanden. Auf einer<br />

Transparentbahn ist, unter der Überschrift »Tod versichern«,<br />

eine Liste <strong>von</strong> Aussagen aufgeführt, die eine Anknüpfung an<br />

Heidegger dokumentieren (hinter jeder Aussage, quasi als<br />

Quellenangabe, ist ein »„M. H.”« ergänzt): »Vorsorgen die<br />

Sorge um / – Phänomen der Sorge ist charakteristisch für das<br />

Dasein / – Dasein ist Mitsein der Anderen / – Tod als Endpunkt<br />

(Grenze) des Daseins?« (ergänzt durch ein: »„M. H.?”«) »/ –<br />

Seinsverlust/Lebensverlust unmittelbar wesentlich nicht erfahrbar<br />

/ – erfahrbar als Dabeisein und Betroffensein«. Darunter<br />

schließt eine wilde, schematische Zeichnung an, die in das<br />

Heidegger-Zitat hineinragt und nach unten in Pfeile ausläuft, die<br />

wiederum in die Richtung einer Frage weisen: »Verhältnis <strong>von</strong><br />

Währung und Leben?« So gibt es eine merkwürdige, wilde Dynamik,<br />

die Heideggers Rede <strong>von</strong> der Existenz des (menschlichen)<br />

Daseins mit der Frage nach der »Währung« verbindet, –<br />

eine Verbindung, die bereits in der Überschrift dieser Sequenz,<br />

»Tod versichern«, angedeutet wird. Wie kommt dieser unwahrscheinliche<br />

Be<strong>zu</strong>g zwischen Leben/ Existenz und dem Bereich<br />

des Geldes, der Währung und der Versicherung, der Heideggers<br />

Existenzialontologie mehr als fern <strong>zu</strong> liegen scheint, ins<br />

Spiel?<br />

Todes (»als Dabeisein und Betroffensein«), schließlich ist der<br />

eigene Tod – der hier als »Verlust« (des Seins, des Lebens)<br />

beschrieben wird – »wesentlich nicht erfahrbar«. Die Erfahrung<br />

muß sich demnach, wenn es um den Tod (<strong>zu</strong>mal den eigenen)<br />

geht, auf die Erfahrung des Verlusts der Anderen verweisen<br />

lassen. In diesen Zeilen spricht sich somit eine „Unansehbarkeit”<br />

aus: die unmögliche Gegenwart des eigenen Todes hat<br />

<strong>zu</strong>r Folge, dass der Blick den eigenen Tod nie <strong>zu</strong> sehen bekommen<br />

kann. Er kann bloß den Tod des Anderen erfahren<br />

und über dessen Vermittlung einen Be<strong>zu</strong>g auf den eigenen Tod<br />

etablieren. Ein solcher Ansatz scheint mit demjenigen <strong>zu</strong> konvergieren,<br />

was sich auf einer dahinter liegenden Transparentbahn<br />

<strong>zu</strong> lesen gibt: »P. Val: Ich als Bedingung des Denkens«.<br />

Diesem Zitat <strong>von</strong> Paul Valéry gesellt sich ein eindeutiger Kommentar<br />

hin<strong>zu</strong>, in Form einer Durchstreichung und einem<br />

»falsch«, in gerade<strong>zu</strong> verärgertem Duktus geschrieben. Die<br />

gezeichnete Skizze, die sich unter diesem „falschen” Zeugnis<br />

befindet, bemüht sich anscheinend um Klarstellung: hier wird<br />

mittels Pfeilen, einmal mehr, die Bezogenheit des Ich auf den<br />

Tod des Anderen markiert. Aber handelt es sich dabei um eine<br />

Verklammerung Ich-Anderer, ohne welche es nicht nur keine<br />

Erfahrung, sondern auch kein Denken des (eigenen) Todes<br />

geben könnte? Darauf geben uns die Inskriptionen selbst keine<br />

Antwort. Für Heidegger jedenfalls war diese Kopplung <strong>von</strong> Ich<br />

und Anderem keinesfalls eine wesentliche „ontologische” Bedingung<br />

xii . Für den Blick allerdings scheint es keinen Ausweg<br />

<strong>zu</strong> geben: insofern er an der Evidenz des Sichtbaren orientiert<br />

bleibt, muß er erfahren, wahrnehmen, sehen, und zwar eine<br />

Anwesenheit, die sich über welche Vermittlungen und Repräsentationen<br />

auch immer wiederherstellen lassen muß.<br />

Zunächst – wo<strong>von</strong> sprechen die Heidegger-Paraphrasen? Die<br />

„Sorge”, die nach Heidegger die Seinsstruktur des menschlichen<br />

Daseins ausmacht, soll wesentlich (auch) als Sorge um<br />

Andere (als „Mitsein”) verstanden werden. Dieser Be<strong>zu</strong>g auf<br />

Andere ermöglicht dann überhaupt erst eine Erfahrung des<br />

In welcher Weise aber lässt sich der Tod des Anderen sehen?<br />

– Blicken wir noch einmal <strong>zu</strong>rück auf das Arrangement <strong>von</strong><br />

FALL-WEISE-EIN-SICHT, schließlich konnten wir dort die Verwobenheit<br />

zwischen zwei sichtbar bezeugten Abwesenheiten<br />

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