Gottesdienstlehre - Mohr Siebeck Verlag
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1. <strong>Gottesdienstlehre</strong> und gottesdienstliches Handeln<br />
Perspektiven ihr Recht im Hinblick auf Praxisvollzüge zu erweisen. So interessant<br />
sie für sich genommen sein mögen, müssen sie sich doch bei der<br />
Gestaltung von Praxis bewähren. Praktisch-theologische Theorien dienen der<br />
Kirchenleitung und nicht der bloßen Verbreiterung des Theoriediskurses. In<br />
diesem Sinne sollen sich die fünf Perspektiven der Kapitel 2–6 (systematisch<br />
– historisch – empirisch – vergleichend – ästhetisch) in dem folgenden<br />
handlungsorientierten Kapitel wiederfinden. Dabei kann es nicht um eine<br />
Wiederholung gehen, sondern um eine Zusammenführung in praktischer<br />
Absicht.<br />
Für die Darstellungsweise des abschließenden, mit 14 Paragraphen umfangreichsten<br />
Kapitels sind zwei Grundentscheidungen maßgeblich. Erstens<br />
folgt die Darstellung der Schrittfolge des Gottesdienstes, wie das in vielen<br />
liturgiewissenschaftlichen Abhandlungen seit langem üblich gewesen ist<br />
(Rietschel, Jungmann, Josuttis, Klie). Die Paragraphen des Kapitels sind<br />
dazu nach den vier Schritten des „Evangelischen Gottesdienstbuches“ von<br />
1999 gegliedert (A Eröffnung und Anrufung – B Verkündigung und Bekenntnis<br />
– C Abendmahl – D Sendung und Segen). So soll es ermöglicht werden,<br />
dem Ansatz dieser <strong>Gottesdienstlehre</strong> entsprechend liturgische und homiletische<br />
Fragen im Zusammenhang zu behandeln.<br />
Dabei wird auch die synchrone Betrachtung weniger leicht von der diachronen<br />
überdeckt. Denn wegen der Vielfalt liturgischer Formen und wegen<br />
des großen Reichtums liturgiegeschichtlicher Forschungen tendieren die Darstellungen<br />
auch der gegenwärtigen gottesdienstlichen Formen zu einem historischen<br />
„Achtergewicht“; dies ist etwa bei dem 600 Seiten umfassenden,<br />
historisch überreichen II. Band von „Leiturgia“ über die einzelnen Teile des<br />
Gottesdienstes der Fall.<br />
Zweitens liegt der folgenden Darstellung der Sonntagsgottesdienst zu<br />
Grunde, auch wenn dieser nicht mehr mit der missverständlich wertenden<br />
Bezeichnung „Hauptgottesdienst“ versehen werden sollte. Im empirischen<br />
Teil war deutlich geworden, dass für die Mehrzahl der Kirchenmitglieder die<br />
Kasualgottesdienste und die Gottesdienste am Heiligen Abend die „Hauptgottesdienste“<br />
sind. Die Bezeichnung des Sonntagsgottesdienstes als „Hauptgottesdienst“<br />
passte damit zu dem Programm der Agende I von 1955/59 und<br />
entsprach stärker der Betrachtungsweise von Pfarrern und Kirchenleitungen<br />
als derjenigen von Gemeindegliedern. Dennoch ist der über Jahrhunderte<br />
gewachsene Sonntagsgottesdienst in der Messform und in der Form des Predigtgottesdienstes<br />
in mehrfacher Hinsicht „Normalfall“ und Grundmodell<br />
liturgischer Gestaltung. An ihm werden auch das Besondere der gottesdienstlichen<br />
Zeit und die schrittweise Entstehung der liturgischen Zeichensprachen<br />
deutlich. Diesen grundlegenden Zusammenhängen gehen die folgenden Abschnitte<br />
unter den Kategorien von Modell, Schwelle und Unterbrechung sowie<br />
Dramaturgie nach.<br />
Leseprobe aus Meyer-Black: <strong>Gottesdienstlehre</strong><br />
(c) 2011 <strong>Mohr</strong> <strong>Siebeck</strong> www.mohr.de<br />
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