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AMOS VOGEL - The Sticking Place

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Amos Vogel<br />

„Ich spreche jetzt deutsch? Das ist<br />

komisch, das war mir überhaupt<br />

nicht bewusst“<br />

Obwohl er selbst nie Filme gemacht hat, verdankt das Kino Amos Vogel unendlich viel,<br />

darunter das legendäre Cinema 16, die Gründung des New York Film Festivals und<br />

das wunderbare Buch ,,Film as a Subversive Art“. Im folgenden Gespräch erzählt der<br />

gebürtige Wiener seine Geschichte<br />

Mein Vater war Rechtsanwalt in Wien und<br />

meine Mutter hat mit Alfred Adler gearbeitet,<br />

dem Psychologen. Sie war Erzieherin und hat<br />

geholfen, die ersten Kindergärten zu eröffnen.<br />

Wir wohnten im neunten Bezirk. Ich<br />

wurde 1921 geboren und bin auch hier in die<br />

Schule gegangen, ins Piaristengymnasium.<br />

Aber keine Matura. Wegen Hitler. In der siebenten<br />

Klasse hat man uns hinausgeworfen<br />

und gesagt: Ihr könnt nicht mehr studieren,<br />

ihr seid Untermenschen und so weiter. Sie<br />

haben davon schon gehört.<br />

Ich war von Anfang an politisch und sozial<br />

sehr engagiert; hoffentlich kann man das auf<br />

Deutsch sagen, „engagiert“. Meine Eltern<br />

waren beide in der Sozialistischen Partei und<br />

ich hab mich sehr interessiert für die ganzen<br />

Entwicklungen hier. Ein sehr starker Eindruck<br />

war der Bürgerkrieg 1934. Der Dollfuß. Und<br />

dann der Ständestaat. Da war ich 13 Jahre<br />

alt. Für mich hat das schon den Anfang des<br />

Faschismus in Österreich bedeutet, leider,<br />

der Ständestaat. Aber es war überhaupt<br />

keine Frage, wie ich mich in Wien gefühlt<br />

habe: Es war meine Stadt, ich hab sie<br />

geliebt. Ich war ein Österreicher, meiner<br />

Ansicht nach, und ich war auch ein Jude.<br />

Aber natürlich waren wir keine orthodoxen<br />

Juden, sondern den assimilierten österreichischen<br />

Juden viel näher. Ich war noch ein<br />

kleiner Bursch, da hat mein Vater mir erklärt:<br />

Ich bin ein Atheist. Trotzdem ist er einmal die<br />

Woche oder so in die Synagoge gegangen,<br />

weil er singen wollte. Dort hat man die Lieder<br />

gesungen, you know, als Teil des Gottesdienstes.<br />

Manchmal hat er mich da mit hingeschleppt,<br />

das war für mich sehr langweilig.<br />

Aber meine Mutter zum Beispiel, die ist fast<br />

niemals in den Tempel gegangen, hat damit<br />

nichts zu tun gehabt. Anstatt dessen hat sie<br />

mir Heinrich Heine zum Lesen gegeben und<br />

Rousseau, Altenberg, Kafka und solche<br />

Sachen. Im Gymnasium war ich nicht der<br />

beste Schüler, sicher nicht, aber es gab ein<br />

subject, ein Fach, wo ich der Beste war, und<br />

das war Deutsch – deshalb ist es schwer für<br />

mich, das verloren zu haben.<br />

Der „Anschluss“ war im März und erst<br />

sechs Monate später konnten wir das Land<br />

verlassen. Das war überaus schwierig: ein<br />

Land zu finden, das dich nehmen will, und<br />

wie man überhaupt lebendig von hier herauskommen<br />

kann. Es ist ein reiner Zufall, dass<br />

ich am Leben bin. Ja, random, das war es.<br />

Einer der Brüder meines Vaters, der das<br />

schwarze Schaf der Familie und als junger<br />

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