Die beseelte Welt archaischer Religionen - Ina Mahlstedt
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DIE PYRAMIDEN ALS AUFERSTEHUNGSTEMPEL<br />
fand die schöpferische Energie des Flusses ein großartiges Symbolbild. Als üppige<br />
Ladung liegen die Keime oft in ihnen, sie kommen auf Tentakeln oder Wasserfäden<br />
daher und stellen die Lebenskraft dar. <strong>Die</strong>se scheint sich häufig in einem<br />
Naos zu verbergen, wenn sie nicht als Figur mit erhobenen Armen mitgeführt<br />
wird. Dann wird sie zum Symbolbild des neuen Lebens, des erneuten Aufkeimens<br />
der Vegetation (Abb. 3).<br />
Abb. 3: Schiffe bringen Lebenskeime und Lebenskraft mit dem Wasser,<br />
auf dem sie herantreiben. – a) Wadi Baramiya – b) Wadi Fuqundi –<br />
c) Wadi Hammamat.<br />
Mit Einsetzen der Landwirtschaft erhält die Erde im Bewusstsein der Menschen<br />
einen neuen Stellenwert: Sie wird zu einer Leben spendenden Wesenheit, zu<br />
einer mythischen Frau und Mutter, die ihre Kinder nährt, indem sie Gemüse,<br />
Getreide und Früchte auf den Feldern wachsen lässt. Alljährlich wieder, wenn<br />
sich der Fluss in ihre Furchen ergießt und sich auf sie legt, wird sie fruchtbar<br />
und erschafft Nahrung, mit der sie die Menschen am Nil sättigt. <strong>Die</strong>ses Phänomen<br />
des neuen Werdens könnte die »Frau mit den erhobenen Armen« ausdrücken:<br />
<strong>Die</strong> Erde reckt sich empor, bringt sich zur Gestalt (Abb. 3a). Wir finden diese<br />
Darstellung auch auf den großen Krügen der Naqada-Zeit, wobei der unmittelbare<br />
Zusammenhang von Wasser und Fruchtbarkeit deutlich erkennbar wird<br />
(Abb. 4).<br />
Sobald diese Figuren als Keramik-Idole entstehen, geben sie sich deutlich als<br />
weiblich zu erkennen. Es sind jedoch zwei sehr unterschiedliche Arten von weiblichen<br />
Figuren aus der prädynastischen Naqada-Zeit überkommen: einerseits<br />
steife, in sich gefangene kleine Elfenbeinfigurinen mit charakteristischem großen<br />
Schamdreieck, andererseits die »Frauen mit erhobenen Armen« in der kraftvol-