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FuR 2008-1+2.pdf - Der BWV-Bayern

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<strong>BWV</strong>-<strong>Bayern</strong><br />

Widerstand als Selbstverständlichkeit:<br />

Hans Taschner<br />

Von Ernst Raim<br />

Über prominente Vertreter<br />

des Widerstands gegen die<br />

beiden Diktaturen des 20.<br />

Jahrhunderts ist in den zurückliegenden<br />

Jahrzehnten<br />

immer mehr publiziert worden.<br />

Das Fernsehen sorgt<br />

zunehmend für Breitenwirkung.<br />

Wo aber bleibt der Widerstand<br />

der vielen „kleinen<br />

Leute“, die zudem nicht viel<br />

Aufhebens davon machen?<br />

Viele sind schon gestorben,<br />

ohne dass sie gewürdigt<br />

wurden. Doch die noch Lebenden<br />

unter ihnen müssen<br />

nicht nur entdeckt, sondern<br />

– wenn möglich – auch ins<br />

Gespräch gebracht werden<br />

mit der jungen Generation.<br />

Einer von ihnen ist der am<br />

oberbayerischen Ammersee<br />

lebende Hans Taschner, ältestes<br />

Mitglied des Bundes<br />

Widerstand und Verfolgung<br />

(<strong>BWV</strong>-<strong>Bayern</strong>). Ihm wurde<br />

auf der Konferenz des Bezirks<br />

Oberbayern der Arbeiterwohlfahrt<br />

am 7. Juni <strong>2008</strong> in Fürstenfeldbruck<br />

die Ehrenmedaille<br />

verliehen. Damit wurde dem<br />

letzten hauptamtlichen Mitarbeiter<br />

der Arbeiterwohlfaht vor dem<br />

Verbot durch die Nazis 1933 eine<br />

ihm gebührende Würdigung zuteil.<br />

26<br />

Hans Taschner, geboren am 5. Juni 1911.<br />

Einer der letzten Zeitzeugen des alten Konzentrationslagers<br />

Dachau.<br />

Hans Taschner wurde 1933 entlassen,<br />

nachdem er für die Gewerkschaftsjugend<br />

eine Protestversammlung<br />

in seinem Betrieb organisiert<br />

hatte; er war daraufhin arbeitslos. Im<br />

Gewerkschaftshaus in der Münchner<br />

Pestalozzistraße bekam er bei<br />

der Arbeiterwohlfahrt, damals noch<br />

eine Untergliederung der SPD, eine<br />

Anstellung, erlebte die Machtergreifung<br />

der Nazis in München. Vom Internationalen<br />

Kampfbund, ein Bund<br />

ethischer, nicht-marxistischer Sozialisten,<br />

geprägt, teilte er nicht die<br />

Meinung mancher Parteifreunde,<br />

dass auch Hitler nach einigen Monaten<br />

abgewirtschaftet haben würde.<br />

Er stellte sich auf ein Leben in<br />

einer Diktatur ein, der er nach Möglichkeit<br />

zu widerstehen versuchte.<br />

Unklar bis heute ist ihm geblieben,<br />

wer ihm – offen erkennbar – ein<br />

Flugblatt über die Erlebnisse von<br />

Hans Beimler im KZ Dachau in den<br />

Briefkasten steckte. Waren es NS-<br />

Gegner oder war es eine Provokation<br />

der Nazis, um einen Vorwand für<br />

eine Verhaftung zu schaffen? Nach<br />

viermonatiger Untersuchungshaft<br />

wegen Vorbereitung zum Hochverrat<br />

kam der 24-jährige ins KZ Dachau.<br />

Er blieb dort drei Jahre, musste<br />

schwere Arbeiten verrichten, erlitt<br />

Torturen und erlebte den Neubau<br />

des KZ Dachau, so wie es sich uns<br />

heute als Gedenkstätte präsentiert.<br />

Gesinnungsfreunde holten<br />

ihn als „Läufer“ in die<br />

Schreibstube, wo er auch<br />

mit Kurt Schumacher, dem<br />

früheren Reichstagsabgeordneten<br />

und späteren Vorsitzenden<br />

der SPD zusammentraf,<br />

ebenso mit dem ehemaligen<br />

braunschweigischen Landtagspräsidenten<br />

Kuno Rieke,<br />

der in Dachau schwer misshandelt<br />

wurde und die Befreiung<br />

nicht mehr erlebte, weil er<br />

am 2. März 1945 verstarb.<br />

Unter den üblichen Auflagen<br />

wurde Hans Taschner am 20.<br />

April 1939 mit 500 weiteren<br />

Häftlingen aus dem Konzentrationslager<br />

entlassen. <strong>Der</strong><br />

psychische Druck verließ ihn<br />

erst mit der Einberufung zur<br />

Wehrmacht, wo man die politische<br />

„Vergangenheit“ Taschners<br />

entweder nicht kannte<br />

oder ignorierte. Sechs Jahre<br />

Kriegsdienst führten ihn bis<br />

vor Stalingrad und endeten im<br />

Mai 1945 in Oberösterreich.<br />

Hans Taschner war Ehrenvorsitzender<br />

des Landesrats<br />

für Freiheit und Recht, der<br />

Vorgängerorganisation des Bundes<br />

Widerstand und Verfolgung (<strong>BWV</strong>-<br />

<strong>Bayern</strong>). Sein Sohn fährt ihn täglich<br />

am Nachmittag zu seiner Ehefrau,<br />

die in einem nahen Heim als sehr<br />

pflegebedürftig untergebracht ist.<br />

Wir wünschen Hans Taschner noch<br />

Jahre guter Gesundheit und geistiger<br />

Frische!<br />

<strong>Der</strong> Autor<br />

Dr. Ernst Raim ist stellvertretender<br />

Vorsitzender des Bundes Widerstand<br />

und Verfolgung (<strong>BWV</strong>-<strong>Bayern</strong>)<br />

und Mitglied des Vorstandes<br />

des Zentralverbandes Demokratischer<br />

Widerstandskämpferund<br />

Verfolgtenorganisationen<br />

(ZDWV).

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