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Pressespiegel Der Ignorant und der Wahnsinnige - Thomas Bernhard

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<strong>Der</strong> <strong>Ignorant</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>Wahnsinnige</strong> – <strong>Thomas</strong> <strong>Bernhard</strong>-Deutung von Jan...<br />

http://www.nachtkritik.de/index.php?view=article&catid=38:die-nachtkr...<br />

4 von 5 07.01.2013 10:21<br />

herumdoktern", aber es könne gelingen, "ihn aufzupolieren". So mache Simonischek als <strong>der</strong> Vater<br />

mit dem Blindenstock "Terror", während Meyerhoff als Doktor ein "artifizielles Ungeduldstänzchen"<br />

vollführe, bei Bedarf seine "nervösen Kniegelenke" verknote o<strong>der</strong> die Hose seines redefaulen<br />

Gesprächspartners "zum Quietschen" bringe. Wenn Sunnyi Melles dann aus ihrem Klei<strong>der</strong>schrank<br />

trete, ergebe sich die Inszenierung dem, wenn auch recht edlen "Schabernack". Bosse ziehe die<br />

Sätze <strong>Thomas</strong> <strong>Bernhard</strong>s ins Klamaukige. Das beeinträchtige die Sprache in ihrer eigenen<br />

Künstlichkeit erstaunlicherweise nicht. Es bleibe ein Vergnügen, dem Fatalismus <strong>der</strong><br />

<strong>Bernhard</strong>schen Monologe zu folgen. Erfolgreich aufpoliert, habe dieses Stück "immerhin ein wenig<br />

gestrahlt".<br />

Ulrich Weinzierl vergleicht in <strong>der</strong> Welt (2.1.2013) Bosses Inszenierung mit <strong>der</strong> Uraufführung von<br />

Claus Peymann. Obwohl sie, "dank fulminanter Besetzung", das "Zeug gehabt, an das Vorbild<br />

heranzukommen", könne sie dem "nicht das Wasser reichen". Bosses Regie zwinge den virtuosen<br />

Sprecher Joachim Meyerhoff in "einer Art Horror Vacui zu einer erdrückenden Fülle manierierter<br />

Gesten <strong>und</strong> Aktionen, die auf Dauer niemanden interessieren <strong>und</strong> vom Eigentlichen ablenken".<br />

Peter Simonischek – "hergerichtet als Doppelgänger von Marlon Brandos Don Vito Corleone im<br />

"Paten" " - müsse mit seinem Blindenstock "wild um sich schlagen <strong>und</strong> sonstige Allotria treiben".<br />

Erst Sunnyi Melles' Erscheinen bringe die Wende zum Guten. "Schon wenn sie sich einträllert, mit<br />

Tee gurgelt, girrend lacht, ist das ein Ereignis." Die "äußerste Anspannung einer disziplinierten<br />

Hysterikerin" passe ihr wie angegossen. Plötzlich gelängen auch Bosse szenische Lösungen, "die –<br />

statt ein Menschendrama zu simulieren, wo lediglich ein Sprachkonzert ist – dramatische Wucht<br />

<strong>und</strong> böse, grausame Komik entwickeln".<br />

Martin Lhotzky befindet in <strong>der</strong> Frankfurter Allgemeinen Zeitung (2.1.2013): Dieser zu Recht<br />

selten aufgeführte frühe <strong>Bernhard</strong> tauge nur gering zur Unterhaltung, strapaziere eher die Nerven<br />

selbst eines "wohlmeinenden Publikums". Um aus <strong>der</strong> Ödnis <strong>der</strong> Monologe zu retten, bedürfe es<br />

mehr als einer "singenden, schwingenden Königin <strong>der</strong> Nacht", auch wenn Sunnyi Melles ihre<br />

"ganze Fahrigkeit <strong>und</strong> Nervigkeit, ihre schrillste Stimme <strong>und</strong> ihre beste Koloraturpantomimik"<br />

auffahre. Für einige Zeit sei das noch ganz witzig, die Übertreibung käme auch <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>intention<br />

des Textes, ein "Stück absurden Theaters" zu sein, wie<strong>der</strong> "recht nahe", trage aber keine zwei<br />

St<strong>und</strong>en. Peter Simonischek, <strong>der</strong> den Säufervater als rülpsenden Rabauken behaupten dürfe,<br />

trommele bei je<strong>der</strong> Bemerkung, die das "als inzestuös (auch so eine Schnapsidee) angedeutete<br />

Verhältnis zur Tochter" anstreife, mit dem Blindenstock auf den Schminktisch. Joachim Meyerhoff<br />

gebe den boshaft-redseligen pathologischen Mediziner als eine Variante von Doktor Seltsam aus<br />

Kubricks Bombenfilm. "Er hechelt, er schubst, er näht (das zerrissene Kleid) <strong>und</strong> neckt seinen<br />

blinden Zuhörer auf vielerlei Arten."<br />

Christopher Schmidt schreibt in <strong>der</strong> Süddeutschen Zeitung (3.1.2013): Die Luftnummer von<br />

Sunnyi Melles bleibe <strong>der</strong> einzige Höhepunkt <strong>der</strong> Silvesterpremiere. "Eine Metapher auch für den<br />

Kunstbetrieb, <strong>der</strong> oft genug eine Hängepartie ist <strong>und</strong> manchmal eine bodenlose Unverschämtheit,<br />

in jedem Fall aber nichts an<strong>der</strong>es als ein großer Zirkus." Das Stück zähle eher zu den<br />

"misanthropischen Aufwärmübungen <strong>Bernhard</strong>s". Doch sein Salzburger Schockerl tauge nur mehr<br />

als buntes Knallbonbon zum Jahreswechsel. Meyerhoff gebe mit "schütterem Resthaar des<br />

Wahnsinns schlaksige Beute". Halb Frankenstein, halb Dr. Seltsam rede er sich um Kopf <strong>und</strong><br />

steifen Kragen, steigere sich, "ein Sprechautomat mit irrem Wackelkontakt", in sadistischen Furor<br />

hinein. Peter Simonischek sei das ganz Fat-Suit gewordene Phlegma. Nur ab <strong>und</strong> zu grunze er<br />

dazwischen, <strong>und</strong> haue mit dem Teleskopstock auf den Tisch, ein Hallo-wach-Signal für den "von<br />

<strong>Bernhard</strong>s Hasslitaneien gründlich eingelullten Zuschauer". Sunnyi Melles spiele die Königin <strong>der</strong><br />

Nacht als eine "Art Olimpia", eine Puppe, die wie "auf Autopilot Koloraturen markiert, eine<br />

w<strong>und</strong>ersam hyperaktive <strong>und</strong> ferngesteuerte Kunstfigur".

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