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Gottesdienstlehre - Mohr Siebeck Verlag

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§ 1 <strong>Gottesdienstlehre</strong>, Homiletik, Liturgik<br />

Neue Entwicklungen<br />

in der<br />

evangelischen<br />

Liturgik<br />

Rituelle und<br />

rhetorische<br />

Kommunikation<br />

keit. Wer das Sakrament empfangen hat, kann nicht mehr fragen, wem es<br />

gilt.“ (29) Trillhaas meint, ohne den Zusammenhang mit dem Sakrament<br />

bleibe die Predigt „ein jeder Diskussion ausgelieferter Vortrag“ (ebd.). Trillhaas<br />

weist darauf hin, dass Theodosius Harnack (1817–1889) in seiner Praktischen<br />

Theologie von 1877 Lesung und Predigt selbst unter die „sakramentalen<br />

Akte“ gerechnet hatte (33, Anm. 12). Diese Sichtweise trifft insofern zu,<br />

als man im Gefolge Luthers von der sakramentalen Kraft des Wortes auszugehen<br />

hat. Ist es der Glaube, der rechtfertigt, dann wird in der Predigt nicht<br />

über den rechtfertigenden Glauben gesprochen, sondern dieser Glaube wird<br />

kommuniziert, mitgeteilt, geteilt, ausgeteilt.<br />

An dieser Stelle liegt der bleibende entscheidende Unterschied zum Katholizismus.<br />

Die katholische Lehre misst der Lesung des Evangeliums größere<br />

Bedeutung zu als der folgenden, bisweilen knappen Erklärung in der Predigt,<br />

die kirchenamtlich als „Homilie“ bezeichnet wird. Insgesamt bleibt es dabei,<br />

dass die katholische Predigt auch nach dem II. Vatikanischen Konzil vor<br />

allem als Vorbereitung des erst in der Eucharistie zelebrierten Geheimnisses<br />

verstanden wird. Nach dem Codex Iuris Canonici von 1983 ist es die Aufgabe<br />

der Predigt, „darzulegen, was zur Ehre Gottes und zum Heil der Menschen<br />

zu glauben und zu tun nötig ist“ (Can 767 § 1).<br />

Gerade diese Bestimmung nötigt die evangelische <strong>Gottesdienstlehre</strong>, ihrerseits<br />

das Verhältnis von Predigt und Liturgie in allen Schritten genau im<br />

Blick zu behalten. Die letzten Jahre haben einen praktischen und theoretischen<br />

Aufbruch des Liturgischen erbracht, so dass das Ritual und die ästhetische<br />

Form des Gottesdienstes immer stärker ins Blickfeld der evangelischen<br />

Theologie gerückt sind. Es ist jedoch auch der rituelle Charakter der Predigt<br />

und der worthafte Charakter des Liturgischen zu bedenken. Die ästhetische<br />

Theorie, die Liturgie und Predigt unter den Kategorien der Wahrnehmung<br />

und des Kunstwerkes zu erfassen sucht, bietet dazu gute Voraussetzungen<br />

und liturgische und homiletische Sichtweisen helfen zu einer präziseren Erfassung<br />

der Aufgabe, Gottesdienste zu gestalten. Eine Sichtweise reicht nicht<br />

aus.<br />

Darum wird in diesem Buch die Grundlegung nach einigen wissenschaftstheoretischen<br />

Erwägungen (→ § 2) unter den Kategorien „Mitteilung und<br />

Darstellung des Evangeliums in ritueller Gestalt“ erfolgen (→ §§ 3 und 4).<br />

Diese Beschreibung bezieht sich auf das Ganze des Gottesdienstes und erhellt<br />

zugleich das spannungsvolle Zusammenspiel von ritueller und rhetorischer<br />

Kommunikation. Beide Formen gewinnen an Profil durch ihr Gegenüber.<br />

Dagegen zerstört die liturgische Kommunikation in Form des Gespräches<br />

(z.B. durch Erklärungen der liturgischen Abläufe) diese ebenso, wie eine ritualisierte<br />

Art der Predigt der rhetorischen Kommunikation wiederspricht,<br />

weil in dieser das exemplarisch glaubende Ich zu erkennen sein soll. Die<br />

<strong>Gottesdienstlehre</strong> wird darum das Gemeinsame und die Dialektik beider<br />

12<br />

Leseprobe aus Meyer-Black: <strong>Gottesdienstlehre</strong><br />

(c) 2011 <strong>Mohr</strong> <strong>Siebeck</strong> www.mohr.de

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