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Die beseelte Welt archaischer Religionen - Ina Mahlstedt

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ZU DEN RELIGIÖSEN VORSTELLUNGEN 127<br />

Rentier und Schiff – die Felsbilder<br />

der Jäger in Alta<br />

Während der letzten Eiszeit waren Skandinavien, die Nord- und Ostsee, Norddeutschland<br />

und teilweise auch Britische Inseln von einem gewaltigen Eisschelf<br />

bedeckt. Als sich vor etwa 12.000 Jahren das Klima zu erwärmen begann,<br />

schmolz das Eis an der Küste Norwegens infolge des warmen Golfstroms verhältnismäßig<br />

schnell, so dass diese schon ab etwa 10.000 v. Chr. wieder eisfrei war.<br />

Das belegen zahlreiche archäologische Funde an den Ufern der Fjorde, vor allem<br />

aber die Siedlungsspuren auf der Hammerfest vorgelagerten Insel Söröya, die<br />

aus der Zeit von 9000 v. Chr. stammen (Wickler 2004). <strong>Die</strong> kälteliebenden großen<br />

Rentierherden, die von den Flechten und Moosen der Tundra leben, folgten<br />

dem sich langsam nach Norden zurückziehenden Eis, und mit ihnen wanderten<br />

die Jäger und Beerensammler, die sie jagten. Heute leben die letzten Jäger nördlich<br />

des Polarkreises. Jahrtausende konnte sich diese ursprüngliche Lebensform<br />

erhalten, die bis heute von den samischen Rentiernomaden Norwegens, der<br />

Finnmark und Russlands praktiziert wird.<br />

Sie verstanden es, sich der extremen Natur wie dem Lebensrhythmus ihrer Tiere<br />

anzupassen und konnten dabei ihre alten religiösen Vorstellungen und Lebensmuster<br />

annähernd erhalten. Das Charakteristikum dieser arktischen Nomadengesellschaften<br />

ist das Schamanentum, das von Lappland über Sibirien bis zu den<br />

Inuit belegt ist. Es basiert auf einer engen Naturverbundenheit, das heißt, Berge,<br />

Seen, Felsen oder Pflanzen sind beseelt, die Tiere mit dem Menschen brüderlich<br />

verwandt. Das Entscheidende aber ist, dass der sichtbaren Lebenswelt eine<br />

unsichtbare, geistige Anderswelt innewohnt. Zu dieser Anderswelt hatten Schamanen<br />

in ihren Trancereisen Zugang. <strong>Die</strong>se Anderswelt, die im Wesentlichen<br />

der diesseitigen <strong>Welt</strong> entsprach, war für die Jäger sehr real und bot ihrem unsteten<br />

Nomadenleben Orientierung und Geborgenheit, da sie mit ihr in Verbindung<br />

treten konnten und dabei Rat und Hilfe von den Ahnen und den Geistern bekommen<br />

konnten.<br />

Das Schamanentum erscheint uns heute geheimnisvoll und »esoterisch«, weil<br />

wir zum einen die Fähigkeit verloren haben, über einen Zustand veränderten<br />

Bewusstseins in die geistige <strong>Welt</strong> zu gelangen. Zum anderen teilen wir überhaupt<br />

nicht mehr die Überzeugung, dass es eine geistige, schöpferische Sphäre hinter<br />

der sichtbaren Fassade unserer materiellen <strong>Welt</strong> gibt. Während seiner Trance<br />

oder Visionsreise, in die der samische Schamane beim Singen und beim Schlagen<br />

seiner Trommel glitt, konnte er den »Herrn der Tiere« aufsuchen, konnte Bot-

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