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die Kunst des Sammelns - Julian Klein

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Herbarium zu befragen und auch noch weitere Sammlungen aufzusuchen. Wie<br />

groß war <strong>die</strong> Überraschung, als er einen getrockneten Herbarbeleg fand, der an<br />

einem Zweig rasierte Blüten ohne Drüsen und noch unrasierte mit Drüsen fand!<br />

Es waren gar nicht zwei verschiedene Rosen, sie wuchsen nur an zwei Orten und<br />

sahen ein bisschen anders aus, ganz so, wie er selbst manchmal unrasiert war.<br />

Und Schwuppdiwupp rottete er <strong>die</strong> Rosa pimpinellifolia aus, indem er ihren Namen<br />

durchstrich. Und er untersuchte auch <strong>die</strong> anderen Rosen, <strong>die</strong> Hundsrosen.<br />

Da wurde er traurig und demütig. Einst hatte er gelernt, dass man eine Rose von<br />

einer anderen unterscheiden kann an ihren Merkmalen, denn er hatte ein morphologisches<br />

Artkonzept mit auf den Weg bekommen; danach waren <strong>die</strong> Hundsrosen<br />

und <strong>die</strong> kleine Spinosissima verschieden. Alsbald aber kamen <strong>des</strong> Nachts<br />

böse Gesellen zu ihm, <strong>die</strong> liebten <strong>die</strong> Tiere und sagten: »Das, was sich schaaret<br />

und paaret, ist eine Art«. Seine kleine Spinosissima und <strong>die</strong> großen Hundsrosen<br />

schaarten und paarten einander, sie waren also eine Art, sahen aber doch so verschieden<br />

aus? Da stieg am Horizont <strong>die</strong> Sonne der Kladistik empor, <strong>die</strong> in den<br />

Himmel der Verheißung das Wort brannte: Arten entstehen durch Spaltungsereignisse!!!<br />

Das kannte unsere kleine Spinosissima, war sie doch durch <strong>die</strong> Eiszeit gespalten<br />

worden von ihren Schwestern und Brüdern. Alles schien in Ordnung, bis<br />

<strong>die</strong> Hundsrosen auf der Folterbank <strong>des</strong> Laborexperiments schrieen: Aber wir sind<br />

gar nicht durch Spaltung entstanden, sondern durch das Gegenteil, <strong>die</strong> Vernetzung.<br />

Hierauf hatte <strong>die</strong> Kladistik keine Antwort, aber es kümmerte sie wenig. Der<br />

Glanz war hell genug, um zu blenden. Lange merkte niemand, dass fast alle Pflanzen<br />

irgendwann in ihrem Leben einmal Bastarde waren, es sich aber nicht getrauten,<br />

zu sagen, weil <strong>die</strong> Tiere da so viel strenger mit sich waren – aber <strong>die</strong> konnten<br />

ja auch zu ihren Brüdern und Schwestern laufen.<br />

Als der Rosenliebhaber das sah, lernte er drei Dinge: Erstens können Arten nur<br />

sterben, wenn man weiß, was eine Art ist. Zweitens ist eine Tierart etwas anderes<br />

als eine Pflanzenart, und drittens haben wir starke Anzeichen dafür, dass es so<br />

etwas wie Arten gibt, <strong>die</strong> ihre Eigenheiten bewahren, obwohl sie sich nicht immer<br />

darum scheren, ob sie ihren Leidenschaften innerhalb der Art nachgehen oder<br />

außerhalb. Und wenn sie wirklich nicht gestorben sind, dann lieben sie sich noch<br />

heute.<br />

d e r t o d u n d d a s r ä d c h e n<br />

Tod<br />

113<br />

Canis lupus (WOLF) Canis lupus familiaris (HAUSHUND) Mammuthus primigenius (WOLLHAARMAMMUT) Monodon monoceros (NARWAL) ELEPHANTIDAE (ELEFANTEN) Odobenus rosmarus (WALROSS) ODONTOCETI (ZAHNWALE) DELPHINIDAE (DELFINE) Hippopotamus amphibius (FLUSSPFERD) Ovis (SCHAFE) Capra (ZIEGEN) LEPORIDAE (HASEN) COLUMBIFORMES (TAUBENVÖGEL) MYSTICETI (BARTENWALE) Balaenoptera musculus (BLAUWAL) PINNIPEDIA (ROBBEN) RÖDEL 18.12.2007: FRAU GERLACH SERPENTES (SCHLANGEN)

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