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'philosophisches' Problem? - Ernst Michael Lange

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adikale Kritik der betreffenden Auffassung verstanden werden. 5. Der Solipsismus ist der Sache<br />

nach ein bewusstseinstheoretisch radikalisierter Skeptizismus. Den hält Wittgenstein ex professo für<br />

sinnlos ( „unsinnig“ LPA 6.51) und es wäre widersprüchlich, wollte er mit dem Solipsismus anders<br />

verfahren.<br />

Wenn Wittgenstein in der kritischen Behandlung des Solipsismus eine dritte Option zwischen<br />

radikalem Solipsismus (nur ich denke wirklich die Sätze der Sprache) und Idealismus (alle Subjekte<br />

denken nur für sich die Sätze der Sprache) angezielt hat, dann ist seine These des Zusammenfallens<br />

von Solipsismus und radikalem Realismus auch entweder als eine dritte Position aufzufassen – das<br />

wäre mit der Auflösung der Kontroverse Realismus vs. Idealismus vereinbar – oder rein dialektisch<br />

als Nachweis der Sinnlosigkeit des Solipsismus zu lesen (wie in meinem 4. Grund). In beiden<br />

Möglichkeiten widerspricht die stark realistische Färbung von Wittgensteins Behandlung des<br />

Solipsismus (und der Realismus seines logischen Objektivismus) nicht der skizzierten Auflösung<br />

der Kontroverse Realismus vs. Idealismus, weil in dieser Auflösung ja beiden Kontrahenten in<br />

verschiedenen Hinsichten Recht gegeben wird, also keineswegs, wie es in 5.64 den Anschein hat,<br />

eine Seite (der Solipsismus) in die andere (den Realismus) kollabiert.<br />

Ergänzen möchte ich schließlich die karge Angabe zum historischen Kontext, weil das dem<br />

Thema und der Interpretation die angemessene weite Perspektive geben kann. Die Beschränkung<br />

des historischen Kontextes der LPA, ihrem Vorwort folgend, auf die „großartigen Werke Freges“<br />

und die Anregungen seines (damaligen) Freundes Bertrand Russell, die bei analytischen Exegeten<br />

nach wie vor herrscht, ist unvollständig – Schopenhauers Metaphysik der 'Welt als Vorstellung'<br />

(nicht 'als Wille' 20 ) ist ein wesentlicher Kontext auch noch der LPA. Damit gehören in die<br />

Genealogie von Wittgensteins LPA-Konzeption zwei Philosophen, die beide in bestimmten<br />

Hinsichten Kantianer waren. Nun hat schon Kant bekanntlich Idealismus und Realismus als<br />

'transzendentalen Idealismus' und 'empirischen Realismus' miteinander zu vereinbaren<br />

(kombinieren) gesucht. Den direkten kantianischen Anregern Wittgensteins ist dieser<br />

Vermittlungsversuch Kants zerfallen – Schopenhauer wurde in der Bevorzugung der Ersten Auflage<br />

der Kritik der reinen Vernunft radikaler Idealist, Frege ebenso entschiedener Realist. Wenn man<br />

annimmt, dass Wittgenstein das wahrgenommen und für tief unbefriedigend gehalten hat, dann hat<br />

man das geistesgeschichtliche Hintergrundsmotiv für seinen Vorschlag der Auflösung der<br />

Kontroverse. Ein Indiz für die Richtigkeit dieser Interpretation ist, dass Wittgenstein in einem (nicht<br />

erhaltenen) Brief an Frege zu dessen Abhandlung 'Der Gedanke' offenbar die 'tiefen Gründe für den<br />

Idealismus' verteidigt hat, was er musste, weil er ja in der Auflösung der Kontroverse dem<br />

Idealisten für die Dimension des Sinns Recht gegeben hatte. Dafür spricht eine Erklärung Freges in<br />

20 Vgl. G.E.M. Anscombe: An Introduction to Wittgenstein's Tractatus, Philadelphia 4 1971, S. 11 f.<br />

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