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Brigitte Mayr | Michael Omasta<br />
Sand im Getriebe der Welt<br />
Amos Vogel, sein Leben und das Kino<br />
Hat man das Glück, Amos Vogel kennenzulernen,<br />
dann begegnet man einem blitzgescheiten,<br />
weltoffenen, humorvollen Mann. In<br />
sein Gesicht haben sich die Spuren eines<br />
Lebens eingeschrieben, das nicht immer nach<br />
Plan verlief. Da war eine glückliche Kindheit<br />
und Jugend in Wien, die durch die politische<br />
Katastrophe abrupt beendet wurde. Da war<br />
ein langer Weg an unsicheren Exilstationen,<br />
bevor ein junger Student in New York wieder<br />
Boden unter den Füßen fand. Da war die<br />
Begegnung mit Marcia, die seinen Enthusiasmus<br />
fürs Kino uneingeschränkt teilte und<br />
sich auf ein Experiment einließ, das beider<br />
Leben maßgeblich prägen sollte.<br />
Filme wurden gezeigt und verliehen, es<br />
wurde geredet und geschrieben über sie. Ein<br />
damals noch ziemlich unvorbereitetes Publikum<br />
wurde mit einem neuen Sehen konfrontiert<br />
– mit Avantgarde, sozialem Dokumentarismus,<br />
wissenschaftlichem Lehrfilm und Animationskunst.<br />
Es dauert nicht lange, bis die Kritiker hellhörig<br />
werden, unter ihnen James Agee.<br />
„Soweit ich weiß, ist Cinema 16 die einzige<br />
Gesellschaft ihrer Art im ganzen Land“, zeigt<br />
sich der berühmte Autor der Zeitschrift<br />
„Nation“ beeindruckt: „Ich kann nur hoffen,<br />
dass diese Idee Früchte tragen und sich über<br />
die städtischen Ballungszentren hinaus ausbreiten<br />
wird.“ 1<br />
Auch die deutschsprachige Exilpresse in<br />
New York hat den neuen Filmclub von der<br />
ersten Vorführung an begleitet. „Aus den<br />
gelegentlichen Vorführungen des von Amos<br />
Vogel geleiteten Cinema 16 ist jetzt eine<br />
Gesellschaft geworden mit regelmäßigen<br />
Aufführungen, die es sich zum Ziel gesetzt<br />
hat, interessante und sonst nicht gezeigte<br />
Filme künstlerischen, erzieherischen oder<br />
dokumentarischen Inhalts ihren Mitgliedern<br />
vorzuführen“, schreibt Manfred Georg, leitender<br />
Kulturredakteur des „Aufbau“ im Frühjahr<br />
1948 über das aktuelle Programm im<br />
Barbizon Plaza und kommt zu dem Schluss:<br />
„Wenn Cinema 16 so weitermacht, kann es<br />
sich zu einem der wichtigsten Instrumente<br />
der Volksbildung entwickeln. Bravo!“ 2<br />
Zweifellos wäre es um das unabhängige<br />
Filmschaffen in den Vereinigten Staaten ganz<br />
anders bestellt, hätte es nicht Cinema 16,<br />
den immens wichtigen Beitrag von Amos und<br />
Marcia Vogel zu seiner Verbreitung und Vermittlung<br />
gegeben. Eine ganze Generation<br />
amerikanischer Kritiker, Filmemacherinnen,<br />
Cinephiler wird mit dem internationalen<br />
Avantgarde-, Dokumentar- und dem jungen<br />
Spielfilmschaffen, vor allem Europas,<br />
bekannt gemacht.<br />
Aber alles schön der Reihe nach.<br />
Wien. Am 18. April 1921 wird dem Ehepaar<br />
Mathilde und Samuel Vogelbaum ein Bub<br />
geboren, den die Mutter nach einem sozialkritischen<br />
Propheten des 8. Jahrhunderts aus<br />
dem Südreich Juda auf den Namen Amos<br />
tauft. Die junge Familie lebt im neunten<br />
Bezirk, Pichlergasse 4, Tür 12. Mathilde<br />
arbeitete bisher als Lehrerin an der Bildungsanstalt<br />
für Kindergärtnerinnen, Samuel, der<br />
seinen Doktor juris bereits gemacht hat, ist<br />
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