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FuR 2008-1+2.pdf - Der BWV-Bayern

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Wunsiedel<br />

Dieses hatte im März 2001 9 über<br />

einen Antrag auf Wiederherstellung<br />

der aufschiebenden Wirkung<br />

des Widerspruches gegen eine Verbotsverfügung<br />

des Polizeipräsidenten<br />

Aachen vom 12. März 2001<br />

zu entscheiden. Dieser Eilrechtsschutz<br />

übernimmt häufig bei Versammlungen<br />

unter freiem Himmel<br />

weitest gehend die Funktion des<br />

Rechtschutzes in der Hauptsache. 10<br />

Folglich bleibt eine abschließende<br />

höchstrichterliche Klärung strittiger<br />

Rechtsfragen oftmals aus.<br />

<strong>Der</strong> Antragssteller wollte eine Kundgebung<br />

mit Aufzug mit dem Thema<br />

„Gegen die Kriminalisierung nationaler<br />

Deutscher und Niederländer<br />

– gemeinsamer Protestmarsch“ in<br />

der Nähe von Aachen durchführen.<br />

Dabei sollte der Aufzug auch niederländisches<br />

Gebiet erreichen und<br />

in die Stadt Kerkrade führen. Anschließend<br />

sollte der Aufzug wieder<br />

nach Herzogenrath, dem Ausgangsort<br />

der Versammlung, zurückkehren.<br />

Die Versammlungsbehörde hatte die<br />

Versammlung gem. § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz,<br />

unter anderem<br />

auch wegen einer Gefährdung der<br />

öffentlichen Ordnung, verboten.<br />

Sowohl das Verwaltungsgericht wie<br />

auch das Oberverwaltungsgericht<br />

hatten sich mit weiterführenden Begründungen<br />

dieser Bewertung der<br />

Versammlungsbehörde angeschlossen.<br />

Daraufhin hatte der Antragsteller<br />

den Erlass einer einstweiligen<br />

Anordnung beim Bundesverfassungsgericht<br />

beantragt. Das Bundesverfassungsgericht<br />

hat dem Antrag<br />

auf Wiederherstellung der aufschiebenden<br />

Wirkung des Widerspruchs<br />

gegen den Verbotsbescheid stattgegeben,<br />

jedoch bestimmte Auflagen<br />

formuliert, die die Durchführung<br />

der Versammlung beschränkten.<br />

Es führte unter anderem aus, dass die<br />

Prognose der Versammlungsbehörde,<br />

im Rahmen solcher Versammlungen<br />

komme es immer wieder zu<br />

Straftaten nach den §§ 86, 86 a, 126<br />

und 130 Strafgesetzbuch sowie zu<br />

Körperverletzungsdelikten und damit<br />

zu einer Gefahr für die öffentliche<br />

Sicherheit, in dieser allgemein<br />

hinweisenden Form nicht geeignet<br />

wäre, ein Verbot zu rechtfertigen.<br />

Das Verfassungsgericht wies insbesondere<br />

darauf hin, dass es an einem<br />

hinreichend konkreten Bezug zu der<br />

vom Antragsteller geplanten Veranstaltung<br />

mangele 11 .<br />

Die weitaus gewichtigere Feststellung<br />

traf das Bundesverfassungsgericht<br />

jedoch im Hinblick auf die Begründung<br />

einer Gefährdung für die<br />

öffentliche Ordnung. Insbesondere<br />

sie scheide als Rechtsgrundlage für<br />

eine Verbotsverfügung aus. Dabei<br />

führte das Gericht weiter aus, dass<br />

der Maßstab zur Beurteilung der<br />

Rechtsmäßigkeit von Maßnahmen,<br />

die den Inhalt von Meinungsäußerungen<br />

beschränkten, sich aus dem<br />

Grundrecht der Meinungsfreiheit<br />

ergeben und nicht aus dem der Versammlungsfreiheit.<br />

Dies bezüglich<br />

verwies es auf frühere Rechtssprechungen.<br />

Das Gericht wies auch auf<br />

die Möglichkeiten zur Einschränkung<br />

der Meinungsäußerung hin,<br />

die rechtlich abschließend geregelt<br />

seien. Weiter führte es aus, dass<br />

hinsichtlich des Schutzes der öffentlichen<br />

Ordnung § 15 Versammlungsgesetz<br />

einengend auszulegen sei, da<br />

eben zur Abwehr von kommunikativen<br />

Angriffen auf Schutzgüter der<br />

Verfassung besondere Strafrechtsnormen<br />

geschaffen worden sind.<br />

<strong>Der</strong> Begriff der öffentlichen Ordnung<br />

reiche bei verfassungskonformer<br />

Gesetzesanwendung eben nicht<br />

aus, Verbote von Versammlungen zu<br />

rechtfertigen. Sie seien nur zur Abwehr<br />

von Gefahren für elementare<br />

Rechtsgüter vorgesehen. Gerade<br />

dies sei eben in diesem Falle nicht<br />

erkennbar.<br />

Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang<br />

sicher auch, dass es in<br />

einem zeitlichen Zusammenhang<br />

divergierende Rechtsprechungen<br />

von Instanzengerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit<br />

gab. Besonders<br />

tat sich hier das OVG Münster hervor,<br />

das eine heftige Kontroverse<br />

mit dem Bundesverfassungsgericht<br />

austrug 12 . In der Literatur wurde<br />

dieser Streit auch als „Kammermusik“<br />

13 bezeichnet. Letztlich setzte<br />

sich die 1. Kammer des 1. Senats<br />

des Bundesverfassungsgerichts in<br />

diesem Meinungsstreit hinsichtlich<br />

der Wertentscheidung des Grundgesetzes<br />

gegenüber politisch ungeliebten<br />

Meinungen durch.<br />

Dieser Beschluss des Bundesverfassungsgerichts<br />

aus dem Jahre 2001<br />

stellte nun auch für Wunsiedel die<br />

Zeiger in der verwaltungsgerichtlichen<br />

Spruchpraxis im Hinblick auf<br />

den Eilrechtschutz gegen die Verbotsverfügung<br />

des Landratsamtes neu.<br />

Auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes<br />

hatte nämlich<br />

der Bayerische Verwaltungsgerichtshof<br />

bei seiner Entscheidung im Eilrechtschutzverfahren<br />

des Jahres 2001<br />

Bezug genommen. 14 Dabei stellte er<br />

fest: „Was das Thema der Veranstaltung<br />

und den Veranstaltungsleiter<br />

anbelangt, so geht es zwar eindeutig<br />

um Themen mit rechtsextremem Hintergrund,<br />

allerdings fehlt es im Zusammenhang<br />

mit der geplanten Veranstaltung<br />

an hinreichend konkreten<br />

Tatsachen für eine Gefahrenprognose<br />

mit dem Ergebnis, dass es zu Straftaten<br />

speziell im Bereich politischer<br />

Auseinandersetzungen kommen wird.<br />

Im Übrigen kann diesen Gefahren<br />

bereits im Vorfeld mit Auflagen hinsichtlich<br />

Thematik und Personenausschluss<br />

der Redner begegnet werden.“<br />

In seinem Beschluss stellte der<br />

Bayerische Verwaltungsgerichtshof<br />

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs<br />

gegen die Verbotsverfügung<br />

des Landratsamtes Wunsiedel<br />

wieder her. <strong>Der</strong> Aufmarsch konnte<br />

damit erstmals wieder statt finden.<br />

Die „Rechten“ hatten offenbar<br />

inzwischen gelernt, sich so weit<br />

rechtskonform zu verhalten, damit<br />

sie keine Gründe für ein Verbot in<br />

die Hände der Behörden spielten.<br />

Dazu mussten sie ja lediglich die aktuelle<br />

Rechtsprechung analysieren,<br />

was sie erkennbar getan haben.<br />

Diese Entscheidung motivierte den<br />

Veranstaltungsleiter des Heß-Gedenkmarsches<br />

aus dem Jahre 2001,<br />

den Hamburger Rechtsanwalt Jürgen<br />

Rieger, sofort beim Landratsamt<br />

Wunsiedel themenidentische Folgekundgebungen<br />

bis zum Jahre 2010<br />

anzumelden. Im Jahr 2002 hatte<br />

das Landratsamt Wunsiedel wieder<br />

in Fortführung des traditionellen<br />

Versammlungsverbots eine Verbotsverfügung<br />

an den Versammlungsanmelder<br />

erlassen. Das Verwaltungsgericht<br />

Bayreuth hatte das<br />

Verbot bestätigt. Wie im Jahr 2001<br />

hatte der Bayerische Verwaltungsge-<br />

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