03.11.2013 Aufrufe

Die beseelte Welt archaischer Religionen - Ina Mahlstedt

Die beseelte Welt archaischer Religionen - Ina Mahlstedt

Die beseelte Welt archaischer Religionen - Ina Mahlstedt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

40<br />

DER HEILIGE BERG VON GÖBEKLI TEPE<br />

Symbolbilder betrachtet werden. Wenn wir uns mit der Symbolik dieser Tierbilder<br />

beschäftigen, so steht uns heute kaum mehr ein direkter Zugang zur Verfügung.<br />

Aber Symbolbilder verlieren ihre Bedeutung nicht, hüllen sie oft nur in<br />

ein neues Gewand, unter dem man ihre archaische Grundaussage aber durchaus<br />

noch erkennen kann.<br />

Wenn zur Entschlüsselung der Tiersymbolik nun einige Annäherungen aus<br />

anderen Kulturen erfolgen, dann deshalb, weil ihre lebensweltliche Situation<br />

vergleichbar ist und die zyklische Wiederkehr des Lebens von ebenso existenzieller<br />

Bedeutung für sie war wie für die Menschen von Göbekli Tepe. Dabei muss<br />

man ganz klar sehen, dass die Tiere bei aller Naturgenauigkeit nicht illustrativen<br />

Charakter hatten, nicht zweckorientierte Jagdmagie waren, auch nicht als bildliche<br />

Darstellung von mächtigen Tiergottheiten zu verstehen sind, sondern<br />

mythische Erklärungsmodelle der <strong>Welt</strong> sind. <strong>Die</strong> Symbolbilder konkretisieren<br />

Wirkungspotenziale, die ganz allgemein dem Leben und seinen geheimnisvollen<br />

Phänomenen galten. Im Folgenden werden auch Lexika (Lurker, Cooper) zitiert,<br />

um Standardwissen und nicht individuelle Zugänge zu vermitteln.<br />

Das häufigste Symbol auf den Stelen ist die Schlange, die mit ihrem kurzen,<br />

dicken Leib und dem dreieckigen Kopf wie eine Viper aussieht (Abb. 7). »Schlangen<br />

sind ein äußerst komplexes und universelles Symbol. Sie wurden für zweigeschlechtlich<br />

gehalten und sind somit das Attribut aller aus sich selbst heraus<br />

schaffenden Kräfte.« (Cooper 1986, Schlange) Da sie sich wie Bachläufe durch<br />

das Land schlängeln, wurden sie immer auch in enge Beziehung zum Wasser<br />

gesetzt. Sie gehören der Erde an, in der sie leben, und ihre seltsame Häutung<br />

gilt als Symbol der Erneuerung. Ihr geheimnisvolles, weil geräuschloses und<br />

zugleich gefährliches Wesen rückt sie in die Nähe der Anderswelt und der schöpferischen<br />

Sphäre des zyklischen Todes. Schlangen haftet etwas Geheimnisvoll-<br />

Schöpferisches an.<br />

In Indien beispielsweise repräsentieren die verschlungenen Körper der naga-<br />

Schlangen Erde und Wasser in ihrer Leben spendenden Vereinigung, und für<br />

die Chinesen ist die »Drachen-Schlange ein Regenbringer und Träger der<br />

Lebenskräfte des Wassers, der Fruchtbarkeit und Verjüngung«. Als »Kundalini<br />

steht die Schlange für die verborgene, noch nicht erweckte Energie des Seins«.<br />

In Japan ist sie die Personifizierung regenbringender Stürme, und auch bei den<br />

Kelten ist die Schlange dem »heiligen Wasser und Brunnen« zugeordnet.<br />

(Cooper, 1986, Schlange) Selbst in regenreichen Ländern wie Peru steht die<br />

Schlange in Verbindung mit dem Wasser, das heilt sowie Leben und Fruchtbarkeit<br />

bringt. <strong>Die</strong> Traumzeitschlange der australischen Aborigines, die auf unzähligen<br />

Felsbildern dargestellt ist, erschafft die <strong>Welt</strong>, wenn sie sich als Bach durch<br />

das ausgetrocknete Land schlängelt. Traumzeit ist dann Schöpfungszeit, ist

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!