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Kreislaufstillstand unter besonderen Umständen ... - Reanitrain

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Effekt auf das Gehirn und die Vitalorgane<br />

ausüben [237], und eine vollständige neurologische<br />

Erholung ist selbst nach prolongiertem<br />

<strong>Kreislaufstillstand</strong> möglich,<br />

vorausgesetzt die tiefe Hypothermie entwickelt<br />

sich vor Eintreten der Asphyxie.<br />

Seien Sie vorsichtig mit der Todesfeststellung<br />

bei einem hypothermen Patienten,<br />

da Kälte allein einen sehr langsamen, fadenförmigen,<br />

unregelmäßigen Puls und<br />

einen nichtmessbaren Blutdruck zur Folge<br />

haben kann.<br />

Bei einem hypothermen Patienten<br />

ist die Abwesenheit von Lebenszeichen<br />

(Schweizer Hypothermiestadium IV) allein<br />

kein zuverlässiger Parameter für die<br />

Todesfeststellung. Bei einer Körperkerntemperatur<br />

von 18°C kann das Gehirn einen<br />

<strong>Kreislaufstillstand</strong> 10-mal länger tolerieren<br />

als bei 37°C. Weite Pupillen können<br />

die Folge einer Vielzahl von Ursachen sein<br />

und dürfen nicht als Todeszeichen gewertet<br />

werden. Eine gute Überlebensqualität<br />

wurde nach <strong>Kreislaufstillstand</strong> und einer<br />

Körperkerntemperatur von 13,7°C beobachtet,<br />

und zwar nach Immersion (Untertauchen)<br />

in kaltem Wasser mit prolongierter<br />

CPR [238]. In einem anderen Fall<br />

wurde ein stark hypothermer Patient nach<br />

6,5 h dauernder CPR erfolgreich wiederbelebt<br />

[239].<br />

Im präklinischen Umfeld soll eine<br />

Wiederbelebung nur dann nicht begonnen<br />

werden, wenn die Ursache des <strong>Kreislaufstillstand</strong>s<br />

eindeutig einer letalen Verletzung,<br />

einer tödlichen Erkrankung oder<br />

einem prolongierten Atemstillstand zugeschrieben<br />

werden kann oder falls der<br />

Brustkorb nicht komprimierbar ist. Bei<br />

allen anderen Patienten soll das Handlungsprinzip<br />

lauten: „Niemand ist tot, ehe<br />

er nicht warm und tot ist“. In abgelegener<br />

Wildnis muss berücksichtigt werden, dass<br />

ein Aufwärmen undurchführbar ist. Ziehen<br />

Sie im Krankenhaus erfahrene Ärzte<br />

gemeinsam zur Beurteilung des klinischen<br />

Zustands heran, um festzulegen, wann die<br />

CPR-Maßnahmen bei Patienten nach hypotherm<br />

ausgelöstem <strong>Kreislaufstillstand</strong><br />

eingestellt werden sollen.<br />

Wiederbelebung<br />

Alle Prinzipien der Prävention, der Basismaßnahmen<br />

und der erweiterten lebensrettenden<br />

Maßnahmen gelten auch<br />

für den hypothermen Patienten. Benutzen<br />

Sie dasselbe Verhältnis von Beatmung<br />

und Thoraxkompression wie beim<br />

normothermen Patienten. Eine Hypothermie<br />

kann eine Steife der Thoraxwand<br />

bedingen, durch die die Ventilation und<br />

die Thoraxkompression erschwert werden.<br />

Zögern Sie dringende Eingriffe wie<br />

die Anlage von Intravasalkathetern oder<br />

die endotracheale Intubation nicht hinaus.<br />

Die Vorteile einer adäquaten Oxygenierung<br />

und des Schutzes vor Aspiration<br />

übertreffen das minimale Risiko, infolge<br />

der endotrachealen Intubation VF auszulösen<br />

[240].<br />

Machen Sie die Atemwege frei, und,<br />

falls keine Spontanatmung vorhanden<br />

ist, beatmen Sie den Patienten mit hoher<br />

Sauerstoffkonzentration. Erwägen Sie eine<br />

vorsichtige endotracheale Intubation,<br />

wenn Sie dem ALS-Algorithmus entsprechend<br />

indiziert ist. Palpieren Sie eine<br />

größere Arterie, beobachten Sie das<br />

EKG (falls verfügbar), und suchen Sie bis<br />

zu 1 min lang nach Lebenszeichen, treffen<br />

Sie erst dann die Entscheidung, dass<br />

kein kardialer Auswurf vorhanden ist. Eine<br />

Echokardiographie oder eine Dopplerultraschall<strong>unter</strong>suchung<br />

kann herangezogen<br />

werden, um festzustellen, ob ein kardialer<br />

Auswurf oder ein peripherer Blutfluss<br />

vorhanden ist. Wenn auch nur irgendein<br />

Zweifel besteht, dass ein Puls<br />

vorhanden ist, beginnen Sie sofort mit<br />

der CPR. Sind die CPR-Maßnahmen erst<br />

einmal im Gang, bestätigen Sie das Vorliegen<br />

einer Hypothermie mit einem Thermometer,<br />

dessen Messbereich niedrige<br />

Temperaturen umfasst.<br />

Das hypotherme Herz spricht möglicherweise<br />

auf herzwirksame Medikamente,<br />

den Versuch eines elektrischen<br />

„pacing“ und Defibrillationsversuche<br />

nicht an. Die Metabolisierung von Medikamenten<br />

ist verlangsamt; dies kann zu toxischen<br />

Plasmakonzentrationen von wiederholt<br />

gegebenen Medikamenten führen<br />

[241]. Die Datenlage für die Wirkung von<br />

Medikamenten bei schwerer Hypothermie<br />

ist limitiert und beruht v. a. auf tierexperimentellen<br />

Untersuchungen. Bei <strong>Kreislaufstillstand</strong><br />

infolge schwerer Hypothermie<br />

kann z. B. Adrenalin zwar den koronaren<br />

Perfusionsdruck erhöhen, nicht aber die<br />

Überlebensrate steigern [242, 243]. Auch<br />

die Wirksamkeit von Amiadaron ist reduziert<br />

[244]. Deswegen sollen Sie weder<br />

Adrenalin noch andere Medikamente,<br />

die zur CPR eingesetzt werden, verabreichen,<br />

bis der Patient auf eine Körperkerntemperatur<br />

von ca. 30°C erwärmt worden<br />

ist. Sind 30°C erreicht, verabreichen<br />

Sie die Medikamente halb so oft wie üblicherweise<br />

<strong>unter</strong> Normothermiebedingungen.<br />

Sobald Sie sich Normothermiewerten<br />

(>35°C) nähern, sollen wieder die<br />

regulären Medikamentenprotokolle Anwendung<br />

finden.<br />

Denken Sie daran, andere primäre Ursachen<br />

eines Kreislauf- und Atemstillstands<br />

auszuschließen, indem Sie den Ansatz<br />

der 4 Hs und des HITS (z. B. Medikamentenüberdosierung,<br />

Hypothyreoidismus,<br />

Trauma) anwenden.<br />

Arrhythmien<br />

Sobald die Körperkerntemperatur abfällt,<br />

neigt eine Sinusbradykardie dazu, in ein<br />

Vorhofflimmern („atrial fibrillation“, AF)<br />

überzugehen, danach in VF und schlussendlich<br />

Asystolie [245]. Im Krankenhaus<br />

müssen Patienten mit schwerer Hypothermie<br />

und <strong>Kreislaufstillstand</strong> <strong>unter</strong> Anwendung<br />

interner Methoden rasch wieder erwärmt<br />

werden. Abgesehen von VF neigen<br />

Arrhythmien dazu, mit steigender Körperkerntemperatur<br />

spontan zu konvertieren<br />

und benötigen keine sofortige Behandlung.<br />

Im Fall einer schweren Hypothermie<br />

kann eine Bradykardie physiologisch<br />

sein, und ein elektrisches Pacing ist<br />

erst dann indiziert, wenn die Bradykardie<br />

bei hämodynamischer Instabilität trotz<br />

des Wiedererwärmens fortbesteht.<br />

Bei welcher Temperatur erstmals der<br />

Versuch einer Defibrillation <strong>unter</strong>nommen<br />

werden sollte, und wie oft sie bei<br />

einem schwer hypothermen Patienten<br />

überhaupt versucht werden sollte, ist nicht<br />

geklärt. Automatisierte externe Defibrillatoren<br />

können bei diesen Patienten angewendet<br />

werden. Wenn VF angezeigt<br />

wird, geben Sie einen Schock mit maximaler<br />

Energie ab. Besteht ein VF/VT nach<br />

3 Defibrillationsschocks fort, verschieben<br />

Sie weitere Defibrillationsversuche, bis eine<br />

Körperkerntemperatur >30°C erreicht<br />

ist [246]. Kommt ein AED zum Einsatz,<br />

befolgen Sie die Sprachanweisungen des<br />

AED, während Sie den Patienten aufwärmen.<br />

Kardiopulmonale Reanimation und<br />

Notfall + Rettungsmedizin 7 · 2010 |<br />

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