Kreislaufstillstand unter besonderen Umständen ... - Reanitrain
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schäden reduziert [177, 178, 179, 180, 181,<br />
182, 183, 184, 185]. Das Risiko durch den<br />
Transport eines kritisch kranken Reanimationspatienten<br />
zu einer Druckkammer<br />
mag erheblich sein und muss gegen<br />
die Möglichkeit eines Nutzens von Fall zu<br />
Fall abgewogen werden.<br />
Patienten, die durch Kohlenmonoxid<br />
eine myokardiale Schädigung erleiden,<br />
haben eine erhöhte kardiale und generelle<br />
Mortalität in den ersten 7 Jahren nach<br />
dem Ereignis; deshalb soll eine kardiologische<br />
Nachsorge dieser Patienten empfohlen<br />
werden [186, 187].<br />
8c Ertrinken<br />
Allgemeines<br />
Ertrinken ist eine der häufigsten unfallbedingten<br />
Todesursachen in Europa. Beim<br />
Ertrinken ist die Dauer der Hypoxie der<br />
kritischste Faktor für das Outcome des<br />
Unfallopfers. Aus diesem Grund sollen<br />
Oxygenierung, Ventilation und Perfusion<br />
so schnell wie möglich wiederhergestellt<br />
werden. Nach einem Ertrinkungsunfall<br />
ist die sofortige Wiederbelebung<br />
am Unfallort für das Überleben und die<br />
neurologische Erholung von essenzieller<br />
Bedeutung. Dafür ist es notwendig, dass<br />
Notfallhelfer die kardioplumonale Reanimation<br />
(„cardiopulmonary resuscitation“,<br />
CPR) einleiten und umgehend den<br />
Rettungsdienst alarmieren. Unfallopfer,<br />
die bei der Ankunft im Krankenhaus einen<br />
Spontankreislauf haben und spontan<br />
atmen, haben normalerweise eine gute<br />
Prognose. Im Vergleich zum primären<br />
<strong>Kreislaufstillstand</strong> ist die Forschung auf<br />
dem Gebiet des Ertrinkens begrenzt, und<br />
weitere Untersuchungen sind notwendig<br />
[188]. Diese Leitlinien richten sich an<br />
professionelle und Laienhelfer, die ein besonderes<br />
Interesse an der Versorgung von<br />
Ertrinkungsopfern haben, z. B. Rettungsschwimmer.<br />
Epidemiologie<br />
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation<br />
(World Health Organization,<br />
WHO) sterben weltweit jährlich ungefähr<br />
450.000 Menschen durch Ertrinken. Weitere<br />
1,3 Mio. Lebensjahre gehen jedes Jahr<br />
als vorzeitiger Tod oder durch Invalidität<br />
infolge von Ertrinkungsunfällen verloren<br />
[189]. Es finden sich 97% aller Todesfälle<br />
durch Ertrinkenin Ländern mit niedrigen<br />
und mittleren Einkommen [189].<br />
Im Jahr 2006 starben in Großbritannien<br />
312 Menschen [190] und in den Vereinigten<br />
Staaten 3582 Menschen [191] durch<br />
Ertrinken; dies entspricht einer jährlichen<br />
Inzidenz von 0,56 bzw. 1,2 auf 100.000 Einwohner<br />
[192]. Tod durch Ertrinken findet<br />
sich häufiger bei jungen Männern und ist<br />
in Europa in dieser Gruppe die häufigste<br />
Ursache für einen Unfalltod [189]. Mit<br />
dem Ertrinken assoziierte Faktoren (z. B.<br />
Selbstmord, Verkehrsunfälle, Alkolholoder<br />
Drogenmissbrauch) variieren zwischen<br />
den einzelnen Ländern [193].<br />
Definitionen, Klassifizierung<br />
und Meldungen<br />
Es existieren mehr als 30 verschiedene Definitionen,<br />
um den Verlauf und das Outcome<br />
nach submersions- und immersionsbezogenen<br />
Vorfällen zu beschreiben<br />
[194]. Das International Liaison Committee<br />
on Resuscitation (ILCOR) definiert<br />
Ertrinken als „einen Prozess, der in einer<br />
primären respiratorischen Verschlechterung<br />
durch Submersion/Immersion in<br />
einem flüssigen Medium resultiert. Voraussetzung<br />
für die Definition ist eine Flüssigkeits-/Luft-Grenzfläche<br />
am Eingang<br />
der Atemwege des Unfallopfers, welche<br />
ein Luftholen verhindert. Nach diesem<br />
Ereignis kann das Unfallopfer überleben<br />
oder versterben, hat aber, unabhängig<br />
vom Outome, einen Ertrinkungsunfall<br />
erlitten“ [195]. Unter Immersion ist das<br />
Eintauchen in Wasser oder in eine andere<br />
Flüssigkeit zu verstehen. Damit ein Ertrinken<br />
sich ereignet kann, müssen normalerweise<br />
zumindest Gesicht und Atemwege<br />
<strong>unter</strong>getaucht sein. Submersion bedeutet,<br />
dass sich der gesamte Körper, einschließlich<br />
der Atemwege, <strong>unter</strong> Wasser<br />
oder einer anderen Flüssigkeit befindet.<br />
Die ILCOR empfiehlt, die folgenden,<br />
bisher gebräuchlichen Begriffe, nicht länger<br />
zu verwenden: trockenes und nasses<br />
Ertrinken, aktives und passives Ertrinken,<br />
stilles Ertrinken, sekundäres Ertrinken,<br />
Ertrunkensein vs. Beinaheertrunkensein<br />
[195]. Für die Meldungen über das Outcome<br />
von Ertrinkungsunfällen soll die Utstein-Systematik<br />
für Ertrinken verwendet<br />
werden, um die Vergleichbarkeit von Ergebnissen<br />
wissenschaftlicher Untersuchungen<br />
zu verbessern [195].<br />
Pathophysiologie<br />
Die Pathophysiologie des Ertrinkens wurde<br />
im Detail beschrieben [195, 196]. Kurz<br />
zusammengefasst ist es so, dass das Unfallopfer<br />
nach der Submersion initial den<br />
Atem anhält, ehe sich ein Laryngospasmus<br />
entwickelt. Während dieser Zeit verschluckt<br />
das Unfallopfer große Menge von<br />
Wasser. Bei Fortbestehen des Atemanhaltens/Laryngospasmus<br />
entwickeln sich<br />
Hypoxie und Hyperkapnie. Schlussendlich<br />
lassen diese Reflexe nach, und das<br />
Unfallopfer aspiriert Wasser in seine<br />
Lungen, was zur Zunahme der Hypoxämie<br />
führt. Ohne Rettung und Wiederherstellung<br />
der Ventilation wird das Unfallopfer<br />
eine Bradykardie entwickeln, gefolgt<br />
von einem <strong>Kreislaufstillstand</strong>. Der<br />
wichtigste Grundsatz in der Pathophysiologie<br />
des Ertrinkens ist die Tatsache,<br />
dass der <strong>Kreislaufstillstand</strong> sich als Folge<br />
der Hypoxie entwickelt und die Korrektur<br />
der Hypoxämie der wesentliche Faktor<br />
für die Wiederherstellung eines Spontankreislaufs<br />
(„return of spontaneous circulation“,<br />
ROSC) darstellt.<br />
Therapie<br />
Die Therapie des Ertrinkungsopfers umfasst<br />
4 <strong>unter</strong>schiedliche, allerdings zusammenhängende<br />
Phasen. Diese schließen<br />
ein:<br />
F Rettung aus dem Wasser,<br />
F Basismaßnahmen (BLS) der CPR,<br />
F erweiterte lebensrettende<br />
Maßnahmen (ALS),<br />
F Reanimationsnachsorge.<br />
Die Rettung und Wiederbelebung des Ertrinkungsopfers<br />
bedingt fast immer eine<br />
interdisziplinäre berufsgruppenübergreifende<br />
Herangehensweise im Team.<br />
Die initiale Rettung aus dem Wasser wird<br />
üblicherweise von Notfallhelfern vorgenommen<br />
bzw. im Rahmen ihrer Dienstpflicht<br />
von ausgebildeten Lebensrettern<br />
oder Rettungsbootbesatzungen. Die Basismaßnahmen<br />
der Wiederbelebung werden<br />
häufig von Ersthelfern noch vor Ankunft<br />
des Rettungsdienstes durchgeführt.<br />
Notfall + Rettungsmedizin 7 · 2010 |<br />
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