FuR 2008-1+2.pdf - Der BWV-Bayern
FuR 2008-1+2.pdf - Der BWV-Bayern
FuR 2008-1+2.pdf - Der BWV-Bayern
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Rudolf Wassermann<br />
listischen Gesellschaft und um die<br />
Schwächung der den Rechtsstaat<br />
tragenden Institutionen hat ihn<br />
angetrieben, sich intensiv einzumischen.<br />
Die breite Öffentlichkeit hat den<br />
Braunschweiger OLG-Präsidenten<br />
als pointiert formulierenden Kommentator<br />
in Tages- und Wochenzeitungen<br />
und im Rundfunk,<br />
aber auch als<br />
häufigen Gast in Fernsehdiskussionsrunden<br />
und auf Tagungen wahr<br />
genommen, der kenntnisreich<br />
und streitbar<br />
zu aktuellen Tagesfragen<br />
und grundsätzlichen<br />
Problemen der<br />
Rechts- und Justizpolitik<br />
Stellung bezogen<br />
hat. 600 Zeitschriftenaufsätze<br />
und Beiträge<br />
in Sammelwerken, die<br />
Herausgabe der Reihe<br />
„Alternativkommentare“<br />
und die Leitung<br />
der Vierteljahreszeitschrift<br />
„Recht und Politik“<br />
sowie Bücher<br />
wie „<strong>Der</strong> politische<br />
Richter“, „Die richterliche<br />
Gewalt“, „Die<br />
Zuschauerdemokratie“,<br />
„<strong>Der</strong> soziale Zivilprozess“<br />
und „Politisch<br />
motivierte Gewalt<br />
in der modernen Gesellschaft“<br />
zeugen von<br />
einer kaum glaublichen<br />
Arbeitsleistung. In seiner<br />
Schrift „Kammergericht<br />
soll bleiben“<br />
schildert Wassermann,<br />
der am Kammergericht auch für<br />
die Referendarausbildung zuständig<br />
war, die „Geschichte des berühmtesten<br />
deutschen Gerichts“<br />
und „die Rolle der Justiz in den<br />
Wechselfällen politischer Entwicklung“.<br />
Er hat seine Arbeit dem Andenken<br />
des 1974 von Terroristen<br />
ermordeten Kammergerichtspräsidenten<br />
Günter von Drenk mann<br />
gewidmet.<br />
Wer nichts anstößt, bewegt auch<br />
nichts. Seinem Motto ist Rudolf<br />
Wassermann sein Leben lang treu<br />
geblieben: als Landgerichts- und<br />
Kammergerichtsrat in Berlin,<br />
Pressesprecher von Bundesjustizminister<br />
Gustav Heinemann, dem<br />
späteren Bundespräsidenten, als<br />
Landgerichtspräsident in Frankfurt/Main<br />
und schließlich als Chefpräsident<br />
in Braunschweig und<br />
Mitglied des Niedersächsischen<br />
Staatsgerichtshofs. Als Präsident<br />
Dr. Rudolf Wassermann, 1925 – <strong>2008</strong><br />
des Landesjustizprüfungsamtes<br />
widmete er sich der Reform der<br />
Juristenausbildung. An der Gründung<br />
des Fachbereichs Rechtswissenschaft<br />
an der Universität Hannover<br />
war er maßgeblich beteiligt.<br />
Die Integration der Sozialwissenschaften<br />
war für den Juristen Wassermann,<br />
der als Altmärker in Halle<br />
auch Philosophie, Germanistik<br />
und Soziologie studiert hat, eine<br />
wichtige Ergänzung des Jura-Studiums.<br />
Nach der Wiederherstellung der<br />
Deutschen Einheit haben ihn ihre<br />
Folgeprobleme ebenso beschäftigt<br />
wie aktuelle Verfassungsdiskussionen<br />
und gesetzgeberische und<br />
gerichtliche Entscheidungen. In<br />
zahlreichen Publikationen hat er<br />
sich mit der Aufarbeitung totalitären<br />
– des kommunistischen ebenso<br />
wie des nationalsozialistischen<br />
– Unrechts befasst. <strong>Der</strong> Forderung<br />
nach Amnestie der SED-Täter hat<br />
er eine klare Absage erteilt. Sie<br />
würden die Straffreiheit nicht als<br />
Gnadenakt empfinden, sondern als<br />
Bestätigung ihrer falschen Auffassung,<br />
dass das SED-Regime mindestens<br />
eine Staatsordnung<br />
wie andere auch<br />
gewesen sei.<br />
„An jedem Sarge erlebt<br />
man es, dass der<br />
Tod das Leben, indem<br />
er es begrenzt,<br />
zugleich formt, dass<br />
die Gestalt des Toten<br />
plötzlich deutlicher<br />
vor uns steht, als wir<br />
sie im Leben je zu sehen<br />
vermochten.“ <strong>Der</strong><br />
Satz von Gustav Radbruch,<br />
dem Rechtsphilosophen<br />
und Reichsjustizminister,<br />
dessen<br />
Werk Wassermann jungen<br />
Juristen immer<br />
wieder vermittelt hat,<br />
gilt gewiss auch für<br />
den Menschen, von<br />
dem wir am 24. Juni<br />
in einer bewegenden<br />
Trauerfeier in Goslar<br />
Abschied genommen<br />
haben.<br />
<strong>Der</strong> Tod Dr. Rudolf<br />
Wassermanns, der<br />
noch am 5. Januar seinen<br />
83. Geburtstag im<br />
Kreis seiner Familie<br />
begehen und die Entwicklung<br />
seiner Enkeltochter<br />
mit Freude<br />
verfolgen konnte, ist für die deutsche<br />
Justiz ein schmerzlicher Verlust.<br />
In Braunschweig werden wir<br />
seiner Persönlichkeit und seines<br />
Wirkens noch lange mit Stolz und<br />
Dankbarkeit gedenken.<br />
<strong>Der</strong> Autor<br />
Dr. Hans-Jürgen Grasemann<br />
ist Oberstaatsanwalt in Braunschweig,<br />
war etliche Jahre<br />
Sprecher der Erfassungsstelle<br />
für das SED-Unrecht in Salzgitter<br />
und ist heute Vorstandsmitglied<br />
des Zentralverbandes<br />
Demokratischer Widerstandskämpfer-<br />
und Verfolgtenorganisationen<br />
(ZDWV).<br />
23