02.11.2013 Aufrufe

AUSGABE 6 - Herzzentrum

AUSGABE 6 - Herzzentrum

AUSGABE 6 - Herzzentrum

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

DAS KÖLNER HERZZENTRUM<br />

FACHZEITSCHRIFT FÜR DEN ARZT<br />

• Qualitätssicherung bei der kathetergestützten Herzklappentherapie<br />

• Intensivierte Statintherapie vor koronarer Bypassoperation<br />

• Kardiale Stammzelltherapie im Labor der Herz- und Thoraxchirurgie –<br />

Warum ist die pluripotente Stammzelle besonders?<br />

• Die Herzkatheteruntersuchung über dem Arm<br />

<strong>AUSGABE</strong> 6<br />

08/2011


INHALTSVERZEICHNIS<br />

Vorwort 4<br />

Qualitätssicherung bei der kathetergestützten Herzklappentherapie 7<br />

– Univ.-Prof. Dr. Thorsten Wahlers, Univ.-Prof. Dr. Erland Erdmann –<br />

Intensivierte Statintherapie vor koronarer Bypassoperation 9<br />

– Dr. med. Elmar W. Kuhn, Dr. med. Oliver J. Liakoupoulos, Univ.-Prof. Dr. Thorsten Wahlers –<br />

Kardiale Stammzelltherapie im Labor der Herz- und Thoraxchirurgie –<br />

Warum ist die pluripotente Stammzelle besonders? 13<br />

– Dr. rer. nat. Klaus Neef, PD Dr. med. Yeong-Hoon Choi, Univ.-Prof. Dr. Thorsten Wahlers –<br />

Mitralklappenrekonstruktion – Fester oder flexibler Ring? 17<br />

– Hamid Naraghi, PD Dr. med. Ferdinand Kuhn-Régnier, Univ.-Prof. Dr. Thorsten Wahlers –<br />

Diagnostik und Management der Hauptstammstenose 21<br />

– Elisabeth Stöger, PD Dr. med. Jens Wippermann, Univ.-Prof. Dr. Thorsten Wahlers –<br />

Drei Jahre nach Syntax: PCI oder Bypasschirurgie – Wie sind die Ergebnisse 25<br />

– Prof. Dr. med. Thorsten Wittwer, Univ.-Prof. Dr. Thorsten Wahlers –<br />

Tako-Tsubo-Syndrom infolge beruflichen Stresses 29<br />

– Dr. med. Christian Keller –<br />

Bedeutung des Schenkelblocks beim Myokardinfarkt 33<br />

– Dr. Marcel Halbach, PD Dr. Jochen Müller-Ehmsen, Univ.-Prof. Dr. Erland Erdmann –<br />

Prävalenz und klinische Auswirkungen von Vorhofflimmern bei<br />

Patienten mit pulmonaler Hypertonie 37<br />

– Dr. Sara Reda, Daniela Schmidt, Dr. Dennis Rottländer, Dr. Lukas J. Motloch, Dr. Daniel Dumitresku,<br />

– PD Dr. Stephan Rosenkranz, Univ.-Prof. Dr. Erland Erdmann, Prof. Dr. Uta C. Hoppe –<br />

Die Herzkatheteruntersuchung über den Arm 39<br />

– Priv.-Doz. Dr. Hannes Reuter, Priv.-Doz. Dr. med. Carsten Zobel –<br />

Takayasu – Arteriitis 41<br />

– Dilek Yüksel, Priv.-Doz. Dr. med. Stephan Rosenkranz, Priv.-Doz. Dr. med. Carsten Zobel –<br />

Betrunkene Kalium-Kanäle 43<br />

– Amir M. Nia, Priv.-Doz. Dr. Natig Gassanov, Univ.-Prof. Dr. Erland Erdmann, Priv.-Doz. Dr. med. Fikret Er –<br />

Neue Doppler-echokardiographische Methode zur Feststellung eines Lungenhochdrucks 45<br />

– Priv.-Doz. Dr. med. Fikret Er, Priv.-Doz. Dr. Natig Gassanov, Amir M. Nia, Kristina Dahlem, Stefan Ederer,<br />

– Evren Caglayan, Univ.-Prof. Dr. Erland Erdmann –<br />

Wem nutzt die Chelat-Therapie? 47<br />

– Kristina Dahlem, Esther Biesenbach, Priv.-Doz. Dr. Natig Gassanov, Univ.-Prof. Dr. Erland Erdmann,<br />

– Priv.-Doz. Dr. med. Fikret Er –<br />

Milde therapeutische Hypothermie zur Therapie des kardiogenen Schocks 49<br />

– Priv.-Doz. Dr. med. Carsten Zobel, Christoph Adler, Priv.-Doz. Dr. Hannes Reuter –<br />

Kardiologisches Kompetenznetz Köln e.V. 51<br />

– Prof. Dr. Hans W. Höpp –<br />

An die Familienmitglieder meines Organspenders 53<br />

– Jochen Filz –<br />

Verein der Freunde und Förderer des <strong>Herzzentrum</strong>s des Universitätsklinikums Köln e.V. 55<br />

Impressum 57<br />

Foto Titelseite: MedizinFotoKöln<br />

3


VORWORT<br />

Liebe Kolleginnen<br />

und Kollegen!<br />

Für das weiterhin bestehende Vertrauen<br />

Ihrerseits bedanken wir uns recht herzlich.<br />

Das Jahr hat außerhalb des <strong>Herzzentrum</strong>s<br />

im höchsten Maß stürmisch angefangen<br />

mit Erdbeben, aberkannten Doktortiteln<br />

sowie auch wirtschaftlichen Unruhen,<br />

besonders in Europa.<br />

Die Arbeit im <strong>Herzzentrum</strong> ist davon<br />

leistungsmäßig nicht betroffen, auch<br />

wenn wir Mitleid mit den betroffenen<br />

Opfern haben.<br />

Es ist eine Freude, dass wir die minimalinvasiven<br />

Techniken weiter entwickeln<br />

können, was den Patienten zugute<br />

kommt. Die traditionellen Behandlungsformen<br />

werden hier aber nicht vernachlässigt<br />

und weiterhin erfolgreich im<br />

großen Umfang angewendet.<br />

Wir sind darüber froh, dass die Thoraxchirurgie<br />

sich mit Prof. Dr. Khosro Hekmat,<br />

der zum 01. 05. 2011 hier angefangen hat,<br />

weiter einbringen kann. Herr Professor<br />

Dr. Hekmat wird eine Verstärkung des<br />

v.l.n.r.: Jan Brunkwall, Erland Erdmann, Thorsten Wahlers, Konrad Brockmeier<br />

Leistungsspektrums einbringen, was für<br />

ein modernes Herz- und Gefäßzentrum<br />

wichtig ist.<br />

Das erweiterte Volumen für die etwas<br />

knappen Ressourcen wird zu einigen<br />

Veränderungen führen müssen, aber<br />

ohne dass wir an Quantität oder Qualität<br />

verlieren werden.<br />

Wir wünschen Ihnen mit dem neuen Heft<br />

eine schöne Lesung mit hoffentlich Daten,<br />

die Sie für Ihre Praxis auch umsetzen<br />

können.<br />

Wir wünschen Ihnen allen einen schönen<br />

Sommer und hoffen auf eine weiterhin<br />

gute Zusammenarbeit.<br />

Prof. Dr. Jan Brunkwall<br />

Direktor der Klinik und Poliklinik<br />

für Gefäßchirurgie<br />

4


QUALITÄTSSICHERUNG BEI DER KATHETERGESTÜTZTEN HERZKLAPPENTHERAPIE<br />

Qualitätssicherung bei der kathetergestützten<br />

Herzklappentherapie<br />

– Univ.-Prof. Dr. Thorsten Wahlers,<br />

Univ.-Prof. Dr. Erland Erdmann –<br />

Im Bereich des Ersatzes der Aortenklappe ist<br />

seit 3 Jahren die Technologie des kathetergestützten<br />

Aortenklappenersatzes einsetzbar<br />

geworden. Das <strong>Herzzentrum</strong> der Universität<br />

Köln hat mit den Abteilungen Herz- und<br />

Thoraxchirurgie sowie Kardiologie mit zu den<br />

ersten Zentren in der Bundesrepublik gehört,<br />

die diese neue Therapieform verantwortungsvoll<br />

zur Anwendung gebracht hat. So sind<br />

im <strong>Herzzentrum</strong> von beiden Abteilungen<br />

gemeinsam mittlerweile mehr als 200 Patienten<br />

mit einem kathetergestützten Eingriff an der<br />

Aortenklappe seit 2008 versorgt worden. Das<br />

Einsatzgebiet für den kathetergestützten<br />

Aorteneingriff liegt nach Ansicht der Fachgesellschaften<br />

derzeit noch in der Altersgruppe<br />

von über 75 Jahren und zwar insbesondere bei<br />

den Patienten, bei denen ein konventioneller<br />

Aortenklappenersatz nicht mehr möglich ist.<br />

Trotz dessen ist es zu einer Zunahme der<br />

Implantation kathetergestützter Klappen in<br />

der Bundesrepublik gekommen, wenngleich<br />

auch die erzielten Ergebnisse den breiten Einsatz<br />

dieser Technologie hinterfragenswert<br />

erscheinen lassen.<br />

Professor Wahlers und Professor Erdmann sind<br />

Sprecher der herzchirurgischen, respektive<br />

kardiologischen Ordinarien, die sich regelmäßig<br />

treffen, um wichtige forschungsrelevante<br />

abteilungsübergreifende Probleme und Strukturfragen<br />

zu diskutieren. Im Rahmen des<br />

letzten Ordinarienkonvents im Januar 2011<br />

wurde auf dem Ordinarienkonvent ein Regelwerk<br />

erarbeitet, welches gewissermaßen als<br />

Richtschnur am derzeitigen Kenntnisstand zur<br />

Anwendung kommen sollte, wenn man kathetergestützt<br />

Herzklappen implantiert.<br />

Hintergrund dieses Regelwerkes zur Qualitätssicherung<br />

ist, dass konventionelle Herzklappenersatzoperationen<br />

ein Mortalitätsrisiko < 3%<br />

aufweisen. Bei der kathetergestützten Methode<br />

beträgt die Mortalität innerhalb der ersten<br />

30 Tage allerdings bis zu 12%. Daher sehen die<br />

deutschen Ordinarien für Herzchirurgie und<br />

Kardiologie die aktuelle Entwicklung mit einer<br />

gewissen Sorge, da die vermeintlich weniger<br />

invasive kathetergestützte Methodik auch an<br />

Zentren etabliert wird, die im Unterschied zum<br />

<strong>Herzzentrum</strong> nicht die optimalen technischen<br />

und personellen Voraussetzungen aufweisen.<br />

Im Folgenden erlauben wir uns deshalb, auch in<br />

der Zeitschrift DAS KÖLNER HERZZENTRUM<br />

diese Regeln zu veröffentlichen, um unseren<br />

Lesern und Zuweisern den derzeitigen Rahmen<br />

vor Augen zu führen, der von vielen Krankenkassen,<br />

Ärzten und Industriefirmen mit unterstützt<br />

wird.<br />

Voraussetzung zur Durchführung von kathetergeführten<br />

Herzklappen und Interventionen<br />

1. Geeignete Patienten sollen in einer gemeinsamen<br />

Konferenz (Herzteam des Zentrums)<br />

von zentrumsinternen Kardiologen und<br />

Herzchirurgen diskutiert und besprochen<br />

werden. Dabei sollen sowohl die Indikation<br />

zum Eingriff, als auch der Zugangsweg und<br />

der Herzklappentyp festgelegt werden.<br />

2. Nur Patienten mit deutlich erhöhtem operativem<br />

Risiko oder Kontraindikation zur<br />

konventionellen OP sollen derzeit für eine<br />

Herzklappenintervention vorgesehen werden<br />

(etwa: erwartete Sterblichkeit > 10 Prozent,<br />

log. Euroscore > 20 Prozent), da noch<br />

keine Langzeitergebnisse vorliegen und die<br />

qualitativen Ergebnisse nach operativem<br />

Herzklappenersatz (Mortalität etwa drei<br />

Hybrid<br />

7


QUALITÄTSSICHERUNG BEI DER KATHETERGESTÜTZTEN HERZKLAPPENTHERAPIE<br />

Herzklappe<br />

Herzklappe vor dem Falten<br />

Prozent) oder operativer Herzklappenrekonstruktion<br />

(Mortalität etwa 2,5 Prozent) noch<br />

nicht erreicht sind.<br />

3. Kathetergeführte Herzklappeninterventionen<br />

sollen nur an einem Zentrum vorgenommen<br />

werden, an welchem sowohl die interventionelle<br />

Kardiologie als auch die Herzchirurgie<br />

als Abteilungen oder Kliniken vorhanden<br />

und seit Jahren etabliert sind. Solche Kathetergeführten<br />

Herzklappeninterventionen sollen<br />

nur in speziell dafür vorgesehenen Räumlichkeiten<br />

stattfinden (Hybrid-OP oder<br />

Hybrid-Herzkatheterlabor), die sowohl den<br />

offiziellen hygienischen Voraussetzungen<br />

eines Operationssaales als auch den bildtechnischen<br />

Voraussetzungen eines konventionellen<br />

fest installierten Herzkatheterlabors<br />

entsprechen. Unter Umständen auftretende<br />

Komplikationen, die den Einsatz einer Herz-<br />

Lungen-Maschine erfordern, müssen direkt<br />

vor Ort versorgt werden können, ohne dass<br />

dafür ein Transport des Patienten nötig ist.<br />

Externe Standorte ohne eine etablierte<br />

Herzchirurgie sind für diese Eingriffe nicht<br />

geeignet.<br />

4. Kathetergeführte Herzklappeninterventionen<br />

sollen grundsätzlich gemeinsam von Kardiologen<br />

und Herzchirurgen vorgenommen werden.<br />

5. Eine kompetente kardio-anästhesiologische<br />

und gefäßchirurgische Versorgung muss in<br />

dem Zentrum ebenfalls vorhanden sein.<br />

6. Es muss eine speziell dafür eingerichtete<br />

Nachsorge vorhanden sein, die auch später<br />

auftretende Komplikationen des Eingriffs<br />

(zum Beispiel einem kompletten atrioventrikulären<br />

Block) Rechnung trägt.<br />

7. In Abstimmung und gemeinsamer Planung<br />

und Durchführung mit der zentrumsinternen<br />

Kardiologie ist es durchaus vorstellbar,<br />

dass geschulte auswärtige Kardiologen ihre<br />

Patienten an einem wie oben beschriebenen<br />

Zentrum als Gastärzte in Kooperation mit<br />

den dort tätigen Herzchirurgen und Kardiologen<br />

Herzklappeninterventionen durchführen.<br />

Die Verantwortung und Leitung des<br />

Eingriffs liegen bei dem Herzteam bestehend<br />

aus zentrumsinternen Kardiologen und<br />

Herzchirurgen.<br />

8. Alle Eingriffe an der Aortenklappe sollten in<br />

Form des mittlerweile etablierten Aortenklappenregisters<br />

festgehalten werden. Es ist Aufgabe<br />

der Fachgesellschaften, die noch zu<br />

erhebenden Langzeitergebnisse dieses neuen<br />

Verfahrens wissenschaftlich zu begleiten.<br />

Dieses Regelwerk wurde von der Arbeitsgruppe<br />

„Kathetergestützte Aortenklappenimplantationen“<br />

von den folgenden Autoren erarbeitet:<br />

Prof. Dr. Dr. H. Reichenspurner, Hamburg<br />

(federführend)<br />

Prof. Dr. Autschbach, Aachen<br />

Prof. Dr. Erdmann, Köln<br />

Prof. Dr. Hetzer, Berlin<br />

Prof. Dr. Nienaber, Rostock<br />

Prof. Dr Strasser, Dresden<br />

Prof. Dr. Wahlers, Köln<br />

Katheterklappe<br />

Katheterklappe vor dem Aufdehnen<br />

8


INTENSIVIERTE STATINTHERAPIE VOR KORONARER BYPASSOPERATION<br />

Intensivierte Statintherapie vor<br />

koronarer Bypassoperation<br />

– Dr. med. Elmar W. Kuhn,<br />

Dr. med. Oliver J. Liakoupoulos,<br />

Univ.-Prof. Dr. Thorsten Wahlers<br />

Klinik und Poliklinik für Herz- und<br />

Thoraxchirurgie,<br />

<strong>Herzzentrum</strong> der Uniklinik Köln –<br />

Allgemeiner Überblick<br />

Die Langzeit-Therapie von Patienten mit einer<br />

koronaren Herzkrankheit beinhaltet neben<br />

der Gabe von Aspirin und Beta-Blockern eine<br />

adequate Einstellung der LDL-Konzentration<br />

im Blut. Diesbezüglich haben sich HMG-CoA-<br />

Reduktase-Inhibitoren (Statine) bewährt und<br />

gehören gemäß aktueller Leitlinien der kardiologischen<br />

Fachgesellschaften zur Standarttherapie<br />

bei Patienten mit Risikofaktoren für<br />

eine athersosklerotische Herzerkrankung.<br />

Basierend auf den Daten der Post-CABG Studie<br />

ist die postoperative Statintherapie auch bei<br />

Patienten mit koronaren Bypassoeration ein<br />

wesentlicher Bestandteil der Sekundärprävention,<br />

welche zu einer signifikanten Reduktion<br />

der kardiovaskulären Komplikationen und der<br />

Bypassverschlussrate führt [1]. Ziel der Gabe<br />

eines Statinpräparates (z.B. Simvastatin 40 mg)<br />

ist es, die LDL-Konzentration im Blut auf unter<br />

100 mg/dl zu senken [2]. Darüber hinaus zeigte<br />

sich für Patienten mit Statin-Behandlung nach<br />

einer Bypass-Operation eine deutlich niedrigere<br />

Mortalitäts- und Komplikationsrate, wenn<br />

eine Statin-Therapie im ersten postoperativen<br />

Monat begonnen wurde [3]. Im Gegensatz zum<br />

zentralen Stellenwert einer postoperativen<br />

Statintherapie konnte der Nutzen einer Therapie<br />

mit Statinen vor einer Herzoperation in<br />

einer aktuellen Meta-Analyse mit über 30.000<br />

Patienten demonstriert werden. Patienten mit<br />

präoperativer Statineinnahme hatten ein reduziertes<br />

frühpostoperatives Mortalitäsrisiko als<br />

auch eine geringere Rate von postoperativem<br />

Vorhofflimmern und Schlaganfällen [4].<br />

Statinwirkung<br />

Insgesamt werden die positiven Effekte einer<br />

chronischen Therapie mit Statinen zum Einen<br />

der Wirkung auf den LDL-Stoffwechsel zugeschrieben.<br />

Durch die Hemmung des Schlüssel-<br />

Enzyms der Cholesterin-Synthese, der HMG-<br />

CoA-Reduktase, kommt es zu einer vermehrten<br />

Aufnahme von LDL-Partikeln in die Leber,<br />

wodurch die Konzentration von LDL-Cholesterin<br />

im Blut deutlich gesenkt werden kann. Da<br />

eine erhöhte LDL-Konzentration im Blut als<br />

einer der Hauptfaktoren für die Entstehung<br />

von kardiovaskulären Erkrankungen gilt, resultiert<br />

eine wirkungsvolle Senkung des LDLs in<br />

einer Reduktion des Risikos für die Entwicklung<br />

und das Fortschreiten atherosklerotischer<br />

Prozesse.<br />

Auf der anderen Seite mehrt sich die Evidenz<br />

auf Statin-Wirkungen, die sich unabhängig von<br />

den Effekten auf den Cholesterin-Stoffwechsel<br />

vorteilhaft für Patienten mit kardiovaskulären<br />

Grunderkrankungen, insbesondere auch für<br />

herzchiurgische Patienten, auswirken können.<br />

So wurde mit der Einnahme von Statinen eine<br />

Hemmung von inflammatorischen Prozessen,<br />

eine Verbesserung der Gefäßfunktion und der<br />

Blutgerinnung in Zusammenhang gebracht [5].<br />

Da die genannten Effekte ohne Beeinflussung<br />

des Lipid-Stoffwechsels vermittelt werden, gelten<br />

diese Mechanismen als „lipid-unabhängig“<br />

oder auch als sogenannte „pleiotrope“ Statineffekte.<br />

Die klinische Relevanz dieser Effekte<br />

wurde in Studien bereits untersucht. So konnte<br />

beispielsweise demonstriert werden, dass eine<br />

Statin-Einnahme bei Patienten, die Herzoperationen<br />

unterzogen wurden, die Rate an postoperativem<br />

Vorhofflimmern unabhängig vom<br />

präoperativen Lipidprofil signifikant zu reduzieren<br />

vermag [6]. Der Statin-Behandlung und<br />

den damit verbundenen Vorteilen für den einzelnen<br />

Patienten steht im Allgemeinen eine<br />

äußerst geringe Wahrscheinlichkeit für die<br />

Entwicklung von Nebenwirkungen gegenüber,<br />

so dass sich das Verhältnis von Nutzen und<br />

Risiko für die Medikamentenklasse der Statine<br />

als sehr günstig erweist, denn nicht umsonst<br />

gelten Statine zu den sichersten Präparate<br />

überhaupt, die je entwickelt wurden [7].<br />

Neue Studien<br />

In den Bemühungen, die Behandlung von<br />

Patienten mit HMG-CoA-Reduktase-Hemmern<br />

weiter zu verbessern, haben tierexperimentelle<br />

Untersuchungen neue Möglichkeiten aufgezeigt.<br />

Anhand von Ischämie-Reperfusions-Versuchen<br />

an Ratten wurde dargestellt, dass es<br />

während einer langfristigen Statin-Therapie<br />

(14 Tage) zu einer deutlichen Abschwächung<br />

der kardioprotektiven, pleiotropen Statineffekte<br />

kommt, diese jedoch durch eine intensivierte,<br />

kurzzeitige und hochdosierte Gabe<br />

von Statinen vor einem Ischämieereignis wieder<br />

reaktivierbar sind. Denn obwohl sich die<br />

Größe des experimentell induzierten Herzinfarkts<br />

bei Tieren mit chronischer Statintherapie<br />

im Vergleich zur Kontrollgruppe unverändert<br />

blieb, konnte eine Verringerung der Infarktgrösse<br />

durch akute Aufladungs-Dosis mit<br />

Statinen kurz vor dem Ischämieereignis erreicht<br />

werden [8]. Die durch die chronische Statintherapie<br />

verloren gegangenen positiven,<br />

pleitropen Effekte können also durch eine<br />

kruzfristige und intensivierte Statingabe<br />

erneut reaktivert werden, so dass man diesen<br />

Ansatz auch im englischen Sprachgebrauch als<br />

sogenannte „statin recapture“ Therapie<br />

bezeichnet.<br />

Die Relevanz der intensivierten Statintherapie<br />

in der klinischen Praxis wurde bereits an Patienten<br />

mit koronarer Herzerkrankung und akutem<br />

Koronarsyndrom mit Erfolg überprüft. Im<br />

Rahmen der ARMYDA-Recapture Studie<br />

9


INTENSIVIERTE STATINTHERAPIE VOR KORONARER BYPASSOPERATION<br />

(Atorvastatin for Reduction of Myocardial<br />

Damage During Angioplasty) wurden insgesamt<br />

383 Patienten mit chronischer oder instabiler<br />

koronarer Herzkrankheit und gleichzeitig<br />

bestehender Langzeit-Therapie mit Statinen<br />

(>30 Tage) eingeschlossen, bei denen eine<br />

koronare Intervention mittels Herzkatheter<br />

aufgrund einer stenosierenden koronaren<br />

Herzerkrankung indiziert war. Diese Patienten<br />

wurden entweder mit einer hochdosierten<br />

Gabe von Atorvastatin am Tage vor der Untersuchung<br />

behandelt oder erhielten gemäß<br />

Randomisierungsplan ein Placebo-Präparat. Die<br />

Ergebnisse demonstrierten eine deutlche und<br />

signifikante Senkungs der kardial-bedingten<br />

Todesrate und eine Reduktion für das Auftreten<br />

eines postinterventionellen Herzinfarkts<br />

oder für eine erneute Revaskularisation innerhalb<br />

von 30 tagen nach der Intervention in der<br />

Statin-Recapture Gruppe [9].<br />

Eine entsprechende Untersuchung an Patienten,<br />

die einer Herzoperation unterzogen<br />

werden, gibt es bisher nicht. Dennoch ist zu<br />

erwarten, dass der in der ARMYDA-Recapture<br />

Studie beobachtete, positive Effekt einer hochdosierten<br />

und unmittelbar präinterventionell<br />

verabreichten Statin-Gabe auch auf Patienten<br />

übertragbar sein sollte, die bereits eine chronische<br />

Statintherapie erhalten und bei denen<br />

aufgrund einer koronaren Herzkrankheit eine<br />

Bypassoperation indiziert ist. Denn auch hier ist<br />

davon auszugehen, dass eine chronische Statintherapie<br />

mit der Zeit in Hinblick auf die pleiotropen<br />

Wirkungen ihre Potenz verliert, die<br />

durch eine Recapture-Therapie kurz vor der<br />

geplanten Operation wieder reaktivierbar sein<br />

könnte.<br />

Neue Konzepte und Studien am <strong>Herzzentrum</strong><br />

Köln<br />

Diese neuen Erkenntnisse waren der Anlass<br />

für die Konzeption einer prospektiven, multizentrischen<br />

und randomisierten Studie durch<br />

unsere Arbeitsgruppe, welche die Fragestellung<br />

überprüfen soll, ob eine intensivierte,<br />

präoperative Therapie mit Statinen zu einer<br />

Reduktion der frühpostoperativen kardiovaskulären<br />

Mortalität und Morbidität bei Patienten<br />

nach koronarer Bypassoperation führt<br />

(primärer Endpunkt bestehend aus: 30-Tage<br />

Unterschiedliche Statinpräparate.<br />

Die vielen Statin-Präparate werden von diversen Pharmafirmen angeboten. Hier abgebildet sind die in der StaRT-CABG Studie verwendeten<br />

Statine Simvastatin (Simvastatin Hexal®), Atorvastatin (Sortis®), Pravastatin (Pravastatin Hexal®) und Fluvastatin (Cranoc®) abgebildet.<br />

10


INTENSIVIERTE STATINTHERAPIE VOR KORONARER BYPASSOPERATION<br />

Mortalität, Herzinfarkt und zerebrovaskuläre<br />

Ereignisse). Mit einer Rekrutierungszahl von<br />

2.630 Patienten über 3 Jahren an insgesamt<br />

8 beteiligten Herzzentren in Nordrhein-Westfalen<br />

(NRW study group) ist die StaRT-CABG<br />

Studie (Statin Recapture Therapy before Coronary<br />

Artery Bypass Grafting) somit die bisher<br />

weltweit größte randomisierte, Placebo-kontrollierte<br />

Studie, welche den klinischen Nutzen<br />

einer präoperativen Therapie mit Statinen bei<br />

herzchirurgischen Patienten mit koronarer<br />

Herzerkrankung im Rahmen eines multizentrischen<br />

Ansatzes untersuchen wird. Aus den<br />

Ergebnissen der Studie werden hochrelevante<br />

klinische Einsichten über den Nutzen von<br />

Statinen zur Optimierung des klinischen<br />

Verlaufs von herzchirurgischen Patienten erwartet.<br />

Nach erfolgreicher Förderung des Studienantrags<br />

im Rahmen der Förderung Klinischer<br />

Studien des Regierungsprogramms “Gesundheitsforschung:<br />

Forschung für den Menschen”<br />

durch das Bildungsministerium für Bildung und<br />

Forschung (BMBF) ist die gesamte Studiendauer<br />

der StaRT-CABG Studie auf insgesamt 5 Jahre<br />

angesetzt. Die leitende Studiendurchführung<br />

erfolgt durch das herzchirurgische Studienzentrum<br />

der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie<br />

am <strong>Herzzentrum</strong> Köln (Studienleiter: Dr. Oliver<br />

J. Liakopoulos und Univ.-Prof. Dr. T. Wahlers,<br />

Prüfarzt: Dr. Elmar W. Kuhn) und in enger<br />

Kooperation mit dem Zentrum für Klinische<br />

Studien Köln (ZKS Köln), dem Institut für<br />

medizinische Statistik, Informatik und Epidemiologie<br />

(IMSIE) der Universität Köln und den<br />

teilnehmenden Studienpartner innerhalb der<br />

NRW Studiengruppe.<br />

Studiendesign im Detail<br />

Patienten mit chronischer Statin-Therapie<br />

(>30 Tage) und der Indikation zur isolierten<br />

Bypass-Operation mit oder ohne Verwendung<br />

der Herz-Lungen-Maschine auf der Basis einer<br />

stabilen oder instabile Angina pectoris werden<br />

in 2 Studienarme per Randomisierung zugeteilt.<br />

Eine Gruppe (insgesamt 1315 Patienten)<br />

erhält 12 sowie 2 Stunden vor dem geplanten<br />

operativen Eingriff das Statin-Präparat als<br />

Tablette verabreicht, das sie präoperativ schon<br />

eingenommen hatten. Der anderen Gruppe<br />

(ebenfalls insgesamt 1315 Patienten) wird stattdessen<br />

eine Placebo-Medikation verabreicht.<br />

Während ansonsten die gesamte Behandlung<br />

der Patienten sich in keiner Weise unterscheidet,<br />

wird in der postoperativen Phase für alle<br />

Teilnehmer der Studie das Auftreten von Mortalität,<br />

Myokardinfarkt und zerebrovaskulären<br />

Ereignissen als primärer Endpunkt registriert.<br />

Des Weiteren soll das Auftreten von Vorhofflimmern,<br />

die Höhe myokardialer Ischämiemarker<br />

(Troponin T, CK-MB), die Länge des Aufenthaltes<br />

auf der Intensivstation und im Krankenhaus<br />

festgehalten werden. Die Planer der hier<br />

beschriebenen StaRT-CABG Studie erhoffen<br />

sich, durch diese Untersuchung die Effektivität<br />

einer hochdosierten präoperativen Statin-<br />

Behandlung auf den Prüfstand zu stellen. Der<br />

Patientenrekrutierungsphase ist für Beginn des<br />

kommenden Jahres (2012) angesetzt und nach<br />

Einholung der notwendigen Zustimmung der<br />

entsprechenden Berhörden. Aus den Ergebnissen<br />

der Studie werden hochrelevante klinische<br />

Einsichten über den Nutzen einer intensivierten<br />

perioperativen Statintherapie zur Optimierung<br />

des klinischen Verlaufs von herzchirurgischen<br />

Patienten erwartet.<br />

Literatur<br />

1. The effect of aggressive lowering of low-density<br />

lipoprotein cholesterol levels and low-dose anticoagulation<br />

on obstructive changes in saphenous-vein<br />

coronary-artery bypass grafts. The Post Coronary<br />

Artery Bypass Graft Trial Investigators. N Engl J Med<br />

1997;336:153-62.<br />

2. Eagle KA, Guyton RA, Davidoff R et al. ACC/AHA 2004<br />

guideline update for coronary artery bypass graft<br />

surgery: a report of the American College of Cardiology/American<br />

Heart Association Task Force on<br />

Practice Guidelines (Committee to Update the 1999<br />

Guidelines for Coronary Artery Bypass Graft Surgery).<br />

Circulation 2004;110:e340-437.<br />

3. Kulik A, Brookhart MA, Levin R, Ruel M, Solomon DH,<br />

Choudhry NK. Impact of statin use on outcomes after<br />

coronary artery bypass graft surgery. Circulation<br />

2008;118:1785-92.<br />

4. Liakopoulos OJ, Choi YH, Haldenwang PL et al. Impact<br />

of preoperative statin therapy on adverse postoperative<br />

outcomes in patients undergoing cardiac surgery:<br />

a meta-analysis of over 30,000 patients. Eur Heart<br />

J 2008;29:1548-59.<br />

5. Bonetti PO, Lerman LO, Napoli C, Lerman A. Statin<br />

effects beyond lipid lowering--are they clinically relevant?<br />

Eur Heart J 2003;24:225-48.<br />

6. Patti G, Chello M, Candura D et al. Randomized trial of<br />

atorvastatin for reduction of postoperative atrial<br />

fibrillation in patients undergoing cardiac surgery:<br />

results of the ARMYDA-3 (Atorvastatin for Reduction<br />

of MYocardial Dysrhythmia After cardiac surgery)<br />

study. Circulation 2006;114:1455-61.<br />

7. Armitage J. The safety of statins in clinical practice.<br />

Lancet 2007;370:1781-90.<br />

8. Mensah K, Mocanu MM, Yellon DM. Failure to protect<br />

the myocardium against ischemia/reperfusion injury<br />

after chronic atorvastatin treatment is recaptured by<br />

acute atorvastatin treatment: a potential role for<br />

phosphatase and tensin homolog deleted on chromosome<br />

ten? J Am Coll Cardiol 2005;45:1287-91.<br />

9. Di Sciascio G, Patti G, Pasceri V, Gaspardone A, Colonna<br />

G, Montinaro A. Efficacy of atorvastatin reload in<br />

patients on chronic statin therapy undergoing percutaneous<br />

coronary intervention: results of the<br />

ARMYDA-RECAPTURE (Atorvastatin for Reduction of<br />

Myocardial Damage During Angioplasty) Randomized<br />

Trial. J Am Coll Cardiol 2009;54:558-65.<br />

Autor und Ansprechpartner:<br />

Dr. med. Elmar W. Kuhn<br />

Klinik und Poliklinik für Herz- und<br />

Thoraxchirurgie<br />

Universität zu Köln<br />

Kerpener Straße 62<br />

50937 Köln<br />

E-Mail: elmar.kuhn@uk-koeln.de<br />

11


Informativ<br />

Produktiv<br />

Vielfältig<br />

INFO-TV<br />

Erfahren Sie mehr über das Medium für den erfolgreichen Imagetransfer.<br />

Langweilige Produktdemos sind Vergangenheit –<br />

fesseln Sie den Zuschauer mit attraktiv aufbereiteten<br />

und interessant gestalteten Informationen.<br />

PRINTMEDIEN<br />

Voll- und teilfinanziert<br />

Auch in der heutigen Zeit der digitalen Medien<br />

sind gedruckte Informationen populärer denn je, z. B.:<br />

INFORMATIONSTAFELN<br />

Infotafeln sind das ideale Produkt für Eingangshallen<br />

oder große Wartebereiche und dienen<br />

als Präsentationsfläche zur Eigendarstellung oder als<br />

visueller Wegweiser – ähnlich eines Stadtplanes –<br />

zur Orientierung für Kunden und Besucher.<br />

• Patientenbroschüren<br />

• Fachpublikationen<br />

• Klinikwegweiser<br />

• Vorlesungsverzeichnisse<br />

• Imagebroschüren<br />

• Telefonbücher (hausintern)<br />

Unsere Kernkompetenzen<br />

liegen in der<br />

schnellen und effektiven Realisierung<br />

digitaler und analoger<br />

Informationen, bei gleichzeitiger<br />

optimaler und persönlicher<br />

Kundenbetreuung.<br />

Informations-Presse-Verlagsgesellschaft mbH<br />

Am Wiesengrund 1 · 40764 Langenfeld<br />

Telefon: 02173 - 1095 100<br />

Fax: 02173 - 1095 111<br />

info@ipv-medien.de · www.ipv-medien.de


KARDIALE STAMMZELLTHERAPIE IM LABOR DER HERZ- UND THORAXCHIRURGIE<br />

Kardiale Stammzelltherapie im Labor<br />

der Herz- und Thoraxchirurgie –<br />

Warum ist die pluripotente Stammzelle<br />

besonders?<br />

– Dr. rer. nat. Klaus Neef,<br />

PD Dr. med. Yeong-Hoon Choi,<br />

Univ.-Prof. Dr. Thorsten Wahlers<br />

Labor für kardiale Regeneration – Klinik und<br />

Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie,<br />

<strong>Herzzentrum</strong> der Uniklinik Köln –<br />

In nahezu allen Bereichen der Medizin lässt sich<br />

der Einfluss der „Lebenswissenschaften“ als<br />

Impulsgeber, Bereiter neuer Perspektiven und<br />

als Ergänzung oder Ersatz herkömmlicher Verfahren<br />

erkennen. Die Möglichkeit krankheitsrelevante<br />

Prozesse in Organen, Geweben und<br />

Zellen auf molekularer Ebene zu beschreiben<br />

und möglicherweise zu beeinflussen hat große<br />

Hoffnungen geweckt und zu intensiver internationaler<br />

Forschung sowohl im Bereich der<br />

Diagnostik, als auch der Therapie geführt.<br />

Das Forschungslabor der Herz- und Thoraxchirurgie<br />

unter der Leitung von Univ.-Prof.<br />

Dr. Thorsten Wahlers und wissenschaftlich<br />

betreut von PD Dr. Yeong-Hoon Choi und<br />

Dr. rer. nat. Klaus Neef beschäftigt sich in<br />

diesem Zusammenhang mit hoch aktuellen<br />

Projekten der kardialen Stammzelltherapie,<br />

unterstützt durch öffentliche Förderung<br />

(BMBF), Stiftungen (Else-Kröner-Fresenius Stiftung),<br />

sowie die Freunde und Förderer des<br />

<strong>Herzzentrum</strong>s und vernetzt durch Kooperationen<br />

auf lokaler und internationaler Ebene, sowohl<br />

akademisch als auch mit Industriepartnern.<br />

Konkret spielen Vorhaben im Rahmen von<br />

neuen, zellbasierten regenerativen Therapien<br />

für häufig nur symptomatisch oder als ultima<br />

ratio durch Transplantation zu behandelnde<br />

Herzerkrankungen eine zentrale Rolle. Ausgangspunkt<br />

dazu sind Erkenntnisse aus der<br />

Grundlagenforschung zu adulten und pluripotenten<br />

Stammzellen. Beide Zelltypen sind,<br />

wie alle Stammzellen, zunächst durch ihre<br />

Eigenschaft zur identischen Vervielfältigung<br />

sowie zur Bildung von ausdifferenzierten<br />

Tochterzellen gekennzeichnet. Hierbei unterscheiden<br />

sich die adulten von den pluripotenten<br />

Stammzellen durch eine Beschränkung auf<br />

einen bestimmten oder ein bestimmtes<br />

Gewebe begrenzten Zelltyp, während aus<br />

pluripotenten Stammzellen alle im erwachsenen<br />

Organismus vorkommenden Zelltypen gebildet<br />

werden können. Das Potential zur Vervielfältigung<br />

ist bei pluripotenten Stammzellen unter<br />

geeigneten Bedingungen potentiell unbegrenzt.<br />

Adulte Stammzellen stellen nach einer definierten<br />

Zeit ihr Wachstum ein, sie unterliegen also<br />

einem Alterungsprozess und sind dadurch eine<br />

der zellulären Grundlagen für das Altern des<br />

gesamten Organismus: ihr spezifisches Zielgewebe<br />

kann nicht mehr regeneriert werden.<br />

Betrachtet man die grundlegende Ursache<br />

vieler schwerwiegender, ischämischer sowie<br />

nicht-ischämischer Herzerkrankungen und der<br />

daraus resultierenden Herzinsuffizienzen, stellt<br />

man fest, dass eine eingeschränkte Herzfunktion<br />

größtenteils auf ein Absterben von Herzmuskelgewebe<br />

zurückzuführen ist. Die dabei<br />

verlorene zelluläre Grundeinheit der Herzfunktion<br />

sind Kardiomyozyten, mit der für mögliche<br />

Heilungsprozesse ungünstigen Eigenschaft,<br />

nicht mehr teilungsfähig zu sein, sich also nicht<br />

mehr als Reaktion auf eine Verletzung selbstständig<br />

vermehren zu können. Außerdem<br />

liegen im erwachsenen Herzen auch keine<br />

adulten Stammzellen vor, die spezifische Regenerationsprozesse<br />

auslösen könnten.<br />

Für den Fall eines für Herzinsuffizienz relevanten<br />

Infarkts bedeutet das den Verlust von etwa<br />

25% des linksventrikulären Herzmuskels, was in<br />

etwa 1 Milliarde Kardiomyozyten entspricht.<br />

Zwar ist die lange Zeit als gesichert geltende<br />

Sichtweise auf das erwachsene Herz als sogenanntes<br />

post-mitotisches Organ in den vergangenen<br />

Jahren durch die Entdeckung von<br />

kardialen Stammzellen ins Wanken geraten,<br />

jedoch scheint weiterhin gesichert, dass ein<br />

massiver Verlust von funktionellen Herzmuskelzellen<br />

durch die Aktivität dieser Stammzellen<br />

nicht kompensiert werden kann. Nach aktuellen<br />

Erkenntnissen erscheint eine jährliche Erneuerung<br />

von 0,5 - 1% der Kardiomyozyten als<br />

realistisch und es ist bislang noch fraglich, ob<br />

diese endogene Kapazität zur Erneuerung bei<br />

Bedarf gesteigert werden kann, zum Beispiel<br />

durch pharmakologische Stimulation. Als Alternative<br />

stellt sich also die Möglichkeit dar, Zellen<br />

mit der Eigenschaft zur Regeneration oder den<br />

zugrunde gegangenen Zelltyp ohne eigene<br />

Regenerationsfähigkeit, im Fall des Herzens<br />

also insbesondere Kardiomyozyten, außerhalb<br />

des Körpers bereitzustellen und dann in geeigneter<br />

Weise zu applizieren.<br />

Ein Zelltyp, der seit geraumer Zeit (Orlic et al.,<br />

2001) als Kandidat mit regenerativen Eigenschaften<br />

gilt, sind adulte Stammzellen aus dem<br />

Knochenmark, deren hämatopoetischen und<br />

angiogenen Eigenschaften bekannt sind und<br />

im Rahmen von Knochenmarktransplantation<br />

bei Leukämiepatienten längst erfolgreich und<br />

sicher therapeutisch eingesetzt werden. In<br />

präklinischen Untersuchungen und ersten<br />

klinischen Studien im Rahmen eines Einsatzes<br />

bei Kadiomyopathien zeigten sich zwar kurzfristige<br />

therapeutische Effekte, es konnte<br />

jedoch bislang keine substantielle Beteiligung<br />

der transplantierten Zellen an neugebildetem<br />

Myokardium nachgewiesen werden. Es scheint<br />

aber mittlerweile als gesichert, dass von den<br />

transplantierten Zellen ausgeschüttete Faktoren<br />

räumlich begrenzte, also parakrine, Effekte<br />

vermitteln, die in der akuten Phase der Schädigung<br />

therapeutisch wirksam sind. So wird vor<br />

allem einem bestimmten Subtyp von adulten<br />

Knochenmark-Stammzellen, den mesenchymalen<br />

Stammzellen (Abb. 1), angiogene, anti-inflammatorische<br />

und anti-apoptotische Eigenschaften<br />

zugeschrieben. Verständlicherweise rückte<br />

dieser Zelltyp damit ins Zentrum des wissenschaftlichen<br />

Interesses, was sich in einer<br />

Vielzahl von aktuell laufenden internationalen<br />

klinischen Studien wiederspiegelt. Aktuell sind<br />

zurzeit 164 klinische Studien mit mesenchymalen<br />

Stammzellen registriert (www.clinicaltrials.gov),<br />

13


KARDIALE STAMMZELLTHERAPIE IM LABOR DER HERZ- UND THORAXCHIRURGIE<br />

Abbildung 1:<br />

Mesenchymale Stammzellen aus dem Knochenmark der<br />

Maus in Zellkultur. Transplantationen dieser Zellen ins<br />

geschädigte Myokard zeigen unter geeigneten Bedingungen<br />

kurzfristige therapeutische Effekte hinsichtlich<br />

einer Regeneration der Herzfunktion.<br />

Maßstab: 500 µm (o) / 50 µm (u).<br />

davon bereits drei in Phase III, was ihre grundsätzliche<br />

klinische Einsetzbarkeit in Hinsicht auf<br />

Sicherheit und therapeutisches Potential unterstreicht.<br />

Insgesamt zeigten Meta-Analysen (Bai et al.,<br />

2010; Martin-Rendon et al., 2008; Sun et al.,<br />

2010) der bislang abgeschlossenen klinischen<br />

Studien zur Transplantation adulter Stammzellen<br />

aus dem Knochenmark bei akutem Myokardinfarkt<br />

ein interessantes Bild, das einerseits<br />

die Chancen aber auch die Beschränkungen der<br />

bislang eingesetzten Zellen zur kardialen Regeneration<br />

als Ergänzung zu konventionellen<br />

Therapien unterstreicht. Trotz der üblichen<br />

Limitierung von Meta-Studien hinsichtlich der<br />

Unterschiede im Studien-Design, der eingeschlossenen<br />

Patienten-Kollektive und eingesetzten<br />

Materialien und Methoden, zeigte sich<br />

insgesamt übereinstimmend die Verbesserung<br />

einer Reihe von untersuchten Parametern.<br />

Insbesondere ergab sich eine signifikante<br />

Verbesserung der linksventrikulären Ejektionsfraktion<br />

von etwa 3% über den Untersuchungszeitraum<br />

von 6 Monaten, was beispielsweise<br />

Ergebnissen aktueller Studien zu thrombolytischen<br />

Therapien in Kombination zur perkutanen<br />

Koronarintervention entspricht (Stone et al.,<br />

2002). Aber auch Daten zu körperlicher Belastungsfähigkeit<br />

und Lebensqualität zeigten<br />

positive Trends bei Patienten mit Stammzell-<br />

Transplantation (Lunde et al., 2006). Bislang<br />

konnte jedoch noch nicht übereinstimmend ein<br />

positiver Langzeit-Effekt nachgewiesen werden,<br />

nur zwei Studien, die den Kriterien der Meta-<br />

Analyse entsprachen, haben bislang Zeiträume<br />

von mehr als 6 Monaten betrachtet (Meyer<br />

et al., 2006; Schachinger et al., 2006) und<br />

neben der möglicherweise vorübergehenden<br />

Verbesserung der Herzfunktion konnten keine<br />

strukturellen Verbesserungen des Herzmuskels<br />

nachgewiesen werden.<br />

Somit bestätigten sich also die Ergebnisse aus<br />

vielen prä-klinischen Untersuchungen, dass<br />

eine Transplantation von Knochenmarkzellen<br />

sicher und damit grundsätzlich klinisch<br />

anwendbar ist und zumindest kurzfristige<br />

positive therapeutische Wirkungen, vermutlich<br />

aufgrund parakriner Effekte, nachweisbar sind,<br />

eine funktionelle Integration der transplantierten<br />

Zellen und somit strukturellen Regeneration<br />

jedoch nicht stattfindet. Das heißt, das<br />

ursprüngliche Ziel eines Wiederaufbaus verloren<br />

gegangenen Herzmuskels und somit dauerhafter<br />

Wiedererlangung von Herzfunktion scheint mit<br />

adulten Knochenmark-Stammzellen und den<br />

aktuell eingesetzten Verfahren allein nicht<br />

erreichbar zu sein.<br />

Das führte zur Konzentration auf den zweiten<br />

bereits angesprochenen Zelltyp, den pluripotenten<br />

Stammzellen. Nur ein einziger in seinem<br />

natürlichen Zustand vorliegender Zelltyp ist<br />

pluripotent, nämlich embryonale Stammzellen,<br />

was die einzigartigen Möglichkeiten, die mit<br />

diesem Zelltyp verbunden sind, mit den<br />

bekannten ethischen und politischen Kontroversen<br />

verknüpft. Der jüngste und spektakulärste<br />

Fortschritt im Bereich der pluripotenten<br />

Stammzellen ist jedoch die Erzeugung von<br />

induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS),<br />

wobei durch gezieltes Einschleusen von stamm-<br />

Abbildung 2:<br />

Sowohl adulte als auch embryonale oder induzierte<br />

pluripotente Stammzellen werden in Zellkultur vermehrt<br />

um in ausreichender Menge und Reinheit für Analysen<br />

und prä-klinischen Modellen zur kardialen Regeneration<br />

zur Verfügung zu stehen.<br />

14


KARDIALE STAMMZELLTHERAPIE IM LABOR DER HERZ- UND THORAXCHIRURGIE<br />

Abbildung 3:<br />

Kardiomyozt aus gezielter Differenzierung induzierter<br />

pluripotenter Stammzellen (iPS) in Zellkultur. Man erkennt<br />

die typische Querstreifung (rot) des sarkomerischen<br />

-Actinins, sowie einen grünen Fluoreszenz-Marker<br />

(EGFP) und den blau angefärbten Zellkern (Hoechst<br />

33342, blau). Foto: T. Saric, Institut für Neurophysiologie,<br />

Universität zu Köln<br />

zellspezifischen Genen in ausdifferenzierte<br />

Körperzellen diese wieder in einen stammzellartigen<br />

Zustand zurückversetzt werden;<br />

man spricht in diesem Zusammenhang von<br />

Reprogrammierung. Diese Zellen haben im<br />

Wesentlichen alle Eigenschaften embryonaler<br />

Stammzellen und den entscheidenden Vorteil<br />

ethisch völlig unbedenklich zu sein. Hinsichtlich<br />

möglicher regenerativer Therapien ergibt sich<br />

außerdem die Möglichkeit, ausgehend von<br />

einer Biopsie, patientenspezifische pluripotente<br />

Stammzellen zu erzeugen und daraus<br />

immunologisch unproblematische Zellen für<br />

mögliche Transplantationen herstellen zu<br />

können, die nicht der Gefahr von Abstoßungsreaktionen<br />

unterliegen. Somit können bei<br />

gezielter Differenzierung der pluripotenten<br />

Stammzellen zu geeigneten kardialen Zellen<br />

Abbildung 4:<br />

Transplantation von adulten Stammzellen und iPS-abgeleiteten<br />

Kardiomyozyten zur kardialen Regeneration. In<br />

beiden Fällen ist eine Biospie der Ausgangspunkt der<br />

Zelltransplanation. Aus Knochenmark-Aspiraten werden<br />

unter spezifischen Zellkultur-Bedingungen proliferative<br />

Populationen adulter Stammzellen gewonnen. Da Kardiomyozyten<br />

kaum Proliferations-Potential besitzen, werden<br />

aus einer Haut-Biopsie Fibroblasten gewonnen, die dann<br />

zu induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) mit<br />

Eigenschaften embryonaler Stammzellen reprogammiert<br />

werden. In diesem Zustand sind die Zellen proliferativ,<br />

können somit in ausreichender Zahl erzeugt werden und<br />

werden im Folgenden zu Kardiomyozyten differenziert.<br />

Beide Zelltypen können dann einzeln oder gemeinsam<br />

zunächst in prä-klinischen Untersuchungen zur kardialen<br />

Regeneration, z. B nach akutem Herzinfarkt eingesetzt<br />

werden.<br />

genau die Zellen bereitgestellt werden (Abb. 3),<br />

die alle Voraussetzungen haben sich funktionell<br />

in das geschädigte Herzgewebe zu integrieren<br />

und dazu noch immunologisch identisch zum<br />

Empfänger sind.<br />

Diese beiden Zelltypen, adulte und pluripotente<br />

Stammzellen, bilden die Grundlage von<br />

aktuellen Untersuchungen des Labors der Herzund<br />

Thoraxchirurgie (abb. 4) und kommen in<br />

Projekten zur kardialen Regeneration zum Einsatz.<br />

Wir versuchen die für Knochenmark-<br />

Stammzellen klinisch schon nachgewiesenen<br />

positiven Effekte durch den kombinierten Einsatz<br />

mit Herzzellen, die aus pluripotenten<br />

Stammzellen erzeugt wurden, mit langfristiger<br />

struktureller Regeneration zu verbinden und<br />

erhoffen uns somit einen entscheidenden<br />

Fortschritt für die Entwicklung der kardialen<br />

Stammzelltherapie in Richtung effektiver<br />

klinischer Anwendbarkeit.<br />

Referenzen:<br />

Bai, Y., Sun, T., and Ye, P. (2010). Age, gender and diabetic<br />

status are associated with effects of bone marrow cell<br />

therapy on recovery of left ventricular function after<br />

acute myocardial infarction: a systematic review and<br />

meta-analysis. Ageing Res Rev 9, 418-423.<br />

Lunde, K., Solheim, S., Aakhus, S., Arnesen, H., Abdelnoor,<br />

M., Egeland, T., Endresen, K., Ilebekk, A., Mangschau,<br />

A., Fjeld, J.G., et al. (2006). Intracoronary injection<br />

of mononuclear bone marrow cells in acute myocardial<br />

infarction. N Engl J Med 355, 1199-1209.<br />

Martin-Rendon, E., Brunskill, S.J., Hyde, C.J., Stanworth,<br />

S.J., Mathur, A., and Watt, S.M. (2008). Autologous bone<br />

marrow stem cells to treat acute myocardial infarction:<br />

a systematic review. Eur Heart J 29, 1807-1818.<br />

Meyer, G.P., Wollert, K.C., Lotz, J., Steffens, J., Lippolt,<br />

P., Fichtner, S., Hecker, H., Schaefer, A., Arseniev, L.,<br />

Hertenstein, B., et al. (2006). Intracoronary bone marrow<br />

cell transfer after myocardial infarction: eighteen<br />

months' follow-up data from the randomized, controlled<br />

BOOST (BOne marrOw transfer to enhance ST-elevation<br />

infarct regeneration) trial. Circulation 113, 1287-1294.<br />

Orlic, D., Kajstura, J., Chimenti, S., Jakoniuk, I., Anderson,<br />

S.M., Li, B., Pickel, J., McKay, R., Nadal-Ginard, B., Bodine,<br />

D.M., et al. (2001). Bone marrow cells regenerate<br />

infarcted myocardium. Nature 410, 701-705.<br />

Schachinger, V., Erbs, S., Elsasser, A., Haberbosch, W.,<br />

Hambrecht, R., Holschermann, H., Yu, J., Corti, R.,<br />

Mathey, D.G., Hamm, C.W., et al. (2006). Intracoronary<br />

bone marrow-derived progenitor cells in acute myocardial<br />

infarction. N Engl J Med 355, 1210-1221.<br />

Stone, G.W., Grines, C.L., Cox, D.A., Garcia, E., Tcheng,<br />

J.E., Griffin, J.J., Guagliumi, G., Stuckey, T., Turco, M.,<br />

Carroll, J.D., et al. (2002). Comparison of angioplasty<br />

with stenting, with or without abciximab, in acute<br />

myocardial infarction. N Engl J Med 346, 957-966.<br />

Sun, L., Zhang, T., Lan, X., and Du, G. (2010). Effects of<br />

stem cell therapy on left ventricular remodeling after<br />

acute myocardial infarction: a meta-analysis. Clin Cardiol<br />

33, 296-302.<br />

Autor und Ansprechpartner:<br />

Dr. rer. nat. Klaus Neef<br />

Labor für kardiale Regeneration<br />

Klinik und Poliklinik für Herz- und<br />

Thoraxchirurgie<br />

Universität zu Köln<br />

Kerpener Straße 62<br />

50937 Köln<br />

E-Mail: klaus.neef@uk-koeln.de<br />

15


MITRALKLAPPENREKONSTRUKTION – FESTER ODER FLEXIBLER RING?<br />

Mitralklappenrekonstruktion –<br />

Fester oder flexibler Ring?<br />

– Hamid Naraghi,<br />

PD Dr. med. Ferdinand Kuhn-Régnier,<br />

Univ.-Prof. Dr. Thorsten Wahlers<br />

Klinik und Poliklinik für Herz- und<br />

Thoraxchirurgie,<br />

<strong>Herzzentrum</strong> der Uniklinik Köln –<br />

1. Mitralklappe<br />

Bei der Mitralklappe handelt es sich um eine<br />

bikuspide angelegte AV-Klappe, die zwischen<br />

dem linken Vorhof und dem linken Ventrikel<br />

positioniert ist und somit zum Hochdrucksystem<br />

gehört. Sie besteht aus einem anterioren<br />

(aortalen) und einem posterioren (muralen)<br />

Segel. Die Segel sind durch die Kommissuren<br />

mit einander verbunden und werden je in drei<br />

Segmente (A1 bis A3 und P1 bis P3) unterteilt<br />

(Abbildung 1). Das vordere Mitralsegel ist mit<br />

der akoronaren und der linkskoronaren Aortenklappentasche<br />

verbunden und steht in<br />

enger Nachbarschaft zu der anterioren Kommissur<br />

der Aortenklappe sowie dem Hisbündel<br />

bzw. dem AV-Knoten. Das hintere Mitralsegel<br />

ist mit der A. circumflexa benachbart. Die Öffnungsfläche<br />

der Mitralklappe variiert zwischen<br />

5 bis 11 qcm. Die Mitralzirkumferenz wird zu<br />

1/3 von dem anterioren Mitralsegel und zur 2/3<br />

vom posterioren Segel umfasst. Bei einer<br />

potenten Mitralklappe ist physiologisch ein 3:4<br />

Verhältnis von anteroposterioren zum transversalen<br />

Durchmesser vorhanden (1, 2).<br />

Abbildung 1:<br />

Anatomie der Mitralklappe<br />

Die Mitralklappe ist eine dynamische Struktur,<br />

die herzzyklusabhängig schwingt und ihre<br />

räumliche Konfiguration ändert. Während der<br />

Systole ist der Mitralanulus mehr ellipsoid und<br />

die Öffnungsfläche verringert sich fast um<br />

25%. In der Diastole ist der Anulus kreisförmig.<br />

Die Mitralklappe ist über die Chordae und zwei<br />

Papillarmuskeln, die epikardial vom Apex nach<br />

innen ziehen, mit dem linken Ventrikel verbunden.<br />

Es entspringen zahlreiche Chordae aus den<br />

Papillarmuskeln, den Trabekeln und der freien<br />

Ventrikelwand, die überwiegend am Rand der<br />

Klappensegel entlang der Koaptationslinie<br />

ansetzen und somit einen atrialen Segelprolaps<br />

während der Systole verhindern. Die Chordae<br />

setzen ebenfalls in der Nähe des Anulus oder<br />

commissural an. Im Durchschnitt verfügt die<br />

Mitralklappe über 25 größere Chordae. Die<br />

Berührungsfläche zwischen den beiden Mitralsegeln<br />

wird als Koaptationsfläche bezeichnet.<br />

Damit wird die systolische Druckbelastung auf<br />

den Segeln physiologisch gleichmäßig verteilt.<br />

Somit bilden die Klappensegel mit den Chordae<br />

und Papillarmuskeln eine funktionelle Einheit,<br />

die zusammen mit der linksventrikulären<br />

Geometrie und Größe die Funktion der Mitralklappe<br />

maßgeblich beeinflussen können (1).<br />

2. Ätiologie und Pathophysiologie der<br />

erworbenen Mitralinsuffizienz<br />

Mit dem breitem und frühzeitigem Einsatz der<br />

Antibiotika sind Mitralklappenvitien aus dem<br />

rheumatischen Kreis, die primär zu einer<br />

Stenose der Mitralklappe geführt haben,<br />

fast komplett aus den Industrienationen<br />

verschwunden. Der überwiegende Anteil aller<br />

Mitralklappenvitien sind heutzutage Mitralklappeninsuffizienzen.<br />

Der Mitralklappeninsuffizienz liegen ursächlich<br />

degenerative Veränderungen, abgelaufene<br />

Endocarditiden sowie ischämische oder rheumatische<br />

Veränderungen zugrunde. Von den<br />

pathologischen Veränderungen können der<br />

Klappenanulus, die Segel oder der subvalvuläre<br />

Halteapparat betroffen sein. Die Klassifikation<br />

der Mitralklappeninsuffizienz wird aufgrund<br />

neuer Erkenntnisse nicht einheitlich vorgenommen.<br />

In der letzten Dekade wurden<br />

zwei Formen der Mitralklappeninsuffizienz<br />

unterschieden. Als primär (valvulär) wird die<br />

Mitralinsuffizienz dann bezeichnet, wenn<br />

Veränderung der Klappe die Mitralklappeninsuffizienz<br />

verursachen. Dem gegenüber steht<br />

die ischämische oder funktionelle (sekundäre)<br />

Mitralklappeninsuffizienz, deren Ursache als<br />

Folge der linksventrikulären Dysfunktion zu<br />

sehen ist (3). Hierbei kann die initial normale<br />

Mitralklappe als Konsequenz einer ventrikulären<br />

Erkrankung, einer Ischämie oder beiden insuffizient<br />

werden. Die Mechanismen dieser<br />

speziellen, sekundären Mitralklappeninsuffizienz<br />

sind sehr gut bekannt. Diese Insuffizienz<br />

basiert in erster Linie auf Remodeling-Prozessen<br />

des linken Ventrikels, die in Form einer Kaskade<br />

durch dilatative oder ischämische Ventrikelprozesse<br />

in Gang gesetzt werden. Das Remodeling<br />

führt zu einer kugelförmigen dilatativen Veränderung<br />

des linken Ventrikels. Folglich kommt<br />

es zu einer Verlagerung der Pappilarmuskel<br />

(meistens posteromedial), die über die Chordae<br />

mit den Mitralklappensegeln verbunden sind.<br />

Durch den Zug, den die Pappilarmuskel ventrikelwärts<br />

über die Chordae auf die Mitralsegel<br />

ausüben, wird die physiologische, sattelförmige<br />

Mitralklappenform in eine gezwungene ventri-<br />

17


MITRALKLAPPENREKONSTRUKTION – FESTER ODER FLEXIBLER RING?<br />

kelwärts gerichtete Zeltform umgewandelt, die<br />

eine Reduktion der Koaptationsfläche und<br />

folglich eine Klappeninsuffizienz zur Folge hat,<br />

wie man in der Abbildung 2 sehen kann (4).<br />

Dieser Vorgang wurde 1997 von Otsuji et al. als<br />

Tethering-Hypothese in der Zeitschrift Circulation<br />

veröffentlicht. Darüber hinaus führen<br />

die oben beschriebenen Veränderungen zu<br />

einer Verminderung der Kontraktionskraft, die<br />

sekundär einen verminderten systolischen<br />

Klappenschluss und somit eine Reduktion der<br />

Koaptationsflächen und Insuffizienz der<br />

Klappe zur Folge haben. Dieser Vorgang wurde<br />

als Closing force-Hypothese ebenfalls von<br />

Otsuji et al. 1997 in Zeitschrift Circulation<br />

beschrieben (5).<br />

Ferner kann die Mitralinsuffizienz per se ein<br />

Remodeling des linken Ventrikels über eine<br />

Aktivierung der neurohumoralen und zytokinen<br />

Komponenten verursachen. Somit ist die<br />

Mitralinsuffizienz sowohl ein Produkt und als<br />

auch die Ursache für das linksventrikuläre<br />

Remodeling im Sinne einer sich verschärfenden<br />

Spirale, die zur Verschlechterung der Klappen-/<br />

und Herzinsuffizienz führt (6, 7, 8).<br />

Abbildung 2:<br />

Pathologie der funktionellen Mitralklappeninsuffizienz<br />

Otsuji et al., Circulation 1997:96:1999-2008<br />

Mitralklappeninsuffizienz kann nach Carpentier<br />

et al. (Abbildung 3) eingeteilt werden.<br />

Hierbei wird zwischen fibroelastischen, sich<br />

normal bewegenden Klappensegeln mit Anulusdilatation<br />

(Typ I) und einer Überbeweglichkeit<br />

oder einer exzessiven Segelbeweglichkeit<br />

durch abgerissene Papillarmuskeln, rupturierte<br />

Chordae oder Prolaps der Segel bei myxomatös<br />

oder verdickten Klappensegeln mit elongierten<br />

Chordae und Papillarmuskeln wie bei Morbus<br />

Barlow unterschieden (Typ II). Schließlich sei<br />

noch die Gruppe mit der restriktiven Segelbeweglichkeit<br />

zu erwähnen. Dabei können<br />

sowohl Chordae als auch die Segel durch<br />

degenerative Veränderungen (Endocarditis,<br />

rheumatoide Erkrankungen) fusioniert sein,<br />

wodurch die eingeschränkte Beweglichkeit der<br />

Segel resultiert (Typ III). In der restriktiven<br />

Gruppe wird zwischen Restriktion in der Diastole<br />

(Typ III a) und Restriktion in der Systole<br />

(Typ III b) unterschieden (siehe Abbildung 3).<br />

3. Historie der chirurgischen Behandlung der<br />

Mitralklappenvitien<br />

Schon vor der Einführung der Herz-Lungen-<br />

Maschine wurden 1948 erstmalig Mitralklappenstenosen<br />

mittels geschlossener blinder<br />

Kommissurotomie von Harken und Bailey<br />

erfolgreich gesprengt. Mit der Etablierung der<br />

extrakorporalen Zirkulation wurde Mitte der<br />

fünfziger Jahre der erste Mitralklappenersatz<br />

von Judson und Cheestermann in England<br />

durchgeführt. Obwohl kurz darauf Lillehei<br />

über die erste erfolgreiche Mitralklappenrekonstruktion<br />

berichtete, wurde dieses Verfahren<br />

mit der kommerziellen Produktion der<br />

ersten Kugelprothesen von Albert Starr und<br />

Lowell Edwards verdrängt. Da durch den<br />

Klappenersatz die Kontinuität zwischen dem<br />

Mitralklappenanulus und der Ventrikelmuskulatur<br />

über die Papillarmuskeln und der Chordae<br />

tendineae unterbrochen wurde, kam es trotz<br />

einwandfreier Prothesenfunktion postoperativ<br />

sehr häufig zu einem Linksherzversagen (9, 10, 11).<br />

Aufgrund der ständigen Verbesserungen der<br />

Operationstechniken, der Weiterentwicklung<br />

der myokardprotektiven Lösungen, Verbesserungen<br />

der perioperativen Versorgung und<br />

der niedrigeren Letalität der Mitralklappenrekonstruktion<br />

rückten die rekonstruktiven<br />

chirurgischen Techniken daher erneut ins<br />

Zentrum der Aufmerksamkeit.<br />

Carpentier entwickelte 1976 einen starren<br />

Ring, der dem Mitralanulus eine bestimmte<br />

Form aufzwang, um den anterioren und posterioren<br />

Anulus einander zu nähern (12). Später<br />

wurde dieser Ring anhand von Weiterentwicklungen<br />

durch ein semirigides Exemplar ersetzt<br />

(siehe Abbildung 4).<br />

Abbildung 3:<br />

Funktionelle Einteilung nach Carpentier<br />

Abbildung 4:<br />

Carpentier-Edwards-PhysioRing<br />

Abbildung 5:<br />

Medtronic-Duranring<br />

Duran entwickelte einen völlig flexiblen Ring<br />

(siehe Abbildung 5), welcher der Klappe<br />

ermöglichen sollte, sich in ihrer natürlichen<br />

Form um den linksventrikulären Ausflusstrakt<br />

zu legen, ohne ihn zu stark zu obstruieren (13).<br />

Dank systematischer Weiterentwicklung und<br />

Standardisierung der rekonstruktiven Maß-<br />

18


MITRALKLAPPENREKONSTRUKTION – FESTER ODER FLEXIBLER RING?<br />

nahmen durch Carpentier und Duran werden<br />

heute Mitralklappenrekonstruktionen mit<br />

reproduzierbarem Erfolg im klinischen Alltag<br />

durchgeführt (14 ,15 ,16).<br />

4. Ring-Annuloplastie<br />

Die Ring-Annuloplastie gilt mittlerweile als<br />

eine international anerkannte Methode, die als<br />

fester Bestandteil einer Mitralklappenrekonstruktion<br />

zum routinemäßigen Einsatz kommt.<br />

Es herrscht eine kontroverse internationale<br />

Diskussion unter den Herzchirurgen über die<br />

Auswahl des Ringtyps. Die Studienlage ist<br />

sehr widersprüchlich, was eine eventuelle<br />

Überlegenheit eines Ringtyps angeht. Die<br />

Anhänger der flexiblen Ringe propagieren die<br />

Überlegenheit des Ringes mit seiner Flexibilität<br />

in verschiedenen Herzzyklen und somit die<br />

physiologischere Lösung für das Herz und die<br />

Ventrikelfunktion (17, 18, 19).<br />

Die Befürworter der semirigiden Ringe begründen<br />

ihre Wahl mit einer vermeintlich langzeitigen<br />

Stabilität des Anulus, besseren Langzeitergebnissen<br />

und eventuell der geringeren Gefahr<br />

eines Rezidivs (20). Es wird auch die Möglichkeit<br />

diskutiert, dass die eher runde Form des<br />

flexiblen Ringes, bei Patienten mit einer<br />

linksventrikulären Dilatation eher zu einem<br />

MI-Rezidiv führen könnte (21).<br />

In der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie der<br />

Universität zu Köln wird sowohl der flexible<br />

Medtronic Duranring, als auch der semirigide<br />

Carpentier Edward-Ring eingesetzt. In einer<br />

retrospektiven, nicht randomisierten, klinischen<br />

Studie wurden 117 (50 Durangruppe und<br />

67 Physiogruppe) Patienten, die sich zuvor bei<br />

hochgradiger Mitralklappeninsufizienz einer<br />

Ring-Anuloplastie unterziehen mussten, eingeschlossen.<br />

Ausgeschlossen wurden lediglich<br />

Patienten, die über eine minimalinvasive<br />

Methode operiert wurden. Ziel der Studie war<br />

eine eventuelle Überlegenheit einer dieser<br />

Ringe, in Bezug auf Krankenhausmortalität,<br />

Morbidität und Mitralinsuffizienz als Rezidiv,<br />

nachweisen zu können. Alle Patienten wurden<br />

prä-, intra- und postoperativ echokardiographisch<br />

untersucht. Darüber hinaus wurden alle<br />

Patienten nach mindestens sechs Monaten<br />

erneut echokardiographisch revaluiert. Die<br />

mittllere Follow up-Zeit betrug bei den Duranpatienten<br />

1,54 ± 0,664 Jahre und betrug in der<br />

Physiogruppe 1,72 ± 0,778 Jahren (p:0,23). Es<br />

konnte keine statistisch relevante Überlegenheit<br />

einer der Ringe in der kurzfristigen und<br />

mittelfristigen Nachkontrolle in den Endpunkten<br />

Mortalität, Morbidität oder Mitralinsuffizienz<br />

nachgewiesen werden.<br />

Nach Auswertung der vorhandenen Daten<br />

müssen folgende zwei Punkte als Schlussfolgerung<br />

genannt werden:<br />

1. Der Einsatz eines Anuloplastie-Ringes,<br />

unabhängig von der Konfiguration des<br />

Ringes, ist ausschlaggebend für eine<br />

erfolgreiche Therapie der Mitralklappeninsuffizienz.<br />

2. Die Erfahrung des Chirurgen ist in Bezug<br />

auf eine erfolgreiche Therapie der Mitralklappeninsuffizienz<br />

wichtiger als die Wahl<br />

des eingesetzten Ringes.<br />

Als Limitation dieser retrospektiv und nicht randomisiert<br />

durchgeführten Studie ist, die kleine<br />

Fallzahl und der kurze Beobachtungszeitraum,<br />

zu nennen. Deshalb wird aktuell in unserem<br />

Zentrum eine randomisierte Studie mit großer<br />

Fallzahl und langfristiger postoperativer Nachkontrolle<br />

geplant, die exaktere Aussagen bei<br />

der Wahl der Anuloplastie-Ringe möglich<br />

machen soll.<br />

Literatur<br />

1. Leitfaden Erwachsenenherzchirurgie, C. Schmid.<br />

Darmstadt: Steinkopff Verlag, c 2007<br />

2. David H. Adams, Anelechi C. Anyanwu, Parwis B.<br />

Rahmanian, Farzan Filsoufi. Current concepts in mitral<br />

valve repair for degenerative disease. Hetar Failure<br />

Reviews (2006) 11:241-257, DOI 10.1007/s10741-<br />

006-0103-7, Springer Science+Business Media, LLC<br />

2006.<br />

3. Guidelines on the management of valvulär heart<br />

disease, European Society of Cardiology-Medical<br />

Specialty Society. Januar/2007: http://www.guideline.gov/summary/summary.aspx?doc_id=10592&nbr=<br />

005534&string=mitral+AND+regurgitation.<br />

4. A.M. Calafiore, A.L. Laco, A. Tash, W. Abukudair, M.<br />

Di Mauro. Miral Valve Surgery for functional Mitral<br />

Regurgitation in Patients with Chronic Heart Failure-<br />

Update of the Results<br />

5. Thorac Cardiov Surg 2010; 58:131-135.<br />

6. Yutaka Otsuji, MD; Mark D. Handschumacher, BS;<br />

Ehud Schwammenthal,MD, PhD; Leng Jiang, MD;<br />

Jae-Kwan Song, MD; J. Luis Guerrero, BS; Gus J. Vlahakes,<br />

MD; ; Robert A. Levine, MDI. Insights From<br />

Three-Dimensional Echocardiography Into the<br />

Mechanism of Functional Mitral Regurgitation Circulation<br />

1997; 96:1999-2008.<br />

7. Kapadia SR, Yakoob K, Nader S, Thomas JD, Mann<br />

DL, Griffin BP. Elevatedcirculating levels of serum<br />

tumor necrosis factor-alpha in patients with hemodynamically<br />

significant pressure and volume overload. J<br />

Am Coll Cardiol 2000; 36: 208-212.<br />

8. Talwar S, Squire IB, Davies JE, Ng LL. The effect of valvular<br />

regurgitation on plasma cardiotrophin-1 in<br />

patientswith normal left ventricular systolic function.<br />

Eur J Heart Fail 2000; 2: 387-391.<br />

9. Hombach, interventionelle Kardiologie, angiologie<br />

und kardiovaskularchirurgie schattauer Verlag.<br />

10. Starr A., Edwards M.L. Mitral replacement: clinical<br />

experience with a ball-valve prothesis. Annals of<br />

Thoracic Surgery 1961; 154:726-740.<br />

11. Savage EB, Ferguson B, Jr, Di Sesa VJ. Use of Mitral<br />

Valve Repair: Analysis of contemporary United States<br />

Experienve, Reported to The Society of Thoracic Surgeons<br />

National Cardiac Database. Annals Thoracic<br />

Surgery 2003; 75: 820-825.<br />

12. Carpentier A, Chauvaud S, Fabiani JN, Deloche A,<br />

Relland J, Lesana A, d Állaines Cl, Blondeau P,<br />

Piwnica A, Dubost Ch. Reconstructive surgery of mitral<br />

valve incompetence: ten years appraisal. J Thorac<br />

cardiovasc Surg 1980; 79 (3): 338-48.<br />

13. Duran CG, Pomar JL, Revuelte JM, Gallo I, Poveda J,<br />

Ochoteco A, Ubago JL, Chon LH, Conservative operation<br />

for mitral insufficiency: critical analysis supported<br />

by Postoperative hemodynamic studies of 72<br />

patients. J Thorac cardiovasc Surg 1980 Mar;79(3):<br />

326-37.<br />

19


MITRALKLAPPENREKONSTRUKTION – FESTER ODER FLEXIBLER RING?<br />

14. Chan V, Jamieson WRE, Fleisher AG, Denmark D,<br />

Chan F, German E, Valve replacement Surgery in<br />

End-Stage Renal Failure: Mechanical Protheses versus<br />

Bioprotheses, Annal Thoracic Surgery 2006; 81:857-<br />

862.<br />

15. Gillinov AM, Blackstone EH, Rajeswaran J, Mawad M,<br />

McCarthy PM. Sabik JF III, Shiota T, Lytle BW, Cosgrove<br />

DM. Ischemic versus degenerative mitral<br />

regurgitation: does etiology affect survival? Annal<br />

Thoracic Surgery 2005; 80: 811-819.<br />

16. Grossi EA, Goldberg JD, LaPietra A, Ye X, Zakow P,<br />

Sussman M, Delianides J, Culliford AT, Esposito RA,<br />

Ribakove GH, Galloway AC, Colvin SB. Ischemic mitral<br />

valve reconstruction and replacement: Comparison<br />

of long-term survival and complications. J Thorac<br />

Cardiovasc Surg 2001; 122: 1107-1124.<br />

17. Duran C.M.G., Pomar J.L., Cucchiara G. A flexible ring<br />

for atrioventricular heart valve reconstructionJ Card<br />

Surg. 1978; 19:417-20.<br />

18. Okada Y., Shomura T., Yamaura Y., Yoshikawa J.,<br />

Comparison of the Carpentier and Duran prosthetic<br />

rings used in mitral reconstruction. Ann Thorac Surg.<br />

1995; 59: 658-663<br />

19. Kwan J., Shiota T, Agler DA, Popovic ZB, Qin JX, Gillinov<br />

MA, et al.Geometric Differences of the mitral<br />

apparatus between ischemic and dilated cardiomyopathy<br />

with significant mitral regurgitation. Circulation<br />

2003; 107:1135-40<br />

20. Carpentier A., Deloche A., Dauptain J., Soyer R.,<br />

Blondeau P., Pixnica a., et al.A new recunstrucrive<br />

operation for correction of mitral and tricuspid insufficiency.J<br />

Thorac Cardiovasc Surg. 1971; 61: 1-13<br />

21. Byung-Chul Chang, Young-Nam Youn, Jong-Won Ha,<br />

Sang-Hyun Lim, You-Sun Hong, Namsik Chung. Longterm<br />

clinical results of mitral valvuloplasty using flexible<br />

and rigid rings: A prospective and randomized<br />

study. J Thorac Cardiovasc Surg 2007; 133:995-1003<br />

Autor und Ansprechpartner:<br />

Hamid Naraghi<br />

Klinik und Poliklinik für Herz- und<br />

Thoraxchirurgie<br />

Universität zu Köln<br />

Kerpener Straße 62<br />

50937 Köln<br />

e-mail: hamid.naraghi-taghi-of@uk-koeln.de<br />

PNHR<br />

Pelka · Niemann · Hollerbaum · Rohde<br />

RECHTSANWÄLTE WIRTSCHAFTSPRÜFER STEUERBERATER<br />

Sie sind der Spezialist für<br />

Herz und Gesundheit<br />

Wir sind der Spezialist für Recht,<br />

Steuern und Finanzen<br />

Stolberger Straße 92<br />

50933 Köln<br />

Tel.02 21 – 54 67 80<br />

PNHR<br />

www.pnhr.de<br />

kanzlei.koeln@pnhr.de<br />

Fax 02 21 – 54 40 28<br />

20


DIAGNOSTIK UND MANAGEMENT DER HAUPTSTAMMSTENOSE<br />

Diagnostik und Management der<br />

Hauptstammstenose<br />

– Elisabeth Stöger,<br />

PD Dr. med. Jens Wippermann,<br />

Univ.-Prof. Dr. Thorsten Wahlers<br />

Klinik und Poliklinik für Herz- und<br />

Thoraxchirurgie,<br />

<strong>Herzzentrum</strong> der Uniklinik Köln –<br />

Michalski T et al.Journal für Kardiologie 2005; 12 (9-10) 248-251 ©<br />

Die Hauptstammstenose ist ein wichtiger<br />

Risikofaktor für die erhöhte Morbidität und<br />

Mortalität in allen Stadien der koronaren<br />

Herzkrankheit. Das klinische Bild der Hauptstammstenose<br />

ist meist stumm, das heißt ohne<br />

Prodromi kommt es zur AP-Symptomatik. Somit<br />

stellt dieses Krankheitsbild erhöhte Anforderungen<br />

in Diagnostik und Management.<br />

Der linke Hauptstamm mit einem Diameter von<br />

4,5 +/-0,5 mm bei Männern und 3,9 +/- 0,4 mm<br />

bei Frauen entspringt aus der Aorta. Die Länge<br />

des Hauptstammes ist sehr variabel mit einer<br />

Länge zwischen 2-40 mm. Es hat sich gezeigt,<br />

dass ausgesprochen kurze Hauptstämme mit<br />

bikuspiden Aortenklappen assoziiert sind I .<br />

Mehrere Studien weisen eine Korrelation<br />

zwischen der Länge des Hauptstammes und<br />

dem Herzen oder der Patientengröße auf.<br />

Der Hauptstamm ist in drei Teile geteilt II<br />

– Dem Ursprung des Hauptstammes oberhalb<br />

des Sinus valvalva<br />

– Dem Corpus<br />

– Und dem distalen Ende der Bifurkation<br />

Nach dem Abgang aus der Aorta taucht der<br />

Hauptstamm hinter dem Truncus pulmonalis<br />

auf und zieht in den linken AV-Graben. In<br />

ca. 2/3 der Bevölkerung teilt sich das distale<br />

Ende des Hauptstammes in zwei großen<br />

Abgängen, der RIVA (Ramus interventricularis<br />

anterior) und der RCX (Ramus circumflexa). In<br />

ca. 1/3 der Fälle teilt sich das distale Ende in drei<br />

Abgänge, der dritte wird in diesem Fall Ramus<br />

intermedius (RIM) genannt. Ca. 2.4 % der<br />

Bevölkerung weisen mehr als drei Abgänge<br />

auf.<br />

Die Hauptstammstenose kann nach Ätiologie<br />

klassifiziert werden, die meisten Behandlungsstudien<br />

und Guidelines definieren die Hauptstammstenose<br />

als signifikant, wenn diese eine<br />

Stenose mehr als 50% des Diameters aufweist<br />

und das genauso schwerwiegende Hauptstammäquivalent<br />

mit >/= 70% Stenose der proximalen<br />

RIVA und RCX (angiographisch belegt III ).<br />

Das mediane Überleben bei Patienten mit<br />

medikamentöser Therapie bei signifikanter<br />

atherosklerotisch bedingter Hauptstammstenose<br />

und signifikanter hauptstammäquivalenter<br />

Stenose liegen bei 6,2 Jahren IV . Generell<br />

nimmt im Laufe der Zeit der Schweregrad in die<br />

Verteilung der koronaren Stenosen zu, wobei<br />

das Bild des Progresses und die Rate sehr<br />

variabel sind. So nimmt beispielsweise nach<br />

einer chirurgischen Myokardrevaskularisation<br />

innerhalb von fünf Jahren der Stenosegrad<br />

proximal des Bypasses deutlich zu V . Der routinemäßige<br />

Einsatz von Thrombozytenaggregationshemmer,<br />

antihypertensiver Therapie und<br />

cholesterinsenkender Medikation scheint die<br />

Progression signifikant zu verlangsamen.<br />

Die koronarangiographische Untersuchung ist<br />

der Goldstandard in Bezug auf die Diagnostik<br />

der Hauptstammstenose. Hierbei gibt es jedoch<br />

wichtige Limitationen, wie zum Beispiel die<br />

falsch negativen und falsch positiven Ergebnisse,<br />

und die Variabilität zwischen den Untersuchern<br />

VI . Adjunktive technische Verfahren zur<br />

Verbesserung der Diagnose einer koronaren<br />

Herzkrankheit sind Intravascular ultrasound<br />

Imaging (IVUS), fractional flow reserve (FFR)<br />

und coronary vasodilatory reserve (CVR) und<br />

das Cross sectional imaging.<br />

Beim IVUS handelt es sich um eine tomographische<br />

360° sagitale Sonographie des Gefäßes<br />

durch das Lumen, wobei man wichtige zusätzliche<br />

Informationen neben der Koronarangiographie<br />

generieren kann. Kalzifikationen<br />

werden mit IVUS doppelt so häufig detektiert<br />

als mit der konventionellen Angiographie. Das<br />

Verfahren ist sensitiver im Detektieren von<br />

Hauptstammstenosen als die Koronarangiographie<br />

VII . Obwohl in der Literatur beschrieben<br />

wurde, dass es in der Verwendung des IVUS<br />

zur Reduktion von Restenose-Raten kam, so<br />

konnte es nicht ausreichend belegt werden,<br />

dass die routinemäßige Verwendung des IVUS<br />

als Werkzeug zur Verbesserung des Outcomes<br />

bei PCI verwendet wurde VIII . IVUS könnte eine<br />

wichtige Rolle im Assessment von Hochrisikopatienten<br />

und in der Entscheidung ob Patienten<br />

mit angiographisch nicht genau festgelegter<br />

Hauptstammstenose einer koronarangiographischen<br />

Intervention unterzogen oder chirurgisch<br />

operiert werden.<br />

Die Fractional Flow Reserve (FFR) wird ermittelt<br />

als Quotient aus distalem koronaren Druck und<br />

Aortendruck, welches während der maximalen<br />

Hyperämie gemessen wird. Die coronare vasodilatorische<br />

Reserve wird als Quotient aus<br />

21


DIAGNOSTIK UND MANAGEMENT DER HAUPTSTAMMSTENOSE<br />

Hyperämie und basalem Fluss ermittelt. Dies<br />

ergibt eine Reflexion des Flusswiderstandes<br />

durch die epikardialen Arterien und dazugehörendes<br />

myokardiales Bett.<br />

und asymptomatischer Erkrankung, signifikanter<br />

Hauptstammstenose oder Hauptstammäquivalent<br />

zu bevorzugen ist. Dies gilt ebenso für Patienten<br />

im reduzierter Ejektionsfraktion, akutem<br />

Myokardinfarkt oder lebensbedrohlicher ventrikulärer<br />

Arrhythmie, signifikanter Hauptstammstenose<br />

oder Hauptstammäquivalent.<br />

Cross-sectional imaging:<br />

Verglichen mit der konventionellen Angiographie<br />

weist die multislice-CT-Untersuchung<br />

bei der Detektion signifikanter Hauptstammstenosen<br />

eine Sensitivität von 95% und eine<br />

Spezifität von 98% auf IX .<br />

Mittels der Magnet-Resonanz-Tomographie<br />

(MRT) zeigt sich eine gute Darstellung der<br />

ersten Zentimeter des Koronarbaumes. Trotz<br />

der Verbesserung der Bildauflösung bedeutet<br />

das, dass wegen der begrenzten Resourcen<br />

dieses Verfahren nicht Mittel der Wahl zur<br />

Beschreibung der Anatomie des Hauptstammes<br />

als Routine-Untersuchung in der Zukunft sein<br />

wird.<br />

Therapie der Hauptstammstenose<br />

Nach kontroverser Diskussion erfolgte im<br />

Jahr 2004 ein Update der AHA/ACC guidelines,<br />

welches empfiehlt, dass die Bypass-Operation<br />

gegenüber der PTCA für jeglichen Patienten<br />

mit stabiler, instabiler Angina pectoris, milder<br />

Historisch wurde die Hauptstammstenose unter<br />

drei Umständen mittels PTCA behandelt: elektiv,<br />

wenn<br />

– der Hauptstamm bereits durch einen bestehenden<br />

Bypasses geschützt ist,<br />

– im Notfall bei akutem Verschluss, verursacht<br />

durch diagnostische Katheteruntersuchung,<br />

– oder im Rahmen eines akuten Infarktes<br />

Diese limitierte Erfahrung ermutigte einige<br />

Untersucher eine PTCA in einem breiteren<br />

Patientenspektrum durchzuführen. Hierzu wurden<br />

über 20 Studien veröffentlicht, jedoch<br />

waren die Ergebnisse entmutigend. Die Inhospital-Mortalität<br />

bei elektiven Patienten<br />

reichte von 9%-36%, teils ansteigend bis zu<br />

80% bei Notfallpatienten X . Die verfügbaren<br />

Daten weisen darauf hin, dass symptomatische<br />

Patienten mit relativer Kontraindikation zur<br />

CABG, wie zu Beispiel hoher Komorbidität,<br />

Debilität oder starker persönlicher Bevorzugung<br />

eines perkutanen Zugangs von einer<br />

PTCA profitieren könnten, vor allem, wenn<br />

keine Risikofaktoren zur prozeduralen Mortalität<br />

vorliegen. Hierzu gehören Notfall<br />

Präsentation und reduzierte Ejektionsfraktion.<br />

Die Therapie der Hauptstammstenose mittels<br />

PCI und Bypass-Operation wurde auch in der<br />

SYNTAX-Studie, deren 3-Jahres-Ergebnisse 2010<br />

22


DIAGNOSTIK UND MANAGEMENT DER HAUPTSTAMMSTENOSE<br />

veröffentlicht wurden, untersucht. In der SYN-<br />

TAX-Studie (Synergy between Percutaneous<br />

coronary Intervention with TAXUS and cardiac<br />

surgery) wurde ein Score heangezogen, der die<br />

koronaren Gefäße in Bezug auf Anzahl der<br />

Läsionen, der Lokalisation, der Komplexität<br />

und des funktionellen Impacts klassifiziert. Die<br />

Studie wies eindeutig nach, dass die PCI zu<br />

einer erhöhten Rate von Mayor Adverse Clinical<br />

Events und zerebrovaskulären Ereignissen<br />

führte im Vergleich zur Bypassoperation. Insbesondere<br />

Patienten mit einem mittleren oder<br />

hohen Score profitieren deutlich von der<br />

Bypassoperation, da nahezu in allen Untersuchungsparametern<br />

signifikante Vorteile nachweisbar<br />

waren.<br />

Ein hoher SYNTAX score und eine ostiale<br />

Erkrankung, ein kurzer Hauptstamm, Bifurkationsstenose<br />

sowie kalzifizierte Erkrankung sind<br />

Prädiktoren für eine negative Auswirkung des<br />

klinischen Outcome nach PTCA, die bei solchen<br />

Patienten vermieden werden sollte.<br />

Konduit der Wahl zur Revaskularisation des<br />

Ramus Interventrikularis anterior (RIVA) ist die<br />

A. thoracica interna sinistra. Grund hierfür ist<br />

die Überlegenheit der Kurz- und Langzeithaltbarkeit<br />

gegenüber alternativen anderen Konduiten<br />

wie die A. radialis oder die V. saphena<br />

magna. Die Rekonstruktion oder Angioplastie<br />

des Hauptstammes ist ein nicht so gängiges<br />

Verfahren.<br />

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die<br />

Hauptstammstenose ein wichtiger unabhängiger<br />

Risikofaktor für die erhöhte Mortalität und<br />

Morbidität in allen Stadien der koronaren<br />

Herzerkrankung ist. Obwohl es Fortschritte in<br />

der perkutanen Behandlung der Hauptstammstenose<br />

gibt, zeigte sich doch ein Vorteil der<br />

Bypass-Operation in Bezug auf ein signifikantes<br />

ereignisfreies Überleben noch 15 Jahre postoperativ.<br />

Referenzen:<br />

I Johnson AD, Detwiler Jh, Higgins CB. Left coronary<br />

artery anatomy in the patients with bicuspid aortic<br />

valves. Br Heart Journal 1978;40:489-93<br />

II Dodge Jr JT, Brown BG, Bolson EL, Dodge HAT. Lumen<br />

diameter of normal human coronary arteries. Influence<br />

of age, sex, anatomic variations, and left ventricular<br />

hypertrophie or dilation. Circulation 1992;<br />

86:232-46<br />

III Smith JR SC, Feldman TE, Hirschfeld Jr JW, Jacobs AK,<br />

Kern MJ, King 3rd SB, Morrison DA et al.<br />

ACC/AHA/SCAI 2005 guideline update for percutaneous<br />

coronary intervention:a report of the American<br />

College of Cardilogy/Amercaan Heart AssociationTask<br />

force on Practictice Guidelines (ACC/AHA/SCAI writing<br />

Committee to update 2001 guidelines for percutaneous<br />

coronary intervention). Circulation2006;113:<br />

e166-286<br />

IV Caracciolo et al, Comparison of surgical and medical<br />

group survival in patients with left main equuivalent<br />

coronary artery disease. Long-Term CASS experience.<br />

Circulation 1995;91:2335-44<br />

V Borowski et al. Coronary artery disease progression in<br />

patients who need repeat surgical revascularisation:<br />

the surgeons point of view. J Cardiovasc Med (Hagerstown)<br />

2008;9:85-8<br />

VI Cameron et at. Left main coronary artery stenosis:<br />

angiographic determination. Circulation 1983;68:484-9<br />

VII Mintz et al Pattern of calcificatiion in coronary artery<br />

disease. A statistical analysis of intravascular ultrasound<br />

and coronary angiography in 1155 lesions.<br />

Circulation 1995; 91:1959-65<br />

VIIIBerry et al. Intravascular ultrasound guided interventions<br />

in coronary artery disease: a systemic literature<br />

review decision-analytic modelling, f outcomes ans<br />

cost-effectiveness. Health technol Assess 2000;<br />

4:1-117<br />

IX Hoffmann et al Noninvasive coronary angiography<br />

with multislice computed tomography. JAMA<br />

2005;293:2471-8<br />

X Chauhan et al Lft main intervantion revisited:early<br />

and late outcome of PTCA and stenting. Cathet<br />

Cardiovasc Diagn 1997;41:21-9<br />

Autor und Ansprechpartner:<br />

Elisabeth Stöger<br />

Klinik und Poliklinik für Herz- und<br />

Thoraxchirurgie<br />

Universität zu Köln<br />

Kerpener Straße 62<br />

50937 Köln<br />

E-Mail: elisabeth.stöger@uk-koeln.de<br />

23


DREI JAHRE NACH SYNTAX: PCI ODER BYPASSCHIRURGIE – WIE SIND DIE ERGEBNISSE?<br />

Drei Jahre nach Syntax:<br />

PCI oder Bypasschirurgie –<br />

Wie sind die Ergebnisse?<br />

– Prof. Dr. med. Thorsten Wittwer,<br />

Univ.-Prof. Dr. Thorsten Wahlers<br />

Klinik und Poliklinik für Herz- und<br />

Thoraxchirurgie,<br />

<strong>Herzzentrum</strong> der Uniklinik Köln –<br />

Die perkutane Koronarintervention (PCI) hat<br />

der klassischen koronaren Bypassoperation<br />

CABG) in der Versorgung signifikanter Koronarstenosen<br />

in den letzten Jahren zunehmend<br />

erhebliche Konkurrenz gemacht. In den USA<br />

werden bespielsweise etwa seit dem Jahr 2000<br />

zahlenmäßig mehr interventionelle Verfahren<br />

als entsprechende Bypassoperationen durchgeführt,<br />

und das Verhältnis PCI zu CABG betrug<br />

dort im Jahr 2006 bereits vier zu eins. Noch vor<br />

4 Jahren kam eine Übersichtsarbeit zu dem<br />

Ergebnis, dass sich die langfristigen Überlebensraten<br />

dieser beiden Optionen nicht mehr<br />

signifikant unterscheiden; operativ angelegte<br />

Bypässe linderten die Angina pectoris zwar<br />

effektiver, dafür sei jedoch die Rate an perioperativen<br />

Schlaganfällen erhöht (1).<br />

In der aufsehenerregenden SYNTAX-Studie<br />

(„Synergy between PCI with Taxus and Cardiac<br />

Surgery“), welche 2009 im renommierten New<br />

England Journal of Medicine publiziert wurde<br />

(2), haben die Autoren schließlich untersucht,<br />

ob auch in einer der letzten bislang klaren<br />

Domänen der koronare Bypasschirurgie die<br />

perkutane Intervention zu vergleichbaren<br />

Ergebnissen gelangt. Im Fokus dieser Untersuchung<br />

standen diejenigen Patienten mit<br />

einer koronarer Dreigefäßerkrankung oder<br />

einer Beteiligung des Hauptstamms der linken<br />

Kranzarterie, insgesamt wurden 3000 Patienten<br />

mit einem derartigen koronaren Verteilungsmuster<br />

erfasst. Von diesen Patienten wurden<br />

schließlich 1800 Patienten randomisiert für PCI<br />

oder CABG und zusätzlich zu der Studienkohorte<br />

auch in spezifischen CABG- bzw. PCI-<br />

Registern nachverfolgt. In den mittlerweile vorliegenden<br />

Drei-Jahres-Daten zu dieser Studie<br />

(3) ergab sich dabei für die Gesamt-Kohorte der<br />

1800 randomisierten Patienten unverändert<br />

eine signifikant geringere MACCE-Rate für die<br />

Bypass-Patienten mit 20,2% sowie 28% für die<br />

PCI-Patienten (Abb. 1). In einer weitergehenden<br />

differenzierten Analyse zeigte sich zusätzlich,<br />

dass nach drei Jahren die Rate der Herzinfarkte<br />

insgesamt (Abb. 2) mit 3,6% in der CABG-<br />

Gruppe signifikant geringer war als nach Koronarintervention<br />

(7,1%, p=0.002). Entsprechend<br />

war die Rate erneut notwendiger koronarer<br />

Revaskularisationen nach 3 Jahren (Abb. 3) in<br />

der PCI-Gruppe mit kumulativ 19,7% annähernd<br />

doppelt so hoch wie nach Bypassoperation<br />

(10,7%, p


DREI JAHRE NACH SYNTAX: PCI ODER BYPASSCHIRURGIE – WIE SIND DIE ERGEBNISSE?<br />

derjenigen nach PCI lag, war dagegen nach<br />

Ablauf von 3 Jahren nicht mehr signifikant<br />

(CABG 3,4%, PCI 2,9%, p=0.07) und relativiert<br />

somit die bisherigen Erkenntnisse der o.g.<br />

Übersichtsarbeit (1) im Langzeitverlauf.<br />

Die große Besonderheit der SYNTAX-Studie<br />

war die Einführung des sog. SYNTAX-Scores,<br />

der es erstmals ermöglicht, anhand der Anzahl<br />

sowie der Schwere und spezifischen Lokalisation<br />

von Koronarstenosen die Komplexizität<br />

der koronaren Herzerkrankung bezüglich der<br />

vorliegenden Koronarpathologie für jeden<br />

Patienten individuell zu quantifizieren. In der<br />

somit möglichen post-hoc-Analyse nach dem<br />

vorliegenden SYNTAX-Score ergab sich bemerkenswerterweise,<br />

dass die Ergebnisse der Koronarintervention<br />

sehr stark von der Höhe des<br />

SYNTAX-Scores abhingen, während dieser auf<br />

die Früh- und Spätergebnsise der Bypasschirurgie<br />

keinerlei Einfluss ausübte. Lediglich für die<br />

nur geringgradig komplexen Koronarläsionen<br />

mit einem SYNTAX-Score unter 23 ließen sich<br />

für die PCI mit der Operation vergleichbare<br />

Ergebnisse aufzeigen. Im Gegensatz dazu stieg<br />

mit Zunahme der Koronarkomplexizität die<br />

MACCE-Rate der entsprechenden PCI-Patienten<br />

von 22,7% (SYNTAX-Score 32) deutlich an und lag somit für mittlere<br />

und hohe Scores signifikant über derjenigen<br />

nach Bypassoperation, welche unabhängig<br />

vom Score relativ konstant verblieb (Abb. 4+5).<br />

Bei zusätzlicher Stratifizierung der aktuellsten<br />

SYNTAX-Ergebnisse nach Vorliegen einer reinen<br />

koronaren Dreigefäßerkrankung bzw. einer<br />

KHK mit Hauptstammbeteiligung ergibt sich<br />

gemäß eines jüngst publizierten Experten-<br />

Kommentars zu den SYNTAX-Dreijahresdaten<br />

(4) für die Patienten mit isolierter Dreigefäßerkrankung,<br />

welche die Mehrheit der randomisierten<br />

SYNTAX-Patienten darstellten, ebenfalls<br />

eine signifikant höhere kumulative Drei-Jahres-<br />

MACCE-Rate von 28,8% bei den PCI-Patienten<br />

im Vergleich zu 18,8% bei den Bypasspatienten.<br />

Bemerkenswerterweise fand sich für die<br />

PCI-Kohorte auch eine signifikant höhere Letalitätsrate<br />

von 9,5% gegenüber lediglich 5,7%<br />

nach CABG. Als ursächlich hierfür wurde eine<br />

signifikant höhere Rate an Myokardinfarkten<br />

(CABG: 3,3%, PCI: 7,1%; p=0.005) sowie erneut<br />

notwendiger Revaskularisationen (CABG: 10%,<br />

PCI: 19,4%; p


DREI JAHRE NACH SYNTAX: PCI ODER BYPASSCHIRURGIE – WIE SIND DIE ERGEBNISSE?<br />

Die Entscheidungsfindung zur optimalen<br />

Revaskularisationsmethode sollte unserer<br />

Ansicht nach stets patientenorientiert gemeinsam<br />

von Kardiologen und Herzchirurgen<br />

anhand aktuellster Leitlinien (7) erarbeitet<br />

werden. Nur durch eine konsensuelle und am<br />

spezifischen Fall ausgerichtete Beurteilung<br />

seitens des behandelnden „Herzteams“ ist der<br />

optimale interdisziplinäre Ansatz zur bestmöglichen<br />

Versorgung unserer gemeinsamen<br />

Patienten gewährleistet.<br />

Literatur<br />

1. Bravata DM, Gienger AL, McDonald KM, Sundaram V,<br />

et al. Systematic Review: The comparative effectiveness<br />

of percutaneous coronary interventions and coronary<br />

artery bypass graft surgery. Ann Intern Med 2007; 147:<br />

703-16<br />

2. Serruys PW, Morice MC, Kappetein AP, Colombo A, et<br />

al. Percutaneous coronary intervention versus coronary<br />

artery bypass grafting for severe coronary artery<br />

disease. N Engl J Med 2009; 360: 961-72<br />

3. http://www.syntaxscore.com<br />

4. F.W. Mohr. Kommentar in CardioNews 2011, 1/2: 18-19<br />

5. Börgermann J, Kuss O, Hakim H, Renner A, et al.<br />

Clampless off-pump coronary artery bypass grafting<br />

reduces mortality and morbidity. Propensity score<br />

analysis of 788 patients. Z Herz- Thorax-Gefäßchir<br />

2011; 25: 6-12<br />

6. Liebold A. Stellenwert der minimierten extrakorpoalen<br />

Zirkulation in der modernen Koronarchirurgie. Z Herz-<br />

Thorax-Gefäßchir 2011; 25: 19-20<br />

7. Taggart DP, Boyle R, de Belder MA, Fox KA. The 2010<br />

ESC/EACTS guidelines on myocardial revascularisation.<br />

Heart 2011; 97:445-6.<br />

Autor und Ansprechpartner:<br />

Prof. Dr. med. Thorsten Wittwer, M.A.<br />

Klinik und Poliklinik für Herz- und<br />

Thoraxchirurgie<br />

Universität zu Köln<br />

Kerpener Straße 62<br />

50937 Köln<br />

E-Mail: thorsten.wittwer@uk-koeln.de<br />

27


TAKO-TSUBO-SYNDROM INFOLGE BERUFLICHEN STRESSES<br />

Tako-Tsubo-Syndrom infolge<br />

beruflichen Stresses<br />

– Dr. med. Christian Keller –<br />

rechnergestützt die Auswurffraktion in Prozent<br />

ermittelt, diese ist als normal zu bezeichnen,<br />

wenn sie wenigstens 60% beträgt.<br />

Am 25. 2. 2011 kündigt der Notarzt telefonisch<br />

einen Patienten mit elektrokardiographisch<br />

gesichertem ST-Strecken-Elevations-Myokardinfarkt<br />

an.<br />

Der Patient wird direkt ins Herzkatheterlabor<br />

zur Notfall-Koronarographie übernommen.<br />

Der anwesende Assistenzarzt und der hinzugerufene<br />

Oberarzt sind sich nach Inaugenscheinnahme<br />

einig, dass es sich eindeutig<br />

um einen ausgedehnten Vorderwandinfarkt<br />

handeln muss.<br />

Als die Koronararterien angiografisch dargestellt<br />

werden, zeigen sich weder Gefäßabbrüche,<br />

noch relevante Stenosierungen,<br />

die einen transmuralen Infarkt hervorrufen<br />

könnten.<br />

Es wird beschlossen, eine Ventrikulographie,<br />

also eine Kontrastmitteldarstellung der linken<br />

Herzkammer, durchzuführen. Hierzu werden<br />

mit hohem Fluss (14 ml/sec) 30 ml Kontrastmittel<br />

via Pigtail-Katheter in das Cavum<br />

injiziert; unter Durchleuchtung kann man<br />

dann visuell den Kontraktionsablauf beurteilen<br />

und eventuelle globale sowie regionale<br />

Kontraktionsstörungen erfassen. Zudem wird<br />

Es zeigt sich eine auffällige mittlere und<br />

apikale Ballonierung mit Hyperkontraktilität der<br />

Herzbasis, die typische Ventrikelkonfiguration<br />

des Tako-Tsubo-Syndroms.<br />

Nach zielgerichteter Befragung berichtet der<br />

Patient von akut belastendem Stress in seinem<br />

Beruf als technischem Zeichner, der ihn extrem<br />

unter Druck gesetzt hat, eine bestimmte Arbeit<br />

zeitnah fertig gestellt haben zu müssen.<br />

Die notfallmäßig untersuchte Blutprobe zeigte<br />

eine Troponin-T-Konzentration von 1,8 µg/l und<br />

eine Aktivität der Kreatinkinase von 840 U/l mit<br />

einem -MB-Anteil von 125 U/l.<br />

Das Tako-Tsubo-Syndrom/Tako-Tsubo-Kardiomyopathie<br />

ist eine akute transiente Herzinsuffizienz<br />

mit charakteristischer medioapikaler<br />

Kontraktionsstörung und basaler Hyperkinesie.<br />

Wegen des charakteristischen Bildes ist auch<br />

die Bezeichnung „apical-ballooning-syndrome“<br />

gebräuchlich.<br />

Klinisch ist das Syndrom nicht von einem<br />

akuten Myokardinfarkt zu unterscheiden.<br />

Deshalb wurde der Kranke bis zum Zeitpunkt<br />

der Koronarographie richtigerweise wie ein<br />

Herzinfarktpatienten behandelt, da heftige<br />

29


TAKO-TSUBO-SYNDROM INFOLGE BERUFLICHEN STRESSES<br />

Angina pectoris mit Schweißigkeit, Dyspnoe,<br />

Tachykardie und sämtliche nicht-invasive<br />

Befunde wie EKG und kardiale Serummarker<br />

einen Infarkt imitieren (Troponinfreisetzung<br />

in 86%). Als labordiagnostisches Zeichen der<br />

linksventrikulären Überlastung gilt eine<br />

Erhöhung des B-type natiuretic peptide (BNP)<br />

bzw. des N-terminalen Fragmentes desselben<br />

(NT-proBNP). Das Ausmaß der ventrikulären<br />

Dsyfunktion kann sich, entsprechend dem<br />

Spektrum der akuten koronaren Syndrome in<br />

kardiopulmonaler Insuffizienz oder gar Schock<br />

gipfeln. Der Nachweis stark erhöhter natriuretischer<br />

Peptide kann auf eine schlechte Prognose<br />

hinweisen.<br />

Die Angiographie schließt letztendlich typischerweise<br />

eine relevante stenosierende koronare<br />

Makroangiopathie aus, eine sich anschließende<br />

Ventrikulographie zeigt dann den entscheidenden<br />

Befund. Korrespondierend lässt sich<br />

echokardiographisch im Vier-Kammerblick<br />

ebenfalls das typische Kontraktionsmuster<br />

nachweisen.<br />

Beim Akuten Koronarsyndrom mit ST-Strecken-<br />

Elevation ist die umgehende Herzkatheterisierung<br />

Maßnahme der ersten Wahl, so dass<br />

die Echokardiographie keinen Stellenwert in<br />

der Primärdiagnostik hat.<br />

Epidemiologisch geht man davon aus, dass<br />

bis 2% der Akuten Koronarsyndrome mit<br />

ST-Hebungen in Wirklichkeit Tako-Tsubo-Syndrome<br />

sind.<br />

Die Bezeichnung des Syndroms geht auf die<br />

japanische Tintenfischfalle zurück, einem<br />

bauchigen Gefäß mit sich stark verjüngendem<br />

Hals.<br />

Erstbeschreiber waren 1991 Sato und Dote.<br />

Die Ursache des Syndroms ist unbekannt, ein<br />

spezifischer Pathomechanismus nicht bewiesen.<br />

Die bisher diagnostizierten Fälle zeigen, dass<br />

extremer emotionaler und/oder physischer<br />

Stress Auslöser ist (in 30% findet sich keine<br />

erkennbare Traumatisierung) und dass vorrangig<br />

postmenopausale Frauen betroffen<br />

sind. Diese Umstände weisen darauf hin, dass<br />

Östrogenmangel die sympathische neurohumerale<br />

Achse beeinflusst und gewissermaßen<br />

einen negativ permissiven Effekt auf die<br />

Katecholaminwirkung hat.<br />

Interessanterweise kann sowohl Distress als<br />

auch Eustress ein Tako-Tsubo-Syndrom auslösen;<br />

so sind auch Situationen beschrieben, die<br />

nur individuell traumatisierend wirken, also<br />

Stressoren im weitesten Sinne sind oder sogar<br />

solche, die gemeinhin eher positiv besetzt sind<br />

(Überraschungsparty).<br />

Eine Theorie geht von einer katecholamininduzierten<br />

mikrovaskulären Dysfunktion im Sinne<br />

eines Vasospasmus aus. Hierbei bleibt unklar,<br />

ob diese Dysfunktion das ursprüngliche Ereignis<br />

darstellt oder ob es sich dabei in Wirklichkeit<br />

um ein Sekundärphänomen auf dem Boden<br />

einer anderen zugrunde liegenden Störung<br />

handelt.<br />

Veegh W ©<br />

30


TAKO-TSUBO-SYNDROM INFOLGE BERUFLICHEN STRESSES<br />

Eine anderer Ansatz postuliert einen direkt<br />

myokardiozytotoxischen Effekt durch Katecholamine<br />

(myokardiales „stunning“). Katecholaminexzesse<br />

können via zyklisches Adenosinmonophosphat<br />

(cAMP) die Sarkomere mit<br />

Kalzium überladen. Histologische Befunde<br />

zeigen dann den charakteristischen Befund von<br />

bandförmigen Nekrosen in hyperkontraktilen<br />

Sarkomeren („contraction bands“) wie man ihn<br />

auch von Katecholaminämien infolge eines<br />

Phäochromozytoms kennt.<br />

Warum Frauen bei dieser Erkrankung dominieren,<br />

ist unklar. Eventuell induziert Östrogen<br />

eine endotheliale Dysfunktion und modifiziert<br />

so das vaskuläre Ansprechen auf pressorische<br />

oder dilatierende Reize.<br />

Beispiele für Auslöser eines<br />

Tako-Tsubo-Syndroms<br />

Physische Stressoren<br />

Schmerzen, Operation<br />

Schwere Krankheit (z.B. Status epilepticus,<br />

Schlaganfall, Hypothermie u.a.)<br />

Schwere Arbeit<br />

Emotionale Stressoren<br />

Tod/Todestag einer nahe stehenden Person<br />

Überfall, Häusliche Gewalt, Hausbrand<br />

Mitteilung einer schwerwiegenden/tödlichen<br />

Diagnose<br />

Überraschungsparty zum eigenen Geburtstag<br />

Handfester Streit<br />

Fahrkartenkontrolle<br />

Es gibt keine spezifische etablierte Therapie des<br />

Tako-Tsubo-Syndroms. Daher wird unter<br />

Berücksichtigung der mutmaßlichen Pathogenese<br />

symptomatisch behandelt.<br />

Zu Beginn wird man in Annahme eines Herzinfarktes<br />

die übliche thrombozytenaggregationshemmende<br />

und antikoagulative Therapie<br />

einleiten. In diesem Rahmen werden Komplikationen<br />

wie Herzrhythmusstörungen oder<br />

Lungenödem in gewöhnlicher Weise behandelt.<br />

Tritt aufgrund stark kompromittierter Pumpleistung<br />

ein kardialer Schock ein, muss das<br />

insuffiziente Myokard temporär katecholaminerg<br />

unterstützt werden, obgleich vasoaktive<br />

Medikamente vorsichtig und in dem<br />

Wissen dosiert werden müssen, dass diese die<br />

Mikrozirkulation weiter verschlechtern und<br />

dem Herzversagen weiter Vorschub leisten<br />

könnten.<br />

Möglicherweise kann die intraaortale Ballon-<br />

Gegenpulsation die Hämodynamik verbessern.<br />

Die medikamentöse Behandlung soll die Katecholaminausschüttung<br />

und ihre Wirkung am<br />

Effektororgan drosseln. Pathophysiologisch<br />

logisch ist somit das folgende Vorgehen:<br />

Ist die Kreislauffunktion nicht eingeschränkt<br />

und zeigt der Patient Zeichen der sympathoadrenalen<br />

Aktivierung (Tachykardie und/oder<br />

Hypertonie) sollte eine medikamentöse Betablockade<br />

erfolgen, um diejenigen Rezeptoren<br />

zu blockieren, deren Stimulation das pathologische<br />

Kontraktionsmuster unterhält.<br />

Im Rahmen des notärztlichen Erstkontaktes<br />

können beispielsweise 10 mg intravenösen<br />

Metoprololtartrats (Beloc i.v. ® ) verabreicht<br />

werden, gefolgt von einer oralen Dosis<br />

(Metoprololsuccinat 95 mg oder Bisoprolofumarat<br />

5 mg), die in den folgenden Tagen<br />

gesteigert werden sollten, um einen Relaps des<br />

Syndroms zu vermeiden (immerhin 3-8% der<br />

Patienten). Obwohl entsprechende Daten<br />

fehlen, ist anzunehmen, dass bei Fehlen eines<br />

kardialen Versagens (Killip-Klassifikation 3-4)<br />

verhältnismäßig hohe Dosierungen der Betablocker<br />

sinnvoll sind, geht man doch von einem<br />

pathologischen Ansprechen des Myokards auf<br />

Katecholamine aus. Sind Blutdruck und Herzfrequenz<br />

stabil, sind 15-20 mg Metoprolotartrat<br />

intravenös zu empfehlen.<br />

Als Alternative kann der ultrakurzwirksame<br />

Betablocker Esmolol (Brevibloc ® ) eingesetzt<br />

werden, der rasch durch Plasmaesterasen<br />

hydrolysiert wird und seine Wirkung nach<br />

einigen Minuten verliert und so in seiner<br />

Wirkung optimal steuerbar ist.<br />

Desweiteren sollte eine intravenöse analgosedierende<br />

Behandlung genutzt werden, um den<br />

Patienten „seelisch abzuschirmen“ und auf<br />

diese Weise die Katecholaminämie zu unterbinden.<br />

Zweckmäßig erscheint hier das am stärksten<br />

anxiolytisch wirksame Benzodiazepin Lorazepam<br />

(Tavor ® ) oder – wenn starke Angina quält –<br />

zusätzlich Morphinsulfat 4mg-weise, bis<br />

Schmerzerleichterung eintritt.<br />

Um eine Thrombusabscheidung im akinetischen<br />

Ventrikelapex zu verhindern, ist der<br />

Patient mit niedrig dosiertem Heparin prophylaktisch<br />

zu antikoagulieren.<br />

Die Prognose der Krankheit ist günstig, mehr<br />

als 90% der Patienten erfahren rasche Erholung<br />

nach wenigen Tagen mit letztendlicher<br />

„restitutio ad integrum“. Auch unser Patient<br />

erholte sich nach zwei Tagen komplett von der<br />

Erkrankung.<br />

Abschließend ist festzustellen, dass die Differentialdiagnose<br />

Tako-Tsubo-Syndrom eine<br />

zunehmend bedeutsame ist. Infolge subklinischer<br />

Verläufe und mangelnder geistiger<br />

Sensitivität der Behandler muss man wohl<br />

davon ausgehen, dass in der Vergangenheit<br />

viele Fälle gar nicht erkannt worden sind,<br />

zumal erst jetzt klar wird, dass auch abstrakte<br />

Stressoren ein Tako-Tsubo Syndrom auszulösen<br />

vermögen. Außerdem kann in bis zu 30% der<br />

Fälle kein traumatisierendes Moment identifiziert<br />

werden.<br />

Ärzte müssen bei neu aufgetretenen Hinweisen<br />

auf eine transmurale Myokardschädigung an<br />

diese Diagnose denken, auch wenn die<br />

ursprüngliche Krankenhausbehandlung wegen<br />

einer ganz anderen Indikation, z. B. Sepsis,<br />

schwere endokrinologische Störung oder<br />

Operation erfolgt war. Dies gilt vorrangig für<br />

Frauen. Männer sind seltener betroffen. Dies<br />

hat zu den Spekulationen über eine Östrogenbeteiligung<br />

geführt.<br />

31


BEDEUTUNG DES SCHENKELBLOCKS BEIM MYOKARDINFARKT<br />

Bedeutung des Schenkelblocks<br />

beim Myokardinfarkt<br />

– Dr. Marcel Halbach,<br />

PD Dr. Jochen Müller-Ehmsen,<br />

Univ.-Prof. Dr. Erland Erdmann –<br />

FALLBEISPIEL<br />

Der 69-jährige Patient verständigte den Notarzt<br />

wegen akut aufgetretener Angina pectoris. Im<br />

EKG des Notarztes (Abbildung 1) zeigte sich ein<br />

kompletter Rechtsschenkelblock mit signifikanten<br />

ST-Hebungen in den Ableitungen II, III, aVF<br />

und V5-6. Bei Verdacht auf einen akuten inferolateralen<br />

Myokardinfarkt wurde eine Notfall-<br />

Herzkatheteruntersuchung durchgeführt. Die<br />

linke Herzkranzarterie war unauffällig, in der<br />

proximalen RCA stellte sich eine 90%ige<br />

Stenose mit flauer Kontrastierung und verzögertem<br />

Kontrastmittelfluss dar (Abbildung 2A).<br />

Es erfolgte eine Angioplastie mit Implantation<br />

eines bare metal Stents, nach der Intervention<br />

bestand keine Reststenose (Abbildung 2B). Der<br />

Patient wurde zur Überwachung auf die intermediate<br />

care Station aufgenommen, er war im<br />

Verlauf beschwerdefrei. Das Troponin T war<br />

leicht erhöht (maximal 0,2 µg/l), Gesamt-CK<br />

und CK-MB waren normwertig. Im Verlaufs-<br />

EKG (Abbildung 3) lag weiterhin ein kompletter<br />

Rechtsschenkelblock vor, die ST-Hebungen<br />

waren nicht mehr nachweisbar. Der Patient<br />

wurde zwei Tage nach der Aufnahme kardiopulmonal<br />

stabil und beschwerdefrei nach<br />

Hause entlassen.<br />

Häufigkeit und Prognose des Schenkelblocks<br />

beim Myokardinfarkt<br />

Bei 15-20% aller Myokardinfarkte stellt sich<br />

im EKG zumindest vorübergehend ein<br />

Schenkelblock dar (Schröder & Südhof, Csapo<br />

& Kalusche). Zwei Drittel der Patienten weisen<br />

einen Rechtsschenkelblock auf, ein Drittel<br />

einen Linksschenkelblock (Zerkowski & Baumann).<br />

Dies könnte u.a. durch die höhere<br />

Prävalenz des Rechtsschenkelblocks in der<br />

Allgemeinbevölkerung bedingt sein, in nur<br />

ca. 38% der Fälle ist der Rechtsschenkelblock<br />

neu aufgetreten (Melgarejo-Moreno et al.,<br />

1997). Das Neuauftreten eines Schenkelblocks<br />

ist vor allem, aber nicht ausschließlich, bei einer<br />

Infarzierung des interventrikulären Septums zu<br />

beobachten.<br />

Ein kompletter Rechts- oder Linksschenkelblock<br />

ist meist Zeichen einer ausgedehnten Myokardnekrose<br />

und mit einer erhöhten Letalität<br />

assoziiert (Csapo & Kalusche, Melgarejo-<br />

Moreno et al., 1997 und 2001). Letzteres gilt<br />

insbesondere für neu aufgetretene Schenkelblöcke:<br />

Die Krankenhaus-Letalität ist ungefähr<br />

Abbildung 1: EKG des Notarztes mit komplettem Rechtsschenkelblock und inferolateralen ST-Hebungen.<br />

Abbildung 3: Das EKG bei Entlassung zeigte einen persistierenden kompletten Rechtsschenkelblock, die ST-Hebungen waren jedoch nicht<br />

mehr nachweisbar.<br />

33


BEDEUTUNG DES SCHENKELBLOCKS BEIM MYOKARDINFARKT<br />

Abbildung 2: Koronarangiographie. A: In der proximalen RCA stellte sich eine 90%ige Stenose mit flauer Kontrastierung und verzögertem<br />

Kontrastmittelfluss dar. B: Ergebnis nach Implantation eines Stents, es bestand keine Reststenose.<br />

verdoppelt, die 1-Jahres-Letalität ungefähr verdreifacht<br />

(Melgarejo-Moreno et al., 2001). Bei<br />

ca. 10 % aller Patienten mit einem Schenkelblock<br />

tritt im Verlauf der Akutphase ein AV-<br />

Block III° auf, beim Vorliegen eines bifaszikulären<br />

Blockes wird ein AV-Block III° sogar<br />

bei >30% der Patienten beobachtet (Csapo &<br />

Kalusche).<br />

Diagnose des ST-Hebungsinfarkts bei<br />

komplettem Rechtsschenkelblock<br />

Bei einem chronischen Rechtsschenkelblock ist<br />

nicht nur die ventrikuläre Erregungsausbreitung<br />

und damit die QRS Morphologie verändert,<br />

sondern auch die Erregungsrückbildung. Dies<br />

führt auch ohne akute Ischämie zu Veränderungen<br />

der ST-Strecke und der T-Welle, insbesondere<br />

zu leichten ST-Senkungen und negativen<br />

T-Wellen in V1-3 (Csapo & Kalusche). ST-Hebungen<br />

in den Ableitungen V1-3 können durch die<br />

im Rahmen des Rechtsschenkelblocks auftretenden<br />

ST-Senkungen maskiert werden (Gertsch).<br />

Wenn aber ST-Hebungen bei einem kompletten<br />

Rechtsschenkelblock vorhanden sind, muss wie<br />

im o.g. Fallbeispiel die Diagnose eines akuten<br />

ST-Hebungsinfarkte gestellt werden.<br />

Diagnose des ST-Hebungsinfarkts bei<br />

komplettem Linksschenkelblock<br />

Die korrekte EKG-Diagnose eines akuten<br />

Myokardinfarkts ist beim Linksschenkelblock<br />

deutlich schwerer als beim Rechtsschenkelblock.<br />

Durch einen akuten Infarkt bedingte<br />

ST-Hebungen können einerseits durch linksschenkelblockbedingte<br />

ST-Senkungen maskiert<br />

werden (Gertsch). Im Rahmen eines chronischen<br />

Linksschenkelblocks auftretende ST-Hebungen<br />

können andererseits einen akuten transmuralen<br />

Infarkt vortäuschen. Jeder neu aufgetretene<br />

Linksschenkelblock sollte gemäß aktueller Leitlinien<br />

als Zeichen eines akuten transmuralen<br />

Infarktes gewertet werden (Van de Werf et al.),<br />

Kriterium<br />

wie beim ST-Hebungsinfarkt ist eine Notfall-<br />

Herzkatheteruntersuchung indiziert.<br />

Ist der Linksschenkelblock vorbekannt oder<br />

liegt kein Vor-EKG vor, so kann anhand des<br />

sogenannten Sgarbossa-Scores (Tabelle 1) beurteilt<br />

werden, ob ein akuter Myokardinfarkt vorliegt<br />

(Sgarbossa). Ein Score von 2 erlaubt die<br />

Diagnose eines akuten Infarktes mit >80%iger<br />

Spezifität, ein Score von 3 mit >90%iger Spezifität.<br />

Die Sensitivität ist mit 44-79% mäßig.<br />

Wichtigstes Kriterium für eine akute Ischämie<br />

ist eine Konkordanz von ST-Hebungen und<br />

QRS-Komplexen. ST-Hebungen im Rahmen<br />

eines chronischen Linksschenkelblocks sind<br />

hingegen meist diskordant zum QRS-Komplex<br />

und erfüllen somit die Sgarbossa-Kriterien<br />

nicht bzw. nur bei einer sehr hohen Amplitude<br />

von >5mm.<br />

Aufgrund einer geringen Spezifität des nicht<br />

vorbekannten Linksschenkelblocks als Infarktzeichen<br />

empfehlen manche Autoren, den<br />

Sgarbossa-Score auch bei (vermeintlich) neu<br />

aufgetretenem Linksschenkelblock anzuwenden,<br />

um zwischen einem akuten Infarkt und<br />

einem (doch schon vorbestehenden) Linksschenkelblock<br />

ohne Infarkt zu differenzieren<br />

(Rokos et al.). Die mäßige Sensitivität des<br />

Sgarbossa-Scores birgt aus unserer Sicht aber<br />

die Gefahr, dass es bei Patienten mit akutem<br />

Score<br />

ST-Hebung >1mm, konkordant zum QRS-Komplex 5<br />

ST-Senkung >1mm in V1, V2 oder V3 3<br />

ST-Hebung >5mm, diskordant zum QRS-Komplex 2<br />

TABELLE 1:<br />

Sgarbossa-Score. Ein Score von 2 erlaubt die Diagnose eines akuten<br />

Infarktes mit >80%iger Spezifität, ein Score von 3 mit >90%iger<br />

Spezifität.<br />

34


BEDEUTUNG DES SCHENKELBLOCKS BEIM MYOKARDINFARKT<br />

Myokardinfarkt und niedrigem Sgarbossa-<br />

Score zu einer Verzögerung der notfallmäßig<br />

indizierten Herzkatheteruntersuchung kommt.<br />

Wir empfehlen daher, bei Infarkt-typischer<br />

Symptomatik und nicht vorbekanntem Linksschenkelblock<br />

leitlinienkonform eine Notfall-<br />

Herzkatheteruntersuchung durchzuführen.<br />

Die oftmals schwierige Interpretation des<br />

kompletten Links- und Rechtsschenkelblocks<br />

kann durch serielle EKGs deutlich erleichtert<br />

werden. Dynamische Veränderungen sind ein<br />

wichtiger Hinweis dafür, dass ein akutes<br />

Ereignis vorliegt. Daher sollten engmaschige<br />

EKG- und Labor-Kontrollen erfolgen, wenn<br />

primär keine Notfall-Herzkatheteruntersuchung<br />

durchgeführt wird.<br />

Ein linksanteriorer Hemiblock besteht bei ca. 5-<br />

10 % aller Patienten mit Myokardinfarkt und<br />

hat keine prognostische Relevanz (Csapo &<br />

Kalusche). Die EKG-Diagnose eines akuten<br />

Myokardinfarkts ist in der Regel trotz eines<br />

linksanterioren Hemiblocks möglich.<br />

Fazit<br />

Durch blockbedingte Veränderungen der<br />

ST-Strecke und T-Welle wird die Diagnose<br />

eines akuten transmuralen Myokardinfarkts<br />

erschwert. Beim kompletten Rechtsschenkelblock<br />

sind ST-Hebungen jedoch wie in dem hier<br />

geschilderten Fall ein verlässliches Zeichen für<br />

einen akuten transmuralen Infarkt und dürfen<br />

nicht als blockbedingt interpretiert werden.<br />

Jeder nicht vorbekannte Linksschenkelblock ist<br />

bei Infarkt-typischer Symptomatik als Äquivalent<br />

eines ST-Hebungsinfarktes zu werten. Beim<br />

vorbekannten Linksschenkelblock kann der<br />

Sgarbossa-Score Aufschluss darüber geben, ob<br />

eine akute Ischämie vorliegt. Wichtigstes<br />

Kriterium des Scores ist eine Konkordanz von<br />

ST-Hebungen und QRS-Komplex. Bei unklarer<br />

Relevanz eines Schenkelblocks sollten zeitnah<br />

Kontroll-EKGs angefertigt werden und Laborkontrollen<br />

erfolgen, dynamische Veränderungen<br />

der ST-Strecke und der T-Welle oder eine<br />

Troponin-Erhöhung weisen auf eine akute<br />

Ischämie hin.<br />

Referenzen:<br />

Csapo G, Kalusche D. Konventionelle und intrakardiale<br />

Elektrokardiographie. CIBA-GEIGY 1989.<br />

Gertsch M. Das EKG. 2. Auflage, Springer-Verlag 2008.<br />

Melgarejo-Moreno A, Galcerá-Tomás J, Garciá-Alberola<br />

A, Valdés-Chavarri M, Castillo-Soria FJ, Mira-Sánchez E,<br />

Gil-Sánchez J, Allegue-Gallego J. Incidence, clinical<br />

characteristics, and prognostic significance of right<br />

bundle-branch block in acute myocardial infarction:<br />

a study in the thrombolytic era. Circulation. 1997 Aug 19;<br />

96(4):1139-44.<br />

Melgarejo-Moreno A, Galcerá-Tomás J, Garcia-Alberola<br />

A. Prognostic significance of bundle-branch block in<br />

acute myocardial infarction: the importance of location<br />

and time of appearance. Clin Cardiol. 2001<br />

May;24(5):371-6.<br />

Rokos IC, French WJ, Mattu A, Nichol G, Farkouh ME,<br />

Reiffel J, Stone GW. Appropriate cardiac cath lab activation:<br />

optimizing electrocardiogram interpretation and<br />

clinical decision-making for acute ST-elevation myocardial<br />

infarction. Am Heart J. 2010 Dec;160(6):995-1003,<br />

1003.e1-8.<br />

Schröder R, Südhof H. Praktische EKG-Auswertung.<br />

Schattauer-Verlag 1976.<br />

Sgarbossa EB. Value of the ECG in suspected acute<br />

myocardial infarction with left bundle branch block. J<br />

Electrocardiol. 2000;33 Suppl:87-92.<br />

Van de Werf F et al. Management of acute myocardial<br />

infarction in patients presenting with persistent STsegment<br />

elevation. European Heart Journal 2008;29,<br />

2909-2945<br />

Zerkowski HR, Baumann G. HerzAkut Medizin. 2. Auflage,<br />

Steinkopff-Verlag 2006.<br />

35


PRÄVALENZ UND KLINISCHE AUSWIRKUNGEN VON VORHOFFLIMMERN<br />

Prävalenz und klinische Auswirkungen<br />

von Vorhofflimmern bei Patienten mit<br />

pulmonaler Hypertonie<br />

– Dr. Sara Reda, Daniela Schmidt,<br />

Dr. Dennis Rottländer, Dr. Lukas J. Motloch,<br />

Dr. Daniel Dumitresku,<br />

PD Dr. Stephan Rosenkranz,<br />

Univ.-Prof. Dr. Erland Erdmann,<br />

Prof. Dr. Uta C. Hoppe –<br />

Die pulmonale Hypertonie (PH), das heißt ein<br />

auf mehr als 25 mmHg erhöhter pulmonal<br />

arterieller Mitteldruck, umfasst eine Gruppe<br />

ätiologisch heterogener Erkrankungen charakterisiert<br />

durch eine progressive Erhöhung des<br />

vaskulären Widerstandes mit konsekutivem<br />

Rechtsherzversagen.<br />

Linksherzerkrankungen und insbesondere eine<br />

eingeschränkte systolische linksventrikuläre<br />

Funktion zählen zu den häufigsten Ursachen<br />

einer PH. Im Gegensatz zu anderen Formen der<br />

PH handelt es sich hierbei jedoch um eine<br />

pulmonal venöse Hypertonie aufgrund der<br />

Stauung bei erhöhtem linksventrikulärem<br />

Füllungsdruck. Die Prognose der Erkrankung<br />

ist unbehandelt bei allen Formen der PH in<br />

Abhängigkeit vom klinischen Schweregrad<br />

schlecht. Die Patienten versterben zumeist an<br />

therapierefraktärem Rechtsherzversagen.<br />

Vorhofflimmern, die am weitesten verbreitete<br />

chronische Herzrhythmusstörung, ist bekanntermaßen<br />

bei Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung<br />

oder einer Herzinsuffizienz mit<br />

einer schlechteren Prognose vergesellschaftet.<br />

Das Vorhofflimmern kann für eine verstärkte<br />

klinische Symptomatik mit verminderter körperlicher<br />

Belastbarkeit und Luftnot bis hin zur<br />

kardialen Dekompensation verantwortlich sein.<br />

Die Prävalenz des Vorhofflimmerns bei Patienten<br />

mit PH und dessen Einfluss auf das Fortschreiten<br />

der rechtsventrikulären Funktionsstörung und<br />

die klinische Situation der Patienten wurde<br />

hingegen bislang noch nicht untersucht.<br />

Retrospektive Studie<br />

In einer retrospektiven Analyse untersuchten<br />

wir die Daten von 225 Patienten mit gesicherter<br />

pulmonaler Hypertonie, welche im Zeitraum<br />

von Oktober 2006 bis März 2010 an der Klinik III<br />

für Innere Medizin behandelt worden waren.<br />

Patienten mit Vorhofflimmern wurden in die<br />

PH-AF-Gruppe eingeteilt und mit Patienten im<br />

Sinusrhythmus, der PH-SR-Gruppe, hinsichtlich<br />

ihres klinischen Erkrankungsstadiums und ihrer<br />

hämodynamischen Situation verglichen.<br />

Die beiden Gruppen unterschieden sich nicht in<br />

Bezug auf die wichtigsten Grundmerkmale wie<br />

Geschlechterverteilung und Alter. Auch die<br />

mittlere Herzfrequenz und die Einnahme einer<br />

PH-spezifischen Medikation waren nicht<br />

unterschiedlich. Patienten mit Vorhofflimmern<br />

erhielten jedoch signifikant häufiger Diuretika,<br />

was als hinweisend auf eine fortgeschrittene<br />

Herzinsuffizienz gewertet werden kann.<br />

Auswirkungen auf klinisches Stadium und<br />

Hämodynamik<br />

Bei Betrachtung der relativen Verteilung der<br />

beiden Gruppen auf die ätiologische Dana<br />

Point Klassifikation, fiel auf, dass die auf dem<br />

Boden einer Linksherzerkrankung entstandene<br />

PH besonders in der PH-AF-Gruppe vertreten<br />

war. Die chronisch-thrombembolische pulmonale<br />

Hypertonie (CTEPH) war hingegen deutlich<br />

häufiger in der PH-SR-Gruppe vertreten. Die<br />

genaue Verteilung ist in Abbildung 1 dargestellt.<br />

Abbildung 1:<br />

Die Abbildung zeigt die prozentuale Verteilung auf die<br />

ätiologischen Gruppen der Dana Point Klassifikation [1]:<br />

1. Pulmonal arterielle Hypertonie (PAH)<br />

1.1 Idiopathische PAH<br />

2. Pulmonale Hypertonie bei Linksherzerkrankungen<br />

3. Pulmonale Hypertonie bei Lungenerkrankungen und<br />

Hypoxie<br />

4. Chronisch-thrombembolische pulmonale Hypertonie<br />

5. Pulmonale Hypertonie unklarer Ursache<br />

Es zeigte sich eine Prävalenz von 31,1% für<br />

Vorhofflimmern in der Gesamtstudienpopulation.<br />

Das klinische Stadium der Patienten gemäß<br />

der NYHA/WHO-Einteilung war signifikant<br />

schlechter in der PH-AF-Gruppe, die 6-Minuten-<br />

Abbildung 2:<br />

Laborchemische Parameter (NT-proBNP und geschätzte<br />

glomeruläre Filtrationsrate) und 6-Minuten Gehstrecke bei<br />

PH-Patienten mit Vorhofflimmern (PH-AF) verglichen mit<br />

PH-Patienten im Sinusrhythmus (PH-SR). *p < 0.05<br />

37


PRÄVALENZ UND KLINISCHE AUSWIRKUNGEN VON VORHOFFLIMMERN<br />

Gehstrecke war ebenfalls signifikant reduziert.<br />

Die Erhöhung des Biomarkers NT-proBNP als<br />

Zeichen der Links- wie auch der Rechtsherzbelastung<br />

war bei Vorhofflimmern deutlicher,<br />

so wie sich auch die Nierenfunktion signifikant<br />

schlechter darstellte. Die Abbildung 2 gibt<br />

einen Überblick über diese Ergebnisse.<br />

Die hämodynamischen Parameter wurden<br />

invasiv mittels Rechtsherzkatheteruntersuchung<br />

und echokardiographisch erhoben. Erwartungsgemäß<br />

waren der linksatriale Diameter und der<br />

pulmonal kapilläre Verschlussdruck in der<br />

PH-AF-Gruppe signifikant erhöht. Der systolische<br />

und der mittlere pulmonal arterielle Druck<br />

waren in beiden Gruppen nicht unterschiedlich.<br />

Der rechte Vorhof war bei Vorhofflimmern<br />

signifikant vergrößert, ebenso wie auch der<br />

mittlere rechtsatriale Druck erhöht war. Die<br />

rechtsventrikuläre Funktion, annähernd beurteilt<br />

über die TAPSE, war bei Vorhofflimmern<br />

signifikant reduziert.<br />

Vorhofflimmern bei Patienten mit PH aufgrund<br />

einer Linksherzerkrankung<br />

Der unterschiedlichen Pathophysiologie Rechnung<br />

tragend wurden die Patienten, bei denen<br />

die PH auf einer Linksherzerkrankung beruhte,<br />

in einer Subgruppenanalyse getrennt von<br />

PH-Patienten jedweder anderer Ursache ausgewertet.<br />

Auffällig war, dass 57,7 % aller Patienten,<br />

bei denen eine Linksherzerkrankung für die<br />

pulmonale Hypertonie ursächlich war, Vorhofflimmern<br />

präsentierten. In der Vergleichsgruppe,<br />

deren klinische und hämodynamische Parameter<br />

sich kongruent mit der Gesamtstudienpopulation<br />

zeigten, fand sich eine Vorhofflimmerprävalenz<br />

von nur 23,1 %.<br />

Während sich die klinische Situation in dem<br />

Subkollektiv mit Linksherzerkrankung bei<br />

Vorhofflimmern nicht weiter negativ beeinflusst<br />

zeigte, waren die Nierenfunktion und der<br />

NT-pro-BNP-Spiegel stärker beeinträchtig als in<br />

der Sinusrhythmusgruppe. Echokardiographisch<br />

zeigte sich eine gestörte Rechtsherzfunktion<br />

mit vergrößerter rechtsatrialer Fläche und<br />

erniedrigter TAPSE.<br />

Fazit<br />

Vorhofflimmern ist demnach eine häufige<br />

Komorbidität bei Patienten mit pulmonaler<br />

Hypertonie und geht mit einer Verschlechterung<br />

des klinischen Zustandes und der pulmonalen<br />

Hämodynamik einher. In der von uns untersuchten<br />

Patientengruppe zeigte sich Vorhofflimmern<br />

bei etwa einem Drittel der Patienten.<br />

War eine Linksherzerkrankung ursächlich für<br />

die PH, war sogar jeder zweite Patient betroffen.<br />

Eine stärker beeinträchtigte Nierenfunktion<br />

und fortgeschrittenen Funktionseinbußen des<br />

rechten Herzens gehen mit Vorhofflimmern<br />

einher.<br />

Dies ist insbesondere insofern von Bedeutung,<br />

als dass eine eingeschränkte Nierenfunktion,<br />

eine reduzierte körperliche Belastbarkeit und<br />

ein erhöhter NT-pro-BNP-Spiegel jüngst als<br />

unabhängige Mortalitätsprädiktoren bei PH<br />

identifiziert wurden [2].<br />

Es bleibt jedoch unklar, ob Vorhofflimmern<br />

lediglich ein fortgeschrittenes Erkrankungsstadium<br />

anzeigt, es sich um einen unabhängigen<br />

Risikofaktor handelt oder ob betroffene PH-<br />

Patienten von einer sinusrhythmuserhaltenden<br />

Therapie profitieren. Eine geeignete Therapiestrategie<br />

bei Vorhofflimmern für dieses<br />

spezielle Patientenkollektiv muss sich in<br />

größeren, prospektiven Studien beweisen.<br />

Literatur<br />

1. McLaughlin VV, Archer SL, Badesch DB, et al.<br />

ACCF/AHA 2009 expert consensus document on<br />

pulmonary hypertension a report of the American<br />

College of Cardiology Foundation Task Force on Expert<br />

Consensus Documents and the American Heart Associatlion<br />

developed in collaboration with the American<br />

College of Chest Physicians; American Thoracic Society,<br />

Inc.; and the Pulmonary Hypertension Association.<br />

J Am Coll Cardiol. 2009; 53(17):1573-619.<br />

2. Benza RL, Miller DP, Gomberg-Maitland M, et al.<br />

Predicting survival in pulmonary arterial hypertension:<br />

insights from the Registry to Evaluate Early and Long-<br />

Term Pulmonary Arterial Hypertension Disease<br />

Management (REVEAL). Circulation. 2010;122(2):164-72.<br />

n<br />

NT-proBNP (pg/l)<br />

Hämodynamik:<br />

LA (mm)<br />

TAPSE (mm)<br />

PAP mean (mmHg)<br />

RAP (mmHg)<br />

PCWP (mmHg)<br />

PH-SR HF<br />

22<br />

1149<br />

37,4<br />

22,3<br />

34,2<br />

12,1<br />

18,6<br />

PH-AF HF<br />

30<br />

3257<br />

49,9<br />

17,5<br />

41,4<br />

16,9<br />

22,1<br />

Tabelle 1:<br />

Ein Überblick über die wichtigsten hämodynamischen<br />

Paramter bei PH-Patienten mit Linksherzerkrankung im<br />

Vergleich unter Vorhofflimmern (PH-AF HF) und bei<br />

Sinusrhythmus (PH-SR HF).<br />

38


DIE HERZKATHETERUNTERSUCHUNG ÜBER DEN ARM<br />

Die Herzkatheteruntersuchung über<br />

den Arm<br />

Senkung der Komplikationsrate und<br />

der postinterventionellen Liegedauer<br />

durch Zugang über die Arteria radialis<br />

– Priv.-Doz. Dr. Hannes Reuter,<br />

Priv.-Doz. Dr. med. Carsten Zobel –<br />

Abbildung 1:<br />

Rechter Arm mit liegender Schleuse in der Arteria<br />

radialis zur Herzkatheteruntersuchung<br />

(Außendurchmesser: 6 french = 2,0 mm).<br />

Stig Radner, ein Pionier der kathetergestützten<br />

Angiographie, beschrieb bereits 1948 die Technik<br />

der thorakalen Aortographie über die Arteria<br />

radialis (Radner, 1948). Ein Jahrzehnt später<br />

präsentierte Mason Sones eine erste Studie an<br />

50 Patienten zur selektiven Koronarangiographie<br />

mit Zugang über die Arteria brachialis<br />

ebenfalls des rechten Armes (Sones et al, 1959).<br />

Die rasche Entwicklung katheterinterventioneller<br />

Techniken nach Erstbeschreibung durch Andreas<br />

Grüntzig (Grüntzig et al, 1979) erforderte<br />

größere Gefäßzugänge, so dass fortan mit<br />

Abstand die meisten Koronarinterventionen<br />

mit Kathetern im Durchmesser von 8 – 10<br />

French (2,7 - 3,3 mm) über die Arteria femoralis<br />

der rechten Leiste durchgeführt wurden. Heute<br />

erfolgen weltweit weniger als 10%, in den<br />

USA sogar unter 1% der Herzkatheteruntersuchungen<br />

über die Arteria radialis (Jolly et al,<br />

2009).<br />

Mit einer Inzidenz von 5,9% sind Gefäßschäden<br />

im Bereich der Punktionsstelle die häufigste<br />

Komplikation der Herzkatheteruntersuchung<br />

über die Arteria femoralis (Popma et al. 1993).<br />

Die zunehmend strengere periprozedurale<br />

Antikoagulation und Thrombozytenaggregationshemmung<br />

stellt dabei einen der wesentlichen<br />

Risikofaktoren für lokale Blutungen und<br />

Gefäßschäden dar. Entsprechend steigt die<br />

Inzidenz der Gefäßkomplikationen im Rahmen<br />

von Interventionen mit Stentimplantation<br />

sogar bis auf 14% an (Popma et al, 1993).<br />

Insbesondere Blutungen stellen dabei einen<br />

unabhängigen Risikofaktor dar, der mit Mortalität<br />

und Myokardischämie bei Patienten mit<br />

akutem Koronarsyndrom korreliert (Rao et al,<br />

2005).<br />

Die Entwicklung von Techniken zur Koronarintervention<br />

mit kleineren Kathetern ermöglicht<br />

jetzt auch die primäre Angioplastie und<br />

Stentimplantation über die Armgefäße. Der<br />

Zugang zur Herzkatheteruntersuchung über<br />

die Arteria radialis bietet dabei wesentliche<br />

Vorteile. Die oberflächliche Lage des Gefäßes<br />

am Handgelenk ermöglicht nach Entfernung<br />

der Katheterschleuse eine optimale mechanische<br />

Kontrolle während der Gefäßkompression<br />

und darüber hinaus stets eine gute optische<br />

Kontrolle der Punktionsstelle. Somit sind<br />

Blutungskomplikationen nach Punktion der<br />

Arteria radialis praktisch ausgeschlossen, wie<br />

ein direkter Vergleich beider Zugangswege in<br />

einer aktuellen Studie belegt (Hetherington et<br />

al, 2009). Die kleine Druckmanschette, die nach<br />

dem Herzkatheter für 4 Stunden am Handgelenk<br />

angelegt wird, erlaubt dem Patienten<br />

unmittelbar nach der Untersuchung aufzustehen.<br />

Dies wird von den Patienten einerseits<br />

als sehr angenehm empfunden, zum anderen<br />

entfällt das Risiko für die Entwicklung tiefer<br />

Beinvenenthrombosen durch Anlage eines<br />

Druckverbandes in der Leiste und anschließende<br />

Bettruhe. Im direkten Vergleich beider<br />

Zugangswege war auch die Inzidenz schwerer<br />

kardialer oder cerebrovaskulärer Ereignisse<br />

(MACCE, radial: 2,6%; femoral: 5,2%) und die<br />

Zeit bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus<br />

(radial: 2,46 Tage; femoral: 3,51 Tage) signifikant<br />

geringer wenn die Untersuchung über die<br />

Arteria radialis durchgeführt wurde (Hetherington<br />

et al, 2009). Bei 7,7% der Patienten war<br />

der geplante Zugang über den Arm in dieser<br />

Studie allerdings nicht möglich, so dass<br />

während der Untersuchung auf die Arteria<br />

femoralis gewechselt werden musste.<br />

Abbildung 2:<br />

Unmittelbar nach der Herzkatheteruntersuchung wird<br />

die arterielle Schleuse entfernt und die Punktionsstelle<br />

mit einer pneumatischen Druckmanschette zur Blutstillung<br />

versorgt. Der Manschettendruck wird so gewählt,<br />

dass die Durchblutung der Arteria radialis jederzeit<br />

erhalten bleibt. Der Patient kann mit der Druckmanschette<br />

sofort nach der Untersuchung aufstehen.<br />

39


DIE HERZKATHETERUNTERSUCHUNG ÜBER DEN ARM<br />

Die Arteria radialis weist eine hohe Dichte an<br />

1-Adrenozeptoren auf und ist daher besonders<br />

anfällig für die Entwicklung von Gefäßspasmen.<br />

Langfristige Gefäßverschlüsse stellen<br />

die häufigste Komplikation dieser Untersuchungstechnik<br />

dar. In einer Nachbeobachtung<br />

von insgesamt 563 Herzkatheteruntersuchungen<br />

zeigte sich dopplersonographisch ein Verschluss<br />

der Arteria radialis bei 5,3% der Patienten<br />

zum Zeitpunkt der Entlassung, der bei 2,8%<br />

auch nach einem Monat noch nachweisbar war<br />

(Stella et al, 1997). Da alle Patienten in dieser<br />

Studie vor der Untersuchung einen unauffälligen<br />

Allen-Test aufwiesen, waren die Betroffenen<br />

dabei vollständig beschwerdefrei. Auch unter<br />

Provokation trat hier keine Claudicatio der<br />

Hand auf. Als sehr seltene Komplikationen<br />

wurden auch Gefäßperforationen mit Unterarmhämatomen<br />

und lokale Schmerzsymptome<br />

beschrieben.<br />

Aufgrund der hohen Akzeptanz durch die<br />

Patienten, kurze Liegezeiten und die geringe<br />

Komplikationsrate kommt im <strong>Herzzentrum</strong> die<br />

Herzkatheteruntersuchung über die Arteria<br />

radialis des rechten Armes zunehmend häufiger<br />

zum Einsatz. Durch die Vollantikoagulation mit<br />

Heparin und Prävention eines Gefäßspasmus<br />

durch intraarterielle Gabe von Kalziumantagonisten<br />

und Nitraten wirken wir möglichen<br />

Komplikationen frühzeitig entgegen. Durch<br />

Verwendung dünner 5 und 6 French Schleusen<br />

(1,7 - 2,0 mm) und kurze Untersuchungszeiten<br />

halten wir die Inzidenz an Gefäßverschlüssen<br />

bei uns auf niedrigem Niveau. Die Untersuchungstechnik<br />

wird nur bei Patienten mit<br />

unauffälligem Allen-Test durchgeführt, vor<br />

Entlassung wird die regelrechte Durchblutung<br />

der Arteria radialis dopplersonographisch überprüft.<br />

Dieses Vorgehen hat sich für Patienten,<br />

die stationär oder ambulant bei uns mittels<br />

Herzkatheter untersucht werden, gleichermaßen<br />

bewährt.<br />

Literatur:<br />

Radner S. Thoracal aortography by catheterization from<br />

the radial artery; preliminary report of a new technique.<br />

Acta Radiol. 1948; 40:156-158.<br />

Sones FM Jr, Shirey EK, Proudfit WL, Westcott RN. Conecoronary<br />

Arteriography. Circulation 1959; 20:773-774.<br />

Gruntzig AR, Senning A, Siegenthaler WE. Nonoperative<br />

dilatation of coronary-artery stenosis: percutaneous<br />

transluminal coronary angioplasty. N Engl J Med 1979;<br />

301:61-68.<br />

Jolly SS, Amlani S, Hamon M, et al. Radial versus femoral<br />

access for coronary angiographyor intervention and the<br />

impact on major bleeding and ischemic events: a systematic<br />

review and meta-analysis of randomized trials. Am<br />

Heart J 2009; 157:132-140.<br />

Popma JJ, Satler LF, Pichard AD, et al. Vascular complications<br />

after balloon and new device angioplasty. Circulation<br />

1993; 88: 1569-1578.<br />

Rao SV, O'Grady K, Pieper KS et al. Impact of bleeding<br />

severity on clinical outcomes among patients with acute<br />

coronary syndromes. Am J Cardiol 2005; 96: 1200-1269.<br />

Hetherington SL, Adam Z, Morley R, et al. Primary percutaneous<br />

coronary intervention for acute ST-segment elevation<br />

myocardial infarction: changing patterns of vascular<br />

access, radial versus femoral artery. Heart 2009;<br />

95:1612-1618.<br />

Stella PR, Kiemeneij F, Laarman GJ, et al. Icidence and<br />

outcome of radial artery occlusion following transradial<br />

artery coronary angioplasty. Cathet. Cardiovasc. Diagn.<br />

1997; 40:156-158.<br />

Korrespondierender Autor:<br />

Priv.-Doz. Dr. Hannes Reuter<br />

Klinik III für Innere Medizin<br />

<strong>Herzzentrum</strong> der Universität zu Köln<br />

Tel.: 0221 478 32410 oder 32401<br />

Fax: 0221 478 32400<br />

40


TAKAYASU – ARTERIITIS<br />

TAKAYASU – ARTERIITIS<br />

– Dilek Yüksel,<br />

Priv.-Doz. Dr. med. Stephan Rosenkranz,<br />

Priv.-Doz. Dr. med. Carsten Zobel –<br />

Frau N., eine 74-jährige Patientin, wurde im<br />

Rahmen eines nicht transmuralen Myokardinfarktes<br />

zur Koronarangiographie in das<br />

<strong>Herzzentrum</strong> verlegt. In einem auswärtigen<br />

Krankenhaus hatte sie sich wegen eines Druckgefühls<br />

über der Brust und wegen Herzrasens<br />

vorgestellt. Im Verlauf wurde dort ein Anstieg<br />

der Herzenzyme beobachtet (Troponin T, CK<br />

und CK-MB), sodass die Indikation zur Herzkatheteruntersuchung<br />

gestellt wurde. Im<br />

EKG zeigte sich ein Sinusrhythmus mit einer<br />

Frequenz von 70/min. Es zeigten sich keine<br />

Erregungsrückbildungsstörungen. Bei Aufnahme<br />

in unsere Klinik bestanden die thorakalen<br />

Beschwerden nicht mehr. Die Patientin<br />

berichtet jedoch über Allgemeinsymptome wie<br />

Unwohlsein und Schmerzen in den Extremitäten.<br />

Im Labor zeigten sich eine leichte Erhöhung der<br />

Herzenzyme sowie eine diskrete Anämie.<br />

Wir führten eine Herzkatheteruntersuchung<br />

durch. Dabei konnten eine koronare Makroangiopathie<br />

sowie eine Einschränkung der<br />

linksventrikulären Pumpfunktion ausgeschlossen<br />

werden. Es zeigte sich eine (vorbekannte) ca.<br />

60%-ige Stenose der Aorta abdominalis in<br />

Höhe des Truncus coeliacus. Als Überraschungsbefund<br />

wurde ein Gefäß dargestellt, welches<br />

proximal aus der linken Koronararterie<br />

entsprang und dann in Richtung des rechten<br />

Vorhofs und A. Pulmonalis verlief.<br />

Zur genaueren Beurteilung dieses Überraschungsbefundes<br />

wurde eine CT-Koronarangiographie<br />

durchgeführt. Hier konnte nachgewiesen<br />

werden, dass das atypische Gefäß aus<br />

dem Hautstamm der linken Koronararterie in<br />

den Bereich eines alten Verschlusses des rechten<br />

A. Pulmonalis inseriert. In der Vorgeschichte<br />

unserer Patientin sind eine Takayasu-<br />

Arteriitis mit einer Stenose der Aorta abdominalis,<br />

Verschluss der rechten Pulmonalarterie<br />

und eine Karotisstenose mit Carotisdesobliteration<br />

1985 bekannt.<br />

Die Takayasu-Arteriitis ist eine entzündliche und<br />

stenosierende Erkrankung der mittelgroßen<br />

und großen Arterien. Prädilektionsstellen sind<br />

der Aortenbogen sowie seine Äste, daher wird<br />

die Erkrankung auch oft als die entzündliche<br />

Form des Aortenbogensyndroms bezeichnet.<br />

Betroffen sind meist jüngere Frauen, die<br />

Inzidenz beträgt ca. 1,2-2,6/1.000.000. Die<br />

Erkrankung tritt vermehrt in Asien auf, jedoch<br />

ist keine strenge geographische Zuordnung<br />

möglich. Die Erkrankung betrifft meist den<br />

Aortenbogen und seine Äste (eher proximal als<br />

distal), sowie gelegentlich auch die Pulmonalarterie.<br />

Die Ursache dieser Vaskulitis ist noch<br />

weitgehend unklar. Die entzündliche Reaktion<br />

zeichnet sich durch Zellinfiltration (Monozyten,<br />

Riesenzellen), Proliferation und Fibrosierung<br />

der Intima, Vaskularisierung der Media sowie<br />

Degeneration der elastischen Lamina aus. Es<br />

kommt zu einer Verengung der betroffenen<br />

Gefäße, zum Teil auch mit einer Thrombosierung<br />

einhergehend.<br />

Die allgemeinen Symptome wie Unwohlsein,<br />

Fieber, Nachtschweiß, Arthralgien, Gewichtsverlust<br />

können Monate vor den vaskulären<br />

Symptomen auftreten. Fehlender Puls sowie<br />

Organischämien sind später auftretende Symptome.<br />

Es kann zu einer Blutdruckdifferenz der<br />

Extremitäten kommen. Je nach betroffener<br />

Gefäßregion können sich Komplikationen wie<br />

Myokardinfarkt, arterielle Hypertonie, pulmonale<br />

Hypertonie oder zerebrale Symptomatik<br />

ergeben. Laborchemisch zeigen sich lediglich<br />

eine Erhöhung der BSG, eine diskrete Anämie<br />

und eine Leukozytose. An eine Takayasu Arteriitis<br />

sollte insbesondere bei jungen Frauen mit<br />

Diskrepanzen in Blutdruckwerten oder fehlen-<br />

LCA<br />

41


TAKAYASU – ARTERIITIS<br />

den Pulsen gedacht werden. Mittel der Wahl<br />

zur Diagnostik ist die Aortographie. Veränderungen<br />

der Gefäßwände wie Stenosierungen,<br />

aneurysmatische Veränderungen sowie Kollateralisierungen<br />

weisen auf eine Takayasu-<br />

Arteriitis hin. Es sollte eine Darstellung der<br />

kompletten Aorta erfolgen. Histopathologisch<br />

zeigt sich eine Entzündungsreaktion in den<br />

Gefäßen.<br />

Auch bei unserer Patientin liegt eine Takayasu-<br />

Arteriitis mit Stenosierungen in der Aorta und<br />

den davon abgehenden Gefäßen vor. Die<br />

Patientin hat jedoch auch eine Mitbeteiligung<br />

der Pulmonalarterie mit Kollateralbildung über<br />

ein Gefäß, welches von der linken Koronararterie<br />

entspringt und in den Bereich des alt<br />

verschlossenen rechten Pulmonalishauptstammes<br />

inseriert. Zudem hat die Patientin am ehesten<br />

im Rahmen des Pulmonalisverschlusses eine<br />

pulmonale Hypertonie mit einem maximalen<br />

Druckgradienten von 41 mmHg über der<br />

Trikuspidalklappe. In der Rechtsherzkatheteruntersuchung<br />

ist in der Pulmonalarterie ein<br />

Mitteldruck von 31 mmHg zu messen. Der<br />

transpulmonale Gradient beträgt 19 mmHg,<br />

der pulmonal venöse Widerstand 5 WE bei<br />

einem Herzzeitvolumen von 3,8 l/min und<br />

Cardiac Index von 2,5 l/min/m 2 .<br />

Die Therapie besteht aus einer entzündungshemmenden<br />

und / oder immunsuppressiven<br />

Therapie. Mittel der Wahl sind Glukokortikoide<br />

(z.B. 40-60 mg Prednisolon/Tag). In Kombination<br />

mit einer Angioplastie von Stenosen kann<br />

die Prognose verbessert werden. Durch PTCA<br />

sowie Stenting einer isolierten Pulmonalstenose<br />

konnte in einigen Fällen ein erhöhter<br />

Lungendruck effektiv gesenkt werden 2,3<br />

Der Verschluss des rechten Pulmonalishauptstammes<br />

unserer Patientin ist alt (wahrscheinlich<br />

seit 1985), daher haben wir uns gegen den<br />

Versuch einer interventionellen oder operativen<br />

Wiedereröffnung des Gefäßes entschieden. Die<br />

Patientin wird zurzeit mit einem Glukokortikoid<br />

therapiert (Prednisolon 5 mg Erhaltungsdosis).<br />

Zudem erhält Frau N. zur Therapie ihrer<br />

pulmonalen Hypertonie den Endothelinrezeptor<br />

Antagonisten Bosentan in einer Dosierung<br />

von zweimal täglich 125 mg.<br />

Literatur<br />

1. Harrison's Principles of Internal Medicine; 2008;<br />

Mcgraw Hill Professional; 17th Revised Edition<br />

2. Qin L, Hong-Liang Z, Zhi-Hong L, Chang-Ming X,<br />

Xin-Hai N. Percutaneous transluminal angioplasty and<br />

stenting for pulmonary stenosis due to Takayasu's<br />

arteritis: clinical outcome and four-year follow-up. Clin<br />

Cardiol. 2009 Nov;32(11):639-43.<br />

3. Li D, Ma S, Li G, Chen J, Tang B, Zhang X, Yang D,<br />

Yang Y. Endovascular stent implantation for isolated<br />

pulmonary arterial stenosis caused by Takayasu's<br />

arteritis. Clin Res Cardiol. 2010 Sep;99(9):573-5. Epub<br />

2010 Apr 20.<br />

Korrespondierender Autor:<br />

Priv.-Doz. Dr. med. Carsten Zobel<br />

Klinik III für Innere Medizin<br />

<strong>Herzzentrum</strong> der Universität zu Köln<br />

Kerpener Straße 62<br />

50937 Köln<br />

Tel.: 0221 47832401<br />

Email: carsten.zobel@uk-koeln.de<br />

42


BETRUNKENE KALIUM-KANÄLE<br />

Betrunkene Kalium-Kanäle<br />

– Amir M. Nia, Priv.-Doz. Dr. Natig Gassanov,<br />

Univ.-Prof. Dr. Erland Erdmann,<br />

Priv.-Doz. Dr. med. Fikret Er<br />

Klinik III für Innere Medizin,<br />

Klinikum der Universität zu Köln –<br />

Hintergrund<br />

Die elektrische Herzaktivität ist Grundvoraussetzung<br />

für die Pumpfunktion des Herzens.<br />

Störungen in der elektrischen Aktivität können<br />

zu Rhythmusstörungen oder gar zum plötzlichen<br />

Herztod führen. Einige dieser Störungen<br />

bilden sich im EKG ab. Hierzu gehört das lange<br />

QT-Syndrom (LQT), das entweder erworben<br />

(z.B. medikamentös) oder angeboren (z.B.<br />

genetische Ionenkanalerkrankungen) sein<br />

kann. Zu einer Verlängerung der QT-Zeit<br />

kommt es, weil erworben oder angeboren eine<br />

fehlerhafte Funktion kardialer Ionenkanäle<br />

vorliegt. Der HERG (human ether-a-go-go related<br />

gene) Kaliumkanal ist einer der für die QT-Zeit<br />

wichtigen Ionenkanäle. Die medikamentöse<br />

Blockade oder Fehlfunktion kann über eine<br />

abnorme Verlängerung der Repolarisation zu<br />

gefährlichen Herzrhythmusstörungen führen.<br />

Fallvorstellung<br />

Eine 42-jährige Frau (BP 102/68 mmHg, HF 105<br />

Schläge/min) wurde mit Palpitationen und<br />

einer Präsynkope in unsere Klinik überwiesen.<br />

Sie war stark dehydriert, die Schleimhäute<br />

waren ausgetrocknet, Hautfalten standen.<br />

Anamnestisch waren bei ihr außer einer jahrelangen<br />

Alkoholkrankheit und konsekutiven<br />

Depressionen keinerlei andere Erkrankungen<br />

bekannt. Sie nahm keine Medikamente ein, insbesondere<br />

keine Psychopharmaka. Bedingt<br />

durch ihren Arbeitsplatzverlust vor wenigen<br />

Wochen, hatte ihr Alkoholkonsum zugenommen<br />

(nach eigenen Angaben 2-3l Wein und 2-3l Bier<br />

täglich). Die Zufuhr fester Nahrung wurde fast<br />

gänzlich vernachlässigt. Das unmittelbar abgeleitet<br />

12-Kanal-EKG zeigte eine verlängerte,<br />

mit Hilfe der Bazett Formel korrigierte QT-Zeit<br />

(QTc) von weit über 500 ms (normal unter 450<br />

ms). Damit lag ein potentiell lebensgefährliches,<br />

symptomatisches LQT-Syndrom vor.<br />

Laborchemisch auffallend war eine starke<br />

Hypokaliämie (K+ 2,2 mmol/L, Normalwerte<br />

3,6-4,9 mmol/L) mit weiteren ausgeprägten<br />

Alkohol-assoziierten laborchemischen Veränderungen.<br />

Zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme<br />

war kein Alkohol im Blut nachweisbar.<br />

Die Patientin wurde stationär überwacht, das<br />

fehlende Kalium wurde substituiert, Flüssigkeit<br />

verabreicht, und es wurde mit dem Kostaufbau<br />

begonnen. Die Palpitationen nahmen von Tag<br />

zu Tag ab, ebenso stieg der K+ Spiegel im Blut<br />

unter K+ Gabe langsam an. Erst nach 5 Tagen<br />

des stationären Aufenthaltes normalisierten<br />

sich die klinische Symptomatik und der Kaliumspiegel<br />

im Serum. Einen Monat nach Entlassung<br />

war die Patientin bei einer erneuten Kontrolle<br />

klinisch beschwerdefrei ohne kardiale Symptomatik<br />

bei stabilen Serum K+ Werten und<br />

normaler QT-Zeit.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Die Betrachtung der K+-Spiegel und der QTc<br />

über 5 Tage zeigt (Abbildung), dass in dem<br />

hier vorliegend Fall eine inverse Beziehung<br />

zwischen dem Serum-Kalium und der QT-Dauer<br />

festzustellen ist. Es ist denkbar, dass die starke<br />

Hypokaliämie aufgrund der übermäßigen<br />

Alkoholzufuhr und der konsekutiven Dehydratation<br />

den wichtigen Kalium-Kanal (HERG)<br />

klinisch relevant inhibiert haben könnte, was<br />

zu der gestörten Repolarisation führte. Dieser<br />

einzigartige Fall zeigt, dass ein isoliertes Hypokaliämie-induziertes<br />

LQT-Syndrom kein Epiphänomen<br />

darstellt. Vor allem bei Patienten<br />

mit chronischer Alkoholkrankheit oder Anorexia<br />

nervosa sollte diese wichtige Differenzialdiagnose<br />

eines erworbenen LQT-Syndroms<br />

beachtet werden.<br />

Referenzen<br />

1. Nia AM, Gassanov N, Ortega M, Er F: Drunk potassium<br />

channels. Europace 2011; April 6.<br />

2. Nia AM, Fuhr U, Gassanov N, Erdmann E, Er F: Torsades<br />

de pointes tachycardia induced by common cold<br />

compound medication containing chlorpheniramine.<br />

Eur J Clin Pharmacol 2010; 66:1173-5.<br />

Abbildung 1:<br />

Kontinuierliche Messung der QTc Zeit über 5 Tage<br />

während der Kaliumgabe zeigen inverse Korrelation<br />

auf; exemplarische Darstellungen des Oberflächen-EKGs<br />

zeigen die verlängerte QTc Zeit bei Aufnahme (links) und<br />

bei Entlassung aus der Klinik (rechts)<br />

Korrespondierender Autor:<br />

Priv.-Doz. Dr. med. Fikret Er<br />

(fikret.er@uk-koeln.de)<br />

Klinik III für Innere Medizin,<br />

Klinikum der Universität zu Köln<br />

Kerpener Straße 62<br />

50937 Köln<br />

Telefon: 0221 - 478 32 544<br />

Fax: 0221 - 478 32 712<br />

www.cardiovascular-research.org<br />

43


NEUE DOPPLER-ECHOKARDIOGRAPHISCHE METHODE<br />

Neue Doppler-echokardiographische<br />

Methode zur Feststellung eines<br />

Lungenhochdrucks<br />

– Priv.-Doz. Dr. med. Fikret Er,<br />

Priv.-Doz. Dr. Natig Gassanov, Amir M. Nia,<br />

Kristina Dahlem, Stefan Ederer,<br />

Evren Caglayan,<br />

Univ.-Prof. Dr. Erland Erdmann<br />

Klinik III für Innere Medizin,<br />

Klinikum der Universität zu Köln –<br />

Hintergrund<br />

Der Lungenhochdruck (pulmonale Hypertonie<br />

(PH)) ist mit einer hohen Morbidität und Mortalität<br />

verbunden. Eine rechtzeitige Diagnose<br />

und entsprechende Behandlung könnte den<br />

Krankheitsverlauf günstig beeinflussen. Eine<br />

PH liegt vor, wenn der pulmonalarterielle<br />

Mitteldruck (PAPm) in der invasiven Messung<br />

> 25 mmHg beträgt. Die Rechtsherzkatheteruntersuchung<br />

(RHK) zur Bestimmung des PAPm<br />

ist aufwendig, für den Patienten belastend und<br />

ist daher nicht als Screeningmethode geeignet.<br />

Eine echokardiographische Einschätzung der<br />

pulmonalen Druckverhältnisse erscheint sinnvoll.<br />

Allerdings ist die Wertigkeit der Dopplerechokardiographischen<br />

(DE) Bestimmung der<br />

systolischen PAP-Werte (PAPs) in Frage gestellt<br />

worden.<br />

In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht,<br />

ob die DE Bestimmung des PAPm die invasiven<br />

Druckverhältnisse besser wiedergibt als es mit<br />

PAPs der Fall ist.<br />

Methoden<br />

Bei 164 Patienten wurden die invasiven RHK-<br />

Messwerte mit denen der DE korreliert.<br />

Anschließend wurde der hierbei ermittelte<br />

Grenz-Wert für PAPm in der DE in einer unabhängigen<br />

Kohorte von 50 Patienten mit dem<br />

Verdacht auf eine chronisch-thromboembolische<br />

PH (CTEPH) validiert.<br />

Ergebnisse<br />

Die in der DE gemessenen PAPm Werte korrelierten<br />

stärker (r=0,93) mit den invasiven Messungen<br />

als es mit der Bestimmung des PAPs der<br />

Fall war (r=0,81) (Abbildung 1). Bland-Altmann-<br />

Analysen zeigten, dass die PAPm-Werte aus der<br />

DE weitaus geringer von den tatsächlichen<br />

invasiven Drücken abwichen als die PAPs-Werte<br />

(Abbildung 2). Ein PAPm cut-off Wert von<br />

25,5 mmHg in der DE wurde als geeignet für<br />

die Diagnose einer PH identifiziert. In der unabhängigen<br />

Validierungskohorte zeigte sich, dass<br />

ein PAPm > 25,5 mmHg in der DE tatsächlich die<br />

Diagnose einer PH mit einer Sicherheit von<br />

98%, einer Sensitivität von ebenfalls 98% und<br />

bei einer hervorragenden Spezifität von 100%<br />

detektiert.<br />

Fazit<br />

Der in der DE ermittelte PAPm korreliert im<br />

Vergleich zum PAPs besser mit den invasiven<br />

Druckverhältnissen. Ein PAPm > 25,5 mmHg ist<br />

möglicherweise geeignet, eine PH festzustellen.<br />

Literatur:<br />

Er F, Ederer S, Nia AM, Caglayan E, Dahlem KM, Semmo<br />

N, Gassanov N: Accuracy of Doppler-echocardiographic<br />

mean pulmonary artery pressure for diagnosis of pulmonary<br />

hypertension. PLoS One 2010; 5: e15670<br />

Korrespondierender Autor:<br />

Priv.-Doz. Dr. med. Fikret Er<br />

(fikret.er@uk-koeln.de)<br />

Klinik III für Innere Medizin,<br />

Klinikum der Universität zu Köln<br />

Kerpener Straße 62<br />

50937 Köln<br />

Telefon: 0221 - 478 32 544<br />

Fax: 0221 - 478 32 712<br />

www.cardiovascular-research.org<br />

Abbildung 1:<br />

Im Vergleich zur DE Bestimmung des PAPs (A) korreliert<br />

der PAPm (B) besser mit den tatsächlich in der RHK-<br />

Untersuchung festgestellten Drücken.<br />

Abbildung 2:<br />

Die Bland-Altmann-Analysen zeigen, dass im Vergleich<br />

zum echokardiographisch ermittelten PAPs (A) die PAPm-<br />

Werte (B) geringere Abweichungen von den tatsächlichen<br />

Druckverhältnissen in den Lungenarterien zeigen.<br />

45


WEM NUTZT DIE CHELAT-THERAPIE?<br />

Wem nutzt die Chelat-Therapie?<br />

– Kristina Dahlem, Esther Biesenbach,<br />

Priv.-Doz. Dr. Natig Gassanov,<br />

Univ.-Prof. Dr. Erland Erdmann,<br />

Priv.-Doz. Dr. med. Fikret Er<br />

Klinik III für Innere Medizin,<br />

Klinikum der Universität zu Köln –<br />

Die Therapie mit Chelatbildnern wird von<br />

Anhängern der alternativen, also ungesicherten<br />

Medizin als eine Option zur Behandlung von<br />

kardiovaskulären Erkrankungen, wie der koronaren<br />

Herzkrankheit (KHK) und der peripheren<br />

arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) angewendet.<br />

Sie umfasst die wiederholte intravenöse<br />

Applikation von Ethylendiamintetraessigsäure<br />

(EDTA), welche häufig mit der Gabe von Vitaminen<br />

und Spurenelementen kombiniert wird.<br />

Meist werden etwa 30 Infusionen mit jeweils<br />

50 mg EDTA/kg Körpergewicht über einen Zeitraum<br />

von mehreren Wochen durchgeführt 1,2 .<br />

Die Kosten für eine Therapie mit Chelatoren<br />

werden nicht von der Krankenkasse übernommen<br />

und belaufen sich auf mehrere tausend<br />

Euro 1,3 .<br />

Kurz: „Eine Chelat-Kur kann sich auf mehrere<br />

tausend Euro belaufen, die der Patient selbst<br />

zahlen muss.“<br />

Der vermutete protektive Effekt einer Therapie<br />

mit Chelatbildnern beruht auf einem längst<br />

überholten Verständnis der Atheroskleroseentstehung<br />

und der Theorie, dass atherosklerotische<br />

Plaques durch die Bindung von Kalzium<br />

aufgelöst und Stenosen reduziert werden<br />

könnten 4,5 .<br />

Kurz: „Chelatbildner sollen das Kalzium aus<br />

den Verkalkungen entfernen und dadurch<br />

Gefäßverkalkungen sogar rückgängig machen.“<br />

Insbesondere in den 1960’er Jahren wurden<br />

„Studien“ veröffentlicht, die eine subjektive<br />

symptomatische Verbesserung bei Patienten<br />

mit KHK durch eine Therapie mit Chelatoren<br />

zeigten. Bei diesen scheinbar vielversprechenden<br />

Ergebnissen handelte es sich jedoch mehrheitlich<br />

um einzelne Fallberichte und Ergebnisse<br />

aus nicht-kontrollierten, nicht-randomisierten<br />

Studien mit zumeist geringen Fallzahlen 3 .<br />

Im Jahre 2002 haben Knudtson et al. erstmalig<br />

in einer doppelblinden, randomisierten,<br />

Placebo-kontrollierten Studie gezeigt, dass<br />

eine Therapie mit Chelatbildnern bei Patienten<br />

mit ischämischer Herzkrankheit keinen positiven<br />

Effekt zur Folge hat 6 . Jeweils 39 Patienten<br />

in der Kontrollgruppe sowie im Interventionsarm<br />

vollendeten ein Follow-up Protokoll von<br />

27 Wochen. Es zeigte sich kein signifikanter<br />

Unterschied zwischen den beiden Gruppen im<br />

Hinblick auf die körperliche Leistungsfähigkeit,<br />

die Lebensqualität und auf die in der Ergometrie<br />

gemessene Zeit bis zum Auftreten von<br />

ischämischen Veränderungen im EKG.<br />

Kurz: „Chelatbildner zeigen keine Besserung<br />

der Beschwerden von Patienten mit koronarer<br />

Herzkrankheit.“<br />

Anderson et al. konnten 2003 in einer Subanalyse<br />

der PATCH Studie (Program to Assess<br />

Alternative Treatment Strategies to Achieve<br />

Cardiac Health) 53 Patienten einschließen und<br />

demonstrieren, dass eine Therapie mit EDTA<br />

bei Patienten mit KHK keinen positiven Effekt<br />

auf die Endothel-abhängige vasomotorische<br />

Funktion zeigt 7 . Somit wurde bewiesen, dass<br />

EDTA keine antioxidativen protektiven Eigenschaften<br />

besitzt und keinen Einfluss auf die<br />

endotheliale Dysfunktion nimmt, die in der<br />

Pathogenese der Atherosklerose eine bedeutende<br />

Rolle spielt.<br />

Zwei große systematische Übersichtsarbeiten<br />

haben den Effekt einer Therapie mit EDTA<br />

bei Patienten mit einer pAVK evaluiert. Die<br />

Auswertung der randomisierten, Placebokontrollierten<br />

Studien zeigt eindeutig, dass es<br />

keine Evidenz für den Einsatz einer Therapie<br />

mit Chelatoren in diesem Patientenkollektiv<br />

gibt. Es konnte kein signifikanter Unterschied<br />

in der maximalen Gehstrecke oder der Schmerzfreiheit<br />

nachgewiesen werden 5,8 .<br />

Kurz: „Die Chelat-Therapie bringt keine<br />

Vorteile bei Patienten mit peripherer Verschlusskrankheit.“<br />

Im Jahre 1994 konnten Van Rij et al. beispielsweise<br />

32 Patienten mit pAVK in eine doppelblinde,<br />

randomisierte, Placebo-kontrollierte<br />

Studie einschließen. Es zeigte sich kein signifikanter<br />

Unterschied zwischen der Interventionsund<br />

der Placebogruppe in Bezug auf die<br />

subjektiv geschätzte oder die objektiv gemessene<br />

maximale Wegstrecke, noch auf den<br />

Knöchel-Arm-Index 9 .<br />

Auch Guldager et al. fanden in einer<br />

doppelblinden, randomisierten, multizentrischen<br />

Studie mit insgesamt 153 Patienten nach<br />

einem Follow-up von 6 Monaten keine<br />

positiven Effekte nach einer Therapie mit<br />

EDTA. Die untersuchten Endpunkte waren<br />

hier die subjektiv empfundene Schmerzfreiheit,<br />

die maximale Gehstrecke und der Knöchel-<br />

Arm-Index 10 .<br />

Aufgrund aller dieser Ergebnisse spricht sich<br />

auch die American Heart Association ausdrücklich<br />

gegen eine Therapie mit Chelatoren bei<br />

Patienten mit pAVK aus 4 .<br />

Neben fehlender wissenschaftlicher Evidenz,<br />

birgt die Therapie mit Chelatoren zudem<br />

das Risiko für ernste Komplikationen. Beschrieben<br />

wurden unter anderem lebensbedrohliche<br />

Hypokalzämien, Herzrhythmusstörungen,<br />

schwere Nierenschädigungen, Knochenmarksschäden,<br />

allergische Reaktionen, sowie ein<br />

erhöhtes Risiko für Blutungen und thromboembolische<br />

Komplikationen 1,4 .<br />

47


WEM NUTZT DIE CHELAT-THERAPIE?<br />

Fazit:<br />

In der Überschrift dieses Artikels heißt es<br />

bewusst nicht „was“ sondern „wem“ nutzt die<br />

Chelat-Therapie? Aus wissenschaftlichen Gründen<br />

kann von einer Therapie mit Chelatoren<br />

bei kardiovaskulären Erkrankungen eindeutig<br />

nur abgeraten werden. Neben hohen Kosten<br />

und fehlendem Nachweis für einen medizinischen<br />

Nutzen, birgt diese Therapie das Risiko<br />

schwerer Komplikationen. Außerdem besteht<br />

stets die Gefahr, andere, evidenzbasierte<br />

Behandlungsmöglichkeiten zugunsten einer<br />

solchen unwirksamen „Therapie“ zu vernachlässigen.<br />

Dies ist grundsätzlich das Problem<br />

einer vermeintlich „alternativen Therapie“.<br />

Literaturhinweise<br />

1. Schnabel P, Erdmann E. [Is chelation therapy in coronary<br />

heart disease useful?]. Dtsch Med Wochenschr.<br />

Aug 16 2002;127(33):1715.<br />

2. Seely DM, Wu P, Mills EJ. EDTA chelation therapy<br />

for cardiovascular disease: a systematic review. BMC<br />

Cardiovasc Disord. 2005;5:32.<br />

3. Ernst E. Chelation therapy for coronary heart disease:<br />

An overview of all clinical investigations. Am Heart J.<br />

Jul 2000;140(1):139-141.<br />

4. Hirsch AT, Haskal ZJ, Hertzer NR, et al. ACC/AHA 2005<br />

Practice Guidelines for the management of patients<br />

with peripheral arterial disease (lower extremity,<br />

renal, mesenteric, and abdominal aortic): a collaborative<br />

report from the American Association for<br />

Vascular Surgery/Society for Vascular Surgery, Society<br />

for Cardiovascular Angiography and Interventions,<br />

Society for Vascular Medicine and Biology, Society of<br />

Interventional Radiology, and the ACC/AHA Task<br />

Force on Practice Guidelines (Writing Committee to<br />

Develop Guidelines for the Management of Patients<br />

With Peripheral Arterial Disease): endorsed by the<br />

American Association of Cardiovascular and Pulmonary<br />

Rehabilitation; National Heart, Lung, and Blood<br />

Institute; Society for Vascular Nursing; TransAtlantic<br />

Inter-Society Consensus; and Vascular Disease Foundation.<br />

Circulation. Mar 21 2006;113(11):e463-654.<br />

5. Ernst E. Chelation therapy for peripheral arterial<br />

occlusive disease: a systematic review. Circulation.<br />

Aug 5 1997;96(3):1031-1033.<br />

6. Knudtson ML, Wyse DG, Galbraith PD, et al. Chelation<br />

therapy for ischemic heart disease: a randomized<br />

controlled trial. JAMA. Jan 23-30<br />

2002;287(4):481-486.<br />

7. Anderson TJ, Hubacek J, Wyse DG, Knudtson ML.<br />

Effect of chelation therapy on endothelial function<br />

in patients with coronary artery disease: PATCH substudy.<br />

J Am Coll Cardiol. Feb 5 2003;41(3):420-425.<br />

8. Villarruz MV, Dans A, Tan F. Chelation therapy for<br />

atherosclerotic cardiovascular disease. Cochrane<br />

Database Syst Rev. 2002(4):CD002785.<br />

9. van Rij AM, Solomon C, Packer SG, Hopkins WG. Chelation<br />

therapy for intermittent claudication. A double-blind,<br />

randomized, controlled trial. Circulation.<br />

Sep 1994;90(3):1194-1199.<br />

10. Guldager B, Jelnes R, Jorgensen SJ, et al. EDTA treatment<br />

of intermittent claudication--a double-blind,<br />

placebo-controlled study. J Intern Med. Mar<br />

1992;231(3):261-267.<br />

Korrespondierender Autor:<br />

Priv.-Doz. Dr. med. Fikret Er<br />

(fikret.er@uk-koeln.de)<br />

Klinik III für Innere Medizin,<br />

Klinikum der Universität zu Köln<br />

Kerpener Straße 62<br />

50937 Köln<br />

Telefon: 0221 - 478 32 544<br />

Fax: 0221 - 478 32 712<br />

www.cardiovascular-research.org<br />

48


MILDE THERAPEUTISCHE HYPOTHERMIE ZUR THERAPIE DES KARDIOGENEN SCHOCKS<br />

Milde therapeutische Hypothermie<br />

zur Therapie des kardiogenen Schocks<br />

– Priv.-Doz. Dr. med. Carsten Zobel,<br />

Christoph Adler,<br />

Priv.-Doz. Dr. Hannes Reuter –<br />

Die induzierte milde Hypothermie (Absenkung<br />

der Körperkerntemperatur auf 32-34°C für mindestens<br />

12-24 Stunden) wird heute auf dem<br />

Boden zweier prospektiver randomisierter Studien<br />

zur Neuroprotektion komatöser Patienten<br />

nach kardiopulmonaler Reanimation wegen<br />

Kammerflimmerns 1,2 empfohlen. Möglicherweise<br />

ist milde Hypothermie auch nach Reanimation<br />

im Krankenhaus 1 oder bei Asystolie 2,3<br />

vorteilhaft. Daten aus der klinischen Praxis<br />

scheinen die Ergebnisse der randomisierten<br />

Studien zu bestätigen, es konnte ein neuroprotektiver<br />

Effekt (OR 2,5) und ein Überlebensvorteil<br />

(OR 2,5) belegt werden 4 . Die ILCOR-<br />

Leitlinie zur kardiopulmonalen Wiederbelebung<br />

und kardiovaskulären Notfallmedizin sieht<br />

folgende Indikationen:<br />

• Komatöse erwachsene Patienten mit wiederhergestellter<br />

spontaner Zirkulation nach einem<br />

Herzstillstand infolge Kammerflimmerns außerhalb<br />

des Krankenhauses sollten für 12 - 24<br />

Stunden auf 32 - 34 °C gekühlt werden (Empfehlungsgrad<br />

IIa).<br />

• In ähnlicher Weise könnten Patienten nach<br />

einem Herzstillstand außerhalb des Krankenhauses<br />

infolge einer anderen Ursache als Kammerflimmern<br />

oder nach einem Herzstillstand<br />

im Krankenhaus von der induzierten milden<br />

Hypthermie profitieren (Empfehlungsgrad IIb).<br />

Die den ILCOR-Empfehlungen zugrunde liegenden<br />

Studien sind mit Patienten durchgeführt<br />

worden, welche nach wiederhergestellter<br />

spontaner Zirkulation hämodynamisch stabil<br />

waren; hämodynamisch instabile Patienten<br />

waren ausgeschlossen worden, da das Auftreten<br />

von Kreislaufinstabilität, Hypotension und<br />

Rhythmusstörungen durch die Hypothermie<br />

befürchtet wurden.<br />

Neuere Ergebnisse weisen jedoch darauf hin,<br />

dass die milde Hypothermie sich in Zukunft<br />

auch als eine Therapieoption im ischämischen<br />

und nicht-ischämischen kardiogenen Schock<br />

etablieren könnte 5 . Mit milder Hypothermie<br />

lässt sich möglicherweise nicht nur eine Neuroprotektion,<br />

sondern auch eine Myokardprotektion<br />

erzielen. In mehreren Untersuchungen mit<br />

kleiner Fallzahl konnte eine direkte Zunahme<br />

der myokardialen Kontraktilität durch milde<br />

Hypothermie nachgewiesen werden 6-8 . In einer<br />

ersten prospektiven Studie an 15 Patienten im<br />

akuten kardiogenen Schock konnte mittels<br />

invasiver Kühlung auf 33°C ein positiver Effekt<br />

auf hämodynamische Parameter (signifikante<br />

Zunahme des Schlagvolumenindex um 29%<br />

und des Herzindex um 21%, Abnahme der<br />

Herzfrequenz um 19%) nachgewiesen werden 9 .<br />

Unter milder Hypothermie kommt es zwar zu<br />

einer verlangsamten Relaxation 10 , dies wird<br />

jedoch in der Regel durch die Abnahme der<br />

Herzfrequenz kompensiert. Relevante kardiale Nebenwirkungen<br />

sind – bei Einhaltung der Zieltemperatur – aus der<br />

Anwendung der milden Hypothermie zur Neuroprotektion<br />

nicht bekannt. Allerdings liegen derzeit noch keine klinischen<br />

Endpunktstudien zum Einsatz von milder Hypothermie<br />

im kardiogenen Schock vor. Die aktuellen Daten<br />

zeigen aber, dass bei Patienten, bei denen milde Hypothermie<br />

nach kardiopulmonaler Reanimation zur Neuroprotektion<br />

eingesetzt wird, zumindest keine nachteiligen<br />

hämodynamischen Auswirkungen zu befürchten sind 11 .<br />

Die befürchteten hämodynamischen und rhythmologischen<br />

Komplikationen der induzierten milden Hypothermie<br />

scheinen sich bei Patienten mit kardiogenem Schock nicht<br />

zu bewahrheiten. Da die induzierte milde Hypothermie<br />

sowohl bei Schock- als auch bei Nicht-Schock-Patienten<br />

nach Herzinfarkt ein vergleichbar günstiges neurologisches<br />

Ergebnis zu erzielen scheint, ist auch bei reanimierten<br />

Patienten mit kardiogenem Schock die milde Hypothermie<br />

in Erwägung zu ziehen. Zusätzlich deutet sich für die<br />

Zukunft eine mögliche Anwendung der therapeutischen<br />

Hypothermie zur Behandlung des kardiogenen Schocks<br />

auch unabhängig von einer Wiederbelebung an 5,12 .<br />

Literaturhinweise<br />

(1) Mild therapeutic hypothermia to improve the neurologic outcome<br />

after cardiac arrest. N Engl J Med 2002 February<br />

21;346(8):549-56.<br />

(2) Bernard SA, Gray TW, Buist MD, Jones BM, Silvester W, Gutteridge<br />

G, Smith K. Treatment of comatose survivors of out-of-hospital<br />

cardiac arrest with induced hypothermia. N Engl J Med 2002<br />

February 21;346(8):557-63.<br />

(3) Hachimi-Idrissi S, Corne L, Ebinger G, Michotte Y, Huyghens L.<br />

Mild hypothermia induced by a helmet device: a clinical feasibility<br />

study. Resuscitation 2001 December;51(3):275-81.<br />

(4) Sagalyn E, Band RA, Gaieski DF, Abella BS. Therapeutic hypothermia<br />

after cardiac arrest in clinical practice: review and compilation<br />

of recent experiences. Crit Care Med 2009 July;37(7<br />

Suppl):S223-S226.<br />

(5) Adler C, Kranz A, Seck C, Pfister R, Kochanek M, Reuter H, Zobel<br />

C. Therapeutische Hypothermie bei kardiogenem Schock. Clin Res<br />

Cardiol 100, Suppl 1, V1226. 2011.<br />

(6) Weisser J, Martin J, Bisping E, Maier LS, Beyersdorf F, Hasenfuss G,<br />

Pieske B. Influence of mild hypothermia on myocardial contractility<br />

and circulatory function. Basic Res Cardiol 2001<br />

April;96(2):198-205.<br />

(7) Jacobshagen C, Pelster T, Pax A, Horn W, Schmidt-Schweda S,<br />

Unsold BW, Seidler T, Wagner S, Hasenfuss G, Maier LS. Effects of<br />

mild hypothermia on hemodynamics in cardiac arrest survivors<br />

and isolated failing human myocardium. Clin Res Cardiol 2010<br />

February 4.<br />

(8) Lewis ME, Al-Khalidi AH, Townend JN, Coote J, Bonser RS. The<br />

effects of hypothermia on human left ventricular contractile<br />

function during cardiac surgery. J Am Coll Cardiol 2002 January<br />

2;39(1):102-8.<br />

(9) Schmidt-Schweda S, Ohler A, Grothe A, Pieske B. Mild hypothermia<br />

in cardiogenic shock (COOL-SHOCK). Eur Heart J 25 (Suppl 1),<br />

653-654. 2010.<br />

(10) Fischer UM, Cox CS, Jr., Laine GA, Mehlhorn U, Allen SJ. Mild<br />

hypothermia impairs left ventricular diastolic but not systolic<br />

function. J Invest Surg 2005 November;18(6):291-6.<br />

(11) Hovdenes J, Laake JH, Aaberge L, Haugaa H, Bugge JF. Therapeutic<br />

hypothermia after out-of-hospital cardiac arrest: experiences<br />

with patients treated with percutaneous coronary intervention<br />

and cardiogenic shock. Acta Anaesthesiol Scand 2007 February;51(2):137-42.<br />

(12) S3 Leitlinie Infarktbedingter kardiogener Schock – Diagnose, Monitoring<br />

und Therapie. http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/<br />

019-013l.pdf. 2011.<br />

Korrespondierender Autor:<br />

Priv.-Doz. Dr. med. Carsten Zobel<br />

Klinik III für Innere Medizin<br />

<strong>Herzzentrum</strong> der Universität zu Köln<br />

Kerpener Straße 62 · 50937 Köln · Tel.: 0221 - 47832401<br />

E-Mail: carsten.zobel@uk-koeln.de<br />

49


Koronare Herzkrankheit<br />

Ivabradin bessert Symptome und Prognose<br />

dank exklusiver Herzfrequenzreduktion<br />

Die Linderung der Symptome ist nicht das einzige<br />

Therapieziel bei Patienten mit stabiler koronarer<br />

Herzkrankheit. Vielmehr geht es auch darum, das<br />

Fortschreiten zu weiteren kardiovaskulären Erkrankungen<br />

zu verlangsamen und die krankheitsbedingte<br />

Mortalität zu senken. Für Ivabradin (Procoralan ® ) ist<br />

dieser Mehrfachnutzen nicht nur in randomisierten<br />

klinischen Studien, sondern auch unter Praxisbedingungen<br />

belegt. Entscheidender Mechanismus des<br />

Antianginosums ist die exklusive Senkung der Herzfrequenz,<br />

eines erst kürzlich identifizierten Risikofaktors<br />

für die Prognose dieser Patienten. Sie sollte<br />

immer gemessen und therapiert werden.<br />

Anders als oftmals angenommen ist die koronare<br />

Herzkrankheit (KHK) und nicht die Hypertonie<br />

Hauptrisikofaktor für eine Herzinsuffizienz. Daher gilt<br />

es bei Patienten mit stabiler KHK das Fortschreiten<br />

zur Herzinsuffizienz zu vermeiden, wie Professor Dr.<br />

Kurt Werdan, Halle, anlässlich eines Symposiums<br />

beim Internistenkongress betonte. Gleiches gilt im<br />

Sinne des Therapieziels Prognoseverbesserung für<br />

Myokardinfarkte und die kardiovaskuläre Mortalität –<br />

wichtige über die Linderung der Angina-pectoris-<br />

Beschwerden und den Erhalt der Belastungsfähigkeit<br />

hinausgehende Therapieziele. Um sie zu erreichen,<br />

ist die Reduktion der für die Myokardischämie<br />

entscheidenden Ruhe-Herzfrequenz wichtig. Das<br />

konnten unter anderem Böhm et al. 1 im Rahmen der<br />

SH/fT-Studie zeigen. In der Placebogruppe stieg das<br />

Risiko für den primären Studienendpunkt aus kardiovaskulärem<br />

Tod und Herzinsuffizienz-bedingten<br />

Krankenhauseinweisungen jenseits von 70 Schlägen<br />

pro Minute (bpm) um 16% je fünf zusätzliche Herzschläge.<br />

Weniger Infarkte und<br />

Revaskularisierungen<br />

Auch in der BEAUT/fUL-Studie an Patienten mit<br />

stabiler KHK, linksventrikulärer Dysfunktion und<br />

erhöhter Herzfrequenz trotz leitliniengerechter<br />

Basistherapie erwies sich der Schwellenwert von<br />

70 bpm als prognostisch bedeutsam. Denn bei<br />

dieser zuvor definierten Subgruppe der Anginapectoris-Patienten<br />

– immerhin etwa die Hälfte der<br />

Studienteilnehmer – konnte die Häufigkeit von<br />

Myokardinfarkten sowie die Notwendigkeit einer<br />

perkutanen koronaren Intervention (PCI) durch Ivabradin<br />

signifikant gesenkt werden 2 . Auch Patienten<br />

mit limitierender Angina pectoris profitieren besonders<br />

3 . Ihre Herzinfarktrate innerhalb von zwei Jahren<br />

ging um 42 bzw. sogar 73% zurück, wenn sie eine<br />

Ruheausgangsfrequenz von >70 bpm hatten. Außerdem<br />

reduzierte Ivabradin signifikant die Rate der<br />

Krankenhauseinweisungen wegen Herzinsuffizienz<br />

und die Notwendigkeit einer Intervention. Ivabradin<br />

hat demnach bei KHK-Patienten eine prognostische<br />

Relevanz, indem es z. B. das Auftreten von Herzinfarkten<br />

reduziert, konstatierte Werdan.<br />

Vorteile bei Kombination mit<br />

Betablockern<br />

Symptomatisch profitieren alle Subgruppen von<br />

einer Therapie mit Ivabradin, wie die Auswertung<br />

von fünf randomisierten Studien an insgesamt 2425<br />

Patienten mit chronischer KHK zeigt 4 : Die Herzfrequenz<br />

sank um 14,5% bzw. circa 10 bpm, die<br />

Zahl der Angina-pectoris-Attacken um 59,4%, der<br />

tägliche Nitratbedarf um 53,7%. Mit Blick auf das<br />

Therapieziel Symptomreduktion müsse also niemand<br />

ausgeschlossen werden, erklärte Werdan, zumal<br />

sich Ivabradin den Betablockern und Calciumantagonisten<br />

nicht unterlegen erwies. Vielmehr ist<br />

der selektive Hemmer des /f-Kanals eine hocheffektive<br />

Option, um den in der Nationalen Versorgungsleitlinie<br />

KHK von 2006 mit 55-60 bpm<br />

definierten Herzfrequenz-Zielkorridor zu erreichen.<br />

Die Kombination mit einem Betablocker ist besonders<br />

wirksam, wie eine Subgruppenanalyse der<br />

multizentrischen, prospektiven, offenen nicht-interventionellen<br />

Studie REDUCTION 5 ergab. Bei jenen<br />

344 der insgesamt 4954 mit Ivabradin behandelten<br />

Patienten, die zusätzlich einen Betablocker bekommen<br />

hatten, ging die Herzfrequenz nach vier<br />

Monaten um 12 bpm zurück. Zudem konnten die<br />

Rate der Angina-pectoris-Attacken pro Woche und<br />

der Nitratbedarf signifikant reduziert werden. Auch<br />

unter Praxisbedingungen wurde die Therapie gut<br />

vertragen. Die Ärzte beurteilten die Effizienz der<br />

Ivabradin-Therapie zu 51,5% als sehr gut und<br />

44,6% als gut. Insgesamt ist es entscheidend<br />

Symptomatik und Prognose dieser Patienten zu verbessern<br />

und dazu liegen für Ivabradin gute Daten<br />

vor.<br />

Symposium „Symptomatik und Prognose verbessern – Angina<br />

pectoris erfolgreich therapieren“, Wiesbaden, 01. 05. 2011<br />

anlässlich des Internistenkongresses, Veranstalter: Servier<br />

–––––––––––––––––––––<br />

1 Böhm M. et al. Lancet 2010; 376: 886-894<br />

2 Fox K. et al. Lancet 2008: 372: 807-816<br />

3 Fox K. et al. Eur Heart J 2009; 30: 2337-2345<br />

4 Tendera M. et al. Cardiology 2009; 114: 116-125<br />

5 Köster R et al. Clin Res Cardiol 2010; 99 (10): 665-672


RÜCKBLICK / ANKÜNDIGUNG<br />

Das Kardiologische Kompetenznetz Köln KKK ist ein 2004 gegründeter gemeinnütziger Verein zur konzertierten<br />

Förderung der Prävention, Früherkennung, Diagnostik und Behandlung von Erkrankungen des Herz- und Kreislaufsystems.<br />

Getragen wird das KKK vom <strong>Herzzentrum</strong> der Uniklinik Köln, der Mehrzahl der Kölner kardiologischen<br />

Praxen, ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen sowie der Deutschen Sporthochschule.<br />

Konkretes Ziel dieses kooperativen Verbundes ist es, im Sinne einer integrierten Patientenbetreuung auf kommunaler<br />

Ebene sektorale Grenzen im Gesundheitssystem zu überwinden, evidente Synergiemöglichkeiten zu nutzen<br />

und im Rahmen eines konsequenten Qualitätsmanagement eine bedarfsgerechte, leitliniennahe Diagnostik und<br />

Therapie sicherzustellen. Unverzichtbare Voraussetzung hierfür ist die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen<br />

den kardiologischen Leistungsanbietern sowie der hausärztlichen Versorgungsebene. Dem zufolge organisiert das<br />

KKK halbjährliche Qualitätszirkel zu relevanten Aspekten der sektorenübergreifenden Versorgung, über die wir Sie<br />

ab jetzt regelmäßig an dieser Stelle informieren wollen.<br />

Thema des 13. Qualitätszirkels war die kardiale Manifestation des Diabetes mellitus. Zunächst erläuterte Dr. Faust,<br />

Leitender Oberarzt der Klinik II für Innere Medizin der Uniklinik Köln, in einem Übersichtsreferat die aktuelle<br />

Strategie der Diabetestherapie. Hierbei standen die bzgl. makrovaskulärer Komplikationen enttäuschenden<br />

Ergebnisse zweier kürzlich im Lancet publizierten Metaanalysen im Fokus. Als mögliche Ursachen der zum Teil nachteiligen<br />

Effekte einer „straffen“ Einstellung werden neben zur Hypoglykämie neigenden Medikamenten auch die<br />

monokulare Orientierung am BZ-/ Hb1C-Wert diskutiert. Da der Typ II Diabetiker bereits früh durch mikro- und<br />

makroangiopathische Komplikationen bedroht ist, sind eher multimodale Strategien zur Minderung aller vorhandenen<br />

Risikofaktoren angezeigt.<br />

Viele Fragen, fundierte Antworten aus dem Panel: v.l.n.r. Prof. Franzen, Dr. Faust,<br />

Dr. Schlochtermeier, PD Dr. Zobel, Dr. Murena-Schmidt, PD Dr. Wippermann<br />

Unter Moderation von Prof. D. Franzen schilderten<br />

in der sich anschließenden roundtable-Diskussion<br />

niedergelassene Kollegen<br />

und Kliniker ihre Sicht der therapeutischen<br />

Problematik. Bezogen auf die Diagnostik verwies<br />

Dr. M. Schlochtermeier, Hausarzt mit diabetologischem<br />

Schwerpunkt in Hürth, auf die<br />

aktuellen Screening- Möglichkeiten: So kann<br />

ab dem 35. Lebensjahr eine von den Krankenkassen<br />

finanzierte Blutuntersuchung auf Blutzucker<br />

und Cholesterin ein sinnvoller Ansatz<br />

sein, bei Risikopatienten eine individuelle<br />

Beratung und ggf. auch einen kompletten<br />

Check up durchzuführen. Eine Umfrage im Auditorium ergab, dass gut 20 % der anwesenden Ärzte auch einen<br />

oralen Glukose-Toleranztest durchführen, um bei entsprechender Risikokonstellation einen präklinischen Diabetes<br />

aufzudecken. Frau Dr. R. Murena-Schmidt, niedergelassene Fachärztin für Angiologie und Phlebologie, thematisierte<br />

die diagnostischen Hürden bei peripherer AVK. Infolge der typischerweise beim Diabetiker anzutreffenden<br />

Mediasklerose seien die einfache Verschlussdruckmessung unergiebig und häufig komplexere Untersuchungen aller<br />

Gefäße erforderlich. Ähnliche Probleme finden sich auch bei der an Typ II Diabetikern regelhaft durchzuführenden<br />

Diagnostik der koronaren Herzerkrankung. Herr PD Dr. Zobel, Oberarzt der Kardiologischen Universitätsklinik, wies<br />

darauf hin, dass hier in vielen Fällen herkömmliche Untersuchungsverfahren unbefriedigend sind und spezielle<br />

Tests wie Stress-Echo, Kernspin – und computertomographische Diagnostik zum Einsatz kommen. Der leitende<br />

Oberarzt der herzchirurgischen Uniklinik, Herr PD Dr. Wippermann, erläuterte einige technische Probleme der Herz-<br />

Bypass-Operation bei Zuckerkranken. Infolge der diffusen und sich oft bis in die Peripherie hinziehenden Plaque-<br />

Durchsetzung meist aller 3 Herzkrankgefäße ist hier besondere Sorgfalt bei der Auswahl der Bypassgefäße und der<br />

Insertionsstelle geboten. In Analogie zu bekannten Wundheilungsstörungen beim diabetischen Fuß sind in der<br />

post-operativen Phase Probleme an der Sternumnaht gefürchtet. Insgesamt besteht im Panel der anwesenden<br />

Spezialisten dahingehend Konsens, dass nur eine enge Zusammenarbeit zwischen Haus- und Facharzt sowie einer<br />

erfahrenen Klinik der komplexen Situation eines Typ II Diabetes gerecht werden kann.<br />

Nächster KKK-Qualitätszirkel<br />

Rückblick 13. Qualitätszirkel 21. Februar 2011<br />

10. Oktober 2011, 19 Uhr<br />

Hörsaal 3, LFI Uniklinik Köln<br />

Thema: Herzinfarkt - und dann?<br />

51


PRESSEINFORMATION<br />

Bislang wenig genutzt:<br />

Zirkadian gesteuerte Hochdrucktherapie<br />

In der Regel werden Antihypertensiva morgens eingenommen. Bislang<br />

unterschätzt ist in diesem Zusammenhang der Einnahmezeitpunkt<br />

eines Medikaments. Aktuelle Studien zeigten, dass die Anpassung<br />

der antihypertensiven Medikation an tagesperiodische Rhythmen<br />

„Chronotherapie” die Blutdruckkontrolle verbessert.<br />

Trotz einer Vielzahl an verfügbaren effektiven Substanzklassen zur Behandlung<br />

der arteriellen Hypertonie stellt die mangelnde Zielwerterreichung ein<br />

dauerhaftes und quantitativ erhebliches Problem dar. So erfährt nicht<br />

einmal jeder dritte Patient mit essentieller Hypertonie unter einer Monotherapie<br />

eine befriedigende Blutdrucksenkung. Dieser Umstand bedingt<br />

häufig die Umstellung auf eine Kombinationstherapie. Sie zielen vor allem<br />

darauf ab, durch sinnvolle Kombinationen synergistische Effekte zu nutzen<br />

und damit die antihypertensive Wirksamkeit zu erhöhen. Was man mit<br />

solchen Kombinationen – beispielsweise der von hoch dosiertem Candesartan<br />

plus Hydrochlorothiazid (HCT) (z.B. Blopress ® forte 32 mg Plus<br />

25 mg) erreichen kann, haben erst kürzlich die Ergebnisse der EFFECTIVE 1 -<br />

Studie unter Beweis gestellt (siehe dazu Kasten).<br />

Der richtige Zeitpunkt für Antihypertensiva<br />

Allerdings konzentrieren sich die therapeutischen Bemühen zur Blutdruckkontrolle<br />

bisher vorwiegend auf das Zusammenstellen optimaler Kombinationstherapien.<br />

Der richtige Einnahmezeitpunkt steht dabei kaum im Fokus.<br />

In einer aktuellen Übersicht verglichen Smolensky und Kollegen die<br />

morgendliche und abendliche Gabe sechs verschiedener Antihypertensiva-<br />

Klassen und fanden signifikant niedrigere 48 h-Blutdruckmittelwerte unter<br />

z.B. Valsartan und Ramipril bei Einnahme zur Nacht. Valsartan zeigte in drei<br />

Studien bei Einnahme zur Nacht 2 , bei unverändertem 24 h- und Tagesmittelwert,<br />

eine signifikant stärkere Nachtabsenkung des Blutdruckes.<br />

Diese führte zu einer Normalisierung der zirkadianen Rhythmik des<br />

Blutdruckprofils 3 . Vergleichbare Ergebnisse wurden auch für die Einnahme<br />

von Olmesartan und Telmisartan zur Nacht dokumentiert. In der J-TOP<br />

Studie wurde darüber hinaus gezeigt, dass die Einnahme von Candesartan<br />

(±Diuretikum) bei abendlicher Einnahme in der Konsequenz auch zu einer<br />

signifikanten Reduktion einer bestehenden Albuminurie führt 4 .<br />

Nutzen der Chronotherapie für die nächtliche<br />

Blutdrucksenkung<br />

Anhand neuer, wissenschaftlicher Erkenntnisse können auch Risikopatienten<br />

mit nächtlicher Hypertonie (non-dipper) oder Patienten mit therapieresistenter<br />

Hypertonie* (inverted dipper) von einer individuellen Anpassung<br />

der Dosierungsintervalle profitieren. So konnten Hermida et al. 5 bei Patienten<br />

mit therapieresistenter Hypertonie durch Umstellung der Gabe von<br />

3 Antihypertensiva morgens auf 2 Medikamente morgens und 1 Medikament<br />

abends eine signifikant stärkere mittlere 24 h Blutdrucksenkung<br />

um 9,4 mmHg systolisch und 6,0 mmHg diastolisch (p


AN DIE FAMILIENMITGLIEDER MEINES ORGANSPENDERS<br />

Herzlichen Dank!!!<br />

Ich feiere meinen 11. Geburtstag nach meiner „Wiedergeburt” und möchte das zum Anlass<br />

nehmen, Ihnen ein paar Zeilen zu schreiben.<br />

Ein herzliches Dankeschön an Sie, insbesondere an die Personen, die die Entscheidung zur<br />

Transplantation getroffen haben!!!<br />

Ich war zum Zeitpunkt der Operation am 10. 3. 2000 57 Jahre alt. Schon viele Jahre<br />

vorher erlitt ich mehrere Herzinfarkte, erhielt Bypässe und hatte nach wie vor erhebliche<br />

Herzprobleme.<br />

Das wurde mir sozusagen in die Wiege gelegt, denn auch meine Eltern mussten ihr<br />

Leben lang mit diesen Problemen fertig werden. Schon lange vor der Transplantation<br />

haben mir meine Ärzte keine Hoffnung mehr gemacht, mein Leben ohne ein Spenderherz<br />

länger erhalten zu können.<br />

Dann kam für mich die gute Nachricht und ich erhielt ein Spenderherz, das ich ohne<br />

Wenn und Aber angenommen habe. – Ich sah das als meine letzte Chance.<br />

All meine vielen Hoffnungen, Wünsche und Vorstellungen, die mir während meines<br />

Aufenthaltes auf der Intensivstation durch den Kopf gingen, habe ich unmittelbar<br />

nach der schwierigen Operation begonnen umzusetzen bzw. zu erfüllen.<br />

Ich war und bin weiterhin überglücklich, dass es Menschen gibt, die ihre Organe für<br />

andere Menschen spenden, die damit ein neues Leben erhalten.<br />

Meine Lebensqualität stieg in den Himmel. Ich genieße Alles intensiver und sehe<br />

Alles gelassener. Nicht nur die Sonne, jeder vom Himmel fallende Regentropfen, jede<br />

Schneeflocke erfreut mich aufs Neue. Ich war glücklich, meine Enkelkinder zum Kindergarten<br />

/ zur Schule zu begleiten, mit meiner Familie viel enger zusammen sein zu<br />

dürfen.<br />

Meine Sportaktivitäten setzte ich auch nach der Operation fort und ich schloss mich<br />

einer Transplantationsgruppe an. Es entstanden neue und interessante Freundschaften,<br />

die mir viel Auftrieb geben.<br />

Selbst mein Organspender trägt hierzu einiges bei: In einigen Situationen führe ich<br />

sogar Gespräche mit „ihm”, die mir Ansporn geben und mich dann auch motivieren.<br />

Dann denke ich auch oft an „seine” Familienangehörigen, obwohl ich sie ja Alle<br />

nicht kenne.<br />

Seit einigen Jahren werbe ich auch im größeren Rahmen für Organspenden. Viele<br />

habe ich inzwischen schon überzeugen können, die jetzt einen Spenderausweis bei<br />

sich tragen. Die Überzeugungskraft ist eigentlich gar nicht so schwer.<br />

Auch als Mitglied im Bundesverband der Organtransplantierten e.V. nehme ich an<br />

vielen Gesundheitswochen, Kirchentagen, Patientenseminaren in Köln und Umgebung<br />

teil, bei denen ich viele Menschen kennenlerne und meine neue positive<br />

Lebenseinstellung vermittle.<br />

Weiterhin habe ich auch sogenannte Patenschaften bei Mitpatienten übernommen,<br />

denen ich aus eigener Erfahrung Mut machen konnte, ein neues Leben beginnen zu<br />

dürfen und zu führen, trotz vieler Medikamente, die ich und viele andere Menschen<br />

einnehmen müssen.<br />

Ich werde – auch nach 11 Jahren – mein Leben weiterhin positiv gestalten und danke meinem<br />

Spender bzw. Ihnen hierfür!!!<br />

Denn: Mein neues Leben ist Motivation für mich und viele Andere!!!<br />

Jochen Filz<br />

53


PRESSEMITTEILUNG<br />

Studienergebnisse zeigen: Ergänzung der Standardtherapie durch Inspra ®<br />

(Eplerenon) senkt die Inzidenz eines erstmaligen Vorhofflimmerns/-flatterns<br />

(AF/F) bei Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz<br />

Ergebnisse einer Subanalyse von EMPHASIS-HF (Eplerenone In Mild<br />

Patients Hospitalization and Survival Study in Heart Failure)<br />

Göteborg/Berlin, 20. Juni 2011 – Auf dem ESC Heart<br />

Failure Congress in Göteborg wurden die Ergebnisse<br />

einer präspezifizierten Subanalyse der EMPHASIS-HF-<br />

Studie bekanntgegeben. Diese zeigen, dass eine<br />

Add-on-Ergänzung der empfohlenen Standardtherapie<br />

mit Inspra ® (Eplerenon) bei Patienten mit systolischer<br />

Herzinsuffizienz und milden Symptomen eine statistisch<br />

signifikante Reduktion der Inzidenz eines erstmaligen<br />

Vorhofflimmerns/-flatterns (AF/F) im Vergleich<br />

zu Plazebo plus Standardtherapie bewirkte. Es handelt<br />

sich hierbei um die Auswertung eines präde-finierten<br />

sekundären Endpunktes der EMPHASIS-HF-Studie.<br />

In die EMPHASIS-HF-Studie, deren Ergebnisse erstmals<br />

auf dem AHA 2010 in Chicago präsentiert wurden, wurden<br />

2737 Patienten mit chronischer Herzinsuffizinz (NYHA-<br />

Klasse II) und milder Symptomatik eingeschlossen. Die<br />

nun vorgestellte Subanalyse untersuchte Patienten ohne<br />

Vorgeschichte eines AF/F, basierend auf dem EKG und der<br />

körperlichen Untersuchung zu Studienbeginn (911 in der<br />

Eplerenon-Gruppe und 883 in der Plazebo-Gruppe). Innerhalb<br />

der im Mittel 21,1-monatigen Nachbeobachtung<br />

trat bei 25 (2,7 %) Patienten der Eplerenon-Gruppe im<br />

Vergleich zu 40 (4,5 %) Patienten der Plazebo-Gruppe<br />

erstmals ein Vorhofflimmern oder -flattern auf (Hazard<br />

Ratio (HR) 0,58 (95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,35-0,96);<br />

p=0,034).<br />

Der positive Effekt von Eplerenon auf den primären Endpunkt<br />

(kardiovaskuläre Mortalität oder Hospitalisierung<br />

wegen Herzinsuffizienz) war bei Patienten mit und ohne<br />

AF/F zu Studienbeginn vergleichbar (HR 0,60, 95 %-<br />

KI 0,46-0,79 im Vergleich zu HR 0,70, 95 %-KI 0,57-0,85;<br />

p-Wert für die Interaktion = 0,41).<br />

In der Studie zeigte sich eine höhere Inzidenz der<br />

Hyperkaliämie (erhöhtes Kalium, definiert als Serumkaliumspiegel<br />

>5,5 mmol/l) in der Eplerenon-Gruppe als in der<br />

Plazebo-Gruppe (11,8 % vs. 7,2 %, p


SPENDEN<br />

Spenden<br />

Unterstützen Sie den Förderverein <strong>Herzzentrum</strong> Köln e.V. mit einer Spende.<br />

Die Realisierung seiner vielfältigen Aufgaben, die der Förderverein e.V. rückblickend bereits finanziert<br />

hat und zukünftig zu finanzieren beabsichtigt, ist Dank seiner zahlreichen Mitglieder sowie großzügigen<br />

Spender erst möglich.<br />

Unterstützen auch Sie unsere Aktivitäten für die Gesundheit der Kölner Bürgerinnen und Bürger, z. B.<br />

mit einer Spende per Banküberweisung bzw. Ihrer Mitgliedschaft, die nur 30,00 Euro im Jahr kostet und<br />

Ihnen zahlreiche Vorteile bietet.<br />

Spendenkonto<br />

Als gemeinnütziger Verein ist der Verein der Freunde und Förderer des <strong>Herzzentrum</strong>s des Universitätsklinikums<br />

Köln e.V. bei der Finanzierung und Umsetzung seiner Aufgaben und Projekte ausschließlich<br />

auf Mitgliedsbeiträge und Spenden angewiesen.<br />

Der Verein verfolgt wissenschaftliche Zwecke.<br />

Sie können regelmäßig oder gelegentlich spenden. Falls Sie uns zu festgelegten Zeiten eine bestimmte<br />

Spende geben wollen, erteilen Sie uns einfach eine Einzugsermächtigung zum Abbuchen des Betrages<br />

von Ihrem Konto.<br />

Der Verein der Freunde und Förderer des <strong>Herzzentrum</strong>s des Universitätsklinikums Köln e.V. ist gemäß<br />

§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG durch Bescheinigung des Finanzamtes Köln-West, Steuer-Nr. 223/5921/0946, vom<br />

23. 08. 2010 von der Körperschaftssteuer befreit.<br />

Bis 200,00 Euro gilt die Quittung als Zuwendungsbestätigung. Für Spenden über 200,00 Euro übersenden<br />

wir unaufgefordert eine Zuwendungsbestätigung.<br />

Spendenkonto:<br />

Verein der Freunde und Förderer des <strong>Herzzentrum</strong>s des Universitätsklinikums Köln e.V.<br />

Sparkasse KölnBonn · Konto-Nr. 38382974 · BLZ 370 501 98<br />

✂<br />

Beleg/Quittung<br />

für den Auftraggeber<br />

Konto-Nr. des Auftraggebers:<br />

Empfänger: Verein der Freunde<br />

und Förderer des <strong>Herzzentrum</strong>s<br />

des Universitätsklinikums Köln e.V.<br />

c/o Sparkasse KölnBonn<br />

Hahnenstraße 57 · 50667 Köln<br />

Konto-Nr. des Empfängers:<br />

38382974 Sparkasse KölnBonn<br />

Verwendungszweck:<br />

EUR:<br />

Überweisung/Zahlschein<br />

Verein der Freunde und Förderer des <strong>Herzzentrum</strong>s des Universitätsklinikums Köln e.V<br />

3 8 3 8 2 9 7 4 3 7 0 5 0 1 9 8<br />

Sparkasse KölnBonn<br />

EUR<br />

Auftraggeber/Einzahler:<br />

Datum:<br />

18<br />

✂<br />

55


Zufrieden?<br />

Ihre Meinung ist uns wichtig!<br />

Fragebogen bitte senden an:<br />

IPV –<br />

Informations-Presse-Verlags Gesellschaft mbH<br />

Am Wiesengrund 1<br />

40764 Langenfeld<br />

1. Wie gefällt Ihnen<br />

die Fachzeitschrift insgesamt?<br />

Am Wiesengrund 1<br />

40764 Langenfeld<br />

Tel.: 02173 1095-100<br />

Fax: 02173 1095-111<br />

E-Mail: info@ipv-medien.de<br />

Web: www.ipv-medien.de<br />

sehr gut gut weniger gut gar nicht<br />

2. Wie hat Ihnen<br />

die Fachzeitschrift weitergeholfen?<br />

3. Wie beurteilen Sie folgende Teilaspekte?<br />

– Informationsgehalt<br />

– Themenauswahl<br />

– Übersichtlichkeit<br />

– Verständlichkeit<br />

– Layout<br />

Das würde ich mir anders wünschen:<br />

Ihre Kontaktdaten:<br />

Vielen Dank fürs Mitmachen!


DAS KÖLNER HERZZENTRUM / IMPRESSUM<br />

Das Kölner <strong>Herzzentrum</strong> –<br />

Fachzeitschrift für den Arzt<br />

Initiativ-Partner des Kölner <strong>Herzzentrum</strong>s<br />

Lilly Deutschland GmbH Seite 5<br />

Takeda Pharma GmbH Seite U2, 52<br />

Servier Deutschland GmbH Seite 46, 50<br />

Pfizer Pharma GmbH<br />

Seite 54, U4<br />

Wir danken folgenden Werbepartnern für ihre<br />

Unterstützung:<br />

Seite Unternehmen<br />

16 Philips sense and simplicity<br />

16 KLS Martin Group<br />

16 Medtronic<br />

20 PNHR – Rechtsanwälte · Wirtschaftsprüfer ·<br />

Steuerberater<br />

24 JR – Herzchirurgische OP-Sets<br />

27 Dr. Schmitz & Partner<br />

28 Astellas Leading Light for Life<br />

32 Nicolai GmbH<br />

36 B. Braun Melsungen AG<br />

36 Median Kliniken<br />

44 Life Systems · Medizintechnik-Service GmbH<br />

IMPRESSUM<br />

Das Kölner <strong>Herzzentrum</strong> –<br />

Fachzeitschrift für den Arzt<br />

Herausgeber:<br />

Klinikum der Universität zu Köln,<br />

Vorstand (V.i.S.P.)<br />

Redaktion:<br />

Prof. Dr. med. Erland Erdmann<br />

Prof. Dr. med. Thorsten Wahlers<br />

Universitätsklinikum Köln<br />

<strong>Herzzentrum</strong><br />

Kerpener Straße 62 · 50924 Köln<br />

Tel.: 0221 478 32 511<br />

Fax: 0221 478 32 512<br />

E-mail: erland.erdmann@uni-koeln.de<br />

Web: www.herzzentrum-koeln.de<br />

Verlag und Anzeigenverwaltung:<br />

IPV-Informations-Presse-Verlags Gesellschaft mbH<br />

Am Wiesengrund 1 · 40764 Langenfeld<br />

Tel.: 02173 1095-100<br />

Fax: 02173 1095-111<br />

Email: info@ipv-medien.de<br />

Web: www.ipv-medien.de<br />

Gesamtherstellung:<br />

HPH Grafik-Design<br />

Syburgweg 44 · 58119 Hagen<br />

Tel.: 02334 50 44 75<br />

Fax: 02334 50 44 76<br />

E-mail: info@hph-grafik-design.de<br />

Web: www.hph-grafik-design.de<br />

Ausgabe: August 2011<br />

57

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!