Impuls 2007 - iti-germany.de
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<strong>Impuls</strong> <strong>2007</strong><br />
Darstellen<strong>de</strong> Künste in Europa –<br />
Kreatives Potential und Pol<strong>iti</strong>scher Dialog<br />
Dokumentation <strong>de</strong>s Symposiums<br />
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Berlin 24. / 25. Juni <strong>2007</strong><br />
veranstaltet durch<br />
das Internationale Theaterinstitut (ITI)<br />
und <strong>de</strong>n Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste in Kooperation<br />
mit <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste<br />
Internationales Theaterinstitut Zentrum Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland
Einführung<br />
Die Ergebnisse <strong>de</strong>s Symposiums<br />
Zum Aufbau dieser Dokumentation<br />
Die Hauptthemen <strong>de</strong>r Debatte: Künstlernetzwerke, Kultur- und Kunstför<strong>de</strong>rung, Mobilität, die soziale Lage<br />
<strong>de</strong>r Künstler, Kulturwirtschaft, Dialog mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k, Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>ken<br />
2<br />
Grußworte von Nele Hertling (Vizepräsi<strong>de</strong>ntin Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste), Dr. Thomas Engel (Direktor ITI Deutschland)<br />
und Günter Jeschonnek (Geschäftsführer Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste)<br />
Keynote Gottfried Wagner (Direktor European Culture Foundation, Amsterdam): “Go Europe!”<br />
Teil I – Das Kreative Potential: Künstler, För<strong>de</strong>rer, Netzwerke<br />
Statements „Die Künstler sind <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k voraus“<br />
Matthias Lilienthal (Hebbel-am-Ufer, Berlin), Jonathan Mack (Festivalleiter, Friedrichshafen), Rolf Dennemann<br />
(Regisseur, Dortmund), Thomas Lehmen (Choreograf, Berlin), Janek Müller (Theaterhaus Weimar), Jochen<br />
Sandig (Sasha Waltz & Guests, Berlin)<br />
Anmerkungen Walter Heun (JointAdventures, München)<br />
Keynote Kirsten Haß (Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s) „Projekte für Europa“<br />
Panel: „För<strong>de</strong>rer, Projektin<strong>iti</strong>atoren und Netzwerke – Wer setzt die <strong>Impuls</strong>e?“<br />
Mary Ann DeVlieg (International Network for Contemporary Performing Arts – IETM, Brüssel), Martin Berg<br />
(Abt. Tanz/ Theater Goethe-Institut), Georg Schwarz (Allianz Kulturstiftung), Bertram Müller (tanzhaus nrw)<br />
Flóra Tálasi (Projekt „Bipolar“ <strong>de</strong>r Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s)<br />
Mo<strong>de</strong>ration: Bettina Milz (Dramaturgin, Stuttgart)<br />
Panel: „Kreative I<strong>de</strong>en, kulturpol<strong>iti</strong>sche Strategien – neue <strong>Impuls</strong>e für Künstler und Netzwerke“<br />
Prof. Hanns-Dietrich Schmidt (Essen 2010), Nele Hertling (Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste), Ralf Ollertz (Cie. Toula<br />
Limnaios), Dieter Buroch (Mousonturm Frankfurt/ Main), Dieter Welke (Regisseur, Frankfurt/ Main)<br />
Mo<strong>de</strong>ration: Michael Freundt<br />
12<br />
25<br />
33<br />
Teil II – Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />
Panel: „Kulturpol<strong>iti</strong>k in Europa / Europäische Einigung, Creative Industries und das Potential <strong>de</strong>r Künstler: hoch<br />
gelobt – und gut geför<strong>de</strong>rt?“<br />
Nele Hertling (Vize-Präsi<strong>de</strong>ntin Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste, In<strong>iti</strong>atorin „Europa eine Seele geben“), Dr. Norbert<br />
Sievers (Geschäftsführer Kulturpol<strong>iti</strong>sche Gesellschaft / Kongress „kultur.macht.europa“), Ruth Hieronymi<br />
(MdEP), Xavier Troussard (Generaldirektion Kultur und Bildung, Brüssel), Frithjof Berger (BKM, Referat Internationale<br />
Zusammenarbeit im Kulturbereich), Steffen Reiche (MdB, Mitglied <strong>de</strong>s Kulturausschusses)<br />
Mo<strong>de</strong>ration: Prof. Dr. Wolfgang Schnei<strong>de</strong>r (Direktor <strong>de</strong>s Instituts für Kulturpol<strong>iti</strong>k, Universität Hil<strong>de</strong>sheim)<br />
Panel: „Hin<strong>de</strong>rnisse abbauen, För<strong>de</strong>rung ausbauen - Anfor<strong>de</strong>rungen an die Kulturpol<strong>iti</strong>k“<br />
Daphne Tepper (European Forum for the Arts and Heritage, Brüssel), Rolf Bolwin (Direktor Deutscher Bühnenverein),<br />
Cord Meier-Klodt (Auswärtiges Amt, Referat Grundsatzfragen Kultur), Hans Heinrich Bethge (Berichterstatter<br />
<strong>de</strong>s Kulturausschusses <strong>de</strong>r KMK), Dr. Gerhard Sabathil (Leiter <strong>de</strong>r Vertretung <strong>de</strong>r EU-Kommission in<br />
Deutschland), Mo<strong>de</strong>ration: Walter Heun (Joint Adventures, München)<br />
40<br />
49<br />
Fazit <strong>de</strong>s Symposiums<br />
Dr. Thomas Engel, Günter Jeschonnek<br />
Teil III – Die In<strong>iti</strong>ativen<br />
Aktuelle Entwicklungen bei <strong>de</strong>n Hauptthemen<br />
Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>ken – kultur.macht.europa und die Berliner Konferenz<br />
Kultur- und Kunstför<strong>de</strong>rung – Aktueller Stand KULTUR <strong>2007</strong>-2013<br />
Soziale Lage <strong>de</strong>r Künstler – Studie und Symposium 2009, internationale Vernetzung im ITI<br />
Mobilität – ein neuer Fonds zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Mobilität von Künstlern in Europa<br />
Kulturwirtschaft – pol<strong>iti</strong>sche In<strong>iti</strong>ativen und Implikationen für die Künstler<br />
Künstler- und kulturpol<strong>iti</strong>sche Netzwerke<br />
Dialog mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k – Präsentation <strong>de</strong>r Ergebnisse <strong>de</strong>s Symposiums, In<strong>iti</strong>ative von IETM und EFAH zur Unterstützung<br />
<strong>de</strong>r Mitteilung <strong>de</strong>r Kommission über eine Europäische Kulturagenda<br />
61<br />
63<br />
Anhang<br />
Glossar – 55 Begriffe zu Kultur und Pol<strong>iti</strong>k in Europa<br />
Originaltext Mitteilung <strong>de</strong>r Kommission über eine Europäische Kulturagenda im Zeichen <strong>de</strong>r Globalisierung<br />
Originaltext Europäisches Parlament – Entwurf eines Berichts über die Soziale Lage <strong>de</strong>r Künstler<br />
Programm <strong>de</strong>s Symposiums „Europäisch kooperieren und produzieren“ am 24./25.06.<strong>2007</strong><br />
67<br />
U3
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Ergebnisse <strong>de</strong>s Symposiums<br />
Am Symposium „Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
vom 24./25. Juni <strong>2007</strong> beteiligten sich fast<br />
250 Akteure aus allen Bereichen <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n<br />
Künste sowie Vertreter von Netzwerken, Kulturinstitution<br />
und <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k aus ganz Europa. Erstmalig bezog<br />
sich eine kulturpol<strong>iti</strong>sche Konferenz direkt auf das Agieren<br />
<strong>de</strong>r Künstler in <strong>de</strong>r europäischen Kulturlandschaft.<br />
Ausgangspunkt <strong>de</strong>r Diskussionen war das kreative<br />
Potential <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste in Europa – die Vielfalt<br />
international vernetzter Produktionen, die Chancen<br />
von Kooperationen und Netzwerken, <strong>de</strong>r Dialog mit<br />
För<strong>de</strong>rern und die Grenzen <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rinstrumente.<br />
Europa wird durch die Kunst und Kultur erlebbar. Die<br />
Künstler bil<strong>de</strong>n ein enormes Potential für Europas Entwicklungschance<br />
Nr. 1 –Kreativität und kulturelle Vielfalt.<br />
Begonnen wur<strong>de</strong> die pol<strong>iti</strong>sche Debatte <strong>de</strong>r Akteure<br />
mit <strong>de</strong>n Vertretern aller pol<strong>iti</strong>schen Ebenen – <strong>de</strong>r Legislative<br />
und Administrative auf Län<strong>de</strong>r-, Bun<strong>de</strong>s- und<br />
EU-Ebene.<br />
Dabei wur<strong>de</strong>n die kulturpol<strong>iti</strong>schen Debatten <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen EU-Ratspräsi<strong>de</strong>ntschaft auf ihre konkrete Be<strong>de</strong>utung<br />
für die künstlerischen Produktionen in Europa<br />
befragt und die Kluft zwischen <strong>de</strong>r pol<strong>iti</strong>schen Würdigung<br />
<strong>de</strong>r Kultur als „Motor in Europa“ und <strong>de</strong>r Realität<br />
ungenügen<strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung und unzureichen<strong>de</strong>r kulturpol<strong>iti</strong>scher<br />
Rahmenbedingungen vermessen.<br />
For<strong>de</strong>rungen, Diskussionspunkte und<br />
Handlungsempfehlungen<br />
Sieben Themenfel<strong>de</strong>r markieren die Debatten innerhalb<br />
<strong>de</strong>s Symposiums. In diesen Bereichen wer<strong>de</strong>n die<br />
For<strong>de</strong>rungen, Diskussionspunkte und Handlungsempfehlungen<br />
zusammengefasst:<br />
Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
Die Teilnehmer begrüßten die „Mitteilung über eine<br />
europäische Kulturagenda im Zeichen <strong>de</strong>r Globalisierung“<br />
<strong>de</strong>r EU-Kommission und wollen diese aktiv unterstützen.<br />
Gefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n eine aktivere Kommunikation<br />
und Kooperation zwischen <strong>de</strong>n pol<strong>iti</strong>schen Ebenen <strong>de</strong>r<br />
Mitgliedsstaaten und <strong>de</strong>r EU sowie die Entwicklung einer<br />
expliziten Kulturpol<strong>iti</strong>k auf europäischer Ebene. Die<br />
vorgeschlagene Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r offenen Koordinierung<br />
wird als Weg <strong>de</strong>r Kommunikation und Koordination<br />
unterstützt.<br />
Für die Entwicklung <strong>de</strong>r europäischen I<strong>de</strong>e, für Vielfalt<br />
<strong>de</strong>r europäischen Kultur und für das kreative Potential<br />
<strong>de</strong>s Kontinent als originäres Entwicklungspotential<br />
muss es Ziel sein, Kulturpol<strong>iti</strong>k in Europa als eine in allen<br />
Pol<strong>iti</strong>kfel<strong>de</strong>rn wirken<strong>de</strong> pol<strong>iti</strong>sche Kultur zu entwickeln.<br />
Im Zeichen <strong>de</strong>r Globalisierung wird die Vielfalt <strong>de</strong>r Kulturen<br />
zum unverzichtbaren Gegengewicht zur Dominanz<br />
<strong>de</strong>s Marktes.<br />
Deutschland muss zum Vorreiter <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>k in<br />
Europa wer<strong>de</strong>n. Die Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r sollten ihre Zurückhaltung<br />
gegenüber <strong>de</strong>n Vorschlägen <strong>de</strong>r EU-Kommission<br />
aufgeben und sich aktiv und konstruktiv in <strong>de</strong>n<br />
Dialog begeben. Die beson<strong>de</strong>re fö<strong>de</strong>rale Struktur in<br />
Deutschland darf kein Hemmnis für die Stärkung europäischer<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k sein. Europa muss sichtbarer<br />
auch Teil <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>k <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r und Kommunen<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Wirtschaftliche und soziale Lage <strong>de</strong>r Künstler<br />
Wenn Kunst und Kultur als Motoren <strong>de</strong>s europäischen<br />
Einigungsprozesses erkannt wer<strong>de</strong>n, dann muss die<br />
wirtschaftliche und soziale Lage <strong>de</strong>r Akteure entsprechend<br />
gestärkt wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Teilnehmer unterstützen die Entschließung <strong>de</strong>s<br />
Europäischen Parlaments zum Sozialstatut <strong>de</strong>r Künstlerinnen<br />
und Künstler.<br />
Gefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n:<br />
• die Anerkennung <strong>de</strong>s beson<strong>de</strong>ren sozialen Status <strong>de</strong>r<br />
Künstler<br />
• grenzübergreifen<strong>de</strong> Anpassung <strong>de</strong>r Sozial- und Rentenversicherungssysteme<br />
an die hoch mobilen, temporären,<br />
Aufenthaltsorte und Vertragsverhältnisse wechseln<strong>de</strong>n<br />
Arbeitszusammenhänge von Künstlern<br />
• Übertragbarkeit und Anschlusssicherung von Beiträgen,<br />
Ansprüchen und Leistungen<br />
• grenzübergreifen<strong>de</strong> Anpassung <strong>de</strong>r Steuersysteme,<br />
Abschaffung von Son<strong>de</strong>rsteuern und Doppelbesteuerung<br />
Wenn die beson<strong>de</strong>re Rolle <strong>de</strong>r Künstler im Prozess <strong>de</strong>r<br />
europäischen Einigung und für die Entwicklung <strong>de</strong>s<br />
kreativen Potentials anerkannt wird, dann sind Son<strong>de</strong>rregelungen<br />
für Künstler kein Tabu in <strong>de</strong>r pol<strong>iti</strong>schen<br />
Debatte, son<strong>de</strong>rn ein notwendiger Schritt zur Lösung<br />
<strong>de</strong>r Fragen.<br />
Kultur und Kunstför<strong>de</strong>rung<br />
Budgeterhöhung<br />
Wenn Kunst und Kultur als Motoren <strong>de</strong>r europäischen<br />
Einigung anerkannt wer<strong>de</strong>n, dann müssen die<br />
Akteure und ihre Produktionen signifikant geför<strong>de</strong>rt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Min<strong>de</strong>stens 1% <strong>de</strong>s europäischen Haushalts sollte<br />
für Kulturfragen zur Verfügung gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
Zur För<strong>de</strong>rung internationaler Zusammenarbeit<br />
müssen die Budgets <strong>de</strong>r Kulturinstitute (in Deutschland:<br />
Goethe-Institut), Mittlerorganisationen und Netzwerke<br />
gestärkt wer<strong>de</strong>n.<br />
Bürokratieabbau (im Wesentlichen mit Bezug auf die<br />
EU-För<strong>de</strong>rprogramme)<br />
• Antragsverfahren wesentlich vereinfachen<br />
• Entscheidungsverfahren transparenter gestalten<br />
• in Entwicklung und Realisierung <strong>de</strong>r Programme<br />
Künstler einbeziehen<br />
Symbolisch wur<strong>de</strong> ein europäischer Preis für Kreativität<br />
im Verwaltungshan<strong>de</strong>ln angeregt.
Durchlässigkeit und Komplementarität von Fonds<br />
und För<strong>de</strong>rstrukturen<br />
Gefor<strong>de</strong>rt wird:<br />
• auf allen Ebenen komplementäre und flexible Fonds<br />
für Kooperationen in Europa aufzubauen,<br />
• regionale Fonds und Entscheidungsgremien stärken<br />
• dabei auch das System <strong>de</strong>r Subsidiarität zu befragen,<br />
• generell die Informationslage über För<strong>de</strong>rprogramme<br />
zu verbessern,<br />
• langfristige Projekte durch verschie<strong>de</strong>ne Teilför<strong>de</strong>rungen<br />
aufbauend zu för<strong>de</strong>rn (Recherche, Konzeptionsphase,<br />
Projektentwicklung),<br />
• mehr Projekte mit Jugendlichen und Migranten unter<br />
professioneller künstlerischer Anleitung zu ermöglichen,<br />
• die europäischen Strukturfonds auch für Projekte aus<br />
<strong>de</strong>m Kulturbereich leichter zugänglich zu machen.<br />
Kommunikation zwischen Künstlern, För<strong>de</strong>rern und<br />
Pol<strong>iti</strong>k<br />
Gefor<strong>de</strong>rt wird in diesem Bereich:<br />
• hohe Transparenz <strong>de</strong>s Dialogs, generell besserer Austausch<br />
– wobei auch Künstler und Netzwerke in <strong>de</strong>r<br />
Pflicht sind, eigenin<strong>iti</strong>ativ zu wer<strong>de</strong>n.<br />
• Nähe <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung: För<strong>de</strong>rer sollten mit <strong>de</strong>n künstlerischen<br />
Prozessen und <strong>de</strong>n konkreten Bedürfnissen<br />
<strong>de</strong>r Akteure besser vertraut sein (Bildung von kreativen<br />
Pools).<br />
• Flexibilität: För<strong>de</strong>rung sollte auf künstlerische Entwicklung<br />
und Verän<strong>de</strong>rungen bei Projekten reagieren<br />
können.<br />
Thematische För<strong>de</strong>rschwerpunkte vs.<br />
Freie För<strong>de</strong>rung<br />
Vielfach sprachen sich die Akteure gegen eine Orientierung<br />
ihrer künstlerischen Produktion an För<strong>de</strong>rprogrammen,<br />
För<strong>de</strong>rkriterien und formal vorausgesetzten<br />
Kooperationsbedingungen aus. Kunst muss hier ihre<br />
Eigenständigkeit behaupten.<br />
Themen und Profile wer<strong>de</strong>n zwar als Herausfor<strong>de</strong>rung<br />
und Anregung begriffen – auch diese sollten jedoch<br />
im Dialog mit Künstlern entwickelt wer<strong>de</strong>n.<br />
Projektför<strong>de</strong>rung versus Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />
Elementare For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Teilnehmer <strong>de</strong>s Symposiums<br />
war die Schaffung von Produktionsstrukturen für<br />
die Theaterarbeit als Basis für Koproduktionen und Ausgangspunkt<br />
für Mobilität.<br />
Vorgeschlagen wur<strong>de</strong> die Einrichtung weiterer europäischer<br />
Produktionshäuser, welche Produktionen präsentieren<br />
und ergebnisoffene Prozesse / Freiräumen <strong>de</strong>r<br />
Kreativität ermöglichen.<br />
Kontinuität <strong>de</strong>r Unterstützung: mittel- und langfristigeren<br />
För<strong>de</strong>rmaßnahmen (mehrjährige Konzeptför<strong>de</strong>rung)<br />
ist <strong>de</strong>r Vorzug gegenüber kurzfristiger Projektför<strong>de</strong>rung<br />
zu geben.<br />
Mobilität<br />
Zentral wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Vorschlag eines EU-Mobilitätsprogramms<br />
für Künstler diskutiert, welches als flexibler<br />
Fonds o<strong>de</strong>r/ und als Stärkung bestehen<strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rstrukturen<br />
zu entwickeln wäre.<br />
Gefor<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>:<br />
• die Visa-Pol<strong>iti</strong>k <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Botschaften dahingehend<br />
zu beeinflussen, dass künstlerische Kooperationen<br />
mit Akteuren aus Drittstaaten unterstützt behin<strong>de</strong>rt.<br />
• Einheitliche Regelungen zu Aufenthaltsrecht und Arbeitserlaubnis<br />
für Künstler aus Drittstaaten innerhalb<br />
<strong>de</strong>s Schengen-Raumes schaffen.<br />
Kulturwirtschaft<br />
Wenn Kreativität und kulturelle Vielfalt als originäre<br />
Ressourcen Europas und die Kulturwirtschaft als beson<strong>de</strong>res<br />
Entwicklungspotential anerkannt wer<strong>de</strong>n, wenn<br />
Künstler zugleich als Kerngruppe im kreativen Bereich<br />
erkannt wer<strong>de</strong>n – dann muss die För<strong>de</strong>rung dieses Bereichs<br />
als Invest<strong>iti</strong>on in notwendiger Größenordnung<br />
begriffen wer<strong>de</strong>n.<br />
Gefor<strong>de</strong>rt wird:<br />
• die soziale Absicherung <strong>de</strong>r Akteure (in Deutschland<br />
in <strong>de</strong>r Künstlersozialkasse) als zukunftsfähiges Mo<strong>de</strong>ll<br />
zu sichern,<br />
• das betriebswirtschaftliche Wissen bei <strong>de</strong>n Akteuren<br />
und ihr Agieren als Produzenten durch gezielte Projekte<br />
zu stärken,<br />
• Gewinne durch Kooperation, Einwerben von Sponsoren<br />
etc. durch zusätzliche Mittel zu belohnen und<br />
wirtschaftliches Agieren nicht mit Kürzung <strong>de</strong>r Zuwendung<br />
zu bestrafen,<br />
• ordnungspol<strong>iti</strong>sche Maßnahmen für <strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>r<br />
Kultur zu ergreifen.<br />
Zugleich wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Debatte die Gefahr einer Beurteilung<br />
künstlerischer Werke nach ihrem etwaigen ökonomischen<br />
Nutzen und ihren Verwertungsmöglichkeiten<br />
sehr kr<strong>iti</strong>sch beschrieben und die Eigenständigkeit <strong>de</strong>r<br />
Kunst, ihr eigenständiger Wert angemahnt.<br />
Künstlernetzwerke und Kulturpol<strong>iti</strong>sche Netzwerke<br />
Erkannt wird die beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung und Verantwortung<br />
<strong>de</strong>r Netzwerke im Dialog mit För<strong>de</strong>rn und<br />
Pol<strong>iti</strong>k. Für die Entwicklung temporärer künstlerischer<br />
(Produktions-)Netzwerke sind Flexibilität, Dynamik und<br />
Fokussierung auf die künstlerischen Produktionsprozesse<br />
unverzichtbar.<br />
An<strong>de</strong>rerseits können kulturpol<strong>iti</strong>sche Netzwerke nur<br />
durch ein hohes Maß an Strukturierung, Beständigkeit<br />
und Kohärenz <strong>de</strong>r Pos<strong>iti</strong>onen effektiv und nachhaltig<br />
auf <strong>de</strong>r pol<strong>iti</strong>schen Bühne agieren. Für ihre Entwicklung<br />
sind För<strong>de</strong>rung und i<strong>de</strong>elle Unterstützung auf nationaler<br />
und europäischer Ebene essentiell.<br />
Die Künstler for<strong>de</strong>rn die Netzwerke und Verbän<strong>de</strong><br />
im Bereich <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste (und weiter gefasst<br />
im Kulturbereich) in Deutschland und Europa auf:<br />
• Informationen und For<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Netzwerkpartner<br />
und Mitglie<strong>de</strong>r zu bün<strong>de</strong>ln, kohärente Pos<strong>iti</strong>onen<br />
zu artikulieren und auf <strong>de</strong>n pol<strong>iti</strong>schen Ebenen zu präsentieren.<br />
Ergebnisse
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Als aktuell wichtigste Aufgaben wer<strong>de</strong>n erachtet:<br />
• die Kommunikation über die Mitteilung <strong>de</strong>r EU-Kommission,<br />
• die Erarbeitung von Fakten, Argumentationen und<br />
For<strong>de</strong>rungen zur Stärkung <strong>de</strong>r wirtschaftlichen und sozialen<br />
Lage <strong>de</strong>r Künstler.<br />
Die wichtigsten Akteure in diesem Sinne sind:<br />
• in Deutschland: Deutscher Kulturrat, Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />
Gesellschaft, Bun<strong>de</strong>sverband und Lan<strong>de</strong>sverbän<strong>de</strong> Freier<br />
Theater, Deutscher Bühnenverein, Fonds Darstellen<strong>de</strong><br />
Künste, ITI Deutschland<br />
• in Europa: European Forum for the Arts and Heritage<br />
(EFAH), International Network for Contemporary Performing<br />
Arts (IETM), European Forum of the ITI, In<strong>iti</strong>ative<br />
Berliner Konferenz “Europa eine Seele geben”<br />
Dialog zwischen Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />
Die künstlerischen Akteure begreifen sich als Botschafter<br />
<strong>de</strong>r europäischen I<strong>de</strong>e und selbstbewussten<br />
Teil <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft. Sie unterstreichen ihren Willen<br />
zum intensiven Dialog mit <strong>de</strong>n pol<strong>iti</strong>schen Ebenen. Sie<br />
erkennen ihren Anteil an <strong>de</strong>r Gestaltung und Strukturierung<br />
dieses Dialogs.<br />
Sie for<strong>de</strong>rn, als wirkliche Partner im Entwurf und <strong>de</strong>r<br />
Gestaltung dieses Dialogs anerkannt zu wer<strong>de</strong>n. Auch<br />
im Kulturbereich muss sich Pol<strong>iti</strong>k stärker in <strong>de</strong>n Dialog<br />
mit <strong>de</strong>n Betroffenen begeben.<br />
Als notwendig wird die klare Erkennbarkeit von Ansprechpartnern<br />
auf Seiten <strong>de</strong>r Kultur wie in <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k.<br />
Der Dialog über Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k beginnt<br />
in <strong>de</strong>n Mitgliedslän<strong>de</strong>rn – in Deutschland auf <strong>de</strong>r Ebene<br />
<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stages und <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Mitglie<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>s Europäischen Parlaments.<br />
Kommunikation <strong>de</strong>r Ergebnisse <strong>de</strong>s Symposiums<br />
Basis <strong>de</strong>s weiteren Agierens im Sinne <strong>de</strong>r Verbreitung<br />
und Diskussion <strong>de</strong>r Symposiumsergebnisse ist die<br />
Dokumentation <strong>de</strong>s Symposiums, welche im Internet<br />
(unter www.<strong>iti</strong>-<strong>germany</strong>.<strong>de</strong> und www.fonds-daku.<strong>de</strong>)<br />
veröffentlicht wird und auch als Druckfassung (über<br />
das ITI Deutschland) erhältlich ist.<br />
Erste Veröffentlichungen <strong>de</strong>r Ergebnisse <strong>de</strong>s Symposiums<br />
erfolgten in „Kulturpol<strong>iti</strong>sche Mitteilungen“ (Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />
Gesellschaft), „Spiel und Bühne“ (Bund<br />
<strong>de</strong>utscher Amateurtheater), „impuls/ impulse“ (ITI) und<br />
„off-informationen“ (Bun<strong>de</strong>sverband Freier Theater).<br />
Die bei<strong>de</strong>n Veranstalter <strong>de</strong>s europäischen Symposiums,<br />
<strong>de</strong>r Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste und das ITI Deutschland,<br />
entwickeln <strong>de</strong>rzeit eine Kommunikationsstrategie,<br />
die von strategischen, beraten<strong>de</strong>n Gesprächen mit Pol<strong>iti</strong>kern<br />
ausgeht und als weiteren Schritt die Ergebnispräsentation<br />
<strong>de</strong>s Symposiums bei einer Anhörung am 10.<br />
Dezember <strong>2007</strong> beim Unterausschuss „Auswärtige Kultur-<br />
und Bildungspol<strong>iti</strong>k“ <strong>de</strong>s Deutschen Bun<strong>de</strong>stages<br />
beinhaltet. (Siehe „Teil III – Die In<strong>iti</strong>ativen“.)<br />
Die Debatten <strong>de</strong>s Symposiums wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n europäischen<br />
Netzwerken in <strong>de</strong>n Diskurs aufgenommen und<br />
weiter geführt:<br />
• im Rahmen <strong>de</strong>s Joint Meetings <strong>de</strong>s European Forum<br />
of the ITI und <strong>de</strong>s European Network of Information<br />
Centres for the Performing Arts (ENICPA) am 26./27.<br />
Juni <strong>2007</strong> in Berlin,<br />
• im Rahmen <strong>de</strong>r Plenary Meetings von IETM<br />
(04.-07. Oktober <strong>2007</strong> in Ghent),<br />
• im Rahmen <strong>de</strong>r Annual Conference von EFAH<br />
(08.-11. November <strong>2007</strong> in Warschau).<br />
Wesentliche In<strong>iti</strong>ativen<br />
Als wesentliche In<strong>iti</strong>ative haben <strong>de</strong>r Fonds Darstellen<strong>de</strong><br />
Künste und das ITI Deutschland ein komplexes Mo<strong>de</strong>llprojekt<br />
geplant: eine repräsentative und bun<strong>de</strong>sweite<br />
Studie, welche die Grundlage bil<strong>de</strong>t für ein Symposium<br />
und Handlungsempfehlungen zur wirtschaftlichen, sozialen<br />
und arbeitsrechtlichen Lage <strong>de</strong>r Künstler im Bereich<br />
<strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste. Das Symposium ist für<br />
Januar 2009 geplant.<br />
Mit einer ersten Koordinierungsrun<strong>de</strong> für dieses Projekt<br />
wur<strong>de</strong> im Oktober <strong>2007</strong> auch eine Plattform für <strong>de</strong>n<br />
gemeinsamen Dialog mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k etabliert:<br />
Den Kern bil<strong>de</strong>n hier – neben <strong>de</strong>m Fonds Darstellen<strong>de</strong><br />
Künste und ITI Deutschland – <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sverband Freier<br />
Theater, <strong>de</strong>r Deutsche Kulturrat und <strong>de</strong>r Deutsche Bühnenverein.<br />
Weiterhin sind Institutionen <strong>de</strong>r Arbeits- und<br />
Sozialsysteme, Verbän<strong>de</strong> und Gewerkschaften <strong>de</strong>r Arbeitnehmer,<br />
Vertreter <strong>de</strong>r Arbeitgeber, Bun<strong>de</strong>sministerien,<br />
Bun<strong>de</strong>stagsabgeordnete, För<strong>de</strong>rinstitutionen und<br />
Wissenschaftler aktiv einbezogen.
Aufbau <strong>de</strong>r Dokumentation<br />
Ergebnisse<br />
Diese Dokumentation erscheint in <strong>de</strong>r Reihe „impuls“<br />
<strong>de</strong>s Zentrum Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland <strong>de</strong>s<br />
ITI e.V. (ITI Deutschland). Das Heft dokumentiert das<br />
Symposium „Europäisch kooperieren und produzieren“,<br />
welches von ITI Deutschland und <strong>de</strong>m Fonds<br />
Darstellen<strong>de</strong> Künste am 24./25. Juni <strong>2007</strong> in Berlin in<br />
Kooperation mit <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste veranstaltet<br />
wur<strong>de</strong>.<br />
Glie<strong>de</strong>rung<br />
Den Ablauf <strong>de</strong>s Symposiums fin<strong>de</strong>n Sie am Schluss<br />
dieses Heftes. Die Dokumentation haben wir in drei<br />
Teile geglie<strong>de</strong>rt und <strong>de</strong>mentsprechend die Wi<strong>de</strong>rgabe<br />
<strong>de</strong>r Beiträge und Diskussionen strukturiert.<br />
In <strong>de</strong>r „Einführung“ fin<strong>de</strong>n Sie die Grußworte, welche<br />
<strong>de</strong>n Ausgangspunkt <strong>de</strong>r Konferenz markieren, und die<br />
erste Keynote, in welcher das Thema in einen großen<br />
Kultur- und Europapol<strong>iti</strong>schen Zusammenhang gestellt<br />
wird.<br />
„Teil I – Das kreative Potential“ zeigt vor allem <strong>de</strong>n<br />
Diskussionstand auf Seiten <strong>de</strong>r Akteure, <strong>de</strong>n Dialog<br />
zwischen Künstlern und För<strong>de</strong>rern und die Strukturierung<br />
<strong>de</strong>s Dialogs zwischen Kultur und Pol<strong>iti</strong>k durch die<br />
künstlerischen und kulturpol<strong>iti</strong>schen Netzwerke.<br />
„Teil II – Die pol<strong>iti</strong>sche Debatte“ dokumentiert <strong>de</strong>n<br />
Beginn <strong>de</strong>r Debatte mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k anhand <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />
kulturpol<strong>iti</strong>schen Panels am Beginn und am Schluss <strong>de</strong>s<br />
Symposiums<br />
„Teil III – Die In<strong>iti</strong>ativen“ versucht vor <strong>de</strong>m Hintergrund<br />
<strong>de</strong>r aufgeworfenen Fragen und For<strong>de</strong>rungen – beispielhaft<br />
und sicherlich keinesfalls vollständig – erste Schritte<br />
für die Umsetzung <strong>de</strong>r Ergebnisse <strong>de</strong>s Symposiums aufzuzeigen.<br />
Im Anhang führen wir noch einmal die Originaltexte<br />
<strong>de</strong>r Mitteilung <strong>de</strong>r EU-Kommission und <strong>de</strong>r Entschließung<br />
<strong>de</strong>s Europäischen Parlamentes, auf die im Symposium<br />
vielfach Bezug genommen wur<strong>de</strong>, an. Zusätzlich<br />
wer<strong>de</strong>n in einem Glossar 50 Begriffe zur Kulturpol<strong>iti</strong>k in<br />
Europa erläutert.<br />
Die Infogruppen, welche innerhalb <strong>de</strong>s Symposiums einen<br />
größeren Rahmen einnahmen, wer<strong>de</strong>n hier nicht<br />
in ihrem Wortlauf dokumentiert – die Informationen,<br />
auf welche in <strong>de</strong>n Veranstaltungen verwiesen wur<strong>de</strong>,<br />
haben wir in das Glossar (im Anhang) und in die erweiterte<br />
Dokumentation im Internet aufgenommen.<br />
www.<strong>iti</strong>-<strong>germany</strong>.<strong>de</strong><br />
Strukturierung<br />
In fast allen Beiträgen wur<strong>de</strong>n mehrere Themenfel<strong>de</strong>r<br />
gestreift, wur<strong>de</strong>n Anmerkungen auch zu an<strong>de</strong>ren Bereichen<br />
unternommen, Repliken auch jenseits <strong>de</strong>s eigenen<br />
Themas gegeben. Wir haben versucht, mit Markierungen<br />
am Seitenrand immer wie<strong>de</strong>r auf die angesprochenen<br />
Hauptthemen zu verweisen und aufzuzeigen,<br />
wie sich diese Hauptthemen durch die gesamte Debatte<br />
zogen.<br />
Zusätzlich sind Leitgedanken, wesentliche Stichworte<br />
und For<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r einzelnen Beiträge halbfett markiert.<br />
Auf Erklärungen von Begriffen im Glossar verweist<br />
ein hochgestelltes „Gl“.<br />
Die Hauptthemen <strong>de</strong>r Debatte<br />
• Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
• Wirtschaftliche und soziale Lage <strong>de</strong>r Künstler<br />
• Kultur und Kunstför<strong>de</strong>rung<br />
- EU-För<strong>de</strong>rung<br />
- Bürokratieabbau<br />
- Durchlässigkeit von Fonds und För<strong>de</strong>rstrukturen<br />
- Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />
- Kulturinstitute; Stiftungen<br />
- Kommunikation zwischen Künstlern und För<strong>de</strong>rer<br />
- Thematische För<strong>de</strong>rschwerpunkte vs.<br />
Freie För<strong>de</strong>rung<br />
- Projektför<strong>de</strong>rung vs. Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />
• Mobilität<br />
• Kulturwirtschaft<br />
• Künstlernetzwerke und Kulturpol<strong>iti</strong>sche Netzwerke<br />
• Dialog zwischen Kultur und Pol<strong>iti</strong>k
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Grußwort Nele Hertling<br />
Vizepräsi<strong>de</strong>ntin <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste GL , Berlin<br />
Liebe Gäste, Kollegen und Freun<strong>de</strong>,<br />
als Vizepräsi<strong>de</strong>ntin <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste GL begrüße<br />
ich Sie zunächst sehr herzlich in unserem trad<strong>iti</strong>onellen<br />
Haus im Tiergarten – ein Haus, das im Lauf seiner<br />
Geschichte, seit <strong>de</strong>r Eröffnung im Jahr 1960, zahlreiche<br />
europäische Kunstprojekte beherbergt hat. Ich erinnere<br />
vor allem an die fast schon legendäre Reihe „Pantomime<br />
- Musik - Tanz-Theater” (PMTT), die <strong>de</strong>m Publikum hier<br />
oft erste Begegnungen mit zeitgenössischem Tanz, Theater<br />
und mit Musik aus Europa und aller Welt bescherte.<br />
Mit ihrem neuen Haus am trad<strong>iti</strong>onellen Ort ist die Aka<strong>de</strong>mie<br />
nun auch in das Zentrum, an <strong>de</strong>n Pariser Platz,<br />
zurückgekehrt und damit in eine neue herausfor<strong>de</strong>rn<strong>de</strong><br />
europäische Realität mitten zwischen die Botschaften<br />
und Banken und die zahllosen „events” am Bran<strong>de</strong>nburger<br />
Tor mit <strong>de</strong>n ungezählten europäischen Touristen.<br />
Ich spreche aber auch als Vertreterin <strong>de</strong>r In<strong>iti</strong>ative „Europa<br />
eine Seele geben” GL zu Ihnen. Entstan<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m<br />
Engagement einzelner Personen, aus <strong>de</strong>m Bedürfnis,<br />
sich für ein geeintes Europa über die Mitgliedstaaten<br />
<strong>de</strong>r EU hinaus einzusetzen, ist sie bis heute ein zivilgesellschaftliches<br />
Projekt geblieben, getragen in ihrer<br />
beschei<strong>de</strong>nen Infrastruktur von einigen privaten europäischen<br />
Stiftungen. „Europa eine Seele geben” GL , ein<br />
Zitat nach Jaques Delors - wobei wir natürlich wissen,<br />
dass Europa eine Seele hat – ist keine Lobbygruppe<br />
für die Besserstellung von Kunst und Kultur. Es ist eine<br />
Lobbygruppe für <strong>de</strong>n europäischen Einigungsprozess<br />
mit <strong>de</strong>m Versuch, die pol<strong>iti</strong>schen Entscheidungsträger<br />
– lokal , regional, national und europäisch - davon zu<br />
überzeugen, dass ‚Europa’ nur gelingen wird, wenn das<br />
kreative Potential <strong>de</strong>r Kultur in alle pol<strong>iti</strong>schen Aktionsfel<strong>de</strong>r,<br />
auch in die Außen -, Sicherheits-, und Wirtschaftspol<strong>iti</strong>k<br />
integriert und dort dann auch genutzt wird.<br />
Europa ist ein kultureller Prozess, damit sind nicht<br />
nur die zuständigen Pol<strong>iti</strong>ker in <strong>de</strong>r Verantwortung,<br />
son<strong>de</strong>rn genauso die Zivilgesellschaft - wir alle und<br />
ganz beson<strong>de</strong>rs wir als Vertreter von Kunst und Kultur.<br />
Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k muss mehr sein als Pol<strong>iti</strong>k<br />
für die europäische Kultur, sie muss vor allem<br />
<strong>de</strong>r Kultivierung <strong>de</strong>r europäischen Pol<strong>iti</strong>k dienen.<br />
Hier ist unser Engagement gefor<strong>de</strong>rt. Die europäische<br />
Pol<strong>iti</strong>k darf nicht allein gelassen wer<strong>de</strong>n. Wir sollten<br />
nicht als Bittsteller, als Bettler vor die Vertreter <strong>de</strong>r nationalen<br />
und europäischen Pol<strong>iti</strong>k treten, son<strong>de</strong>rn als<br />
erfahrene, selbstbewusste Partner, die etwas Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s<br />
anzubieten haben - Kreativität und lange Erfahrung.<br />
Es sind doch vor allem die Künstler, für die es<br />
schon lange selbstverständlich gewor<strong>de</strong>n ist, in ihren<br />
vielfältigen Projekten in vielen neuen Formen, Strukturen<br />
und Netzwerken über Grenzen hinweg zu kooperieren<br />
und zu produzieren. Dies ist ein Mo<strong>de</strong>ll für ein<br />
offenes Europa. Mit <strong>de</strong>r wachsen<strong>de</strong>n Erkenntnis von<br />
<strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Kultur wird sich auch die Lage <strong>de</strong>r<br />
Künstler bessern.<br />
Nach vielen Jahren oft engstirniger Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen<br />
scheint sich auch in <strong>de</strong>r EU ein Wan<strong>de</strong>l<br />
anzubahnen. In Jan Figels „Communications”- Papier<br />
zu einer „europäischen Agenda für Kultur in einer Welt<br />
<strong>de</strong>r Globalisierung” wird erstmals formuliert, dass auf<br />
pol<strong>iti</strong>scher Ebene Kultur als Dimension vieler pol<strong>iti</strong>scher<br />
Bereiche und <strong>de</strong>r Europäischen Pol<strong>iti</strong>k im Ganzen gesehen<br />
wer<strong>de</strong>n muss. Die große gemeinsame Aufgabe<br />
für uns alle ist die Implementierung dieses Anspruchs.<br />
Hierfür müssen auch wir neue Instrumentarien entwickeln<br />
und mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k in einen Dialog auf Augenhöhe<br />
treten - vor allem auch mit unseren eigenen<br />
nationalen Vertretern. In <strong>de</strong>n nationalen Regierungen<br />
regt sich zum Teil noch mehr Abwehr und Wi<strong>de</strong>rstand<br />
als in Brüssel. Geht es doch darum, im besten Sinn etwas<br />
zu teilen. Die Reaktion darauf ist aber häufig <strong>de</strong>r<br />
Versuch, ängstlich etwas fest zu halten. Der polnische<br />
Europäer Bronisław Geremek sagt, das allgemein verteidigte<br />
Prinzip <strong>de</strong>r Subsidiarität GL muss entschie<strong>de</strong>n<br />
hinterfragt wer<strong>de</strong>n. Es ist gefährlich, da es nationalistische<br />
Entwicklungen unterstützt. Dafür muss mehr<br />
gemeinsame europäische Verantwortung und Kompetenz<br />
in Brüssel erreicht wer<strong>de</strong>n – <strong>de</strong>r Artikel 151<br />
von Maastricht wür<strong>de</strong> dies schon heute ermöglichen.<br />
Eine Fülle von Themen tut sich hierzu auf – alle haben<br />
sehr direkt mit <strong>de</strong>n Möglichkeiten von „Europäisch kooperieren<br />
und produzieren“ zu tun. Wir wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n<br />
Diskussionen sicher vielfach darauf zurückkommen.<br />
Zum Schluss möchte ich noch <strong>de</strong>n berühmt gewor<strong>de</strong>nen<br />
Satz <strong>de</strong>s EU-Präsi<strong>de</strong>nten Manuel Barroso auf <strong>de</strong>r<br />
ersten „Berliner Konferenz” GL 2004 z<strong>iti</strong>eren: Die EU hat<br />
ein Stadium ihrer Geschichte erreicht, in <strong>de</strong>m ihre<br />
kulturelle Dimension nicht länger ignoriert wer<strong>de</strong>n<br />
kann.
Grußwort Thomas Engel<br />
Direktor <strong>de</strong>s Zentrum Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />
<strong>de</strong>s Internationalen Theaterinstituts (ITI) e.V. GL ,<br />
Berlin<br />
Einführung<br />
Liebe Frau Hertling, lieber Herr Jeschonnek,<br />
liebe Teilnehmer und Gäste dieser Begegnung.<br />
Braucht dieses halbe Jahr <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen EU-Ratspräsi<strong>de</strong>ntschaft<br />
noch eine internationale Veranstaltung<br />
übers Kulturelle in Europa? So fragt sich sicher mancher<br />
in diesen an Symposien, Konferenzen und Tagungen<br />
nicht armen Monaten. Seien Sie gewiss, dass wir uns<br />
diese Frage auch gestellt haben und sie erst mit einem<br />
klaren „Ja“ beantwortet haben, als wir einer Konstellation<br />
ansichtig wur<strong>de</strong>n, von <strong>de</strong>r wir uns einen sehr beson<strong>de</strong>ren<br />
<strong>Impuls</strong> erhoffen.<br />
Ich danke <strong>de</strong>shalb zunächst Ihnen, Günter Jeschonnek,<br />
für Ihre Anregung, ein Treffen mehrerer europäischer<br />
Netzwerke, die das ITI GL mit Unterstützung <strong>de</strong>s<br />
BKM GL zu einem Meeting nach Berlin eingela<strong>de</strong>n hat,<br />
zu nutzen, um gemeinsam mit <strong>de</strong>m Fonds Darstellen<strong>de</strong><br />
Künste GL ein Symposium über das künstlerische Produzieren<br />
in Europa zu veranstalten. Und ich danke Ihnen<br />
und meinem Stellvertreter, Michael Freundt, für die<br />
kompetente Konzeption zu dieser Veranstaltung sowie<br />
<strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste GL für die Unterstützung und<br />
ihre bewährte Gastfreundschaft und nicht zuletzt allen<br />
unseren Helfern und Mitarbeitern für die umfassen<strong>de</strong><br />
Vorbereitung und Organisation.<br />
Wir wissen: Produzieren in Europa ist immer weniger<br />
auf ein Land beschränkt, internationale Projekte<br />
sind fester Bestandteil <strong>de</strong>s kulturellen Arbeitens.<br />
Dies generiert Netzwerke, die ihrerseits neue Projekte<br />
entwickeln. Die daraus erwachsen<strong>de</strong> Kompetenz ist<br />
eine Basis für die Zukunftsfähigkeit dieser Strukturen für<br />
vernetztes Produzieren. Diese Kompetenzen stärker in<br />
einen breiteren Erfahrungsaustausch einzubin<strong>de</strong>n und<br />
so für dieses Wissen eine breitere Teilhabe herzustellen,<br />
ist ein wesentliches Ziel dieses Symposiums. Die zahlreiche<br />
Beteiligung – wir haben Kollegen aus über 22<br />
Län<strong>de</strong>rn hier – und Ihr großes Interesse bestätigen, dass<br />
wir uns damit etwas Wichtiges vorgenommen haben.<br />
Das <strong>de</strong>utsche Zentrum <strong>de</strong>s Internationalen Theaterinstituts<br />
GL ist in verschie<strong>de</strong>nen europäischen Netzwerken<br />
aktiv. Das europäische Netzwerk <strong>de</strong>r Informationszentren<br />
für darstellen<strong>de</strong> Künste ENICPA GL , das Informationszentrum<br />
für <strong>de</strong>n Austausch zeitgenössischer Theaterstücke<br />
in Europa ICDE GL , das Forum <strong>de</strong>r europäischen<br />
ITI-Zentren und das Kommunikationskomitee <strong>de</strong>s ITI GL<br />
haben morgen und übermorgen ihre Arbeitstreffen<br />
und gemeinsame Synergie-Brainstormings (wenn Sie<br />
mir diesen flach<strong>de</strong>utschen Begriff verzeihen).<br />
Viele sind bereits heute in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Informationsveranstaltungen<br />
und Panels. Das Symposium<br />
wird von <strong>de</strong>r Anwesenheit <strong>de</strong>r internationalen Netzwerker<br />
prof<strong>iti</strong>eren und gleichze<strong>iti</strong>g Erfahrungen, Bedürfnisse<br />
und For<strong>de</strong>rungen von Theatermachern thematisieren.<br />
Wir erhoffen uns einen lebhaften Austausch<br />
zwischen Künstlern und Netzwerkern, produktive <strong>Impuls</strong>e<br />
in bei<strong>de</strong> Richtungen und darüber hinaus an die<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k.<br />
Und ganz sicher, das sei gleich angedroht, wer<strong>de</strong>n<br />
wir uns nicht auf das bekanntermaßen kapriziöse Europäische<br />
Kulturför<strong>de</strong>rprogramm mit seinen trotz<strong>de</strong>m nur<br />
0,03 % vom EU-Haushalt beschränken. Vielmehr hoffe<br />
ich, dass wir hier auch über die künftigen Produktionsbedingungen<br />
für Kunst und Kultur in Deutschland<br />
und Europa und über die Weichenstellungen <strong>de</strong>r<br />
Globalisierungspol<strong>iti</strong>k miteinan<strong>de</strong>r ins Gespräch kommen.<br />
Es ist unumgänglich, dass dazu viel mehr als bisher<br />
Künstler und Netzwerke gemeinsam ihre Erfahrungen<br />
bün<strong>de</strong>ln und ihre Pos<strong>iti</strong>onen in <strong>de</strong>r zivilgesellschaftlichen<br />
Diskussion <strong>de</strong>utlich hörbar machen.<br />
Meine Damen und Herren: Herzlich willkommen<br />
zum Symposium „Europäisch kooperieren und produzieren“!<br />
Grußwort Günter Jeschonnek<br />
Geschäftsführer <strong>de</strong>s Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste<br />
e.V. GL , Bonn<br />
Sehr verehrte Gäste<br />
unseres Europäischen Symposiums,<br />
<strong>de</strong>n persönlichen Begrüßungen durch Nele Hertling<br />
und Thomas Engel schließe ich mich im Namen<br />
<strong>de</strong>s Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste GL sehr gern an. Und wir<br />
freuen uns natürlich, dass Sie unserer Einladung gefolgt<br />
sind, um zum Gelingen eines lei<strong>de</strong>nschaftlichen Symposiums<br />
beizutragen. Danken will ich vor allem <strong>de</strong>m<br />
Internationalen Theaterinstitut GL – Zentrum Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland für die In<strong>iti</strong>ative, gemeinsam mit<br />
<strong>de</strong>m Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste GL dieses Symposium zu<br />
konzipieren und durchzuführen. Dank geht ebenfalls<br />
an unseren gemeinsamen Kooperationspartner Aka-
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste GL , dafür, dass wir hier im Haus, <strong>de</strong>r<br />
„alten Aka<strong>de</strong>mie Berlin West“, in <strong>de</strong>r so manche heiße<br />
kulturpol<strong>iti</strong>sche Debatte stattfand, ohne Mietkosten tagen<br />
dürfen. Alle drei Institutionen erhalten ihre Zuwendungen<br />
vom Bund – also auch gebühren<strong>de</strong>r Dank an<br />
<strong>de</strong>n Bund.<br />
Im Kontext zum Fall <strong>de</strong>s Eisernen Vorhangs, zur<br />
Erweiterung <strong>de</strong>r Europäischen Union und zu <strong>de</strong>n fortschreiten<strong>de</strong>n<br />
Globalisierungsprozessen haben selbstverständlich<br />
die internationalen Kooperationen und Vernetzungen<br />
von Kunst und Kultur stark zugenommen.<br />
Beson<strong>de</strong>rs spürbar ist das bei <strong>de</strong>r freien Szene aller Sparten<br />
<strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste. Sichtbar wird es an <strong>de</strong>n<br />
zunehmen<strong>de</strong>n internationale Gastspielen, Festivals und<br />
Koproduktionen. Deutsche Künstlerinnen und Künstler<br />
sind weltweit präsent. Vor allem aber sind es die mobilen<br />
und flexiblen Freien, mit ihren enormen i<strong>de</strong>ellen<br />
und auch finanziellen Vor- und Eigenleistungen, oftmals<br />
an <strong>de</strong>r Grenze zur Selbstausbeutung. Angesichts<br />
dieser Entwicklung stellt sich die erste Frage: Halten<br />
die aktuellen För<strong>de</strong>rinstrumente, die inhaltlichen<br />
Konzepte und die Budgets seitens <strong>de</strong>r EU und <strong>de</strong>r<br />
einzelnen europäischen Län<strong>de</strong>r dieser Entwicklung<br />
stand? Die vielen Vorgespräche zu diesem Symposium<br />
haben ganz klar gezeigt: sie reichen nicht aus. Auch aus<br />
diesem Grun<strong>de</strong> legte <strong>de</strong>r Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste GL<br />
2005 und 2006 außerhalb seiner regulären Projektför<strong>de</strong>rungen<br />
zwei Son<strong>de</strong>rprojekte „Osteuropa“ auf, um<br />
auf ganz unbürokratische Weise und ohne langwierigen<br />
Antragsaufwand kleinere europäische Projekte <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n<br />
Künste möglich zu machen. Wir för<strong>de</strong>rten<br />
16 Projekte mit insgesamt 400.000 Euro.<br />
Trotz aller beschei<strong>de</strong>nen pos<strong>iti</strong>ven Entwicklungen<br />
hinsichtlich <strong>de</strong>r europäischen Kulturpol<strong>iti</strong>k – auch in<br />
Deutschland – ist die Lücke zwischen <strong>de</strong>n Absichtserklärungen<br />
<strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k, dass Kunst und Kultur für <strong>de</strong>n<br />
europäischen Einigungsprozess so entschei<strong>de</strong>nd sind,<br />
und <strong>de</strong>r realen künstlerischen Praxis immer noch sehr<br />
groß. Das kann man nicht oft genug betonen. Beson<strong>de</strong>rs<br />
betrifft das die Finanzausstattung und die tatsächliche<br />
Teilhabe von Künstlern.<br />
Aber warum ist das immer noch so? Und was kann<br />
von wem dagegen unternommen wer<strong>de</strong>n? Das sollen<br />
zentrale Fragen unserer heutigen Diskussionen sein.<br />
Ganz in diesem Sinne empfiehlt <strong>de</strong>r Ausschuss für<br />
Kultur und Bildung <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments in seinem<br />
Entwurf eines Berichtes vom März <strong>2007</strong>: „Die Herausfor<strong>de</strong>rung<br />
einer europäischen Kulturpol<strong>iti</strong>k liegt darin,<br />
ein kulturelles Umfeld zu schaffen, das in allen künstlerischen<br />
Bereichen dynamisch und <strong>de</strong>m Schöpferischen sowie<br />
<strong>de</strong>r Innovation för<strong>de</strong>rlich ist. Dies kann nicht geschehen,<br />
ohne dass wir unseren Künstlern soziale Garantien<br />
bieten, die wir allen an<strong>de</strong>ren europäischen Arbeitnehmern<br />
gewähren, zum Ausgleich einer Garantie <strong>de</strong>r künstlerischen<br />
Freiheit, die für sie unverzichtbar ist.“<br />
Wenn man sich aber dann <strong>de</strong>n Haushalt <strong>de</strong>r EU ansieht,<br />
<strong>de</strong>r mit 115,5 Milliar<strong>de</strong>n beziffert wird und 55<br />
Milliar<strong>de</strong>n für Subventionen <strong>de</strong>r europäischen Landwirtschaft<br />
und 45 Milliar<strong>de</strong>n für die Wettbewerbsfähigkeit<br />
für Wachstum einstellt, für das neue Kulturprogramm<br />
<strong>2007</strong> bis 2013 (ohne Medienprogramme und<br />
die Kulturhauptstadtprogramme) aber nur 400 Mio.<br />
Euro einplant, fragt man sich, wie unrealistisch einzelne<br />
For<strong>de</strong>rungen von Kulturpol<strong>iti</strong>kern eigentlich sind. Unser<br />
Kulturstaatsminister Bernd Neumann hob Anfang Juni,<br />
beim Bun<strong>de</strong>skongress <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>schen Gesellschaft<br />
die – ich z<strong>iti</strong>ere – „fundamentale Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Kultur<br />
für ein gemeinsames Europa“ hervor und nannte „die Sicherung<br />
<strong>de</strong>s kulturellen Austausches, die Gewährung von<br />
Transfer und freier Kommunikation und die Anerkennung<br />
von Kreativität auch in wirtschaftlicher Hinsicht“ als zukünftige<br />
Bausteine.<br />
Der Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r EU-Kommission José Barroso verkün<strong>de</strong>te<br />
vor fast drei Jahren anlässlich <strong>de</strong>r Eröffnung <strong>de</strong>r<br />
Berliner Konferenz „Europa eine Seele geben“ GL : „Die<br />
EU hat ein Stadium ihrer Geschichte erreicht, in <strong>de</strong>m ihre<br />
kulturelle Dimension nicht länger ignoriert wer<strong>de</strong>n kann.<br />
In <strong>de</strong>r Hierarchie unserer Werte sind kulturelle Werte höher<br />
einzustufen als ökonomische“. Und im November 2006<br />
setzte er in Berlin fort: „Kultur ist <strong>de</strong>r Schlüssel für das<br />
Gefühl von Zusammengehörigkeit, das Europa braucht.“<br />
Aber die Mittel <strong>de</strong>r EU für die Kunst und die<br />
Kultur sind viel zu minimal, um diesen Absichtserklärungen<br />
Taten folgen zu lassen. Kunst und Kultur<br />
müssen einen höheren Stellenwert bekommen, über<br />
Absichtserklärungen hinaus. Und die Künstler, Produzenten<br />
und Theaterhausleiter müssen mit ihren vielfältigen<br />
Erfahrungen aktiver Teil <strong>de</strong>r Programme sein.<br />
Ich bin fest davon überzeugt, dass gera<strong>de</strong> die Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland als Gründungsmitglied <strong>de</strong>r<br />
Europäischen Union, als eines <strong>de</strong>r reichsten Län<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r Welt (auch was die Kunst und Kultur anbetrifft)<br />
und auch angesichts <strong>de</strong>r noch nicht so lange zurückliegen<strong>de</strong>n<br />
systematischen Vernichtung europäischer<br />
Kunst und Kultur sich ihrer beson<strong>de</strong>ren Verantwortung<br />
bewusst sein und <strong>de</strong>shalb eine Art Vorreiterrolle übernehmen<br />
muss. Auch <strong>de</strong>shalb sind nationale In<strong>iti</strong>ativen<br />
für die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s kulturellen Austausches in Europa<br />
so unverzichtbar. Und da gibt es in unserem Land trotz<br />
Bun<strong>de</strong>skulturstiftung GL und Goethe-Institut GL noch enorm<br />
viel zu tun. Abschließend z<strong>iti</strong>ere ich <strong>de</strong>shalb gern<br />
Steffen Reiche, <strong>de</strong>r als Mitglied <strong>de</strong>s Kulturausschusses<br />
<strong>de</strong>s Deutschen Bun<strong>de</strong>stages im ersten Panel diskutieren<br />
wird. Er schrieb vor einem halben Jahr: „Kultur ist die<br />
zentrale Frage <strong>de</strong>r Zukunft, im Übergang von <strong>de</strong>r Industrie-<br />
zur Wissensgesellschaft, in <strong>de</strong>r Arbeit eine neue Rolle<br />
spielen wird.“<br />
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.<br />
10
Keynote Gottfried Wagner<br />
Direktor <strong>de</strong>r European<br />
Cultural Foundation GL , Amsterdam<br />
Im Programm trägt meine Keynote <strong>de</strong>n Titel „Go<br />
Europe!“, aber ich möchte Sie auch mit unseren Zweifeln<br />
und ein paar vorsichtigen Vorschlägen vertraut machen.<br />
Da steht auf <strong>de</strong>r einen Seite die Frage: Warum<br />
soll Europa für Kulturschaffen<strong>de</strong>, genauer gesagt für<br />
Künstler, ein Thema sein? Ein österreichischer Künstler<br />
nimmt sich auch nicht die Republik Österreich zum Thema,<br />
o<strong>de</strong>r nur höchst indirekt. Es ist keineswegs selbstverständlich,<br />
dass Europa Thema für die Produzenten<br />
wird. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite aber steht die Praxis: Sie<br />
produzieren ständig voller Engagement über Grenzen<br />
hinweg.<br />
Aber was Europa und Kultur wirklich miteinan<strong>de</strong>r zu<br />
tun haben, wie genau diese Begriffe zusammengehören,<br />
da sind wir uns doch alle nicht so sicher. Wir wissen, da<br />
liegt etwas in <strong>de</strong>r Luft und es hat mit Pol<strong>iti</strong>k zu tun,<br />
aber es fehlt uns dafür die Sprache. Und manchmal ist<br />
es zum Verzweifeln, wie man selbst diese Sprache gebetsmühlenartig<br />
verwen<strong>de</strong>t: Pol<strong>iti</strong>sche Kultur, Transnationalität,<br />
Subsidiarität GL , Än<strong>de</strong>rungsvertrag…<br />
Es mangelt uns aber nicht nur an einer frischen<br />
Sprache, um diese neue post-nationale Konstellation<br />
zu verstehen, son<strong>de</strong>rn es mangelt uns auch an einer<br />
scharfen Analyse <strong>de</strong>ssen, was pol<strong>iti</strong>sch eigentlich ansteht.<br />
Es gibt viel I<strong>de</strong>alismus, viel guten Willen, viel „Europäisch<br />
kooperieren und produzieren“ – aber Europa<br />
als pol<strong>iti</strong>sche Herausfor<strong>de</strong>rung für Kunst und Kultur,<br />
das haben wir noch nicht wirklich verstan<strong>de</strong>n.<br />
Der Gründungsmythos Europas ist verblasst, <strong>de</strong>r<br />
Anti-Kriegsmythos funktioniert nicht mehr. Eine an<strong>de</strong>re<br />
Leitmetapher, die sich gegenwärtig einschleicht, ist die<br />
<strong>de</strong>r „Fusionen“. In <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n ist die heimische<br />
Fluggesellschaft KLM gera<strong>de</strong> Air France angeschlossen<br />
wor<strong>de</strong>n, und die trad<strong>iti</strong>onsreichste und größte nie<strong>de</strong>rländische<br />
Bank ABN AMRO wird gera<strong>de</strong> verkauft und<br />
filetiert. Das schafft viel Unsicherheit, aber gleichze<strong>iti</strong>g<br />
wissen die Leute, dass dieser merger-Prozess <strong>de</strong>r Fusionen,<br />
<strong>de</strong>r immer weiteren Größenbildung unaufhaltbar<br />
ist. Und man meint, das wäre mit Europa ähnlich:<br />
Wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen, dann müssen<br />
wir alle eben größer wer<strong>de</strong>n. Das heißt Fusion, Ost-Erweiterung,<br />
pol<strong>iti</strong>scher merger.<br />
Ein fundamentaler Denkfehler dabei ist aber, dass<br />
wir es bei Europa nicht einfach mit sharehol<strong>de</strong>r values<br />
zu tun haben, son<strong>de</strong>rn mit tausendfach differenzierten<br />
Interessen – von Armen wie von Reichen, von Polen<br />
und Deutschen, von Hollän<strong>de</strong>rn und Maltesen usw. Die<br />
Metapher <strong>de</strong>s Ökonomischen taugt für Europa als<br />
Projekt ganz und gar nicht.<br />
Aber umgekehrt liegt die Schlussfolgerung nahe:<br />
Wenn Marktmechanismen so gewaltig gewor<strong>de</strong>n sind,<br />
dann braucht es auch eine gewaltige öffentliche ‚Gegenmacht’.<br />
Und die muss sich transnational organisieren.<br />
Europäisch.<br />
Europa muss ausreichend mächtig wer<strong>de</strong>n. Aber<br />
hier haben wir <strong>de</strong>n Kern <strong>de</strong>r Ambivalenz.<br />
Wir wollen, dass Europa stärker wird, auch und vor<br />
allem auf <strong>de</strong>r Weltbühne, aber wir haben auch Angst<br />
davor. Denn was heißt Stärke? Geht es um ein Europa<br />
<strong>de</strong>s ‚Kapitalismus’ pur? O<strong>de</strong>r um ein wettbewerbsstarkes<br />
Europa <strong>de</strong>r Fairness und <strong>de</strong>s sozialen Ausgleichs?<br />
Es braucht zum Markt auch die Balance, es braucht <strong>de</strong>mokratische<br />
Gegenmacht. Damit hat sich das uralte<br />
Spannungsfeld zwischen Pol<strong>iti</strong>k und ‚Kultur’ auf eine<br />
neue Ebene verlagert; und dafür sind wir noch nicht<br />
wirklich gerüstet. O<strong>de</strong>r genauer: Kunst und Pol<strong>iti</strong>k sind<br />
in ein neues Spannungsverhältnis getreten und da geht<br />
es, wie Nele Hertling gesagt hat, um pol<strong>iti</strong>sche Kultur.<br />
Dieser Komplex <strong>de</strong>r Ambivalenz ist in <strong>de</strong>r Tat ein<br />
Thema für alle, aber beson<strong>de</strong>rs für die Kreativen, für<br />
die Künstler und die Intellektuellen mit ihrem Kr<strong>iti</strong>kpotential<br />
– <strong>de</strong>nn die Alternative wäre, <strong>de</strong>ssen müssen wir<br />
uns bewusst sein, reine Machtstrukturen und reine Bürokratie.<br />
Ob wir es wollen o<strong>de</strong>r nicht: Wir müssen ‚gute<br />
Europäer’ wer<strong>de</strong>n.<br />
Mitte Juni tagte <strong>de</strong>r Europäische Rat in Brüssel zum<br />
Thema <strong>de</strong>r EU-Verfassung. Für Theaterleute muss das<br />
ein beson<strong>de</strong>res Erlebnis gewesen sein. Performing Arts<br />
in Reinkultur, ein Drama, eine Komödie auch, besser<br />
eine Groteske. Gera<strong>de</strong> weil es um wahnsinnig viel<br />
geht, nämlich um die Frage <strong>de</strong>r Machtverhältnisse in<br />
Zukunft, kommen plötzlich an<strong>de</strong>re Faktoren ins Spiel:<br />
die Geschichte, Größe und Kleinheit, <strong>de</strong>r verletzbare<br />
Narzissmus <strong>de</strong>r Nationen... Wir erleben das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
nationalen Prinzips, die freiwillige Übergabe von Macht<br />
an transnationale Organisationen. Die Hymne und die<br />
Fahne, an sich belanglose Insignien <strong>de</strong>r Macht, wer<strong>de</strong>n<br />
auf einmal ungemein be<strong>de</strong>utsam („raus aus <strong>de</strong>m<br />
Vertrag!“). Dreißig Stun<strong>de</strong>n haben nun die Pol<strong>iti</strong>ker in<br />
Brüssel verhan<strong>de</strong>lt, davor dreißig Tage, dreißig Monate<br />
– ein ungeheurer Kraftakt, ein welthistorisches Projekt,<br />
ein nie da gewesener Flächenversuch, freiwillig Macht<br />
an ein Zentrum abzugeben. Das alles spielt sich vor <strong>de</strong>n<br />
Augen eines großen Publikums ab – es gab dafür ein<br />
großes Publikum im Fernsehen – und es geht um etwas:<br />
es geht um das gute Leben in <strong>de</strong>r Zukunft.<br />
Heute, En<strong>de</strong> Juni, sind dieses Ereignis und <strong>de</strong>r ausgehan<strong>de</strong>lte<br />
Vertrag schon an zweite Stelle gerückt.<br />
Ein eigentlich historisches Ereignis – wenn dieser Vertrag<br />
gelingt, ist es ein historisches Ereignis <strong>de</strong>r Neu<strong>de</strong>fin<strong>iti</strong>on<br />
von Macht, Ausgleich und Demokratie<br />
– beschäftigt uns für einen Moment und rutscht dann<br />
wie<strong>de</strong>r ins Alltagsverständnis ab. Wir verstehen wahrscheinlich<br />
nicht, dass gera<strong>de</strong> jetzt eine strukturelle<br />
Umwälzung stattfin<strong>de</strong>t. Wir haben es verstan<strong>de</strong>n, als<br />
in <strong>de</strong>n Referen<strong>de</strong>n in Frankreich und <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n<br />
die EU-Verfassung mit „Nein“ verworfen wur<strong>de</strong>n.<br />
Eine Performance von Vanessa Beecroft bei <strong>de</strong>r heurigen<br />
Biennale in Venedig nennt sich „Sudan Performance“.<br />
Sie lässt in <strong>de</strong>r Mitte dieses Szenarios dreißig<br />
Frauen aus <strong>de</strong>m Sudan sich nackt auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n legen,<br />
in einer Orgie von Rot. Und die Botschaft: Sudan ist<br />
Venedig, Sudan ist in Europa.<br />
Einführung<br />
11
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Das 21. Jahrhun<strong>de</strong>rt wird hoffentlich das europäische<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, wie Mark Leonard das ausgedrückt<br />
hat. Nach <strong>de</strong>m Irakkrieg, nach dieser Katastrophe, wird<br />
es nicht mehr darum gehen, dass bestimmte Administrationen<br />
diese o<strong>de</strong>r jene Pol<strong>iti</strong>k formulieren, son<strong>de</strong>rn<br />
es wird darum gehen, dass wir ein langfristiges Mo<strong>de</strong>ll<br />
<strong>de</strong>s Interessenausgleichs auf kosmopol<strong>iti</strong>scher Grundlage<br />
fin<strong>de</strong>n. Und hier hat Europa die Kernaufgabe. Es<br />
geht um die Balance, die Welt nicht einer Superpower<br />
zu überlassen; um Mo<strong>de</strong>lle <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns in <strong>de</strong>r Globalisierung,<br />
einer fairen Entwicklung und <strong>de</strong>s ökologischen<br />
Bewahrens. Auch hier, das ist meine zweite These, muss<br />
Europa stärker wer<strong>de</strong>n. Aber wie<strong>de</strong>r stellt sich die Frage:<br />
Auf welchen Werten basiert diese Stärke? Wie verhin<strong>de</strong>rt<br />
man, dass Europa ein un<strong>de</strong>mokratisches Empire<br />
wird und wie macht man es gleichze<strong>iti</strong>g stark? Denn die<br />
Alternative zur Stärke wäre, z.B. ein Museum zu wer<strong>de</strong>n,<br />
ein Museum <strong>de</strong>r Welt, ein Museum <strong>de</strong>r Vielfalt.<br />
Diese zwei ambivalenten Umkreisungen <strong>de</strong>s Verhältnisses<br />
von Stärke und Fairness/Demokratie werfen im<br />
Detail Fragen <strong>de</strong>r Effizienz <strong>de</strong>r europäischen Institutionen<br />
auf, Fragen <strong>de</strong>r Demokratie <strong>de</strong>r europäischen Institutionen<br />
und vor allem <strong>de</strong>r pol<strong>iti</strong>schen Kultur. Es geht um<br />
Kr<strong>iti</strong>k und Partizipation, Sich Einlassen und Mitgestalten.<br />
Wenn es aber um das Verstehen und Mitgestalten einer<br />
Sprache für diese neuen pol<strong>iti</strong>schen Konstellationen um<br />
uns herum geht – dann bekommt das Wort „Kulturschaffen<strong>de</strong>“<br />
eine völlig neue Be<strong>de</strong>utung. Dieser Ausdruck<br />
meint dann, dass die Kreativen eine völlig neue<br />
pol<strong>iti</strong>sche Kultur mit schaffen wer<strong>de</strong>n. Die Künstler wer<strong>de</strong>n<br />
zu Partisanen <strong>de</strong>r Übersetzung dieser Dilemmata, zu<br />
Partisanen <strong>de</strong>r Kr<strong>iti</strong>k – wie schon von alters her.<br />
Für mich persönlich zeigte die aktuelle documenta<br />
in Kassel, kuratiert von Roger-Martin Buergel, wie sich<br />
in einem kosmopol<strong>iti</strong>schen Kontext vermeintliche Sicherheiten<br />
auflösen und viele Fragen stellen. Die Ausstellung<br />
gab wun<strong>de</strong>rbare Belege, dass Kunst und Kultur<br />
selbst nicht unschuldig sind, son<strong>de</strong>rn sich immer<br />
auch selbst schuldig gemacht haben. Dieses Wissen um<br />
Verletzbarkeit und Verführbarkeit wird für die Neugestaltung<br />
<strong>de</strong>s Verhältnisses von Kunst und Europa ausschlaggebend<br />
sein.<br />
Ich möchte noch eine beson<strong>de</strong>re Herausfor<strong>de</strong>rung benennen:<br />
Der Begriff „Vielfalt“ – auch so ein Mantra-Wort<br />
– verweist auf ein weiteres Problem mit zwei Facetten:<br />
einerseits die Angst, Vielfalt zu verlieren, und an<strong>de</strong>rerseits<br />
die Angst vor zu viel Vielfalt. Wer gehört in Europa<br />
dazu, wer wird eingeschlossen, wer wird ausgeschlossen?<br />
Wenn aber Europa ein kosmopol<strong>iti</strong>sches Projekt ist, wenn<br />
es nicht nur als Projekt auf sich selbst, son<strong>de</strong>rn über sich<br />
hinaus verweist, dann ist die Nation als Einschluss- o<strong>de</strong>r<br />
Ausschlusskriterium<br />
Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k natürlich nicht mehr<br />
die einzige Kategorie,<br />
Ethnizität schon gar nicht. Dann ist die Frage <strong>de</strong>r Erweiterung<br />
ein kerneuropäisches Thema – Stichwort Balkan,<br />
Stichwort Türkei. Dann ist auch die Frage <strong>de</strong>r Migration<br />
ein kerneuropäisches Thema. Auch hier müssen Kunst und<br />
Kultur <strong>de</strong>n Raum offen halten – mit all <strong>de</strong>n Spannungen,<br />
die das möglicherweise produziert.<br />
Zum Abschluss: Europa kann man nicht ohne eine<br />
explizite Kulturpol<strong>iti</strong>k auf europäischer Ebene <strong>de</strong>nken.<br />
Denn sonst gibt es Kulturpol<strong>iti</strong>k, aber sie wird von<br />
an<strong>de</strong>ren etabliert, by <strong>de</strong>fault, wie Mary-Ann <strong>de</strong> Vlieg<br />
das genannt hat. Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k muss aus<br />
<strong>de</strong>m unbewussten und vorpol<strong>iti</strong>schen Raum herausgeholt<br />
wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn sonst sind es allein die Märkte, die<br />
bestimmen.<br />
Sie muss in <strong>de</strong>n öffentlichen Raum zurückgeholt<br />
wer<strong>de</strong>n, so schmerzhaft das auch für einen fö<strong>de</strong>ralen<br />
Staat wie Deutschland sein mag. Kulturpol<strong>iti</strong>k als Diversitätspol<strong>iti</strong>k<br />
in Europa muss explizit wer<strong>de</strong>n. Daher geht<br />
es natürlich nicht nur um die För<strong>de</strong>rprogramme <strong>de</strong>r EU<br />
und ihrer Mitgliedsstaaten, son<strong>de</strong>rn es geht in <strong>de</strong>r Tat<br />
um eine Strategie. Daher begrüßen wir in <strong>de</strong>r ECF GL die<br />
Mitteilung <strong>de</strong>r Europäischen Kommission GL , weil sie seit<br />
ganz langer Zeit <strong>de</strong>r erste strategische Text ist, weil sie<br />
aufruft zur Einmischung, weil sie in dieser strategischen<br />
Entwicklung <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft einen be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n<br />
Platz einräumt und weil sie drei wichtige Fel<strong>de</strong>r benennt:<br />
erstens Diversität, also die Frage von I<strong>de</strong>ntität<br />
und Vielfalt, zweitens Wirtschaft, Wettbewerbsfähigkeit<br />
und Kultur, und drittens Europa in <strong>de</strong>r Welt.<br />
Wenn es <strong>de</strong>n Pol<strong>iti</strong>kern in Brüssel und in <strong>de</strong>n Hauptstädten<br />
gelingt, und wenn es uns gelingt, diese Agenda<br />
zum Leben zu erwecken, dann schaut Europa in zehn,<br />
fünfzehn Jahren an<strong>de</strong>rs aus. Das geht aber nicht, wenn<br />
wir diesen Prozess wie<strong>de</strong>r nur <strong>de</strong>n Eliten in <strong>de</strong>n Hauptstädten<br />
und Staatskanzleien überlassen.<br />
Eine <strong>de</strong>r wesentlichen Schlussfolgerungen aus diesem<br />
Text <strong>de</strong>r EU-Kommission ist: Wenn wir uns nicht<br />
einmischen, kann dieses Projekt nicht gelingen. Deshalb<br />
bin ich froh, dass die Veranstalter hier in Berlin<br />
diese Fragen so zentral stellen; natürlich aus Anlass <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen Ratspräsi<strong>de</strong>ntschaft, aber auch darüber hinausgehend.<br />
Und gera<strong>de</strong> Deutschland ist ja für die Formulierung<br />
einer zukünftigen europäischen Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
ein beson<strong>de</strong>rs sensibles Land.<br />
Neben diesem sehr langwierigen Prozess wer<strong>de</strong>n wir<br />
auch kurzfristige Erfolge brauchen. Daher möchte ich<br />
einen konkreten Appell formulieren. Das ist ein Appell<br />
an die europäischen Institutionen, konkrete Maßnahmen<br />
2008 zu lancieren, und das ist auch ein Appell an<br />
die Teilnehmer dieses Symposiums, diese Maßnahmen<br />
zu unterstützen.<br />
Das einfachste wäre, etwas zu schaffen, was vergleichbar<br />
im Bildungsbereich schon seit 15 Jahren<br />
Mobilität<br />
existiert, nämlich ein gutes Mobilitätsprogramm<br />
für junge Kulturschaffen<strong>de</strong><br />
und Künstler in Europa. Das Bildungsprogramm<br />
ERASMUS hat im Hochschulbereich<br />
rund 1,5 Millionen Menschen bewegt. Es hat mindsets<br />
geän<strong>de</strong>rt. Lasst uns ein Pilotprojekt auflegen, für ein<br />
Mobilitätsprogramm für junge Kulturschaffen<strong>de</strong> und<br />
Künstler. Lasst uns damit 2008 beginnen – im Jahr <strong>de</strong>s<br />
interkulturellen Dialogs. Und lasst uns zeigen, was diese<br />
Invest<strong>iti</strong>on in Kunst und Kultur leisten kann – zu unser<br />
aller Wohl.<br />
Vielen Dank.<br />
12
Teil I – Das Kreative Potential<br />
Künstler, För<strong>de</strong>rer, Netzwerke<br />
Bürokratieabbau, Europäisches Performance Netzwerk<br />
und ein Preis für <strong>de</strong>n kreativsten Verwaltungsbeamten<br />
in Europa – das waren nur einige <strong>de</strong>r Themen<br />
und Vorschläge <strong>de</strong>r Künstler. Dieser Abschnitt fasst die<br />
Beiträge und Diskussionen zusammen, in <strong>de</strong>nen sich<br />
das enorme kreative Potential <strong>de</strong>s Bereichs zeigt. Eingeleitet<br />
wird er mit Statements von sieben Akteuren<br />
auf <strong>de</strong>m Feld europäischer Kooperationen – Künstlern<br />
und Produzenten: die Unmittelbarkeit kultureller Begegnungen,<br />
Vielfalt <strong>de</strong>r Sprachen und die Erlebbarkeit<br />
Europas im künstlerischen Austausch.<br />
Sehr konkret kr<strong>iti</strong>sieren sie bestehen<strong>de</strong> För<strong>de</strong>rprogramme<br />
– <strong>de</strong>n enormen Antragsaufwand, die Sinnlosigkeit<br />
formaler Kriterien (wie einer Min<strong>de</strong>stzahl von<br />
Kooperationspartnern) und die Kurzlebigkeit thematischer<br />
Vorgaben.<br />
Gleichze<strong>iti</strong>g formulieren Vertreter von Stiftungen,<br />
Kulturinstituten, Produktionshäusern und Netzwerken<br />
das Interesse an einer profilierten För<strong>de</strong>rung, an einem<br />
System korrespondieren<strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rprogramme – auf<br />
nationaler und auf europäischer Ebene.<br />
War <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r Kulturwirtschaft – <strong>de</strong>rzeit en vogue<br />
in <strong>de</strong>r pol<strong>iti</strong>schen Debatte – eine neuer Ansatz für<br />
die Künstler? Ist dies die Chance, als Kern <strong>de</strong>r creative<br />
class Ziel pol<strong>iti</strong>scher und finanzieller Invest<strong>iti</strong>onen zu<br />
wer<strong>de</strong>n? Hier überwog die Skepsis, wur<strong>de</strong> das Eigenwertige,<br />
nicht Verwertbare künstlerischer Prozesse betont.<br />
Eine wesentliche Frage zog sich durch alle Beiträge<br />
<strong>de</strong>r Künstler – die Sicherung ihrer sozialen, rechtlichen<br />
und wirtschaftlichen Situation.<br />
13
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Matthias Lilienthal<br />
Künstlerische Leitung/Geschäftsführung<br />
Hebbel-am-Ufer, Berlin<br />
Nele Hertling hat das Hebbel-Theater En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 80er<br />
Jahre neu begrün<strong>de</strong>t als eine internationale Austauschund<br />
Produktionsstätte. Wenn man sich die Geschichte<br />
<strong>de</strong>s Hebbel-Theaters und heute <strong>de</strong>s Hebbel-am-Ufer anschaut,<br />
dann hat es mit <strong>de</strong>m Wechsel von Nele Hertling<br />
zu mir auch einen Verlust an internationalen Koproduktionsmöglichkeiten<br />
und europäischer Zusammenarbeit<br />
gegeben. Und das nicht, weil man das Mo<strong>de</strong>ll nicht<br />
attraktiv genug fand, son<strong>de</strong>rn aus <strong>de</strong>r ökonomischen<br />
Notsituation <strong>de</strong>r Stadt und aus <strong>de</strong>m Versuch heraus, mit<br />
<strong>de</strong>m Budget eines Theaters drei Theater zu betreiben.<br />
Das hat sich künstlerisch-inhaltlich als richtig erwiesen.<br />
Im Vergleich zur damaligen Arbeit<br />
von Nele Hertling haben wir<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
jedoch überhaupt nicht mehr<br />
die Möglichkeit, im europäischen Sektor z.B. Arbeiten<br />
in Osteuropa zu entwickeln und so stark auf Koproduktionen<br />
zu setzen.<br />
Wenn man die letzten 20 Jahre <strong>de</strong>s Hebbel-Theaters<br />
betrachtet, dann hat in <strong>de</strong>n letzten Jahren ein <strong>de</strong>utlicher<br />
Verlust von Europa, ein Roll back, stattgefun<strong>de</strong>n.<br />
Damals hat das Hebbel-Theater zusammen mit Kaaitheater,<br />
mit Felix Mer<strong>iti</strong>s große<br />
EU-För<strong>de</strong>rung europäische Koproduktionen<br />
gemacht, die dann getourt<br />
sind. Dieses System <strong>de</strong>r Koproduktionen auf <strong>de</strong>m Level<br />
von Häusern mit 500 Plätzen existiert im Moment nicht<br />
mehr. Es hat eine Wie<strong>de</strong>rbelebung <strong>de</strong>s Systems auf <strong>de</strong>r<br />
Ebene von Häusern mit 200 bis 300 Plätzen gegeben<br />
– bei uns das HAU ZWEI und HAU DREI. Dort gibt es ein<br />
gut funktionieren<strong>de</strong>s System <strong>de</strong>r Zusammenarbeit mit<br />
<strong>de</strong>m Theatre <strong>de</strong> Bastille, mit Kaaitheater, mit kleineren<br />
Bühnen überall in Europa, mit einer Praxis, die sich neu<br />
ausgebil<strong>de</strong>t hat. Aber diese Praxis ist nicht mehr in <strong>de</strong>r<br />
Lage, von Deutschland aus eine finanzielle Absicherung<br />
zu erbringen, wenn diese in <strong>de</strong>n Heimatstädten<br />
<strong>de</strong>r künstlerischen Produktionen nicht geleistet wer<strong>de</strong>n<br />
kann. Aus dieser Perspektive heraus wür<strong>de</strong> ich sagen,<br />
im Moment ist die Pol<strong>iti</strong>k in Europa uns Künstlern einen<br />
Schritt voraus.<br />
Es gibt natürlich die Netzwerke. Auch das HAU arbeitet<br />
in Netzwerken wie THEOREM, einem Balkan-Netzwerk<br />
und mit europäischen Partnern par excellence.<br />
In <strong>de</strong>n letzten Jahren hat es als Gegenbewegung zum<br />
institutionellen Verlust eine Inflation von Festivals, eine<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />
Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />
Inflation von Begegnungen<br />
gegeben. Das war zunächst<br />
wun<strong>de</strong>rbar, weil hier persönliche<br />
Verbindungen entstan<strong>de</strong>n<br />
sind, nur stellt sich jetzt die Frage, wie können wir<br />
dieses System weiterentwickeln.<br />
Ich habe als Bürger das Gefühl, ich lebe gar nicht<br />
mehr in Deutschland, son<strong>de</strong>rn im Wesentlichen<br />
wer<strong>de</strong>n die Bedingungen meines Lebens in Brüssel<br />
entschie<strong>de</strong>n. Dort wer<strong>de</strong>n erhebliche Summen umgesetzt.<br />
Es gab jedoch in <strong>de</strong>n letzten Jahren auch eine<br />
Gegenreaktion auf die Globalisierung und auf einen<br />
sich entwickeln<strong>de</strong>n europäischen Nationalstaat – das<br />
Interesse an <strong>de</strong>n regionalen Kulturen als Rückzug in die<br />
eigenen Nischen.<br />
Aber für die nächsten zehn Jahre sollten uns eher<br />
die Fragen interessieren, wie entwickeln sich kulturelle<br />
Szenen in Europa, wie bezieht sich eine Berliner Szene<br />
auf eine Szene in Riga, in London o<strong>de</strong>r in Paris und welche<br />
Projekte entwickeln sich daraus. Es wäre wichtig,<br />
dass diese Prozesse mit finanzieller För<strong>de</strong>rung begleitet<br />
wer<strong>de</strong>n. Künstler sind immer so gut wie die Strukturen,<br />
in <strong>de</strong>nen sie arbeiten. Man hat das in <strong>de</strong>n letzten<br />
Jahren in Berlin gesehen. Die Freie Szene <strong>de</strong>r Stadt<br />
gehört sicherlich zu <strong>de</strong>n aufregendsten im europäischen<br />
Vergleich. Das hat aber auch damit zu tun, das<br />
zwei große Fonds, <strong>de</strong>r Hauptstadtkulturfonds und die<br />
Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL , sehr viel Geld in die Hand<br />
genommen haben, um diese Szene zu entwickeln, mit<br />
<strong>de</strong>m Ergebnis, dass sie jetzt ein qualitativ sehr hohes<br />
Niveau hat. Ich glaube, wenn wir auf europäischer Ebene<br />
die Kunst- und Kulturszene weiterentwickeln wollen,<br />
dann muss es dazu auch solche<br />
Fonds geben. Es muss in<br />
Europa eine an<strong>de</strong>re Durchlässigkeit<br />
europäischer<br />
Antragsverfahren, eine<br />
an<strong>de</strong>re Bekanntheit dieser<br />
EU-För<strong>de</strong>rung<br />
Bürokratieabbau<br />
Durchlässigkeit von Fonds<br />
und För<strong>de</strong>rstrukturen<br />
Fonds geben. Aus Deutschland wer<strong>de</strong>n so gut wie keine<br />
EU-Anträge gestellt. Bei <strong>de</strong>r EU-För<strong>de</strong>rung kommt<br />
Deutschland nur marginal vor. Das hat mit komplizierten<br />
Verfahren und mit Schwierigkeiten bei <strong>de</strong>r Gegenfinanzierung<br />
zu tun.<br />
Ebenfalls ein wichtiger Punkt wäre die Schaffung<br />
eines Cultural Contact Point GL in Berlin. Was soll ein<br />
Cultural Contact Point GL in Bonn, wenn die Kultur in<br />
<strong>de</strong>n großen Metropolen gemacht wird? Der gehört<br />
nach Berlin, Hamburg o<strong>de</strong>r München.<br />
Ein zweiter Punkt: Wir müssen lernen, für die I<strong>de</strong>en,<br />
die wir längst haben, die wir längst in Kooperation<br />
mit an<strong>de</strong>ren entwickeln, auch in gleichem Maße För<strong>de</strong>rmöglichkeiten<br />
zu nutzen und um För<strong>de</strong>rung zu<br />
kämpfen. Dann haben wir auch die Chance zu sagen,<br />
es gibt keine <strong>de</strong>utsche o<strong>de</strong>r lettische Kultur mehr, son<strong>de</strong>rn<br />
es gibt einen künstlerischen Prozess, wo die Arbeit<br />
von Alvis Hermanis von Rimini-Protokoll angeregt wird<br />
und umgekehrt, wo ein Dialog künstlerisch entsteht.<br />
Dann können wir auch künstlerisch Themen setzen.<br />
Ein an<strong>de</strong>res Thema, das mir im Zusammenhang mit<br />
Europa enorm wichtig ist und das hier bereits von Gottfried<br />
Wagner angesprochen wur<strong>de</strong>: Über europäische<br />
Kultur ist nicht nur als eine Kultur <strong>de</strong>r Nationalstaaten<br />
nachzu<strong>de</strong>nken, son<strong>de</strong>rn als auch als eine Kultur <strong>de</strong>s<br />
Austauschs und <strong>de</strong>r Vielfalt – angefangen bei <strong>de</strong>n<br />
Commun<strong>iti</strong>es. Es war in <strong>de</strong>n letzten zwei Jahren eine<br />
<strong>de</strong>r wichtigsten In<strong>iti</strong>ativen <strong>de</strong>s HAU, die verschie<strong>de</strong>nen<br />
Commun<strong>iti</strong>es in unsere Arbeit mit einzubeziehen. Wir<br />
sind ein Theater in einem von Migranten geprägten<br />
Stadtteil; 40% <strong>de</strong>r Schüler in Berlin sind Migranten,<br />
25% <strong>de</strong>r Gesamtbevölkerung sind Migranten. Und<br />
wenn man, wie das HAU, 4,1 Millionen Euro von dieser<br />
Stadt bekommt, dann hat man gegenüber <strong>de</strong>n Bürgern<br />
dieser Stadt auch die Pflicht, diese Gruppen zu integrieren.<br />
Was daraus entstan<strong>de</strong>n ist, war eine künstlerische<br />
14
Explosion und einer <strong>de</strong>r aufregendsten Versuche unserer<br />
Arbeit. Ich glaube, dass man Kulturarbeit in Europa nur<br />
vor diesem Hintergrund machen kann, und ich freue<br />
mich über die Entscheidung <strong>de</strong>r Europäischen Union,<br />
ihre Kulturhauptstadt 2010 nach Istanbul zu verlegen.<br />
Jonathan Mack<br />
Projektleiter Internationales Amateurtheaterfestival<br />
„Theatertage am See“, Friedrichshafen<br />
Mein Name ist Jonathan Mack. Ich bin Projektleiter<br />
beim Internationalen Amateurtheaterfestival „Theatertage<br />
am See“ sowie <strong>de</strong>utscher Jugend<strong>de</strong>legierter<br />
<strong>2007</strong> zur Generalversammlung<br />
<strong>de</strong>r<br />
Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />
Bsp. Kulturin<strong>iti</strong>ative „A European<br />
Vereinten Nationen.<br />
Theatre Adventure“<br />
Vor drei Jahren rief<br />
ich die Kulturin<strong>iti</strong>ative „A European Theatre Adventure“<br />
ins Leben. Junge Menschen aus West- und Osteuropa,<br />
zur Hälfte jeweils junge Sinti und Roma, arbeiteten gemeinsam<br />
mit professionellen Künstlern. Während <strong>de</strong>n<br />
10tägigen internationalen Begegnungen ent<strong>de</strong>ckten<br />
sie mit Theater, Tanz und Musik ihre eigenen Visionen<br />
zur europäischen Vielfalt, zur Frage nach „Heimat“ und<br />
in diesem Jahr zu ihren eigenen „Wurzeln“.<br />
Unser zentraler Anspruch strebt eine prozessorientierte<br />
Theaterarbeit auf gleicher Augenhöhe aller Beteiligten<br />
an. Nach einem ersten Jahr <strong>de</strong>r Zusammenarbeit<br />
im sozio-kulturellen Bereich, insbeson<strong>de</strong>re mit Ungarn,<br />
Rumänien, Bulgarien und Spanien, ent<strong>de</strong>ckten wir im<br />
Folgejahr die Kooperation mit Partnern aus <strong>de</strong>n Westbalkanlän<strong>de</strong>rn<br />
und Roma- Selbstorganisationen. Im<br />
dritten Jahr bewegten wir uns von <strong>de</strong>r sozio-kulturellen<br />
auf eine tiefere, künstlerische Ebene, ohne die Beteiligung<br />
von jungen Menschen, insbeson<strong>de</strong>re jungen Sinti<br />
und Roma aus <strong>de</strong>m Auge zu verlieren. Das Projekt<br />
wur<strong>de</strong> vom Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste GL sowie von „Jugend<br />
für Europa“, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Nationalagentur <strong>de</strong>s<br />
europäischen Jugendprogramms geför<strong>de</strong>rt. Die Bilanz<br />
<strong>de</strong>s Projektes: eine beeindruckte Öffentlichkeit und sehr<br />
nachhaltige Folgen bei <strong>de</strong>n Teilnehmern verbun<strong>de</strong>n<br />
mit einer großen Eigendynamik zur Fortsetzung und<br />
Weiterentwicklung. Theater hat sich als universelle Verständigungsform<br />
dabei beson<strong>de</strong>rs bewährt.<br />
Eine gewisse Frustration über die europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
lässt sich jedoch nicht verschleiern:<br />
1.) Wieso wird eine europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k ganz<br />
Europäische<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
offensichtlich von <strong>de</strong>r Visapol<strong>iti</strong>k<br />
<strong>de</strong>utscher Botschaften untergraben?<br />
Die bewusst geför<strong>de</strong>rte Integration<br />
von sozial benachteiligten Jugendlichen und<br />
Sinti und Roma aus Albanien, Serbien und Mazedonien<br />
wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Botschaften gestoppt.<br />
2.) Warum sind junge Menschen und Min<strong>de</strong>rheiten,<br />
insbeson<strong>de</strong>re Sinti und Roma, immer wie<strong>de</strong>r Opfer einer<br />
sie missbrauchen<strong>de</strong>n Kulturarbeit? Es gibt wohl keine<br />
Bevölkerungsgruppe wie die Jugend, die <strong>de</strong>rart mo-<br />
bil Grenzen überschreitet, Sprachen lernt und die interkulturelle<br />
Verständigung för<strong>de</strong>rt. Es wird gemunkelt,<br />
die Jugend sei die Zukunft Europas. Das Bun<strong>de</strong>skanzleramt<br />
organisiert Gartenpartys, bei <strong>de</strong>nen junge Menschen<br />
Opfer künstlerischer Partizipationsmaßnahmen<br />
wer<strong>de</strong>n. Als junger Bürger dieses Europas for<strong>de</strong>re ich,<br />
nicht länger bevormun<strong>de</strong>t zu wer<strong>de</strong>n. Wir wollen nicht<br />
nur Theaterprojekte für Jugendliche, son<strong>de</strong>rn mehr<br />
Theaterprojekte von und mit Jugendlichen. Wenn<br />
die Jugend die viel beschworene Zukunft Europas sein<br />
soll, kann sie nicht Objekt pol<strong>iti</strong>scher o<strong>de</strong>r kultureller<br />
Projekte sein, son<strong>de</strong>rn muss als gleichberechtigter Partner<br />
in diesem Europa <strong>de</strong>r Vielfalt beteiligt sein. Es reicht<br />
nicht, dass Pol<strong>iti</strong>k und Verwaltung zu wissen meinen,<br />
was „gut“ ist für die Jugend. Wir jungen Menschen haben<br />
längst verstan<strong>de</strong>n, dass wir die Fähigkeiten haben,<br />
unseren eigenen kulturellen und pol<strong>iti</strong>schen Beitrag zu<br />
einem Europa <strong>de</strong>r Vielfalt zu leisten. Dies betrifft insbeson<strong>de</strong>re<br />
die Kulturpol<strong>iti</strong>k. För<strong>de</strong>rungsprogramme<br />
und inhaltliche Schwerpunkte dürfen nicht ohne Jugendliche<br />
und Min<strong>de</strong>rheiten gemacht wer<strong>de</strong>n und<br />
sie nicht in ihren Bedürfnissen und ihrem kreativen<br />
Potential einschränken und vorbestimmen.<br />
3.) Wenn Profis im Sport junge Menschen för<strong>de</strong>rn<br />
können, warum nicht auch in<br />
<strong>de</strong>r Kunst und Kultur? Junge Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
Menschen, ebenso wie Min<strong>de</strong>rheiten<br />
brauchen „empowerment“. Wir arbeiten<br />
<strong>de</strong>shalb mit Profis aus ganz Europa. Diese Form <strong>de</strong>r<br />
europäischen Zusammenarbeit wird bisher nicht anerkannt.<br />
Jugendliche dürfen nicht selbst zu Künstlern<br />
und Kulturschaffen<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Viele künstlerische In<strong>iti</strong>ativen<br />
junger Menschen scheitern an einem Spagat<br />
zwischen außerschulischer Bildungsarbeit und professionalisierter<br />
Erwachsenenkunst. Für das nicht-formale<br />
Bildungsprogramm „Jugend in Aktion“ hat eine<br />
intensive künstlerische Arbeit einen zu professionellen<br />
Charakter. Die Einbeziehung von professionellen Referenten<br />
wird nicht geför<strong>de</strong>rt. Ein in Deutschland hoch<br />
gelobtes Projekt wird in Ungarn abgelehnt<br />
mit <strong>de</strong>r Begründung, eine <strong>de</strong>rart<br />
professionelle Theaterarbeit entspricht<br />
Mobilität<br />
nicht <strong>de</strong>n Kriterien <strong>de</strong>r nicht-formalen Bildungsarbeit.<br />
Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite wird das künstlerische Schaffen<br />
junger Menschen nur begrenzt <strong>de</strong>m professionellen<br />
Charakter <strong>de</strong>r Kulturprogramme gerecht. Diese Lücke<br />
muss überwun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Zukunft Europas liegt in <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>k. Diese<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k muss mit jungen Menschen und auch<br />
Europas Min<strong>de</strong>rheiten gemacht wer<strong>de</strong>n. Ich habe die<br />
Vision, dass viele junge Menschen unterschiedlicher<br />
Herkunft in gemeinsamen, teilweise von Profis angeleiteten,<br />
kulturellen Projekten zusammen arbeiten. Und<br />
in diesem Sinne möchte ich mich Herrn Gottfried Wagner<br />
anschließen, ein Mobilitätsprogramm für junge<br />
Menschen im Kulturbereich zu for<strong>de</strong>rn.<br />
Vielen Dank.<br />
Das Kreative Potential<br />
15
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Rolf Dennemann<br />
Regisseur, Dortmund<br />
Reisen, schauen und re<strong>de</strong>n – das sind die Schlüssel<br />
zur Verhin<strong>de</strong>rung von Arroganz, auch in <strong>de</strong>r Kunst.<br />
Schwer zu sagen, ob die Künstler auf diesem Gebiet <strong>de</strong>r<br />
Pol<strong>iti</strong>k voraus sind.<br />
Trotz aller Projekte und Mobilität wissen wir in Europa<br />
immer noch sehr wenig über die jeweils an<strong>de</strong>ren.<br />
Meine Reisen zu Festivals, Kongressen, wie <strong>de</strong>n IETM GL<br />
-Meetings, und an<strong>de</strong>ren Gelegenheiten in <strong>de</strong>n letzten<br />
zwanzig Jahren haben sicherlich dazu beigetragen,<br />
mein Welt- und Menschenbild zu formen. Über Theaterarbeit,<br />
ob schauen o<strong>de</strong>r selbst gestalten, weitet<br />
sich das Feld <strong>de</strong>r Kreativität. Trotz<strong>de</strong>m sind all diese<br />
Begegnungen nur kleine Teile, die sich in <strong>de</strong>m europäischen<br />
Mosaik verlieren. Das abgenutzte Wort „Vielfalt“<br />
gewinnt an Be<strong>de</strong>utung, wenn man die zahlreichen<br />
gleichförmigen Produktionen sieht, die man europäisch<br />
nennen könnte. Begegnet man <strong>de</strong>n Arbeiten und Menschen<br />
in <strong>de</strong>n Regionen, <strong>de</strong>n kleineren Zusammenhängen,<br />
kann das zu so etwas wie Beschei<strong>de</strong>nheit beitragen<br />
o<strong>de</strong>r Achtung.<br />
Nationale<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
Mit diesem Teil-Wissen übereinan<strong>de</strong>r geht man zurück<br />
in die eigene Region, um neu über die Welt o<strong>de</strong>r<br />
Europa nachzu<strong>de</strong>nken. Die Konzepte<br />
europäischer Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
Europäische<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
sind auf diesem Weg. Das unterschei<strong>de</strong>t<br />
sich <strong>de</strong>utlich von nationaler und kommunaler<br />
Pol<strong>iti</strong>k. Dort liegt <strong>de</strong>r eigentliche Schwachpunkt. Dort,<br />
wo man seine Arbeit ansetzt, umsetzt, zeigt, <strong>de</strong>r<br />
Heimatort o<strong>de</strong>r Ort <strong>de</strong>r Realisation seiner künstlerischen<br />
Konzepte, wo man sein Publikum hat, dort<br />
braucht <strong>de</strong>r Künstler die Unterstützung, sei er noch<br />
so europäisch. Denn dort zählt <strong>de</strong>r oft klein karierte<br />
Egoismus, dort wer<strong>de</strong>n Stadtgrenzen zur Zwangszone.<br />
Die Pol<strong>iti</strong>ker vor Ort wollen ihre Kommune beglücken,<br />
nicht die in <strong>de</strong>r Nachbarschaft und erst recht<br />
nicht die, die drei ICE-Stun<strong>de</strong>n entfernt liegt. Es gibt allerdings<br />
auch die Retourkutschen.<br />
Der Künstler zieht hinaus in die<br />
Welt, o<strong>de</strong>r sagen wir in die europä-<br />
ische Welt, wird in Land X o<strong>de</strong>r Ort Y gefeiert, geliebt.<br />
Plötzlich ist <strong>de</strong>r Sohn, die Gruppe, die Tochter <strong>de</strong>r Stadt<br />
– das hat man ja schon immer gewusst – willkommen.<br />
Zurzeit bereitet sich das Ruhrgebiet auf das Jahr<br />
2010 vor. Das ist das Kulturhauptstadt-Jahr und die 52<br />
(!) Gemein<strong>de</strong>n und Kommunen <strong>de</strong>r Region fin<strong>de</strong>n zueinan<strong>de</strong>r<br />
(wer alles plötzlich zum Ruhrgebiet gezählt wer<strong>de</strong>n<br />
will!). Es wird Kompromisse geben müssen. Man<br />
wird sich zusammenraufen müssen, und zwar zunächst<br />
mal nicht aus wirtschaftlichen Grün<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn aus<br />
kulturellen! Hoffen wir, dass das Programm kein Kompromiss<br />
sein wird, <strong>de</strong>r es allen recht machen will. Hoffen<br />
wir, dass es europäische Strahlung hat, auch und<br />
vor allem durch eigene Kreationen und Künstler. Aber<br />
ich schweife ab…<br />
Kommunikation!<br />
Wenn man sich entschei<strong>de</strong>t, international o<strong>de</strong>r europäisch<br />
zu arbeiten, muss man kommunizieren. Wie<br />
will man das schaffen, wenn man mit kleinen Teams<br />
arbeitet? Das braucht viel Energie. Wo lerne ich wen<br />
Künstler-<br />
Netzwerke<br />
kennen? Wer gibt mir Geld? Man<br />
braucht Produzenten und Manager.<br />
Es ist ein <strong>de</strong>utsches Dilemma,<br />
dass dies noch immer nicht sehr verbreitet ist. Der<br />
Tanz macht da weiter gute Fortschritte.<br />
Warum will ich eine Koproduktion mit <strong>de</strong>m Ausland?<br />
Was ist <strong>de</strong>r künstlerische Hintergrund und Sinn?<br />
Weil es Geldgeber gerne sehen? Weil es überall nach<br />
Vernetzung schreit? Haben Sie sich heute schon vernetzt?<br />
Weil Gent o<strong>de</strong>r Prag schöne Städte sind?<br />
Ein <strong>de</strong>ftiger, guter Grund ist: Da haben sich zwei<br />
MacherInnen kennen gelernt und spüren, dass es gut<br />
wäre, etwas zusammen zu gestalten. O<strong>de</strong>r sie machen<br />
was zusammen, weil es die Freundschaft hergibt. Diese<br />
Geschichten entstehen in erster Linie über Festivals<br />
o<strong>de</strong>r ähnliche Anlässe.<br />
Ein an<strong>de</strong>rer Weg ist, man beschließt von vorn herein,<br />
international zu arbeiten und setzt seine Produktionsgruppen<br />
entsprechend zusammen. In <strong>de</strong>n Metropolen<br />
fin<strong>de</strong>t man Künstler aus zahlreichen Län<strong>de</strong>rn,<br />
o<strong>de</strong>r man wechselt <strong>de</strong>n Wohnort. Krepsko aus Prag ist<br />
eine internationale Gruppe mit Sitz eben dort. Im Tanz<br />
ist das normaler Alltag.<br />
Ich habe auch einige gescheiterte Projekte gesehen,<br />
die durch Geld<br />
zustan<strong>de</strong> gekommen<br />
sind. „Wir machen<br />
das nächste Jahr was<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
Thematische För<strong>de</strong>rschwerpunkte<br />
vs. Freie För<strong>de</strong>rung<br />
mit <strong>de</strong>r Schweiz. Könnt ihr da nicht was koproduzieren?“<br />
Dafür gibt es Geld. Das wird gemacht und heraus<br />
kam eine Art Auftragsproduktion, die Käse war. Auch<br />
für die Macher.<br />
Die Kulturhauptstadt grast nun die Stadt Pecs nach<br />
Künstlern ab, die eine Zusammenarbeit mit Essen/<br />
Ruhrgebiet machen könnten. Da gibt es gar nicht so<br />
viele… wahrscheinlich. Wahrscheinlich wer<strong>de</strong>n dort<br />
Resi<strong>de</strong>nzen eingerichtet, damit es zu zahlreichen Austauschen<br />
kommt.<br />
Es herrscht ein Koproduktionswahn, <strong>de</strong>r pol<strong>iti</strong>sch<br />
und von För<strong>de</strong>rerseite gesteuert und gewollt<br />
ist. Immer mehr wer<strong>de</strong>n Vorgaben gemacht und Themen<br />
gesetzt. Mir scheint, <strong>de</strong>r Künstler, speziell <strong>de</strong>r<br />
Theaterkünstler, wird zu einem Gehilfen, zu einem Instrument,<br />
gesellschaftliche Fehlentwicklungen zu korrigieren.<br />
Inhaltlich sollten die Theatermacher <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k<br />
voraus sein, meint man. Viele sind es auch. Es wer<strong>de</strong>n<br />
vor allem von freien, unabhängigen Kreativen Themen<br />
behan<strong>de</strong>lt, die bei <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k erst ankommen, wenn das<br />
Feuer brennt.<br />
Aber Gel<strong>de</strong>r gibt es über Kuratoren, Ratsbeschlüsse<br />
und Landtagsbeschlüsse. Machen Sie was mit kultureller<br />
Bildung! Migration, Jugend, Kin<strong>de</strong>r, am besten alles<br />
zusammen.<br />
Europa spricht über Kultur. Besser gesagt, in<br />
Deutschland spricht man viel von Europa und seiner<br />
Kultur. Ich habe das Gefühl, es wur<strong>de</strong> noch nie so viel<br />
auf pol<strong>iti</strong>scher Ebene über Kultur gesprochen und <strong>de</strong>-<br />
16
attiert wie in <strong>de</strong>n letzten Monaten. Man stellt plötzlich<br />
fest, dass Kultur ein Wirtschaftsfaktor ist, ein Standortfaktor,<br />
dass Kultur zur Lebensqualität<br />
gehört. Besser wäre es, von<br />
Kulturwirtschaft<br />
<strong>de</strong>r Kunst zu sprechen. Wenn<br />
man einen Blick in die – vor allem regionalen Feuilletons<br />
wirft, erfährt man, was heutzutage alles darunter<br />
zu verstehen ist. Das ist ein so <strong>de</strong>rmaßen erweiterter<br />
Kulturbegriff, dass es wirklich angebracht ist, von Kunst<br />
zu sprechen. Aber dass es diese Debatten und Kongresse<br />
gibt, ist natürlich erst einmal gut. Warum tut<br />
man dies? Weil es ein Feld ist, das man pol<strong>iti</strong>sch noch<br />
steuern kann. Bei <strong>de</strong>r Wirtschaft klappt das ja schon länger<br />
nicht mehr. Jetzt sind die Künstler dran. Jetzt muss<br />
hier pol<strong>iti</strong>sch korrekt gehan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Und die meisten<br />
machen mit. Man sagt <strong>de</strong>n Künstlern, vor allem<br />
<strong>de</strong>njenigen, die von För<strong>de</strong>rgel<strong>de</strong>rn abhängig sind, was<br />
zu tun ist – nicht umgekehrt, das ist schon komisch.<br />
Pol<strong>iti</strong>cal correctness all überall!<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
Thematische För<strong>de</strong>rschwerpunkte<br />
vs. Freie För<strong>de</strong>rung<br />
Ich schlage vor:<br />
Haltet Euch da raus!<br />
Bewerbt Euch nicht<br />
auf Themenvorgaben!<br />
Macht was ihr wollt, wenn ihr wisst, was ihr wollt<br />
und stellt Anträge auf För<strong>de</strong>rung! Ich sehe einen Mangel<br />
an „schmutzigen“ Projekten! Alles blitzt und blinkt<br />
so vor sich hin! Aber bleiben wir im weichen Bereich!<br />
Austausch, Begegnung, Erfahrung sind unbezahlbar!<br />
IETM GL -Meetings – wie immer man zu Netzwerken stehen<br />
mag – sind ein Versammlungsort, <strong>de</strong>r vieles möglich<br />
macht. Das hat mit Pol<strong>iti</strong>k zunächst nichts zu tun.<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />
Netzwerke<br />
Sie kommen mir oft so vor wie<br />
organisierte Single-Treffen: „Haifisch<br />
sucht…“ Interessensgleiche<br />
haben die Chance, sich zu treffen. Spätere Heirat nicht<br />
ausgeschlossen. Die Kreativen sind da <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k schon<br />
lange voraus.<br />
Was die Gestaltung europäischer Kulturarbeit betrifft,<br />
gibt es sicher einige Player, die schon seit langem<br />
europäische Akzente setzen, Austauschprogramme vorantreiben<br />
und europäische Künstler in ihren Institutionen<br />
zeigen, die Unterschie<strong>de</strong> und Gemeinsamkeiten<br />
auf die Bühne bringen, für die die Pol<strong>iti</strong>k nicht bereit<br />
zu sein schien.<br />
Ich <strong>de</strong>nke, dass die Pol<strong>iti</strong>k auf Europaebene da<br />
Mobilität<br />
mittlerweile etwas angestoßen<br />
hat, was vorher an vielen Stellen<br />
bereits praktiziert wur<strong>de</strong>: Austausch<br />
und Begegnung, Mobilität. Aber muss man<br />
mobil sein wie ein nomadisieren<strong>de</strong>r Arbeitsuchen<strong>de</strong>r?<br />
Die Unterstützung fin<strong>de</strong>t in Deutschland für solche Aktivitäten<br />
kaum statt. Es fehlt hier vor allem an Orten, die<br />
regelmäßig ausländische Gastspiele zeigen o<strong>de</strong>r diese<br />
koproduzieren, abgesehen von <strong>de</strong>n Metropolen und einigen<br />
seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet arbeiten<strong>de</strong>n<br />
Produktionsorten wie <strong>de</strong>m Frankfurter Mousonturm. Im<br />
Ballungsraum Ruhrgebiet gibt es ein solches Koproduktionshaus<br />
nicht, abgesehen vom Choreographischen<br />
Zentrum PACT in Essen. Nur auf Festivals wie <strong>de</strong>r Fi<strong>de</strong>na,<br />
off limits o<strong>de</strong>r mit Abstrichen <strong>de</strong>r RuhrTriennale<br />
und mit großen Abstrichen, <strong>de</strong>n Ruhrfestspielen, hat<br />
das Publikum die Chance, europäische Entwicklungen<br />
zu erleben. Umgekehrt gibt es kaum Unterstützung.<br />
An<strong>de</strong>re Län<strong>de</strong>r haben patriotische Institute wie z.B.<br />
das Institut Français GL , Br<strong>iti</strong>sh Council GL , engagierte Außenministerien<br />
und pro Helvetia GL . Wir haben so etwas<br />
nicht. Das Goethe-Institut GL ist<br />
dafür nicht da, hat auch wenig<br />
Mittel.<br />
Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />
Kulturinstitute<br />
Die freien <strong>de</strong>utschen Produzenten außerhalb <strong>de</strong>r<br />
Institutionen brauchen bessere Produktionsbedingungen.<br />
Da reichen die paar großen Zentren nicht<br />
aus. Das <strong>de</strong>utsche Theatersystem verhin<strong>de</strong>rt Europarelevante<br />
Produktionen. Naturgemäß ist das im Tanz<br />
an<strong>de</strong>rs, aber auch nur in Ausnahmefällen.<br />
Wie reagiert das Publikum in Belgien auf mein<br />
Stück? Sind die Probleme in Schwe<strong>de</strong>n ähnlich? Welche<br />
Fragen tauchen auf? Das sind für Theaterschaffen<strong>de</strong><br />
spannen<strong>de</strong> Fragen, die sie weiterbringen, alles<br />
persönliche Dinge, die <strong>de</strong>n Menschen betreffen, <strong>de</strong>n<br />
Mittelpunkt <strong>de</strong>r künstlerischen Arbeit, nicht die Nation<br />
o<strong>de</strong>r Europa.<br />
Das Interesse <strong>de</strong>s Publikums hier war En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 80er<br />
ungleich größer, vor allem was osteuropäische Gastspiele<br />
betraf. Das Beson<strong>de</strong>re ist inzwischen nicht mehr<br />
an Län<strong>de</strong>rn fest zu machen, es bezieht sich vielmehr<br />
auf die entsprechen<strong>de</strong> Produktion. Ist das ein Stück<br />
Fortschritt Europas? Die Zeit <strong>de</strong>r multi-language Stücke<br />
scheint auch vorbei. Man will verstehen, was man<br />
hört.<br />
Persönlich habe ich einige Male europäisch<br />
kooperiert, aber alle diese Ge-<br />
Künstler-<br />
Netzwerke<br />
legenheiten kamen über Kommunikation und Festivals<br />
zustan<strong>de</strong>, zu <strong>de</strong>nen man eingela<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>.<br />
Novi Sad ist die Partnerstadt Dortmunds in Serbiens<br />
Voivodina. Vor <strong>de</strong>m 2. Nato Bombar<strong>de</strong>ment haben<br />
wir beim Festival „Infant“ in <strong>de</strong>r dortigen Synagoge<br />
das Tanz-Performance-Stück „Ren<strong>de</strong>zvous Sacral“ inszeniert.<br />
Ein <strong>de</strong>utscher Regisseur, eine amerikanische<br />
Tänzerin zusammen mit dortigen Künstlern und Laien<br />
- Kroaten, Serben und Bosniern. Das war einmalig, wur<strong>de</strong><br />
aber von <strong>de</strong>utscher Seite finanziell nicht unterstützt,<br />
eher seitens <strong>de</strong>r Stadt Novi Sad. Vor <strong>de</strong>r Abreise wur<strong>de</strong><br />
ein Safe geöffnet und die harte D-Mark ausgezahlt,<br />
Geld, das sicher über <strong>de</strong>n Schwarzmarkt zusammenkam.<br />
Das war ein wun<strong>de</strong>rbares „Balkanerlebnis“.<br />
Ein an<strong>de</strong>res Beispiel aus <strong>de</strong>m Jahr 1991: Ohne pol<strong>iti</strong>sche<br />
Unterstützung ist in Gelsenkirchen eine Produktion<br />
mit 18 Künstlern aus aller Welt entstan<strong>de</strong>n,<br />
die angereist sind, um zusammen eine inhaltliche und<br />
künstlerische Vereinbarung umzusetzen – durch private<br />
In<strong>iti</strong>ative mit damals massivem Gegenwind <strong>de</strong>r Grünen<br />
und vereinzelten SPDlern: Man solle sich doch gefälligst<br />
um die Auslän<strong>de</strong>r kümmern, die hier vor Ort seien.<br />
Beispiel Prag, Festival „4-days-in-motion“: Mehr aus<br />
einer Bierlaune heraus haben Pavel Storek und ich <strong>de</strong>n<br />
sicherlich europäisch relevanten Gedanken entwickelt,<br />
einmal das komplette Festival auszutauschen, die Prager<br />
crew macht‘s in Dortmund, wir machen‘s in Prag.<br />
Das wäre intensivstes Kennenlernen von Strukturen!<br />
Aber die europäischen För<strong>de</strong>rprogramme wer<strong>de</strong>n<br />
scheinbar nicht unkomplizierter,<br />
sie wer<strong>de</strong>n gera<strong>de</strong>zu<br />
undurchdringbar. Für Anträge<br />
EU-För<strong>de</strong>rung<br />
Bürokratieabbau<br />
benötigt man einen full time Arbeitsplatz. Man kann<br />
hoffen, dass das Proce<strong>de</strong>re, vor allem auch, was <strong>de</strong>n<br />
Das Kreative Potential<br />
17
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
so genannten Cash-Flow betrifft, einfacher wird. Kultur<br />
<strong>2007</strong> GL – för<strong>de</strong>rt zwar wie manch an<strong>de</strong>rer die Mobilität<br />
<strong>de</strong>r Künstler, was sicher gut ist, aber die nationalen und<br />
kommunalen För<strong>de</strong>rungen schließen Reisen gera<strong>de</strong>zu<br />
aus.<br />
Ich war für zwei Jahre Mitte <strong>de</strong>r 90er Mitglied in<br />
einem kleinen EU-Komitee unter griechischem Vorsitz,<br />
das die Aufgabe hatte, Vorschläge zur Vereinfachung<br />
<strong>de</strong>r Antragsverfahren zu machen. Es gab gute Ergebnisse,<br />
aber die Griechen wur<strong>de</strong>n ersetzt und das Papier<br />
verschwand in <strong>de</strong>r Schubla<strong>de</strong>. Wir haben auch Anträge<br />
gesichtet und entschie<strong>de</strong>n. Da saßen Leute, die zum<br />
Thomas Lehmen<br />
Choreograf, Berlin<br />
Zunächst mal ein Lob an das Europäische Netzwerk.<br />
Vor ca. 10 Jahren begann ich meine internationale<br />
Arbeit mit <strong>de</strong>r Hilfe <strong>de</strong>s Netzwerkes Aerowaves und<br />
Künstler-<br />
Netzwerke<br />
konnte so frühe Soli in Aarhus,<br />
London, Tallinn und Bergen<br />
zeigen. Dann ging alles ganz<br />
schnell und durch die Tanzplattform Deutschland und<br />
weitere internationale Festivals war meine Arbeit im Nu<br />
über einige Kontinente verteilt. Maßgeblich waren an<br />
dieser rapi<strong>de</strong>n Entwicklung bei <strong>de</strong>r „Aufbauarbeit“ zum<br />
einen die engagierten Produzenten Petra Roggel, Dirk<br />
Schlüter, André Theriault und Ulrike Becker vor Ort hier<br />
in Berlin beteiligt, zum an<strong>de</strong>ren einige internationale<br />
Produzenten wie Simon Dove, <strong>de</strong>r bis vor kurzem das<br />
Springdance Festival in Utrecht leitete. Die gut ausgebaute<br />
europäische Festivalstruktur, die es schon gab,<br />
ließ keine künstlerisch relevante Arbeit unent<strong>de</strong>ckt. Das<br />
überall vertretene Goethe-Institut GL unterstützte seit<strong>de</strong>m<br />
annähernd 100% meiner Auftritte im Ausland.<br />
Ich erlaube mir an dieser Stelle ein Dankeschön für<br />
Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />
Bsp. Goethe-Institut<br />
diese Unterstützung bei<br />
<strong>de</strong>r Entwicklung meiner<br />
Kunst und die Hilfe bei<br />
<strong>de</strong>r Präsentation, ohne die diese Arbeit gar nicht möglich<br />
wäre.<br />
Neben <strong>de</strong>n Stücken, in <strong>de</strong>nen ich selber auf <strong>de</strong>r<br />
Bühne stehe, wur<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>re Teile meiner Arbeit gera<strong>de</strong><br />
auch durch die Möglichkeit <strong>de</strong>s Reisens und <strong>de</strong>s<br />
Austauschs mit an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn inspiriert, in<strong>de</strong>m diese<br />
Differenzen bewusst genutzt wur<strong>de</strong>n, wie z.B. bei<br />
„Baustelle - Einfahrt freihalten“ in Tallinn o<strong>de</strong>r „Schreibstück“<br />
das Buch mit <strong>de</strong>r Partitur, das jeweils 3 Choreographen<br />
aus verschie<strong>de</strong>nen Kontexten auf einer Bühne<br />
realisieren. Mittlerweile gibt es, glaube ich, 21 Versionen<br />
aus 11 verschie<strong>de</strong>nen Län<strong>de</strong>rn und in diesem und<br />
im nächsten Jahr wollen sich Choreographen aus Brasilien,<br />
<strong>de</strong>n USA und Australien in <strong>de</strong>n austauschbaren<br />
Reigen einreihen.<br />
Teil relativ ahnungslos waren. Der Portugiese sprach<br />
fast nur Portugiesisch und er war <strong>de</strong>r einzige, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
in Portugiesisch eingereichten Antrag verstehen konnte.<br />
Er konnte uns dies aber nicht vermitteln. Das mag<br />
heute an<strong>de</strong>rs sein.<br />
En<strong>de</strong><br />
Hoffen wir, das es weniger unglücklich Ba<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
im europäischen Netzwerkhaifischteich gibt, son<strong>de</strong>rn<br />
mehr glücklich Plätschern<strong>de</strong> im Kunsthaus Europa.<br />
Später dann mit „Funktionen“ legte ich <strong>de</strong>n Fokus<br />
auf autopoetische, emergente Systeme, die sich in verschie<strong>de</strong>nen<br />
Projekten und Stücken auch an<strong>de</strong>rer Künstler<br />
weiterentwickeln. Im Ausland entstan<strong>de</strong>n auch<br />
weitere Auftragsarbeiten, die teilweise die Notwendigkeiten<br />
<strong>de</strong>s örtlichen Kontextes bearbeiten und diesen<br />
durch die Arbeit entwickeln lassen. Tallinn war ein solcher<br />
Ort und zuletzt auch Montevi<strong>de</strong>o in Uruguay, wo<br />
<strong>de</strong>r Staat erstmals in diesem Post-Diktatur gebeutelten<br />
Land ein Tanzstück mit Geld ausgestattet hat, um es<br />
in mehreren Städten aufzuführen. Auch hier war maßgeblich<br />
das Goethe-Institut GL an <strong>de</strong>r Realisation <strong>de</strong>s<br />
Projektes beteiligt.<br />
Aber mittlerweile ist man geneigt, sich und seine<br />
Kunst als europäisches bzw. globales Warengut zu<br />
verstehen.<br />
Wie bei einer komplizierten Maschine, die in Deutschland<br />
entwickelt wird, einige Einzelteile aus Tschechien<br />
geliefert wer<strong>de</strong>n, die in Portugal vormontiert wer<strong>de</strong>n,<br />
dann das Ganze wie<strong>de</strong>r nach Italien geschickt wird um<br />
es zu lackieren, in Frankreich mit <strong>de</strong>r kostbaren Elektronik<br />
bestückt wird und letztendlich wird es in alle Welt<br />
verkauft, in China kopiert und billiger hergestellt und<br />
schon funktioniert <strong>de</strong>r Markt zu Hause nicht mehr.<br />
Was ist geschehen?<br />
Die lokalen Strukturen kämpfen mit enormen finanziellen<br />
Schwierigkeiten und richten ihre Arbeit immer<br />
mehr nach <strong>de</strong>n thematischen Vorgaben und Koproduktionsmöglichkeiten<br />
aus. Für die lokale künstlerische<br />
Tätigkeit bleibt we<strong>de</strong>r Geld, Raum noch Zeit. Das<br />
Gleichgewicht von lokaler<br />
und internationaler<br />
Finanzierung hat<br />
sich eklatant zu einem<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
Thematische För<strong>de</strong>rschwerpunkte<br />
vs. Freie För<strong>de</strong>rung<br />
Muss von Kooperationen entwickelt. Zunächst ist ja<br />
nichts dagegen einzuwen<strong>de</strong>n, wenn man sich Kosten<br />
teilt und gleich bei dieser Gelegenheit Gastspiele vereinbart.<br />
Lei<strong>de</strong>r führt <strong>de</strong>r Zwang von Kooperation auch<br />
zu thematischer Einengung, führt <strong>de</strong>r Wettlauf um junge<br />
Talente und I<strong>de</strong>en zu einer Benachteiligung lokaler<br />
Künstler bei gleichze<strong>iti</strong>ger inflationärer Ausdünnung<br />
<strong>de</strong>r Qualität. Wie beim wirtschaftlichen Phänomen besteht<br />
auch im choreographischen Sektor ein Warenü-<br />
18
Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />
Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />
berschuss. In unserer jetzigen Situation gibt es wenig<br />
stabilisieren<strong>de</strong> Struktur, mit <strong>de</strong>r die Kunst reifen kann.<br />
Die überbetonte Fluktuation, das europäische<br />
Postulat <strong>de</strong>s mobilen flexiblen europäischen Künstlers<br />
mag ein in <strong>de</strong>r heutigen pol<strong>iti</strong>schen Situation erstrebenswerter<br />
Gedanke sein, wenn man ein gesamt-europäisches<br />
Bewusstsein als Priorität setzt. Die realen<br />
Effekte dieser Kulturpol<strong>iti</strong>k benötigen jedoch eine genauere<br />
Betrachtung.<br />
Lokal und Deutschlandweit trete ich schätzungsweise<br />
etwa nur zu 5 - 10% auf. 70% <strong>de</strong>r Auftritte fin<strong>de</strong>n im<br />
ausländischen Europa, 20 bis 25% in Übersee statt.<br />
Allerdings ist es mir als Künstler nicht möglich, direkt<br />
europäische Finanzen zu beantragen. Um europäisch<br />
funktionieren zu können und auf europäischer Ebene<br />
wahrgenommen zu wer<strong>de</strong>n, brauche ich aber auch einen<br />
Ort, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Lage ist, meine Arbeit in qualitativer<br />
Adäquatheit zu stützen.<br />
So muss ich z.B. meine Kunst lokal in Aufführungsund<br />
Besucherzahlen rechtfertigen, um lokal för<strong>de</strong>rungswürdig<br />
zu sein. Kein lokales Theater kann aber<br />
mehr als 3 - 6 Aufführungen buchen, bei einer Bezahlung,<br />
die gegen Null tendiert,<br />
versteht sich, weil die<br />
Theater zu viele Stücke verschie<strong>de</strong>ner<br />
Künstler zeigen<br />
müssen, unter an<strong>de</strong>rem auch <strong>de</strong>shalb, weil sie durch<br />
för<strong>de</strong>rungsrichtlinientaugliche Koproduktionen überhaupt<br />
ihren Etat zusammenbekommen.<br />
Für mich als lokalen Künstler heißt das, dass ich im<br />
Prinzip mit <strong>de</strong>m Geld, z.B. aus <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung vom Senat<br />
Berlin, das ich bekam, um mein Stück zu produzieren,<br />
die Struktur <strong>de</strong>s Theaters stützen muss, um dort<br />
auftreten zu können. Vorschläge, ob ich für weitere<br />
minimale Produktionshilfen eines Theaters auch noch<br />
zahlen wür<strong>de</strong>, schockieren mich <strong>de</strong>rmaßen, dass mein<br />
mit nie<strong>de</strong>rgeschlagenen Augen peinlich berührtes<br />
Schweigen dann auch als negative Antwort richtig verstan<strong>de</strong>n<br />
wird.<br />
Letztendlich kommt es dann doch wie<strong>de</strong>r auf die<br />
persönlichen Kontakte an, um überhaupt eine Kontinuität<br />
<strong>de</strong>r Unterstützung zu erreichen. Solche direkten<br />
Kontakte zu EU- Vertretern bleiben aber <strong>de</strong>m<br />
Künstler, meist sogar <strong>de</strong>n Produzenten unzugänglich.<br />
Auf internationaler Ebene sucht man sich die Produzenten<br />
zusammen, mit <strong>de</strong>nen man arbeiten will,<br />
Produzenten, die Arbeiten nicht nur kurzfristig zeigen,<br />
son<strong>de</strong>rn auch langfristig dazu stehen. Manchmal ergibt<br />
sich dann auch die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung.<br />
Die Menge an Kommunikation und die Menge<br />
an Menschen, die man in die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
und I<strong>de</strong>enfindung mit einbeziehen muss, überschreitet<br />
natürlich das normale menschliche Vermögen und ist<br />
bei paralleler künstlerischer Arbeit eigentlich nicht zu<br />
bewältigen.<br />
Sinn macht es durchaus, in einer an<strong>de</strong>ren Umgebung<br />
zu arbeiten, um vor <strong>de</strong>m Alltag Ruhe zu haben, um<br />
sich konzentrieren zu können. Der Austausch von I<strong>de</strong>en<br />
kann natürlich sehr inspirierend sein. Das internationale<br />
Touren und die damit einhergehen<strong>de</strong> Informations-Distribution<br />
führt aber lei<strong>de</strong>r auch dazu, dass überall die<br />
gleichen Fragen gestellt wer<strong>de</strong>n. Das Europrodukt Tanz<br />
gleicht sich. Anstatt sich thematisch-künstlerisch aus-<br />
einan<strong>de</strong>r zu setzen, wer<strong>de</strong>n Konzepte und Ästhetiken<br />
kopiert, im günstigen Fall leicht variiert. Man versucht<br />
<strong>de</strong>n Vorgaben <strong>de</strong>r internationalen Zusammenarbeit gerecht<br />
zu wer<strong>de</strong>n, doch ist <strong>de</strong>r Anspruch an hochwertige<br />
Kunst bei <strong>de</strong>r Suche nach eurotauglichen I<strong>de</strong>en bisher<br />
nicht eingelöst wor<strong>de</strong>n. Ich frage mich, ob bei all <strong>de</strong>n<br />
Funktionalisierungsversuchen<br />
<strong>de</strong>r Kunst<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
eine eigenständige<br />
Thematische För<strong>de</strong>rschwerpunkte<br />
Kunst überhaupt noch<br />
vs. Freie För<strong>de</strong>rung<br />
erwünscht ist. Will man dies, dann muss <strong>de</strong>r Kunst ein<br />
gewisser Freiraum zugestan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r nicht<br />
kontrollierbar ist. Thematische Vorgaben und pol<strong>iti</strong>sch-geographische,<br />
wirtschaftliche Interessen als Orientierungsmarken<br />
sind keine <strong>de</strong>r europäischen Kultur<br />
adäquate Herangehensweise.<br />
Im Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s europäischen Warentransfers wird<br />
die Kunst <strong>de</strong>rzeit verfeuert.<br />
Das Gute an <strong>de</strong>r Kunst aber ist, dass man kein Konzept<br />
vorgeben kann, ohne die Kunst <strong>de</strong>ssen zu berauben,<br />
was sie ausmacht. Diesem kunstinhärenten Faktor<br />
nämlich ist es zu verdanken, dass sich die Kunst immer<br />
wie<strong>de</strong>r eine Nische, einen Freiraum sucht, um ein unvorhergesehenes<br />
Produkt hervor zu bringen, auf das<br />
eigentlich auch alle warten. Da es kein Konzept gibt,<br />
wie man Kunst machen muss, kann es folglich auch<br />
kein Konzept geben, die Kunst zu lenken, zu instrumentalisieren.<br />
Damit die Kunst die Kunst ist, die außerhalb<br />
<strong>de</strong>r Regeln eine eigenständige, diskursive, kr<strong>iti</strong>sche,<br />
ihre eigene gesellschaftliche Aufgabe ernst nehmen<strong>de</strong><br />
Funktion erfüllt, sollte auf pol<strong>iti</strong>scher Ebene verstan<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n, dass die interessanten Projekte aus <strong>de</strong>r Friktion<br />
mit <strong>de</strong>r Struktur, aus <strong>de</strong>r unerhofften Begegnung<br />
mit <strong>de</strong>r Differenz, aus einem beschützten Freiraum und<br />
einem immer weiter hinterfragen<strong>de</strong>n Geist <strong>de</strong>s Künstlers<br />
hervorgehen. Alles Faktoren, die man we<strong>de</strong>r messen<br />
noch zählen, in <strong>de</strong>n meisten Fällen sogar nicht beschreiben<br />
kann, da es bei <strong>de</strong>m sich schnell wan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n<br />
Phänomen Kunst keine fixen Kriterien geben kann.<br />
Nur wenn die Kunst ihre Aufgabe in <strong>de</strong>r Natur ihrer<br />
Funktionsweise ausführt, können auch an<strong>de</strong>re Bereiche<br />
wie die <strong>de</strong>r Wirtschaft, <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Erziehungssystems<br />
im Wechselspiel mit <strong>de</strong>r Kunst von dieser prof<strong>iti</strong>eren.<br />
Nicht, wenn ihr artfrem<strong>de</strong> Funktionsweisen<br />
aufgezwängt wer<strong>de</strong>n.<br />
Man möge mich bitte nicht falsch verstehen: Große<br />
Teile meiner Arbeit beinhalten die Absicht ein komplettes,<br />
intelligentes, selbst bestimmtes und nicht zuletzt<br />
auch kommunikatives und <strong>de</strong>mokratisches Menschenbild<br />
auf <strong>de</strong>r Bühne zu zeigen. Einen Menschen,<br />
<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Lage ist, die Welt zu reflektieren und sich so<br />
zu gestalten, wie es nach einigen tausend Jahren europäischer<br />
Philosophie eigentlich angebracht ist. Und für<br />
diese I<strong>de</strong>e bin ich auch gerne im Staatsauftrag unterwegs,<br />
habe ich doch selbst noch einen Vater gehabt,<br />
<strong>de</strong>r in vielen Län<strong>de</strong>rn Europas im Staatsauftrag an<strong>de</strong>ren<br />
Menschen <strong>de</strong>n Schä<strong>de</strong>l einschlagen sollte. Allerdings,<br />
eventuell auch gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb, lasse ich mich nicht<br />
gerne als Bin<strong>de</strong>glied, Vorhut o<strong>de</strong>r Lückenbüßer für Wirtschaftsinteressen<br />
o<strong>de</strong>r Expansionspol<strong>iti</strong>k missbrauchen.<br />
Das Kreative Potential<br />
19
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Von <strong>de</strong>r EU wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gedanke formuliert, ein gesamteuropäisches<br />
Bewusstsein durch <strong>de</strong>n mobilen<br />
flexiblen Künstler hervorzurufen. Sprich, man bekommt<br />
Geld, wenn man diesen Leitgedanken mit seiner<br />
Kunst transportiert.<br />
Einerseits ist dies eine pol<strong>iti</strong>sche For<strong>de</strong>rung, die eigentlich<br />
nicht mit <strong>de</strong>n Grundlagen einer freien künstlerischen<br />
und kulturellen Ausübung einhergeht. An<strong>de</strong>rerseits<br />
geht diese For<strong>de</strong>rung nicht weit genug, <strong>de</strong>nn was<br />
sind <strong>de</strong>nn eigentlich die Stärken <strong>de</strong>r Kunst, <strong>de</strong>s Kunstaustausches?<br />
Was kann <strong>de</strong>nn die Kunst leisten, was die<br />
Wirtschaft, die Erziehung o<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>s an<strong>de</strong>re soziale System<br />
nicht leisten kann?<br />
Und, tut die Kunst das Verlangte nicht schon immer?<br />
Ist es nicht das kunsteigene Interesse in Differenz<br />
zu treten, von <strong>de</strong>r Verschie<strong>de</strong>nheit zu lernen, um immer<br />
wie<strong>de</strong>r eine neue Differenz zu kreieren? Waren es<br />
nicht Künstler und Produzenten, die als erste in <strong>de</strong>r<br />
Lage waren menschlich miteinan<strong>de</strong>r zu kommunizieren,<br />
während es in <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k noch um Besitz, Macht<br />
und höchstenfalls i<strong>de</strong>ologische Auseinan<strong>de</strong>rsetzung,<br />
allerdings mit kriegerischen Mitteln, ging?<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />
Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />
Produzenten und Künstler<br />
praktizieren lange schon diesen<br />
gefor<strong>de</strong>rten Austausch, das<br />
Touren und die Kooperation,<br />
aus einem künstlerischen Interesse heraus. Es braucht<br />
keine weiteren Zwänge dies zu tun.<br />
Woran es fehlt, sind Strukturen und Menschen, die<br />
unkompliziert und direkt über Räumlichkeiten und Mit-<br />
tel verfügen, um sie <strong>de</strong>r Kunstpraxis zur Verfügung zu<br />
stellen, ohne sofortige, zählbare, vorzeigbare, in <strong>de</strong>n<br />
pol<strong>iti</strong>schen Kontext einzubin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>, benutzbare Ergebnisse<br />
zu erwarten. Europa ist überall. Nicht nur in Bukarest,<br />
Warschau, Tallinn und vielen weiteren Orten <strong>de</strong>r<br />
neuen Beitrittslän<strong>de</strong>r, son<strong>de</strong>rn Europa ist auch Berlin,<br />
Hamburg, Essen, Gelsenkirchen,<br />
Saarbrücken, Cottbus<br />
und Finsterwal<strong>de</strong>.<br />
Dialog zwischen<br />
Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />
In allen Orten und Einrichtungen arbeiten bereits<br />
Menschen, die von <strong>de</strong>r lokalen Szene und <strong>de</strong>m dort<br />
Benötigten am meisten verstehen. Ein direkter Dialog<br />
mit diesen Produzenten und nicht zuletzt auch mit<br />
<strong>de</strong>n Künstlern selbst wäre hier seitens <strong>de</strong>r EU von<br />
Nöten. Fällt die lokale Struktur <strong>de</strong>n wirtschaftlichen<br />
Zwängen und Themen zum Opfer, wird man bald keinen<br />
konstruktiven Beitrag zum europäischen Gedanken<br />
mehr machen können und dies führt zu einer qualitativen<br />
Schwächung <strong>de</strong>s Gesamten.<br />
Wirtschaftliche Strategien sind nur begrenzt o<strong>de</strong>r<br />
gar nicht für <strong>de</strong>n Betrieb <strong>de</strong>r Kunst tauglich.<br />
Ich möchte eine Auseinan<strong>de</strong>rsetzung über die I<strong>de</strong>en<br />
anregen, nach <strong>de</strong>nen wir unsere Mo<strong>de</strong>lle einer europäischen<br />
För<strong>de</strong>rung und eines Europäischen Netzwerkgedankens<br />
praktikabel auf die realen unterschiedlichen<br />
Notwendigkeiten <strong>de</strong>r Künstler und <strong>de</strong>r Gesellschaft neu<br />
ausrichten können.<br />
Janek Müller<br />
Künstlerischer Leiter Theaterhaus Weimar<br />
Die In<strong>iti</strong>ative Theaterhaus Weimar ist eine ohne<br />
Immobilie seit 1999 existieren<strong>de</strong> Künstlergruppe in<br />
Weimar, <strong>de</strong>ren Inhalte und Formen sich immer wie<strong>de</strong>r<br />
gewan<strong>de</strong>lt haben und wan<strong>de</strong>ln und die sich von <strong>de</strong>r<br />
dünn besie<strong>de</strong>lten Freien Theaterlandschaft im Osten<br />
seit einigen Jahren immer wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Weg macht,<br />
um vornehmlich mit Künstlern in Polen und Lettland<br />
zusammen zu arbeiten. Mein Name ist Janek Müller.<br />
Zunächst möchte ich ein Projekt vorstellen, das meine<br />
Weimarer Mitkünstler und ich in <strong>de</strong>r letzten Zeit im<br />
Sinne <strong>de</strong>r europäischen Zusammenarbeit beschäftigt<br />
hat. Eben komme ich aus Riga, <strong>de</strong>r lettischen Hauptstadt,<br />
wo im Mai diesen Jahres eine Aufführung <strong>de</strong>r<br />
„Räuber“ stattfand. Zwar auf Friedrich Schillers Erstling<br />
basierend, aber quasi in einer Uraufführung <strong>de</strong>r bisher<br />
links liegen gelassenen Übersetzung eines jungen<br />
Letten aus <strong>de</strong>m Jahre 1818. Dieser junge Mann, Janis<br />
Peitans, hatte seinen Gutsherren in ein Theater begleitet<br />
und war von <strong>de</strong>m, was er dort zu sehen und zu<br />
hören bekam, <strong>de</strong>r pol<strong>iti</strong>schen Brisanz <strong>de</strong>r „Räuber“ <strong>de</strong>rart<br />
begeistert, dass er sich daran machte, das Drama<br />
zu übersetzen und es nach 3jähriger Arbeit mit seinen<br />
Kumpels in einer Scheune aufzuführen. Wir haben hier<br />
nicht nur ein schönes Beispiel für <strong>de</strong>n Kultur- und I<strong>de</strong>en-<br />
transfer zu Beginn <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts, son<strong>de</strong>rn auch<br />
einen Stichpunkt in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s Freien Theaters:<br />
Jemand hat eine I<strong>de</strong>e, fragt seine Kumpels, ob sie mitmachen<br />
und an einem abse<strong>iti</strong>g gelegenen Ort wie einer<br />
Scheune wird die Sache dann aufgeführt. Übrigens floh<br />
Janis Peitans wenig später, um <strong>de</strong>r Leibeigenschaft zu<br />
entkommen.<br />
Ebenso lange wie Peitans Übersetzung, fast 3 Jahre<br />
also, dauerte nun die Vorbereitung <strong>de</strong>r Produktion<br />
<strong>de</strong>r lettischen „Räuber“<br />
gemeinsam mit <strong>de</strong>r Rigaer<br />
Gruppe „United Intimacy“<br />
und freundlicherweise hat<br />
hier das Goethe-Institut GL<br />
München im Rahmen <strong>de</strong>r<br />
Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />
Bsp. Goethe Institut<br />
München und<br />
Kultur Kapital Fonds Riga<br />
Nachwuchsför<strong>de</strong>rung neben <strong>de</strong>m Kultur Kapital Fonds<br />
Riga Gel<strong>de</strong>r bereitgestellt. 2005 entstand im Rahmen<br />
<strong>de</strong>s Schillerfestivals „Räuber und Gendarmen“ in Weimar<br />
die I<strong>de</strong>e zur Aufführung, es brauchte die Zeit, die<br />
Textvorlage aus <strong>de</strong>n Originalaufzeichnungen im Archiv<br />
zu transkribieren, eine Fassung zu erstellen, Darsteller<br />
und ein Produktionsteam zu fin<strong>de</strong>n. Aufgeführt wur<strong>de</strong><br />
in lettischer Sprache.<br />
Meine Erfahrungen mit <strong>de</strong>m Projekt formulieren<br />
sich schließlich in zwei Fragen:<br />
Erstens, wie gelingt es, innerhalb von Projekten, die<br />
auf Sprache basieren, die Vielfalt <strong>de</strong>s europäischen<br />
Sprachraums zu entwickeln? Was be<strong>de</strong>utet z.B. das<br />
20
simultane Übersetzen für diese Projekte und für <strong>de</strong>ren<br />
Ästhetik <strong>de</strong>r Vermittlung? Denn natürlich hätte man<br />
sich auch gemeinsam auf Englisch einigen können.<br />
Zweitens: In welcher<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung Weise ist uns heute schon<br />
bewusst, dass <strong>de</strong>r vorausgesetzte<br />
pol<strong>iti</strong>sche Wille, europäische Zusammenarbeit zu<br />
beför<strong>de</strong>rn, in <strong>de</strong>r Konsequenz be<strong>de</strong>utet, dass Projekte<br />
längerfristig angelegte Unternehmen sind und also<br />
auch längerfristiger Kosten verursachen als an<strong>de</strong>re<br />
Projekte? Was am Beispiel <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rpraxis in Deutschland,<br />
in Kommunen und Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>n meistens<br />
auf ein Jahr begrenzten Haushalten regelmäßig<br />
kollidiert.<br />
Der Kultur Kapital Fonds in Lettland bietet hier,<br />
wenn auch auf geringem finanziellen Niveau, die Möglichkeit,<br />
Projekte nach und nach, also anhand <strong>de</strong>r notwendigen<br />
Arbeitsschritte aufzubauen. Wenn ich das<br />
ganz richtig verstan<strong>de</strong>n habe, beantragten unsere Partner<br />
die notwendigen Gel<strong>de</strong>r in aufeinan<strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n<br />
Schritten. Zunächst also für einen Workshop, <strong>de</strong>r die<br />
potenziellen Partner in Riga versammelte, nächstens für<br />
die gemeinsame Arbeit am Script und <strong>de</strong>m Bühnenbild<br />
und schließlich für die eigentliche Produktion und die<br />
späteren Aufführungen. Dieses För<strong>de</strong>rsystem scheint<br />
mir angelehnt an die Film- und Medienför<strong>de</strong>rung.<br />
Mein Hinweis wäre daher, sich diese weit entwickelten<br />
Instrumente <strong>de</strong>r Film- und Medienför<strong>de</strong>rung in Europa<br />
einmal im Vergleich zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Freien Theaters<br />
anzuschauen. Genau so, wie heute Projekte mit europäischer<br />
Ausrichtung im Freien Theater entstehen, sollte<br />
man I<strong>de</strong>e, Drehbuch, Projektentwicklung, Produktion<br />
und Distribution aufbauend för<strong>de</strong>rn. Es geht nicht darum,<br />
dass man dabei von Seiten <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rgeber das<br />
Risiko <strong>de</strong>s Scheiterns von Projekten minimiert, in<strong>de</strong>m<br />
man Kontrollmechanismen in die Entwicklungsschritte<br />
eines Projekts einbaut. Es geht darum, dass die verschie<strong>de</strong>nen<br />
Schritte <strong>de</strong>r Projektentstehung immer auch<br />
neue Schritte, damit neue Erfahrungen und neue Partner<br />
be<strong>de</strong>uten. Es geht dabei um die Erweiterung und<br />
Entwicklung <strong>de</strong>r Wirksamkeit von Projekten.<br />
Das Beispiel <strong>de</strong>s „Räuber“- Projekts bringt mich auch<br />
darauf, was wir uns von <strong>de</strong>m neuen Programm „Kultur<br />
<strong>2007</strong>“ GL <strong>de</strong>r EU in gewisser Weise versprochen hatten.<br />
Europäische<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
Zum einen rechneten wir damit,<br />
dass das Programm auch<br />
einen Akzent in <strong>de</strong>r internationalen<br />
Zusammenarbeit mit an<strong>de</strong>ren Weltregionen setzen<br />
wür<strong>de</strong>. Das ist offenbar nicht <strong>de</strong>r Fall und ist insofern<br />
scha<strong>de</strong>, weil hier europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k auch<br />
Vorreiter einer europäischen Außenpol<strong>iti</strong>k hätte sein<br />
können. Was man natürlich unter <strong>de</strong>n Mitgliedsstaaten<br />
<strong>de</strong>r EU auch wollen muss. Ich weiß nicht, ob die EU hier<br />
bereits aktiv ist, aber das wird vielleicht eine Diskussion<br />
zeigen.<br />
Damit hängt auch zusammen, dass beispielsweise<br />
unsere Weimarer Partner in Lettland und Polen mit<br />
uns gemeinsam neue Erfahrungen machen wollen,<br />
anstatt auf längere Sicht immer, ich nenne es einmal<br />
so, europäische Binnenthemen zu bearbeiten, in <strong>de</strong>nen<br />
wir uns nur dauerhaft immer wie<strong>de</strong>r neu kennen lernen<br />
und begegnen dürfen.<br />
Nun noch ein paar abschießen<strong>de</strong> Sätze zum Standort<br />
<strong>de</strong>r In<strong>iti</strong>ative Theaterhaus Weimar und <strong>de</strong>n Möglichkeiten,<br />
Kommune und Bun<strong>de</strong>sland im Rahmen europäischer<br />
Zusammenarbeit, in einer Zusammenarbeit<br />
<strong>de</strong>r Freien Theater <strong>de</strong>r Regionen zu motivieren. Kommune<br />
und Bun<strong>de</strong>sland bil<strong>de</strong>n die Basis <strong>de</strong>s Aufbaus <strong>de</strong>r<br />
finanziellen Projektbudgets. Kommune und Land sind<br />
also im besten Fall die ersten Partner. Nun ist allgemein<br />
bekannt, dass die Kulturetats in <strong>de</strong>n Kommunen für<br />
jegliche Art freier Projekte ausgesprochen gering sind,<br />
ebenso verhält es sich, je<strong>de</strong>nfalls nach unserer Erfahrung,<br />
bei <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn. Sie haben ausreichend<br />
zu tun, im sozialen, infrastrukturellen und arbeitsmarktpol<strong>iti</strong>schen<br />
Feld tätig zu sein und sehen oft die Beför<strong>de</strong>rung<br />
freier, sich selbst entwickeln<strong>de</strong>r kultureller Strukturen<br />
mit Misstrauen.<br />
Dabei setzt beispielsweise <strong>de</strong>r Europäische Sozialfonds<br />
GL in seiner beabsichtigten Wirkung auch einen<br />
kulturellen Akzent, <strong>de</strong>r sich selbstverständlich auf die<br />
Breite kultureller Prozesse bezieht. Immer wie<strong>de</strong>r sprechen<br />
hier Pol<strong>iti</strong>ker (meistens die <strong>de</strong>r Oppos<strong>iti</strong>on) davon,<br />
dass dieser kulturelle Akzent in <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn<br />
nur absolut unzureichend verwirklicht wird. Es wäre insofern<br />
auch eine Angriffsfläche. Das müsste einmal von<br />
Gremien untersucht wer<strong>de</strong>n. Mit <strong>de</strong>m Europäischen<br />
Sozialfonds GL sollte gera<strong>de</strong> die Entwicklung <strong>de</strong>r Regionen<br />
in Europa beför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, und warum<br />
sollte dazu nicht auch das Freie Theater gehören.<br />
Das Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r Städtepartnerschaften ist eine an<strong>de</strong>re<br />
Möglichkeit, europäisch zusammen zu arbeiten,<br />
wenn man von <strong>de</strong>r Kommune ausgeht. Dieses Mo<strong>de</strong>ll<br />
führt aber oft nicht weit genug. Die Verbindungen, die<br />
nur teilweise auf <strong>de</strong>m Wunsch einer gemeinsamen,<br />
künstlerischen Produktion basieren, sind meistens zu<br />
ungelenk. So stellt sich natürlich die Frage, in wessen<br />
Interesse – Kommune o<strong>de</strong>r Land – die Beför<strong>de</strong>rung europäischer<br />
Koproduktionen nun eigentlich ist. Bei <strong>de</strong>n<br />
Produzenten solcher Projekte ist die Frage längst beantwortet.<br />
Uns, <strong>de</strong>r In<strong>iti</strong>ative Theaterhaus Weimar, die ich hier<br />
vertrete, ist es bisher lei<strong>de</strong>r nicht gelungen, europäische<br />
freie Kulturarbeit bei <strong>de</strong>n Kommunen und<br />
Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>n Fokus zu bringen.<br />
Das Kreative Potential<br />
21
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Jochen Sandig<br />
Direktor Sasha Waltz & Guests,<br />
künstlerischer Leiter Radialsystem V, Berlin<br />
Ich möchte noch einmal mit einer Metapher beginnen,<br />
die hier bereits strapaziert wur<strong>de</strong>: Wenn die Kultur<br />
<strong>de</strong>r Motor für Europa sein soll, dann stellt sich die Frage:<br />
Was ist das Vehikel? Woher kommt <strong>de</strong>r Treibstoff und<br />
wohin geht die Fahrt? Wenn wir uns bewegen wollen,<br />
brauchen wir auch ein Ziel. Ich habe jedoch das Gefühl,<br />
dass viele Mittel verausgabt wer<strong>de</strong>n, um einen Motor in<br />
Gang zu setzen, <strong>de</strong>r viel Treibstoff verbraucht, dass es<br />
aber <strong>de</strong>n Ort, wo man hin möchte, nicht wirklich gibt,<br />
auch <strong>de</strong>shalb, weil wir ein merkwürdiges Verständnis<br />
von Europa haben. Ruth Hieronymi sagte vorhin, dass<br />
wir zwar Deutsche seien, gleichze<strong>iti</strong>g aber auch Europäer.<br />
Das wird häufig übersehen. Pol<strong>iti</strong>ker re<strong>de</strong>n oft so,<br />
als seien das zwei verschie<strong>de</strong>ne Dinge, aber in <strong>de</strong>r praktischen<br />
Erfahrung von Künstlern und Kulturschaffen<strong>de</strong>n<br />
gehört das tatsächlich zusammen.<br />
Mit an<strong>de</strong>ren Worten: Wenn wir in Europa investieren<br />
und dabei auch unsere Nationen damit meinen, dann<br />
ist dies kein verlorenes Geld. Womit ich zum Treibstoff<br />
zurückkomme. Investive Mittel sind nur dann investive<br />
Mittel, wenn wir davon überzeugt sind, dass sie nicht<br />
verbrannt wer<strong>de</strong>n, wenn sie nicht einen leer laufen<strong>de</strong>n<br />
Motor anheizen, son<strong>de</strong>rn wenn sie auf ökonomischunternehmerische<br />
Weise eingesetzt wer<strong>de</strong>n, um einen<br />
Effekt hervorzurufen, einen return of investment, um einen<br />
Gewinn zu erzeugen. Damit<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
komme ich auf Thomas Lehmen<br />
Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />
zurück, <strong>de</strong>r zu Recht for<strong>de</strong>rt, dass<br />
Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />
dieser messbare Erfolg in <strong>de</strong>r Kultur<br />
nicht wirtschaftlichen Prinzipien allein unterworfen<br />
sein darf, <strong>de</strong>nn das wäre zu kurzfristig gedacht, zu kurzsichtig.<br />
D.h. auf <strong>de</strong>r einen Seite muss die Freiheit <strong>de</strong>s<br />
Künstlers erhalten bleiben, auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite<br />
muss in Strukturen investiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Ich hatte einmal das Vergnügen, habe es dann aber<br />
lei<strong>de</strong>r als eine Last empfun<strong>de</strong>n, bei einer Antragsrun<strong>de</strong><br />
von Kaleidoskop o<strong>de</strong>r Kultur 2000 GL eine Woche in<br />
Brüssel zu verbringen. Es war kafkaesk. Verschie<strong>de</strong>ne<br />
Län<strong>de</strong>rvertreter durften die Anträge sichten und in vielen<br />
Anträgen fand ich genau das, was Rolf Dennemann<br />
beschrieb: kurzfristig, mit heißer Na<strong>de</strong>l gestrickte Anträge,<br />
bei <strong>de</strong>nen sich kurz vor Abgabeschluss ein paar<br />
Leute zusammentelefoniert haben, um ein Projekt auf<br />
<strong>de</strong>n Weg zu bringen. Wirklich spannend erschienen uns<br />
aber gera<strong>de</strong> die Projekte, die am wenigsten stichhaltig<br />
formuliert waren. Man hatte das Gefühl, dass diejenigen,<br />
die die Gel<strong>de</strong>r beantragen und diejenigen, die<br />
über die Gel<strong>de</strong>r zu entschei<strong>de</strong>n haben, viel zu wenig<br />
zusammen arbeiten. Wenn wir davon ausgehen, dass<br />
Europa sozusagen die Hardware ist, dann sind wir – die<br />
Künstler, die Pol<strong>iti</strong>ker und Verwalter (es wird oft von <strong>de</strong>n<br />
Pol<strong>iti</strong>kern, aber viel zu wenig von<br />
EU-För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>n Verwaltern, <strong>de</strong>n Bürokraten,<br />
gesprochen), und schließlich die<br />
Programmmacher in <strong>de</strong>n Häusern – die Softwareentwickler.<br />
Diese drei Elemente müssen viel enger zusammen<br />
arbeiten. Wenn wir betriebwirtschaftlich „Marke<br />
Europa“, „Firma Europa“ sagen, dann müssen wir viel<br />
mehr in die Kommunikation <strong>de</strong>r einzelnen „Firmenbereiche“<br />
investieren und diesen Prozess gemeinschaftlich<br />
bewegen. Das kann nur gelingen, wenn wir Anreize<br />
schaffen, diese pol<strong>iti</strong>schen Tätigkeiten zu verbessern.<br />
Pol<strong>iti</strong>ker wie Frank-Walter Steinmeier haben dieses Feld<br />
längst für sich erkannt. Er hat als Außenminister die<br />
Kultur zur Chefsache erklärt, hat eine neue Dynamik in<br />
diesem Bereich geschaffen, wovon er jetzt prof<strong>iti</strong>ert. Er<br />
hat sich über die Kultur noch einmal einen Stellenwert<br />
geschaffen. Auch auf an<strong>de</strong>ren pol<strong>iti</strong>schen und bürokratischen<br />
Ebenen müssten Anreize geschaffen wer<strong>de</strong>n, so<br />
zu han<strong>de</strong>ln. Ich schlage daher vor, einen Preis für <strong>de</strong>n<br />
kreativsten europäischen Verwaltungsbeamten/in<br />
auszuloben. Warum nicht 50.000 Euro für einen Europäischen<br />
Verwaltungskreativpreis ausloben? Das wür<strong>de</strong><br />
einen ungeheuer kreativen Prozess in Gang setzen.<br />
Dass wir alle kreativ sind,<br />
darin brauchen wir uns nicht<br />
zu bestätigen, aber kreative<br />
Pol<strong>iti</strong>ker, kreative Verwal-<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
EU- und nationale Ebene<br />
tungsleute – das ist es, was wir brauchen. Genau da ist<br />
eine Verstärkung und Intensivierung nötig.<br />
Eine an<strong>de</strong>re For<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Anregung: Warum<br />
grün<strong>de</strong>n wir nicht in allen europäischen Län<strong>de</strong>rn europäische<br />
Produktionshäuser, die Mittel bekommen,<br />
um sie direkt an Künstler o<strong>de</strong>r Projekte national, regional<br />
o<strong>de</strong>r lokal zu vergeben. Ich bin davon überzeugt,<br />
dass dies <strong>de</strong>r richtigere Wege wäre, <strong>de</strong>nn das Wissen<br />
über die Künstler, die konkret an <strong>de</strong>r Basis die spannendsten<br />
Projekte entwickeln, sitzt nicht in Brüssel.<br />
Wir müssen viel besser analysieren, was <strong>de</strong>r Effekt<br />
von Invest<strong>iti</strong>onen im Kulturbereich ist. Denn sobald<br />
man sieht, dass eine Invest<strong>iti</strong>on im Kulturbereich sich<br />
rechnet – nicht nur ökonomisch gesehen, son<strong>de</strong>rn auch<br />
als Schaffung kultureller Werte – wird die Bereitschaft,<br />
mehr Geld auszugeben, enorm wachsen.<br />
Wir müssen alles daran setzen, dass sich Kreativität<br />
weiter entwickeln kann. Mobilität<br />
ist da ein Thema, das sich auch auf Mobilität<br />
die Mobilität im digitalen Raum<br />
ausweiten lässt. Die Schaffung zugänglicher W-LAN-<br />
Netze wäre hier als Beispiel zu nennen.<br />
Wir brauchen einen geschützten Raum, wo auch<br />
länger Zeit ist, um nachzu<strong>de</strong>nken; wo finanzielle Ressourcen<br />
für die Entwicklung von I<strong>de</strong>en bereitgestellt<br />
wer<strong>de</strong>n. Ich nenne das Inkubatoren, Räume, in <strong>de</strong>nen<br />
I<strong>de</strong>en geboren wer<strong>de</strong>n können, Brutkästen <strong>de</strong>r weiteren<br />
Entwicklungen. Im Vergleich zur Projektför<strong>de</strong>rung als<br />
Produktfinanzierung – wir wollen Aufführungen sehen,<br />
Festivals erleben – wäre dies die För<strong>de</strong>rung von I<strong>de</strong>en,<br />
die zunächst kein Ergebnis hervorbringen. Es müssten<br />
substantielle Mittel zur Verfügung gestellt wer<strong>de</strong>n, damit<br />
Künstler, Verwalter und Pol<strong>iti</strong>ker über diese Prozesse<br />
nach<strong>de</strong>nken können. Sperren wir alle eine Woche lang<br />
in einen Raum ein. Ich bin überzeugt davon, dass wir<br />
ein besseres Ergebnis bekommen wer<strong>de</strong>n als wir es bei<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rze<strong>iti</strong>gen Trennung von kreativen Antragstellern<br />
und zur kafkaesken Bearbeitung <strong>de</strong>r Anträge verurteilten<br />
Bürokraten haben.<br />
Noch ein letztes Wort zum Thema Koproduktion.<br />
Das ist eben nicht die I<strong>de</strong>e eines Einzelnen, <strong>de</strong>r mög-<br />
22
lichst viele Verbün<strong>de</strong>te sucht, die diese I<strong>de</strong>e mitfinanzieren.<br />
Eine Koproduktion, wie wir sie verstehen, ist<br />
Künstler-<br />
Netzwerke<br />
eine gemeinsam entwickelte<br />
I<strong>de</strong>e. Und m. E. hat diese I<strong>de</strong>e<br />
in ihrer Substanz viel mehr<br />
Chancen, wenn in <strong>de</strong>n Entwicklungsprozess auch diejenigen<br />
eingebun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, die über die Mittel verfügen.<br />
Das Kreative Potential<br />
Anmerkungen Walter Heun<br />
Produzent Joint Adventures, München<br />
Da schon einiges gesagt wur<strong>de</strong>, möchte ich an dieser<br />
Stelle einfach noch ein paar Begriffspaare in die<br />
Run<strong>de</strong> werfen und dann versuchen, die zentralen Gedanken<br />
noch einmal zusammen zu fassen.<br />
Ich erinnere mich an ein Begriffspaar, das bei einem<br />
Kongress in Montreal als sehr wichtig verhan<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong>.<br />
Da ging es um das Verhältnis zwischen Kultur und<br />
Han<strong>de</strong>l. Bei<strong>de</strong> Begriffe bezeichnen Kulturmächte, die<br />
dazu beitragen, dass eine Gesellschaft<br />
sich an<strong>de</strong>ren gegenüber öff-<br />
Kulturwirtschaft<br />
net. Man braucht nicht erst zu <strong>de</strong>n<br />
alten Griechen zurück zu gehen, um sich die Inter<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nz<br />
dieser bei<strong>de</strong>n Begriffe vor Augen zu halten. Im<br />
Zusammenhang <strong>de</strong>r Ökonomisierung fast aller Lebensbereiche<br />
ist jedoch <strong>de</strong>r Han<strong>de</strong>l ganz <strong>de</strong>utlich in <strong>de</strong>n<br />
Vor<strong>de</strong>rgrund getreten. Ich <strong>de</strong>nke, es ist ganz wichtig,<br />
auch im Rahmen einer solchen Gesprächsrun<strong>de</strong> darauf<br />
hinzuweisen, dass sich dieses Verhältnis auch wie<strong>de</strong>r<br />
umkehren kann. Ein ganz entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Punkt war<br />
in <strong>de</strong>m Zusammenhang auch <strong>de</strong>r eingangs geäußerte<br />
Gedanke von Herrn Wagner, dass die Kultur wie<strong>de</strong>r zu<br />
einer Gegenmacht gegen die Marktmechanismen<br />
wer<strong>de</strong>n muss. Gedanklich an Thomas Lehmens Beitrag<br />
anschließend, möchte ich an dieser Stelle ein br<strong>iti</strong>sches<br />
Netzwerk erwähnen, das sich „The Guardians of Doubt“,<br />
in Kurzform GOD, nennt. (Die Briten hatten schon<br />
immer wesentlich bessere Wortspiele als wir.) Das<br />
bringt mich zu einem Gedanken, <strong>de</strong>r m.E. für die Diskussion<br />
auch sehr wichtig ist, ich habe ihn auf Englisch<br />
formuliert: Give space for doubt and error. Ein künstlerischer<br />
Prozess hat immer damit zu tun, dass man sich<br />
auf Neuland begibt, und das beinhaltet auch immer<br />
das mögliche Scheitern dieses Prozesses. Im Kontext<br />
<strong>de</strong>r Ökonomisierung aller Lebensbereiche wird jedoch<br />
auch in <strong>de</strong>r Kultur immer wie<strong>de</strong>r versucht, dieses Scheitern<br />
durch Effizienzsteigerung zu verunmöglichen.<br />
Aber es muss allen klar sein, dass das Scheitern ein Teil<br />
<strong>de</strong>s Prozesses ist. In <strong>de</strong>m Zusammenhang möchte ich<br />
die Aussage von Thomas Lehmen, dass er am Anfang<br />
seiner künstlerischen Entwicklung sehr stark durch die<br />
europäischen Netzwerke geför<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>, auch noch<br />
einmal in <strong>de</strong>n Kontext stellen, dass je<strong>de</strong> Kürzung von<br />
Mitteln bei Festivals und europäischen Produktionszentren<br />
auch automatisch be<strong>de</strong>utet, dass eben genau das<br />
künstlerische Wagnis als erstes gekürzt wird, nämlich<br />
die Produktionsmittel. Das ist das einzige, worauf man<br />
als Produzent noch reagieren kann.<br />
Dann hatte ich noch so einen Gedanken, auch <strong>de</strong>n<br />
hatte Thomas Lehmen schon angesprochen. Wenn wir<br />
aufhören, in <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k nur darüber nachzu<strong>de</strong>nken,<br />
wie wir die Welt am besten ausbeuten können, um die<br />
Gewinnsteigerung zu maximieren, dann brauchen wir<br />
vielleicht nicht mehr die Kultur als Schutzschild o<strong>de</strong>r<br />
Feigenblatt für unser schlechtes Gewissen.<br />
Ein weiterer Begriff, <strong>de</strong>n ich hier in die Run<strong>de</strong> werfen<br />
will, ist die Umwegrentabilität. Dieser Begriff war v.a.<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
EU- und nationale Ebene<br />
in <strong>de</strong>n 80er und 90er Jahren<br />
wahnsinnig spannend.<br />
Er diente dazu, die Notwendigkeit<br />
von Kulturför<strong>de</strong>rung,<br />
gera<strong>de</strong> auch auf kommunaler Ebene, mit <strong>de</strong>n<br />
so genannten weichen Standortfaktoren für wichtig zu<br />
erklären. Ich <strong>de</strong>nke, ein ganz wichtiger Punkt ist, dass<br />
wir aufhören, Kultur und Kunst über irgendwelche<br />
Formen von Umwegrentabilitäten zu leg<strong>iti</strong>mieren.<br />
Es wur<strong>de</strong> heute bereits eingangs gesagt, dass es wichtig<br />
ist, Kultur und Kunst als zu för<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Wert an sich<br />
zu unterstützen. Dass sie auch soziale, gesellschaftliche,<br />
sozialpol<strong>iti</strong>sche o<strong>de</strong>r edukative Nebeneffekte hat, ist sicher<br />
wun<strong>de</strong>rbar, aber dies darf nicht zur Voraussetzung<br />
für die För<strong>de</strong>rung von Kunst und Kultur wer<strong>de</strong>n.<br />
Jetzt möchte ich noch einmal ganz kurz versuchen,<br />
zu rekapitulieren, was an diesem reichhaltigen Vormittag<br />
alles formuliert wur<strong>de</strong>.<br />
Der Eingangsgedanke, <strong>de</strong>n Herr Wagner formulierte,<br />
Kultur als Gegenmacht zu <strong>de</strong>n Marktmechanismen zu<br />
etablieren, war sicher eine hervorragen<strong>de</strong><br />
Steilvorlage, wie man das<br />
in <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k nennt. Es geht hier<br />
um die pol<strong>iti</strong>sche Kultur in Europa.<br />
Europäische<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k soll dabei nicht als reine Kulturför<strong>de</strong>rungspol<strong>iti</strong>k<br />
verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Es geht vielmehr darum,<br />
Kunst und Kultur als Wesenskraft für eine pol<strong>iti</strong>sche<br />
Kultur in Europa zu entwickeln. In diesem Zusammenhang<br />
hat Herrn Wagner gesagt, dass <strong>de</strong>r Begriff Kulturschaffen<strong>de</strong>,<br />
und da hat er einen sehr schönen Ausdruck<br />
benutzt, als Partisanen <strong>de</strong>r Begriffsbesetzung <strong>de</strong>s<br />
Begriffs Europa eine ganz neue Be<strong>de</strong>utung bekommt,<br />
d.h., dass die Kulturschaffen<strong>de</strong>n eben nicht nur kulturelle<br />
Werke erschaffen, son<strong>de</strong>rn auch tatsächlich diesen<br />
23
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Begriff eines kulturell <strong>de</strong>finierten Europas mit vorantreiben.<br />
In diesem Zusammenhang fällt mir als Kernthema<br />
<strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>k auch die Migration ein - Europa als<br />
ein kosmopol<strong>iti</strong>sches Projekt und die Kulturpol<strong>iti</strong>k dann<br />
als Diversitätspol<strong>iti</strong>k. Genau die nationalen Grenzziehungen,<br />
auch im Rahmen <strong>de</strong>r europäischen Pol<strong>iti</strong>k, wie<br />
wir gera<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r aktuell in <strong>de</strong>r Tagespol<strong>iti</strong>k erfahren<br />
haben, sind eigentlich obsolet. Und da die Migration<br />
tatsächlich ein alles beherrschen<strong>de</strong>s Thema ist, jenseits<br />
davon, was die Pol<strong>iti</strong>k will o<strong>de</strong>r nicht, kann Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
nur Diversitätspol<strong>iti</strong>k sein.<br />
Dann wur<strong>de</strong> weiterhin das schöne Argument gebracht,<br />
dass <strong>de</strong>r Rohstoff Europas die Kultur sei. In diesem<br />
Zusammenhang ein kleiner Exkurs: Nele Hertling<br />
und ich waren letzten November zusammen in China,<br />
in Shanghai beim China Shanghai International Arts<br />
Festival. Da ging es um die Entwicklung Chinas als Kulturstaat.<br />
Man beschäftigte sich dort mit <strong>de</strong>r Frage, wie<br />
schaffen wir es, von einem Volk <strong>de</strong>r Produzenten und<br />
Kopisten zu einem Volk <strong>de</strong>r Kreateure zu wer<strong>de</strong>n. Interessanterweise<br />
gibt es z.B. in Shanghai eine gut funktionieren<strong>de</strong><br />
U-Bahn. Das ist die Linie 1, die von Siemens<br />
gebaut wur<strong>de</strong>. Die restlichen U-Bahnen in Shanghai<br />
sind allesamt kopiert und fallen ständig aus. Und warum<br />
ist das so? Weil es eben nicht reicht, das, was an<strong>de</strong>re<br />
erdacht haben, zu kopieren. Denn dann kommt<br />
man nicht darauf, wie es wirklich funktioniert. In diesem<br />
Sinne sollte man sich in Europa vielleicht darauf<br />
konzentrieren, wie wir unser kreatives Potential erhalten<br />
können und wie wir unser kreatives Potential, auch<br />
kosmopol<strong>iti</strong>sch gesehen, dazu einbringen, eine Gesellschaft<br />
mitzukreieren, die jenseits rein ökonomischer<br />
und machtstrategischer Überlegung auch wie<strong>de</strong>r so<br />
etwas wie ein Ethos hat. Vielleicht ist es unpopulär, so<br />
etwas zu for<strong>de</strong>rn, aber ich möchte es einfach einmal in<br />
die Run<strong>de</strong> werfen.<br />
Es wur<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ne Strategien aufgezeigt,<br />
es wur<strong>de</strong> gefor<strong>de</strong>rt, ein EU- Mobilitätsprogramm für<br />
Künstler einzurichten. Ein Vorschlag war, flexible Fonds<br />
zu etablieren. Eine ganz zentrale For<strong>de</strong>rung war auch,<br />
die EU-Kulturför<strong>de</strong>rung effektiver zu gestalten, <strong>de</strong>nn in<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
EU- und nationale Ebene<br />
<strong>de</strong>r Art und Weise, wie sie im<br />
Moment funktioniert, schließt<br />
sie eigentlich die kleinen, par-<br />
tisanenartigen Organisationen aus. Es wur<strong>de</strong> weiterhin<br />
<strong>de</strong>r Vorschlag gemacht, Kulturför<strong>de</strong>rungspol<strong>iti</strong>k nicht<br />
isoliert zu sehen, son<strong>de</strong>rn auch eine Kulturordnungspol<strong>iti</strong>k<br />
mitzu<strong>de</strong>nken. Einzelne Projekte, wie z.B. die<br />
Gründung einer europäischen Kunstaka<strong>de</strong>mie o<strong>de</strong>r die<br />
Erschaffung eines europäischen Kulturrates wur<strong>de</strong>n formuliert.<br />
Dies alles zielt sehr auf die europäische Union<br />
ab. Wir sollten aber auch be<strong>de</strong>nken, dass in Deutschland<br />
auf allen Ebenen <strong>de</strong>r öffentlichen För<strong>de</strong>rung<br />
Fonds o<strong>de</strong>r Projektetats für so genannte Joint Projects,<br />
also für Gemeinschaftsprojekte, etabliert wer<strong>de</strong>n<br />
müssten, die nicht zwangsläufig europäisch sein müssen.<br />
Das Land Thüringen hat z.B. einen kleinen Topf für<br />
internationale Kooperationen entwickelt. Warum soll<br />
das nicht auch auf Lan<strong>de</strong>sebene o<strong>de</strong>r auf kommunaler<br />
Ebene möglich sein? Da wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />
immer nur daran gedacht, Projekte mit <strong>de</strong>n Partnerstädten<br />
zu machen, aber, warum kann man solche Programme<br />
nicht offener formulieren?<br />
Und jetzt kommt <strong>de</strong>r letzte, vielleicht auch schwierigste<br />
Punkt: die pol<strong>iti</strong>sche Einmischung. Wir haben<br />
das Thema Kulturwirtschaft einerseits als eine Chance<br />
gesehen, die Kulturför<strong>de</strong>rung auch im Wirtschaftsbereich<br />
anzusie<strong>de</strong>ln. An<strong>de</strong>rerseits besteht in diesem<br />
Kontext auch die Gefahr <strong>de</strong>r Instrumentalisierung<br />
von Kultur bzw. <strong>de</strong>s Kulturwirtschaft<br />
Mainstreaming in <strong>de</strong>r Kultur. Auch<br />
in diesem Zusammenhang ist es <strong>de</strong>shalb wichtig, daran<br />
zu <strong>de</strong>nken, dass wir in <strong>de</strong>r Kultur auch so eine Art<br />
Gegenbewegung zur Ökonomisierung aller Lebensbereiche<br />
entwickeln. Wenn ich da <strong>de</strong>n Titel <strong>de</strong>s Tanzkongresses<br />
Deutschland <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>skulturstiftung GL , „Tanz<br />
als Wissenskultur“, ein bisschen abwan<strong>de</strong>ln darf, und<br />
wir dann Kunst und Kultur als „Wesenskultur“ einer<br />
europäischen Seele verstehen, dann wird uns vielleicht<br />
auch in <strong>de</strong>r täglichen Praxis klarer, dass die Kunst- und<br />
Kulturschaffen<strong>de</strong>n schon längst so etwas wie die Vorreiter<br />
<strong>de</strong>r europäischen Seele sind, dass sie auch jenseits<br />
<strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rmechanismen, die bestehen o<strong>de</strong>r noch im<br />
Wachstum begriffen sind, schon längst diese Pionierrolle<br />
übernommen haben.<br />
Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite möchte ich vielleicht noch<br />
ganz kurz zum Schluss <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips<br />
GL einführen, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Pol<strong>iti</strong>k und<br />
Verwaltung ganz wichtig ist und in Zeiten knapper<br />
Kassen regelmäßig als Totschlagargument verwen<strong>de</strong>t<br />
wird, um so etwas wie<br />
eine kontinuierliche För<strong>de</strong>rung<br />
zu verhin<strong>de</strong>rn. Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
Ich möchte <strong>de</strong>shalb an Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />
dieser Stelle noch einmal<br />
darauf aufmerksam<br />
EU- und nationale Ebene<br />
machen, dass man sowohl in Deutschland als auch in<br />
Europa immer mehr zu Projektför<strong>de</strong>rung übergeht. Immer<br />
weniger Ebenen <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k sind dazu bereit, auch<br />
kontinuierlich und strukturell zu för<strong>de</strong>rn. Das fin<strong>de</strong> ich<br />
einen ganz wichtigen Punkt, <strong>de</strong>n wir weiter diskutieren<br />
sollten.<br />
24
Keynote Kirsten Haß<br />
Leiterin Allgemeine Projektför<strong>de</strong>rung, Kulturstiftung<br />
<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL , Halle (Saale)<br />
Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />
Bsp. Bun<strong>de</strong>skulturstiftung<br />
Seit ihrer Gründung im Jahr 2002 hat die Stiftung<br />
rund 50 Millionen Euro För<strong>de</strong>rmittel für <strong>de</strong>n Austausch<br />
<strong>de</strong>utscher Künstler mit Akteuren im europäischen Ausland<br />
bereitgestellt.<br />
Dennoch, o<strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>swegen muss ich <strong>de</strong>n Titel<br />
korrigieren, unter <strong>de</strong>m ich<br />
hier spreche: „Projekte für<br />
Europa“ hat <strong>de</strong>n Klang eines<br />
Kampfrufes im Dienste eines pol<strong>iti</strong>schen Programms,<br />
„Brot und Spiele“ für Europa, man hört förmlich das<br />
Ausrufezeichen am Satzen<strong>de</strong>! Dabei ist Kultur in Europa<br />
nicht Mittel zum Zweck, wie es Richard Kühnel mit<br />
<strong>de</strong>m Begriff „Soft-Power“ im pol<strong>iti</strong>schen Einigungsprozess<br />
neulich in Berlin auf <strong>de</strong>m Kongress <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>schen<br />
Gesellschaft GL formulierte.<br />
Kultur in Europa ist im besten Fall vielmehr Seismograph<br />
und Motor gesellschaftlicher Entwicklungen: Sie<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
reflektiert sie, pos<strong>iti</strong>oniert sich<br />
zu ihnen und setzt neue <strong>Impuls</strong>e.<br />
Kunst und Kultur auf eine Funktion zu reduzieren,<br />
ist we<strong>de</strong>r Ausgangspunkt noch Ziel <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>r<br />
Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL . Ihre unterschiedlichen<br />
Funktionen dagegen zu beschreiben, ist natürlich nützlich,<br />
um im kulturpol<strong>iti</strong>schen Kontext ihren Stellenwert<br />
zu manifestieren.<br />
Auch wenn die För<strong>de</strong>rzuständigkeit <strong>de</strong>r Stiftung<br />
<strong>de</strong>finiert ist – ich z<strong>iti</strong>ere aus unseren För<strong>de</strong>rrichtlinien<br />
– für „große innovative Projekte im internationalen<br />
Kontext“, versieht sie die von ihr geför<strong>de</strong>rten Projekte<br />
nicht mit einem kulturpol<strong>iti</strong>schen Auftrag, we<strong>de</strong>r im<br />
europäischen noch im außereuropäischen Raum. Statt<strong>de</strong>ssen<br />
folgen wir mit unserer För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>m <strong>Impuls</strong><br />
<strong>de</strong>r Künstlerinnen und Künstler, sich über ihre eigenen<br />
Grenzen <strong>de</strong>r Ästhetik, <strong>de</strong>r Sparte, aber auch <strong>de</strong>r Örtlichkeit<br />
hinaus zu öffnen. Wir folgen ihrem <strong>Impuls</strong>, Gleich-,<br />
vor allem aber An<strong>de</strong>rsgesinnte zu suchen, um in einem<br />
inspirieren<strong>de</strong>n Austausch die eigene künstlerische Arbeit<br />
zu erweitern.<br />
Zum an<strong>de</strong>ren aber sind wir als Bun<strong>de</strong>sstiftung natürlich<br />
<strong>de</strong>m europäischen Einigungsgedanken verpflichtet<br />
und verbun<strong>de</strong>n. Wir begreifen unsere För<strong>de</strong>rung als<br />
nationale Stiftungspol<strong>iti</strong>k, die internationale Verantwortung<br />
übernimmt. Nicht zuletzt daraus resultiert<br />
unser zweiter Ansatz, nicht ausschließlich auf Anträge<br />
<strong>de</strong>r Künstler auswählend in <strong>de</strong>r Offenen Projektför<strong>de</strong>rung<br />
zu reagieren. Mit eigenen Programmen und In<strong>iti</strong>ativprojekten<br />
richten wir <strong>de</strong>n Fokus auf Themen, die<br />
aufgrund ihrer Relevanz und Brisanz neue Erkenntnisse<br />
durch künstlerische Praxis versprechen.<br />
Wie wir das machen, möchte ich Ihnen gerne an<br />
drei Beispielen ver<strong>de</strong>utlichen.<br />
Zum Beispiel Tschechien.<br />
Nach Polen und Ungarn ist Tschechien nun das dritte<br />
osteuropäische Land in <strong>de</strong>r Reihe bilateraler Kultur-<br />
begegnungen, welche die Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL<br />
im Zuge <strong>de</strong>r EU-Erweiterung mit <strong>de</strong>n neuen Beitrittslän<strong>de</strong>rn<br />
för<strong>de</strong>rt. Künstler verschie<strong>de</strong>ner Sparten, Wissenschaftler<br />
und Kuratoren setzen sich mit ihren lokalen<br />
Kontexten auseinan<strong>de</strong>r und entwickeln innovative<br />
Formen <strong>de</strong>r Vermittlung ihrer Pos<strong>iti</strong>onen.<br />
Auch das Programm „<strong>de</strong>utsch-tschechische Kulturbegegnungen“<br />
ist auf drei Jahre angelegt.<br />
Einer <strong>de</strong>r Schwerpunkte wird 2008 zu seinem 40.<br />
Jahrestag <strong>de</strong>r Prager Frühling und seine Be<strong>de</strong>utung für<br />
die Entwicklung im geteilten Europa bis zum Fall <strong>de</strong>r<br />
Mauer in Berlin 1989 sein. Aber auch theatrale Untersuchungen<br />
<strong>de</strong>s Alltags- und <strong>de</strong>s Heimatbegriffs und die<br />
Frage nach realisierten Utopien, die sich im architektonischen<br />
Erbe <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne in bei<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn nie<strong>de</strong>rgeschlagen<br />
haben, wer<strong>de</strong>n die Künstler beschäftigen.<br />
Wie entsteht so ein eigenes Programm <strong>de</strong>r Kulturstiftung<br />
GL ?<br />
Es gibt antragsoffene Programme wie Bipolar, Programme,<br />
die mit Scouts arbeiten, wie Büro Kopernikus,<br />
und Programme, die mit einem Kuratorium Projekte<br />
realisieren wie die <strong>de</strong>utsch-tschechischen Kulturbe-<br />
gegnungen. Es wird<br />
in zahlreichen Gesprächen<br />
mit Künstlern<br />
und Kulturschaffen<strong>de</strong>n<br />
aus allen<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
Thematische För<strong>de</strong>rungsschwerpunkte<br />
vs. Freie För<strong>de</strong>rung<br />
künstlerischen Sparten und be<strong>de</strong>utsamen Institutionen<br />
<strong>de</strong>r Partnerlän<strong>de</strong>r entwickelt. Ein Kuratorium arbeitet<br />
gemeinsam mit <strong>de</strong>r Kulturstiftung die gefun<strong>de</strong>nen<br />
Themen zu konkreten Vorhaben mit <strong>de</strong>n beteiligten<br />
Künstlern aus. Dabei geht es nicht um das Präsentieren<br />
einmaliger, repräsentativer Veranstaltungen, son<strong>de</strong>rn<br />
um die För<strong>de</strong>rung einer mehrjährigen Zusammenarbeit<br />
<strong>de</strong>utscher und – nach Polen und Ungarn - tschechischer<br />
Kulturschaffen<strong>de</strong>r. Gemeinsam entwickeln sie<br />
Projekte zu gesellschaftspol<strong>iti</strong>schen Themen und zeigen<br />
sie im Partnerland und in Deutschland.<br />
Welche Brisanz künstlerische Projekte entwickeln<br />
können, die in diesen Programmen entstehen, zeigte<br />
En<strong>de</strong> letzten Jahres das vom Warschauer Regisseur<br />
Jan Klata entwickelte <strong>de</strong>utsch-polnische Theaterstück<br />
„Transfer“, das in Wroclaw/Breslau und in Berlin zu<br />
sehen war. In dieser Erinnerungsmontage berichten<br />
Zeitzeugen bei<strong>de</strong>r Nationalitäten von ihrer Vertreibung<br />
und <strong>de</strong>m Verlust ihrer Heimat nach <strong>de</strong>m Zweiten Weltkrieg.<br />
Dass dies kein allein <strong>de</strong>utsches Thema ist, war<br />
für einige <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Zuschauer augenscheinlich<br />
kaum aushaltbar. Gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Stücks verliest eine<br />
<strong>de</strong>r polnischen Zeitzeuginnen eine sehr lange Liste von<br />
Namen. Es sind die Namen <strong>de</strong>r ukrainisch-polnischen<br />
Bewohner ihres Dorfes, die mit ihr vertrieben und umgesie<strong>de</strong>lt<br />
wur<strong>de</strong>n. Schon nach wenigen Namen entstand<br />
Unruhe im Zuschauerraum, erst Husten, dann<br />
Unmutsäußerungen:<br />
Die Liste war einigen <strong>de</strong>utschen Zuschauern offenbar<br />
unerträglich zu lang.<br />
Das Stück zeigt <strong>de</strong>n Sprengstoff, <strong>de</strong>r jenseits pol<strong>iti</strong>scher<br />
Län<strong>de</strong>rbeziehungen in <strong>de</strong>r Erinnerungsarbeit<br />
liegt – und es beschreitet die Zukunft, die im Dialog<br />
<strong>de</strong>r Akteure liegt.<br />
Das Kreative Potential<br />
25
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Ein weiteres Beispiel: Theaterpartnerschaften.<br />
Die Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL stellt von 2009 bis<br />
2012 fünf Millionen Euro zur Verfügung, um einen<br />
Fonds für Internationale Theaterpartnerschaften einzurichten.<br />
In Gesprächen mit Intendanten und Dramaturgen<br />
wur<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>rholt die Notwendigkeit <strong>de</strong>utlich, die internationale<br />
Zusammenarbeit <strong>de</strong>utscher Theater zu<br />
verstärken. Rund 30 Partnerschaften zwischen einem<br />
<strong>de</strong>utschen und einem ausländischen Theater sollen im<br />
Laufe <strong>de</strong>s Programms geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n - auch hier mit<br />
<strong>de</strong>m Ziel, durch eine längerfristige Zusammenarbeit<br />
über ein Einzelprojekt hinaus wechselse<strong>iti</strong>ge Gastspiele,<br />
aber auch gemeinsame Produktionen zu ermöglichen.<br />
Nur wenige Theater in Deutschland kooperieren<br />
regelmäßig mit ausländischen Theatern, ihnen fehlen<br />
schlicht die zeitlichen und finanziellen Ressourcen. Jenseits<br />
<strong>de</strong>s Festivalbetriebs gibt es kaum Begegnung und<br />
Möglichkeiten, über neue Kooperationen die eigenen<br />
Strukturen, Arbeitsweisen und Stoffe durch <strong>de</strong>n frem<strong>de</strong>n<br />
Blick zu reflektieren.<br />
Die Möglichkeit, sich über projektübergreifen<strong>de</strong> Zusammenarbeit<br />
nicht nur im Ausland zu präsentieren,<br />
son<strong>de</strong>rn auch vom Partner zu lernen, schafft gedankliche<br />
Freiräume und damit vielleicht auch neue Einsichten<br />
nicht nur in die künstlerische Arbeit, son<strong>de</strong>rn<br />
auch in Produktionsweisen.<br />
Wichtig sind dafür sowohl ein genügend langer<br />
Vorlauf, <strong>de</strong>r es <strong>de</strong>n Theatern erlaubt, neue Kontakte zu<br />
knüpfen und Kooperationen auszuloten, als auch eine<br />
Programmdauer, die über zwei bis drei Spielzeiten andauert.<br />
Gefragt sind keine kurzlebigen Projekte, son<strong>de</strong>rn<br />
eine fundierte und tragfähige Kooperation <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen und internationalen Partnertheater.<br />
Als drittes und letztes Beispiel unserer Stiftungs-<br />
För<strong>de</strong>rpol<strong>iti</strong>k internationaler/europäischer Kunst und<br />
Kultur möchte ich nach <strong>de</strong>n von uns im Dialog entwickelten<br />
Programmen ein Projekt aus <strong>de</strong>r antragsoffenen<br />
Projektför<strong>de</strong>rung vorstellen.<br />
Es reflektiert selbst die Frage nach nationaler I<strong>de</strong>ntität<br />
und ihrem Einfluss auf die Kunst: Die Ausstellung<br />
„Ma<strong>de</strong> in Germany“, die <strong>de</strong>rzeit in Hannover an drei<br />
Häusern zu sehen ist. Die Frage „Was eigentlich ist<br />
<strong>de</strong>utsche Kunst?“ wird in Hannover so beantwortet:<br />
Nationale I<strong>de</strong>ntität ist in einer globalisierten Kunstwelt<br />
eine fragwürdige Kategorie.<br />
Konsequent zeigt daher die Ausstellung auch nicht<br />
„<strong>de</strong>utsche Kunst“ geschaffen von <strong>de</strong>utschen Künstlerinnen<br />
und Künstlern. Vielmehr halten die Kuratoren<br />
<strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>r Nationalität <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Produktionsortes<br />
entgegen und zeigen Arbeiten internationaler<br />
Künstler, die in Deutschland (zeitweise) leben: Ma<strong>de</strong> in<br />
Germany. Ulrike Groos verweist quasi als Fazit aus diesem<br />
Ansatz in ihrem Katalogbeitrag darauf, dass weniger<br />
die Künstler selbst zum internationalen Austausch<br />
„aufgefor<strong>de</strong>rt“/geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n müssen. Vielmehr bestehe<br />
ein För<strong>de</strong>rbedarf zu internationalen Vernetzung<br />
und Austausch bei <strong>de</strong>n Institutionen, die Kunst präsentieren<br />
sowie bei <strong>de</strong>nen, die Künstler ausbil<strong>de</strong>n.<br />
Am Beispiel „Ma<strong>de</strong> in Germany“ wird <strong>de</strong>utlich, dass<br />
europäischer und internationaler Austausch nicht dazu<br />
taugen, nationale Eigenheiten und Charakteristika in<br />
<strong>de</strong>r Kunst zu bestimmen. Der Kunstbetrieb ist international.<br />
Wie also pos<strong>iti</strong>oniert man sich als För<strong>de</strong>rer im europäischen<br />
Kontext?<br />
Der Notwendigkeit, Strukturen zu schaffen, steht<br />
die weit verbreitete Form <strong>de</strong>r Einzelprojektför<strong>de</strong>rung<br />
gegenüber. Damit diese nicht gleichbe<strong>de</strong>utend ist mit<br />
vereinzelten Ereignissen und Diskontinuität, muss sie<br />
eingebettet sein in ein Gesamtkonzept,<br />
das man auch Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />
das Profil <strong>de</strong>s För<strong>de</strong>rers nennen<br />
kann. Im Profil muss sichtbar wer<strong>de</strong>n, welche<br />
Kulturlandschaft <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer ermöglichen und<br />
schaffen will. Und es muss <strong>de</strong>utlich sein, welchen Weg<br />
er dafür wählt. Da er nicht alleine steht, sollte das Profil<br />
<strong>de</strong>s För<strong>de</strong>rers darüber hinaus nicht nur unterscheidbar,<br />
son<strong>de</strong>rn auch kompatibel mit <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>rer För<strong>de</strong>rer<br />
sein. Nur in einer sich ergänzen<strong>de</strong>n För<strong>de</strong>rlandschaft<br />
können Nischen erhalten, aber auch große Würfe realisiert<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL bil<strong>de</strong>t mit ihren För<strong>de</strong>rinstrumenten<br />
von Offener Projektför<strong>de</strong>rung, mehrjährigen<br />
Programmen und aufspüren<strong>de</strong>n In<strong>iti</strong>ativprojekten<br />
nicht nur <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen, son<strong>de</strong>rn auch einen<br />
internationalen För<strong>de</strong>rbedarf ab.<br />
Sie braucht dabei nationale und internationale Partner<br />
in <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn, vor Ort, damit Kompetenzen und<br />
finanzielle Ressourcen fruchtbringend Kunst ermöglichen.<br />
Was treibt uns um, wenn wir auf Europa schauen?<br />
Letztlich sind wir möglicherweise auf <strong>de</strong>r Suche<br />
nach <strong>de</strong>m Eigenen, das erst im Kontakt mit <strong>de</strong>m Frem<strong>de</strong>n<br />
spürbar wird. Die viel beschworene Vielfalt und<br />
Unverwechselbarkeit <strong>de</strong>r Nationalitäten, die es im geeinten<br />
Europa zu bewahren gilt, ist eine Hypothese, die<br />
wir jenseits von Folklore im künstlerischen Austausch,<br />
in Kooperationen und Projekten geprüft sehen wollen.<br />
Die Neugier und <strong>de</strong>n Ent<strong>de</strong>ckermut <strong>de</strong>r Künstler,<br />
Wissenschaftler und Kunstvermittler gilt es zu för<strong>de</strong>rn,<br />
<strong>de</strong>nn sie sind es, die mit neuen Einsichten nach Hause<br />
kommen, um uns davon zu erzählen.<br />
Und vielleicht können wir als För<strong>de</strong>rer dann mit diesem<br />
Ent<strong>de</strong>ckermut <strong>de</strong>r Künstler auch besser mit ihrer<br />
Antragstellung leben, als es viele unserer Regularien<br />
<strong>de</strong>rzeit erlauben.<br />
Gregor Schnei<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong> anlässlich seiner Installation<br />
<strong>de</strong>s schwarzen Kubus‘ kürzlich in Hamburg gefragt,<br />
was <strong>de</strong>r Kubus für ihn <strong>de</strong>nn sei. Seine Antwort lautete:<br />
„Wür<strong>de</strong> ich wissen, was mich beschäftigt, müsste ich<br />
ihn gar nicht erst bauen. Ich kann doch nicht schneller<br />
sein, als die Arbeit“.<br />
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.<br />
26
Panel:<br />
„För<strong>de</strong>rer, Projektin<strong>iti</strong>atoren und Netzwerke –<br />
Wer setzt die <strong>Impuls</strong>e?“<br />
Mary Ann DeVlieg (General Secretary IETM GL , Brüssel),<br />
Martin Berg (Leiter Abteilung Tanz / Theater Goethe-<br />
Institut GL ), Georg Schwarz (Projektmanager Allianz<br />
Kulturstiftung GL , München), Bertram Müller (Künstlerischer<br />
Leiter tanzhaus nrw, Düsseldorf),<br />
Flóra Tálasi (Projektleiterin „Bipolar“ <strong>de</strong>r Kulturstiftung<br />
<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL , Berlin)<br />
Mo<strong>de</strong>ration: Bettina Milz (Dramaturgin, Stuttgart)<br />
Milz:<br />
In dieser Diskussionsrun<strong>de</strong> sollen nun die Kunstermöglicher<br />
zu Wort kommen,<br />
Kommunikation<br />
die in ihren sehr unterschiedlichen<br />
Kulturinstitutionen in <strong>de</strong>r<br />
zwischen Künstlern<br />
und För<strong>de</strong>rern<br />
Verantwortung sind, Künstler<br />
auszuwählen, künstlerische Projekte zu ermöglichen<br />
und als Produzenten und Veranstalter eine Verantwortung<br />
für diese Produktionen übernehmen. Wir wollen<br />
uns hier mit <strong>de</strong>r Frage beschäftigen, wie heute Koproduktionen<br />
entstehen können, welche Bedingungen<br />
sie brauchen und welche Formen von Netzwerken<br />
in dieser großen Flut sinnvoll sind.<br />
Ein weiteres, wichtiges Thema, das wir hier besprechen<br />
sollten, ist die Kommunikation, und ich <strong>de</strong>nke,<br />
dass auch die hier am Tisch vertretenen Institutionen<br />
Defizite und Möglichkeiten dazu<br />
Mobilität auftun können. Ein an<strong>de</strong>res großes<br />
Thema ist für mich die Frage <strong>de</strong>r<br />
Mobilität und <strong>de</strong>r Voraussetzung von Mobilität im<br />
Sinne einer künstlerischen Heimat und eines Ortes, an<br />
<strong>de</strong>m Gedanken, die unsicher sind, erst einmal einen sicheren<br />
Ort fin<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>r ganzen Mobilitäts<strong>de</strong>batte,<br />
das betrifft die Museen genauso wie die Theater, wird<br />
im Moment oft außer Acht gelassen, dass die stabile<br />
Gestaltung von Produktionsorten genauso wichtig<br />
ist, aber lei<strong>de</strong>r oft nicht stattfin<strong>de</strong>t. Das muss unbedingt<br />
weiter ausgebaut wer<strong>de</strong>n. Denn ich glaube, dass sowohl<br />
das Abfahren als auch das Ankommen, also die<br />
Tatsache, dass man einen Ort für Produktionen hat,<br />
eminent wichtig ist.<br />
Die erste Frage möchte ich gern an Mary Ann De-Vlieg<br />
richten, weil das IETM GL 1981 in meinen Augen ein ganz<br />
großer Hoffnungsträger war. In diesen Jahren hatten Produktionen<br />
wie Wooster Group, Needcompany, Rosas, all<br />
diese großartigen internationalen Künstler, die man zum<br />
ersten Mal gesehen hat, eine Möglichkeit in Deutschland<br />
aufzutreten. Deutschland wur<strong>de</strong> zu einem Produktionsort<br />
für internationale Kunst. Können Sie etwas über die Motivation<br />
zur Gründung von IETM GL sagen?<br />
DeVlieg:<br />
Ja, sicher, aber ich bin etwas verlegen, da eines <strong>de</strong>r<br />
frühen Gründungsmitglie<strong>de</strong>r von IETM GL , Nele Hertling,<br />
auch hier sitzt. Ich kam erst etwas später dazu.<br />
Aber soweit ich es verstan<strong>de</strong>n habe, kam <strong>de</strong>r <strong>Impuls</strong> für<br />
IETM GL von Leuten, die die Mittel und das Interesse hatten,<br />
junge aufstreben<strong>de</strong> Künstler in ihren Län<strong>de</strong>rn weiterzubringen;<br />
die davon überzeugt waren, dass diese<br />
Künstler eine pos<strong>iti</strong>ve Konfrontation<br />
mit Menschen aus an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn<br />
verdient hätten.<br />
Koproduktionen fan<strong>de</strong>n zu <strong>de</strong>r Zeit vor allem im audiovisuellen<br />
Bereich und in <strong>de</strong>n richtig großen Theatern<br />
– vor allem in Opernhäusern – statt. Mittelgroße<br />
o<strong>de</strong>r kleine Koproduktionen konnten nicht so einfach<br />
umgesetzt wer<strong>de</strong>n. Ich habe über dieses Phänomen<br />
1992 meine Masters Thesis geschrieben, und so wie<br />
ich es verstehe, waren diese Leute tatsächlich Pioniere.<br />
Sie haben, glaube ich, auch <strong>de</strong>n Begriff „Netzwerk“ als<br />
erste verwen<strong>de</strong>t, und zwar mit <strong>de</strong>r festen Absicht, ihr<br />
Netzwerk von jenen Nachkriegsinstitutionen abzugrenzen,<br />
in <strong>de</strong>nen die Leute als Vertreter ihrer Län<strong>de</strong>r auftraten.<br />
IETM GL waren vielleicht die ersten, die sagten:<br />
Nein, je<strong>de</strong>r im kulturellen Bereich, ob Schauspieler,<br />
ob Produzent etc., repräsentiert sich und seine Arbeit<br />
selbst. Sie repräsentieren nicht ihr Land, ihre Stadt<br />
o<strong>de</strong>r ihre Region. Das war in großem Maße eine Bewegung<br />
hin zu Individualität und Unabhängigkeit in <strong>de</strong>r<br />
Kunst. Denn zu Anfang stand IETM GL für unabhängige<br />
Strukturen. Natürlich stellen wir uns jetzt 26 Jahre später<br />
grundlegen<strong>de</strong> Fragen: Was ist darstellen<strong>de</strong> Kunst?<br />
Was be<strong>de</strong>utet unabhängig? Was be<strong>de</strong>utet Theater?<br />
Aber in jenen frühen Tagen han<strong>de</strong>lte es sich um eine<br />
Pionierbewegung.<br />
Ich habe lange darüber nachgedacht, was ich in diesem<br />
Panel sagen soll, und es geht mir wie <strong>de</strong>n meisten<br />
Rednern hier: Wir streichen Dinge von unserer Liste,<br />
<strong>de</strong>nn vor uns wur<strong>de</strong>n bereits viele Aspekte angeschnitten.<br />
Pol<strong>iti</strong>ker haben über Projekte gesprochen, Künstler<br />
haben über Pol<strong>iti</strong>k und Projekte gesprochen. Ich wer<strong>de</strong><br />
versuchen, zwischen <strong>de</strong>m Aspekt <strong>de</strong>s pol<strong>iti</strong>schen Han<strong>de</strong>lns<br />
und <strong>de</strong>n Projekten eine Verbindung herzustellen.<br />
Der erste Punkt dazu fiel mir ein, als Herr Reiche sprach.<br />
Ich glaube, er sagte so etwas wie: Europa braucht Kultur,<br />
um Ziele wie die <strong>de</strong>r Agenda von Lissabon GL zu erreichen.<br />
Ich bin immer misstrauisch in Bezug auf das<br />
Wort „brauchen“, <strong>de</strong>nn ich bin<br />
nicht sicher, dass etwas o<strong>de</strong>r jemand<br />
irgen<strong>de</strong>twas o<strong>de</strong>r irgend-<br />
Künstler-<br />
Netzwerke<br />
Europäische<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
jeman<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>res braucht. Aber in <strong>de</strong>r Zwischenzeit,<br />
während sich hier unterschiedliche pol<strong>iti</strong>sche Rhetoriken<br />
entwickelten, hat <strong>de</strong>r Kulturbereich – wenigstens<br />
aus <strong>de</strong>r Perspektive von IETM GL – langsam und<br />
leise Europa erreicht.<br />
Wie viele von Ihnen waren an einem europäischen<br />
Projekt beteiligt? [Handzeichen aus <strong>de</strong>m Publikum]<br />
– Mehr als die Hälfte. Und wie viele von Ihnen wür<strong>de</strong>n<br />
sich wie<strong>de</strong>r engagieren o<strong>de</strong>r gern auf dieser Ebene weiterarbeiten?<br />
[…] Vielleicht hätte ich die Frage an<strong>de</strong>rs<br />
stellen sollen: Wie viele von Ihnen möchten das nicht?<br />
Es sind offenbar Leute hier, die auf das Thema sensibel<br />
reagieren.<br />
Das Kreative Potential<br />
27
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Als ich im Publikum saß, hatte ich <strong>de</strong>n Eindruck,<br />
dass das Blatt sich wen<strong>de</strong>t. Es hat sich noch nicht ganz<br />
gewen<strong>de</strong>t, aber die Einsätze wur<strong>de</strong>n erhöht und das<br />
Klima hat sich gewissermaßen verschärft. In <strong>de</strong>r zweiten<br />
Hälfte <strong>de</strong>r Neunziger haben wir uns stark für die<br />
Anerkennung von kulturellen Netzwerken eingesetzt.<br />
Und ohne hier Namen zu nennen, ich erinnere mich<br />
an einen Funktionär <strong>de</strong>r Generaldirektion X, wie sie genannt<br />
wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Kultur-Generaldirektion, <strong>de</strong>r liebte es,<br />
bei je<strong>de</strong>r Konferenz zu erwähnen: „Networking is not<br />
working.“<br />
Das hat sich völlig verän<strong>de</strong>rt. Jetzt gibt es nicht nur<br />
ein Budget für Netzwerke in <strong>de</strong>r Generaldirektion für<br />
Bildung und Kultur GL . Netzwerke wer<strong>de</strong>n inzwischen<br />
sogar als einer <strong>de</strong>r Motoren für Europa anerkannt. Ich<br />
erinnere mich, wie mich in <strong>de</strong>n späten Neunzigern eine<br />
Frau anrief und <strong>de</strong>n Tränen nah sagte: „Mary Ann, wie<br />
lange müssen wir noch immer wie<strong>de</strong>r dieselben Argumente<br />
bringen?“ Und ich dachte, vielleicht für immer,<br />
<strong>de</strong>nn die Leute wechseln, die Pol<strong>iti</strong>ker wechseln. Jetzt<br />
aber kann ich sagen, dass es nicht nötig ist, immer wie<strong>de</strong>r<br />
dieselben Argumente zu bringen. Wir haben neue<br />
Argumente, die wir bringen müssen. Ich glaube, dass<br />
<strong>de</strong>r Kulturbereich unbedingt In<strong>iti</strong>ativen wie die, die in<br />
<strong>de</strong>r Mitteilung <strong>de</strong>r EU-Kommission GL vorgeschlagen<br />
wer<strong>de</strong>n, unterstützen sollte. O<strong>de</strong>r auch die I<strong>de</strong>e eines<br />
EU-weiten Mobilitätsfonds.<br />
Aber das be<strong>de</strong>utet nicht, dass wir uns zurücklehnen<br />
und sagen können: Ja, gute I<strong>de</strong>e. Es be<strong>de</strong>utet vielmehr,<br />
dass wir in <strong>de</strong>m beginnen<strong>de</strong>n Dialog und <strong>de</strong>r Diskussion<br />
eine beson<strong>de</strong>re Verantwortung dafür tragen, dass die<br />
Grundlagen, auf <strong>de</strong>nen diese In<strong>iti</strong>ativen gewachsen sind,<br />
beibehalten wer<strong>de</strong>n. Denn natürlich wissen wir alle, dass<br />
im pol<strong>iti</strong>schen Prozess pol<strong>iti</strong>sche und technische Kompromisse<br />
gemacht wer<strong>de</strong>n, und oft passiert am En<strong>de</strong><br />
nicht unbedingt das, was wir zu Anfang gewollt haben.<br />
Wir müssen uns die Resultate ansehen. Was sind die Folgen<br />
<strong>de</strong>r Richtlinien? Wie wirken die Programme?<br />
Ich möchte auch etwas zur Mobilität sagen, was<br />
sich auf <strong>de</strong>n Wechsel <strong>de</strong>s IETM GL von einem europäischen<br />
zu einem internationalen Netzwerk bezieht. Natürlich<br />
ist es im Wesentlichen weiterhin ein europäisches<br />
Netzwerk; 85% seiner Mitglie<strong>de</strong>r kommen aus Europa.<br />
Stellt sich die Frage, warum wir uns 2002 erweitert<br />
Mobilität<br />
haben? Es war klar, dass unsere Mitglie<strong>de</strong>r<br />
international arbeiten, es wäre<br />
daher absurd gewesen, zu sagen, dass<br />
wir uns nur für Europa interessieren. Die Welt wächst<br />
zusammen, wir sind alle miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n. Ich<br />
möchte mich daher entschie<strong>de</strong>n dafür einsetzen, dass<br />
je<strong>de</strong>s Mobilitätsprojekt und je<strong>de</strong>r Mobilitätsfonds auch<br />
Menschen för<strong>de</strong>rt, die von außerhalb <strong>de</strong>r EU nach Europa<br />
kommen wollen. Ich möchte Sie auch bitten, ein<br />
Exemplar unserer Studie „Impediments to Mobility“ GL<br />
mitzunehmen. Lei<strong>de</strong>r haben wir sie nur auf Englisch. Im<br />
letzten Jahr hat Pearle* - die Performing Arts Employers<br />
League of Europe GL - mit vielen Netzwerken zusammengearbeitet<br />
- ITI GL , EFAH GL , IETM GL , ENICPA GL etc. - und<br />
acht Monate lang recherchiert. Wir haben hun<strong>de</strong>rte<br />
von Interviews durchgeführt, persönliche Interviews,<br />
und daraus ist ein Buch entstan<strong>de</strong>n, das die außeror<strong>de</strong>ntlichen<br />
Hin<strong>de</strong>rnisse für Mobilität darlegt. Es geht<br />
nicht nur um die Reiseerlaubnis. Es geht auch um Visa-<br />
Probleme, Probleme geistigen Eigentums, um Steuern<br />
und Sozialversicherung. Die Studie empfiehlt kurz-,<br />
mittel- und langfristige Lösungen. Für mich ist dieses<br />
Buch <strong>de</strong>r Beginn eines Arbeitsprogramms für uns alle.<br />
Viele <strong>de</strong>r Empfehlungen fallen auf die Mitgliedsstaaten<br />
zurück. Aber ist es dann auch ein europäisches Projekt?<br />
Ja. Denn ich stimme mit Xavier Troussard darin überein,<br />
dass sich die Dinge in Europa nur än<strong>de</strong>rn können, wenn<br />
es das gibt, was er „offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong> GL “<br />
nennt, wenn die Mitgliedsstaaten, <strong>de</strong>r Kulturbereich,<br />
die EU, die Pol<strong>iti</strong>ker und die Verwaltung alle<br />
zusammenarbeiten, um ein komplementäres System<br />
zu schaffen, das funktioniert und nicht erstarrt.<br />
Mein vierter Punkt ist Vielfalt. Es ist gut zu hören,<br />
dass immer mehr Argumente für Vielfalt gemacht wer<strong>de</strong>n,<br />
aber ich <strong>de</strong>nke, dass wir dieses Wort in all seinen<br />
Be<strong>de</strong>utungen abstecken sollten. Das be<strong>de</strong>utet auch,<br />
dafür Sorge zu tragen, dass wir vielfältige Arten von<br />
För<strong>de</strong>rung bewahren. Es muss auf vielen Ebenen För<strong>de</strong>rungen<br />
geben: kleine Fonds, große, lokale, nationale,<br />
europäische; private Stiftungen<br />
etc. Ich habe das Gefühl, dass Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
es eine Ten<strong>de</strong>nz zu etwas gibt,<br />
das manchmal Größenvorteil genannt wird. Das bringt<br />
so etwas wie <strong>de</strong>n Microsoft-Effekt mit sich. Statt einer<br />
Vielfalt <strong>de</strong>r Quellen gibt es immer mehr Quellen mit<br />
<strong>de</strong>n gleichen Prioritäten, die von <strong>de</strong>nselben Leuten ausgewählt<br />
wer<strong>de</strong>n. Ich <strong>de</strong>nke, dass wir eine Differenzierung<br />
verschie<strong>de</strong>ner Arten von För<strong>de</strong>rung für unsere<br />
Projekte haben sollten. Thomas Lehmen hat vorhin<br />
schon ein bisschen darüber gere<strong>de</strong>t: Es gibt verschie<strong>de</strong>ne<br />
Größenordnungen von Projekten für verschie<strong>de</strong>ne<br />
Größenordnungen von Organisationen.<br />
IETM GL als Netzwerk wür<strong>de</strong> nie ein Projekt durchführen,<br />
das im Wettbewerb mit seinen Mitglie<strong>de</strong>rn stün<strong>de</strong>.<br />
Das wür<strong>de</strong> das Netzwerk vernichten. „Impediments to<br />
Mobility GL “ war eine Art groß angelegtes Projekt von<br />
uns, das hoffentlich allen Mitglie<strong>de</strong>rn und <strong>de</strong>m kulturellen<br />
Sektor selbst nützlich sein wird. Es muss also<br />
verschie<strong>de</strong>ne Arten von Projekten und Differenzierung<br />
zwischen ihnen geben.<br />
Ich bin auch sehr an etwas interessiert, das ich „Nähe<br />
<strong>de</strong>r Auswahl“ nenne. Das be<strong>de</strong>utet, wenn es Fonds gibt,<br />
die mit hohem Aufwand För<strong>de</strong>rung betreiben, dann<br />
sollte genauso viel Aufwand bei <strong>de</strong>r Wahl <strong>de</strong>r Auswählen<strong>de</strong>n<br />
betrieben wer<strong>de</strong>n. Wer trifft letzten En<strong>de</strong>s die<br />
Entscheidung? Wer sitzt in <strong>de</strong>n Auswahlgremien?<br />
Ich <strong>de</strong>nke auch, dass wir über Flexibilität nach<strong>de</strong>nken<br />
müssen. Ich gebe Ihnen heute viele Schlagworte,<br />
die für mich wichtig sind.<br />
Flexibilität: In <strong>de</strong>n Jahren, in <strong>de</strong>nen ich jetzt hier<br />
bin, habe ich gesehen, dass je<strong>de</strong> Generation an<strong>de</strong>re<br />
Bedürfnisse hat. Ich bin sicher, dass viele von Ihnen<br />
die gleichen Verän<strong>de</strong>rungen beobachtet haben. Der<br />
Kultursektor verän<strong>de</strong>rt sich, die nächste Generation<br />
kommt nach, hat an<strong>de</strong>re Bedürfnisse, ist natürlich an<br />
an<strong>de</strong>ren Dingen interessiert. Dies müssen wir in allem,<br />
was wir unternehmen, schützen. Dazu<br />
gehören auch die Unterschie<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
Kulturen, und zwar nicht nur <strong>de</strong>rjenigen<br />
Kulturen, die sehr weit weg von uns zu sein scheinen,<br />
son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>r Kulturen innerhalb unserer eigenen<br />
Grenzen und innerhalb <strong>de</strong>r EU-Grenzen.<br />
28
Komplexität ist ein weiteres Schlagwort, das mir<br />
sehr am Herzen liegt. Ich wür<strong>de</strong> es gern sehen, dass<br />
einige <strong>de</strong>r neuen pol<strong>iti</strong>schen Diskurse Kultur nicht nur<br />
als etwas verstehen, das pol<strong>iti</strong>sche, wirtschaftliche, außenpol<strong>iti</strong>sche<br />
und kompet<strong>iti</strong>ve Zwecke haben kann,<br />
son<strong>de</strong>rn auch als etwas, das die Bürger schulen kann.<br />
Kunst kann eine Art Bildung sein, mit <strong>de</strong>ren Hilfe die<br />
Menschen die komplexen Botschaften <strong>de</strong>r heutigen<br />
Gesellschaft verstehen können. Mir hat sehr gefallen,<br />
was Gottfried Wagner über die momentane komplexe<br />
Ambivalenz in <strong>de</strong>r EU gesagt hat. Wir müssen in <strong>de</strong>r<br />
Lage sein, diese Dinge zu durchschauen. Unsere Kin<strong>de</strong>r<br />
müssen in <strong>de</strong>r Lage sein, diese Ambivalenzen zu<br />
durchschauen. Ich <strong>de</strong>nke nicht, dass wir Kunst instrumentalisieren,<br />
wenn wir sie für diese Zwecke nutzen.<br />
Zum Schluss möchte ich eine Reihe von Schlüsselqualitäten<br />
aufzählen, die meiner Ansicht nach zu<br />
einer erfolgreichen Koproduktion gehören, die aber<br />
auch von pol<strong>iti</strong>schen Rahmenbedingungen abhängen.<br />
Soziale Lage<br />
<strong>de</strong>r Künstler<br />
Für ein gutes kulturelles Projekt<br />
braucht man Partner, <strong>de</strong>nen man<br />
vertraut. Wir brauchen Partner mit<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />
Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />
bestimmten Kompetenzen. Einige von uns haben auf<br />
dieser Konferenz über Arbeitsbedingungen gesprochen.<br />
Ich möchte ein Papier von Judith Staines – die<br />
auch auf <strong>de</strong>r Konferenz ist – hervorheben: „From pillar<br />
to post“, [„Von Pontius zu Pilatus“] das einen Blick auf<br />
die heikle Lage <strong>de</strong>r unabhängigen Künstler in allen EU-<br />
Län<strong>de</strong>rn wirft. Aber wir dürfen nicht naiv sein, wenn wir<br />
auf EU-Ebene die Lage <strong>de</strong>r Künstler untersuchen wollen.<br />
In Deutschland wird viel an sozialer Sicherheit verloren<br />
gehen, in Frankreich ist das durch das Intermittent-Programm<br />
GL bereits geschehen. Was in einigen Län<strong>de</strong>rn<br />
etabliert wur<strong>de</strong>, kann in an<strong>de</strong>ren, die eine geringere<br />
wirtschaftliche Stärke besitzen, nicht aufrecht erhalten<br />
wer<strong>de</strong>n. Innerhalb <strong>de</strong>r EU die Bedingungen für Künstler<br />
anzugleichen, wird viele Kompromisse erfor<strong>de</strong>rn und<br />
nicht leicht sein.<br />
Kommunikation ist ebenfalls sehr wichtig. Ich spreche<br />
zu Ihnen auf Englisch,<br />
weil sich das Deutsche, das<br />
ich 1969 gelernt habe, aus<br />
meinem Kopf verflüchtigt hat.<br />
Über Mobilität haben wir gere<strong>de</strong>t; Kontinuität und<br />
Nachhaltigkeit sollten noch erwähnt wer<strong>de</strong>n. Die Ten<strong>de</strong>nz<br />
geht dahin, Projekte zu för<strong>de</strong>rn. Warum? Es ist<br />
normal, dass För<strong>de</strong>rer nicht in eine Situation geraten<br />
wollen, in <strong>de</strong>r sie fortlaufend die gleiche Institution unterstützen.<br />
Das macht die Dinge statisch und fa<strong>de</strong>. Wir<br />
wer<strong>de</strong>n einen Kompromiss zwischen För<strong>de</strong>rung und<br />
Nachhaltigkeit, also beständiger finanzieller Unterstützung,<br />
fin<strong>de</strong>n müssen.<br />
Als letztes möchte ich für Flexibilität eintreten. Eine<br />
Art von Flexibilität in <strong>de</strong>r Evaluation von Projekten,<br />
die Fehler und Lernprozesse toleriert. Wenn ich ein Projekt<br />
von drei o<strong>de</strong>r fünf Jahren vorschlage und innerhalb<br />
<strong>de</strong>s ersten Jahres o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r ersten 18 Monate merke, das<br />
etwas schief geht, dann ist es für mich viel besser, das<br />
Projekt än<strong>de</strong>rn zu können, das Gelernte zu nutzen. Vielleicht<br />
mache ich noch mehr Fehler, aber vielleicht lerne<br />
ich auch mehr, als wenn ich das Projekt unverän<strong>de</strong>rt zu<br />
En<strong>de</strong> geführt hätte.<br />
Vielen Dank.<br />
Milz:<br />
Vielen Dank, Mary Ann. Es gab in diesem sehr grundsätzlichen<br />
Statement viele Dinge, die uns wahrscheinlich<br />
alle betreffen. Ich wür<strong>de</strong> gerne von <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r<br />
Fehler und Möglichkeiten zu Bertram Müller wechseln,<br />
da ich glaube, dass er mit seiner langen Erfahrung im<br />
Moment vielleicht einen Punkt erreicht hat, wo er unter<br />
an<strong>de</strong>rem über die Kooperation Tanzplan mit <strong>de</strong>m Projekt<br />
„Take off: Junger Tanz“ <strong>de</strong>n Lohn für seine Hartnäckigkeit<br />
und die Mühen <strong>de</strong>r letzten dreißig Jahre erntet.<br />
Ich wür<strong>de</strong> gerne von Dir etwas zur Rolle <strong>de</strong>s Produzenten<br />
und zur Einbindung von Künstlern in die unterschiedlichen<br />
Netzwerk- und Koproduktionsstrukturen<br />
und Entscheidungsprozesse hören. Du bist jemand, <strong>de</strong>r<br />
sich immer wie<strong>de</strong>r auch für die Zusammenarbeit mit<br />
sehr jungen Künstlern entschie<strong>de</strong>n hat. Wie siehst Du<br />
Deine Rolle als Produzent in diesen unterschiedlichen<br />
Netzwerken und spielt Europa wirklich eine Rolle in diesen<br />
Strukturen?<br />
Müller:<br />
Ich sehe meine Rolle gewissermaßen als Hebamme<br />
und mehr kann ich gar nicht sein, das heißt, ich versuche,<br />
künstlerische Prozesse möglich zu machen. Es<br />
gibt natürlich Geburten, da brauchen die Künstler keine<br />
Hebamme, aber es gibt auch kompliziertere<br />
Prozesse, da brauchen sie für<br />
Dinge, mit <strong>de</strong>nen Sie sich selber nicht<br />
Künstler-<br />
Netzwerke<br />
direkt beschäftigen, Unterstützung. Und die Projekte,<br />
die das berücksichtigt haben, waren die spannendsten.<br />
Ich stimme da mit Mary Ann DeVlieg völlig überein.<br />
Inzwischen wissen wir längst, was für ein kreatives,<br />
funktionales Netzwerk notwendig ist: Dynamik, Flexibilität<br />
und vor allem engagierte Personen. Als wir<br />
vor 15, 20 Jahren begonnen haben, mit Netzwerken<br />
auf europäischer Ebene zu arbeiten, ging es noch um<br />
eine ganz an<strong>de</strong>re Vision von Netzwerken. Die sollten<br />
nicht nur funktional sein, das sind sie heute auch nicht,<br />
aber sie wer<strong>de</strong>n immer funktionaler, effektiver, organisierter.<br />
Es sollten keine Netzwerke sein, wo ein Zentrum<br />
bestimmte, son<strong>de</strong>rn das Netzwerk selbst sollte eine Art<br />
Kunstwerk im Sinne <strong>de</strong>s sozialen Leibs von Beuys sein,<br />
d.h. es gab kein Zentrum an sich, son<strong>de</strong>rn je<strong>de</strong> einzelne<br />
Person war das Zentrum mit <strong>de</strong>r vollen Verantwortung<br />
<strong>de</strong>r Teilhabe. Wir hatten einfach ein an<strong>de</strong>res Verständnis<br />
von Demokratie, ein an<strong>de</strong>res Verständnis davon,<br />
wie Dinge in einer herrschaftsfreien Struktur erreicht<br />
wer<strong>de</strong>n können. Diese Struktur basierte auf Kreativität,<br />
auf Verantwortung, auf I<strong>de</strong>en, die ausgetauscht wur<strong>de</strong>n<br />
und die irgendwie, irgendwann zu irgen<strong>de</strong>inem Werk<br />
o<strong>de</strong>r einer Zusammenarbeit führten, die aber nicht das<br />
vorher <strong>de</strong>finierte Ziel war. Ich habe vor gar nicht allzu<br />
langer Zeit eine ziemliche Idiotie begangen. Ich habe<br />
bei einem Netzwerk mitgewirkt, das völlig in die Hose<br />
gegangen ist, bei „World Dance Alliance“ GL . Obwohl ich<br />
bereits einige Erfahrung hatte, habe ich gegen all mein<br />
besseres Wissen dieses Netzwerk unterstützt. Es hat in<br />
Asien wun<strong>de</strong>rbar funktioniert, in Amerika war es ebenfalls<br />
erfolgreich, aber in Europa hat es lei<strong>de</strong>r völlig versagt,<br />
und zwar ganz einfach <strong>de</strong>shalb, weil die falschen<br />
Leute zum falschen Zeitpunkt in <strong>de</strong>r falschen Struktur<br />
versucht haben, in Europa ein Netzwerk mit irgendwelchen<br />
globalen pol<strong>iti</strong>schen Zielen zu schaffen. Die<br />
Das Kreative Potential<br />
29
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Projekte, die wir gemacht haben, waren übrigens nicht<br />
schlecht, aber als Netzwerki<strong>de</strong>e war es falsch angelegt.<br />
Als pos<strong>iti</strong>ves Gegenstück ist da zum Beispiel das europäische<br />
Projekt „COLINA“ GL , das letztlich von Rui Horta<br />
in<strong>iti</strong>iert wur<strong>de</strong>, zu nennen. Es ging schlicht und einfach<br />
darum, Künstler aus ganz unterschiedlichen Sparten,<br />
die sich vorher nicht kannten, zusammen zu bringen.<br />
In einem Zeitraum von 14 Tagen hatten sie Zeit, miteinan<strong>de</strong>r<br />
zu kommunizieren und sich kennen zu lernen,<br />
und das an ganz verschie<strong>de</strong>nen Orten, so dass sie auch<br />
die Möglichkeit hatten, unterschiedliche Produktionsräume<br />
und die Bedingungen in <strong>de</strong>n jeweiligen Län<strong>de</strong>rn<br />
kennen zu lernen. Allein aus <strong>de</strong>r Erfahrung dieser 14<br />
Tage heraus, Veranstaltungsort war u.a. auch Düsseldorf,<br />
haben sich später bei mehr als <strong>de</strong>r Hälfte <strong>de</strong>r<br />
Künstler Projekte entwickelt. Wir brauchen Netzwerke<br />
und die Unterstützung auf verschie<strong>de</strong>nen Ebenen, was<br />
aber auf je<strong>de</strong>n Fall fehlt, ist diese Plattform, wo Künstler<br />
und auch Produzenten sich treffen können, um Projekte<br />
auszuhecken. In Deutschland fasst man das vielleicht<br />
unter <strong>de</strong>m Resi<strong>de</strong>nzbegriff zusammen, also praktisch<br />
das Nichtproduktive. Es wird viel zu viel, viel zu schnell<br />
produziert. Daraus entstehen halb ausgereifte Projekte.<br />
Ich beziehe mich hier auf <strong>de</strong>n Tanz, <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>re<br />
Bedingungen braucht. Tanz kann nicht irgen<strong>de</strong>twas<br />
produzieren, das man dann in eine Schubla<strong>de</strong> packt<br />
o<strong>de</strong>r in eine Galerie hängt. Tanz entsteht unter völlig<br />
eigenständigen Bedingungen. Das braucht Räume, das<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
EU- und nationale Ebene<br />
muss sich darstellen. Deswegen<br />
gibt es die Ten<strong>de</strong>nz, alles<br />
schnell auf die Bühne zu<br />
bringen, und das birgt eine große Gefahr. Das braucht<br />
viel mehr Zeit, um zu reifen. Es beruhigt mich aber, von<br />
<strong>de</strong>r Kunststiftung und <strong>de</strong>r Europäischen Union, manchmal<br />
vielleicht auch von <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn, zu hören, dass sie<br />
in Zukunft über sehr viel längere Zeiträume sehr viel<br />
mehr Geld für die Vorbereitung von Projekten geben<br />
wollen. Denn oft ist die Recherche, abgetrennt von <strong>de</strong>r<br />
Produktion, viel zu schnell gestrickt und viel zu wenig<br />
vorbereitet, als dass dann etwas Sinnvolles dabei heraus<br />
kommen könnte.<br />
Milz:<br />
Ich <strong>de</strong>nke, dass die Möglichkeit sehr wichtig ist, wie<br />
zum Beispiel bei „COLINA“ GL , an bestimmte Orte <strong>de</strong>r<br />
Produktion wie<strong>de</strong>r zurückkehren zu können. Diese Dialektik<br />
von einerseits unterwegs sein, an<strong>de</strong>rerseits aber<br />
wirklich an einem Ort eine künstlerische Heimat haben.<br />
Auch die Resi<strong>de</strong>nz, <strong>de</strong>nke ich, sollte die Möglichkeit bieten,<br />
zum Beispiel ganz an<strong>de</strong>re Kontakte zum Publikum<br />
herzustellen, so dass Künstler weniger im Verborgenen<br />
arbeiten, son<strong>de</strong>rn, wie das ja bei Euch <strong>de</strong>r Fall ist, wenn<br />
Künstler länger im Haus sind, auch unterschiedliche<br />
Formate bei <strong>de</strong>r Begegnung mit <strong>de</strong>m Publikum ausprobieren<br />
können.<br />
Müller:<br />
Wir haben jetzt die Netzwerke aufgebaut, die auf<br />
verschie<strong>de</strong>nen Ebenen helfen, z.B. bei <strong>de</strong>r Recherche.<br />
Künstler-<br />
Netzwerke<br />
Wir haben im Tanzhaus Räume für Resi<strong>de</strong>nzen<br />
geschaffen, aber gleichze<strong>iti</strong>g<br />
auch Netzwerke, zum Beispiel IDEE GL ,<br />
ein Netzwerk europäischer Tanzhäuser, die von <strong>de</strong>n<br />
Strukturen her nicht gleich sind und sich jeweils mit<br />
ihren unterschiedlichen Mitteln einbringen, in<strong>de</strong>m sie<br />
Resi<strong>de</strong>nzen anbieten o<strong>de</strong>r die Möglichkeit zu präsentieren.<br />
Es ist nicht ganz einfach, auf europäischer Ebene<br />
die verschie<strong>de</strong>nen Ebenen, die ein Künstler braucht,<br />
zu entwickeln. Das Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> aber ist, dass man<br />
nicht an starren Strukturen festhält. Je<strong>de</strong>r einzelne<br />
Künstler, je<strong>de</strong> Gruppe braucht<br />
an<strong>de</strong>re Bedingungen, an<strong>de</strong>re<br />
Möglichkeiten, die man in<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
EU- und nationale Ebene<br />
langen Gesprächen und in Recherchearbeit herausfin<strong>de</strong>n<br />
und dann bestmöglich realisieren muss. Aber dafür<br />
gibt es auf Län<strong>de</strong>rebene und auf städtischer Ebene nahezu<br />
kein Geld. Das muss <strong>de</strong>r Bund und das sollte auch<br />
die Europäische Union kapieren. Aber vielleicht haben<br />
sie es jetzt kapiert.<br />
Milz:<br />
Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt, <strong>de</strong>r jetzt<br />
auch mehrfach genannt wur<strong>de</strong>. Was die Kommunikation<br />
mit <strong>de</strong>r Verwaltung anbelangt, stehen wir noch<br />
ganz am Anfang. Ich fand <strong>de</strong>n Vorschlag von Jochen<br />
Sandig, einen Preis für <strong>de</strong>n kreativsten Verwaltungsbeamten<br />
auszuloben, eine sehr gute I<strong>de</strong>e, weil ich glaube,<br />
dass auch wir oft arrogant sind und die Möglichkeiten<br />
<strong>de</strong>r Kommunikation nicht nutzen.<br />
Ich <strong>de</strong>nke, ein sehr gutes Instrument, das die von<br />
Kirsten Haß gefor<strong>de</strong>rte Landschaft ganz unterschiedlicher<br />
För<strong>de</strong>rformate für Deutschland sehr bereichert,<br />
ist das Goethe-Institut GL , das in zahlreichen Projekten<br />
In<strong>iti</strong>ator o<strong>de</strong>r auch Begleiter ist, wie zum Beispiel bei<br />
<strong>de</strong>r Tanzplattform Deutschland, wo es internationalen<br />
Gästen die Möglichkeit bietet, zu kommen, um sich diese<br />
Produktionen anzuschauen. Martin Berg, spielt <strong>de</strong>r<br />
europäische Gedanke eine Rolle in Ihrer Arbeit o<strong>de</strong>r ist<br />
das etwas, das nie wirklich eine Be<strong>de</strong>utung hatte?<br />
Rolle <strong>de</strong>r Kulturinstitute<br />
Bsp. Goethe Institut<br />
Berg:<br />
Es schwingt natürlich mit, weil man sich davon nicht<br />
lösen kann, man kann das ja nicht trennen. Wogegen<br />
ich mich immer wehre, ist die Behauptung, dass das<br />
Goethe-Institut GL <strong>de</strong>utsche Kultur exportiere. Das ist eigentlich<br />
eine Beleidigung gegenüber allen Künstlern,<br />
die man ins Ausland schickt, so, als bekämen sie ein<br />
Label: Repräsentant <strong>de</strong>utscher Kultur. Natürlich sind sie<br />
Deutsche, sie haben eine I<strong>de</strong>ntität als Deutsche und genauso<br />
haben sie eine I<strong>de</strong>ntität als Europäer. Ich <strong>de</strong>nke,<br />
das ist das Wichtige. Das Goethe-Institut GL hat <strong>de</strong>n Auftrag,<br />
<strong>de</strong>n internationalen Kulturaustausch zu för<strong>de</strong>rn.<br />
Und <strong>de</strong>r Zuständigkeitsbereich <strong>de</strong>s Instituts ist Kultur<br />
aus Deutschland und Kultur aus Deutschland ist etwas<br />
an<strong>de</strong>res als „Deutsche Kultur“. Zumin<strong>de</strong>st sollte es so<br />
unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Kultur aus Deutschland heißt<br />
auch, dass internationale Künstler in Deutschland arbeiten<br />
und von uns dann auch ins Ausland vermittelt<br />
wer<strong>de</strong>n, um Kontakte herzustellen. Und natürlich gibt<br />
es europäische Projekte und europäische Zusammenarbeit<br />
nicht nur zwischen <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn Europas, son<strong>de</strong>rn<br />
es gibt auch viele Projekte <strong>de</strong>r europäischen Zusammenarbeit<br />
innerhalb <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r und insofern spielt<br />
<strong>de</strong>r Gedanke Europa eine große Rolle. Er spielt übri-<br />
30
Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />
Bsp. Goethe Institut<br />
gens eine größere Rolle, je weiter weg man von Europa<br />
kommt. Der Blick von Südamerika o<strong>de</strong>r Südostasien auf<br />
Deutschland ist eher ein europäischer. Man wird dort<br />
eher mit <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>r europäischen Kultur konfrontiert.<br />
Es ist auch sehr charakteristisch, dass gera<strong>de</strong> im<br />
außereuropäischen Ausland sehr viele europäische Kooperationen<br />
zwischen <strong>de</strong>n Kulturinstituten stattfin<strong>de</strong>n.<br />
In Chile beispielsweise haben die europäischen Kulturinstitute<br />
gemeinsam ein Festival <strong>de</strong>r zeitgenössischen<br />
europäischen Dramatik ins Leben gerufen, an <strong>de</strong>m sich<br />
auf einmal ganz viele europäische Län<strong>de</strong>r beteiligen.<br />
Und die Chilenen sind sehr froh, dass sie so nicht nur ein<br />
Land, son<strong>de</strong>rn die vielen teilnehmen<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>r kennen<br />
lernen können. Ich <strong>de</strong>nke, das Charakteristische beim<br />
Goethe-Institut GL ist die Arbeitsweise, und das ist vielleicht<br />
ein Unterschied zu vielen Stiftungen in Deutschland,<br />
die <strong>de</strong>n internationalen Kulturaustausch för<strong>de</strong>rn.<br />
Das Goethe-Institut GL nimmt immer einen Blick aus<br />
<strong>de</strong>m Ausland ein. Wir haben in sehr, sehr vielen Län<strong>de</strong>rn<br />
Goethe-Institute GL und unser Augenmerk gilt zunächst<br />
immer <strong>de</strong>r Erwartungshaltung dieser Län<strong>de</strong>r. Was wird<br />
in diesen Län<strong>de</strong>rn von Deutschland erwartet? Was wollen<br />
sie an <strong>de</strong>utscher Kunst sehen, was ist es, was sie<br />
interessiert, mit wem wollen sie zusammen kommen?<br />
Welche Ten<strong>de</strong>nzen wollen sie kennen lernen, welche<br />
Kooperationen wollen sie danach eingehen? Und da<br />
übernimmt das Goethe-Institut GL immer wie<strong>de</strong>r eine<br />
Art Stellvertreterrolle, diese Mittlerrolle. Wir diskutieren<br />
mit unseren Partnern in <strong>de</strong>n jeweiligen Län<strong>de</strong>rn – mit<br />
Künstlern o<strong>de</strong>r Veranstaltern - über die Frage, was für<br />
das Land spannend wäre, welche Künstler interessant<br />
wären, welche Produktionen gezeigt wer<strong>de</strong>n sollten<br />
und auf welchen Gebieten man zusammen arbeiten<br />
könnte. Diese Rolle ist m.E. ganz wichtig. Deutsche<br />
Künstler können sich auch nicht direkt beim Goethe-Institut<br />
GL um internationale Unterstützung bewerben. Das<br />
läuft immer über <strong>de</strong>n Umweg <strong>de</strong>s Auslan<strong>de</strong>s, weil wir<br />
eingesehen haben, dass es eine sehr große Einengung<br />
wäre, wenn es nur darum ginge, die bereits bestehen<strong>de</strong>n<br />
Kontakte <strong>de</strong>utscher Künstler ins Ausland finanziell<br />
mitzuför<strong>de</strong>rn. Dann wür<strong>de</strong> sich das auf sehr, sehr wenige<br />
Län<strong>de</strong>r konzentrieren. Aber<br />
es ist ja viel spannen<strong>de</strong>r, auch zu<br />
fragen, was wäre an Zusammen-<br />
arbeiten mit Afghanistan o<strong>de</strong>r mit Indien möglich, mit<br />
Län<strong>de</strong>rn also, zu <strong>de</strong>nen zunächst kein Kontakt bestand.<br />
Und da entstehen dann auch spannen<strong>de</strong> Projekte, bei<br />
<strong>de</strong>nen die Künstler auch wie<strong>de</strong>r viel mit nach Hause<br />
nehmen. Das ist <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Aspekt <strong>de</strong>s Exports. Es sieht<br />
immer so aus, als ginge nur etwas ins Ausland. Aber die<br />
Künstler, die durch Vermittlung <strong>de</strong>s Goethe-Instituts GL<br />
im Ausland arbeiten, kommen ja auch ganz an<strong>de</strong>rs zurück.<br />
Selbst wenn es Gastspiele sind, gehört dazu immer<br />
eine Begegnung mit <strong>de</strong>n einheimischen Künstlern,<br />
die prägend sein und bei <strong>de</strong>r man etwas Neues lernen<br />
kann. Wenn sie offen sind, kommen sie sehr bereichert<br />
zurück. Wenn Dea Loher z.B einen Dramatiker-Workshop<br />
in Kabul leitet, dann kommt sie von dort verän<strong>de</strong>rt<br />
zurück. Das beschäftigt sie natürlich weiter und wird<br />
auch in ihre Kunst einfließen. Und so ist es ein Geben<br />
und Nehmen. Ich <strong>de</strong>nke, wenn die Kulturinstitutionen<br />
mit mehr Geld ausgestattet wären, hätten sie<br />
eine sehr gute Chance, künstlerische Projekte auch<br />
sehr flexibel, sehr schnell und sehr effektiv auf <strong>de</strong>n<br />
Weg zu bringen, Künstler zu inspirieren o<strong>de</strong>r einfach<br />
die Dinge, die ohnehin bereits im Entstehen begriffen<br />
sind, durch finanzielle Unterstützung voran zu bringen.<br />
Die <strong>Impuls</strong>e kommen von allen Seiten, sie kommen von<br />
Künstlern, von Veranstaltern, von <strong>de</strong>n Partnern aus <strong>de</strong>m<br />
Ausland, sie kommen aber auch von <strong>de</strong>n Goethe-Instituten<br />
GL . Und da muss man einfach sagen, in <strong>de</strong>n letzten<br />
Jahren sind die Projektmittel so radikal gekürzt wor<strong>de</strong>n,<br />
dass wir wirklich sehr viele spannen<strong>de</strong> Projekte nicht<br />
för<strong>de</strong>rn konnten. Jetzt gibt es aber einen leichten Hoffnungsschimmer.<br />
Außenminister Steinmeier hat sich ja<br />
sehr dafür ausgesprochen, dieses Arbeitsfeld wie<strong>de</strong>r zu<br />
stärken und wir hoffen, dass dann auch wie<strong>de</strong>r mehr<br />
Projektmittel zur Verfügung stehen.<br />
Milz:<br />
In einem <strong>de</strong>r ersten offensiven Artikel, die ich zu<br />
<strong>de</strong>m Thema gelesen habe, hat Herr Steinmeier die<br />
Menge <strong>de</strong>r Invest<strong>iti</strong>onen <strong>de</strong>s Goethe-Instituts GL mit, ich<br />
weiß nicht mehr genau, 3 o<strong>de</strong>r 15 laufen<strong>de</strong>n Metern<br />
Autobahn verglichen. Er hat also Vergleiche gebracht,<br />
die die Relationen mal in ein klareres Licht gerückt und<br />
gezeigt haben, wie gering diese Invest<strong>iti</strong>on eigentlich<br />
ist. Und gera<strong>de</strong> habe ich mit einer Kollegin aus Brüssel<br />
gesprochen, die beschreibt, was für einen riesigen Verlust<br />
es be<strong>de</strong>utet, dass die Deutsche Bibliothek <strong>de</strong>s Goethe-Instituts<br />
GL abgebaut wur<strong>de</strong>. Sie ist in irgen<strong>de</strong>iner<br />
an<strong>de</strong>ren Bibliothek verschwun<strong>de</strong>n und da erst einmal<br />
nicht auffindbar. Viele machen sich das gar nicht klar,<br />
wie viele konkrete Nutzer an diesen Strukturen hängen.<br />
Es be<strong>de</strong>utet ja auch für euch eine sehr umfangreiche<br />
Recherchearbeit vor Ort, um die Situation genau zu<br />
kennen, die Künstler zu kennen und zu wissen, wie<br />
man welche Bausteine zusammenfügt.<br />
Berg:<br />
Ja, man muss sich nur vorstellen, dass vielen Goethe-<br />
Instituten GL im Ausland für alle<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
Sparten das Jahresbudget von<br />
Bürokratieabbau<br />
vielleicht 30 bis 40.000 EURO<br />
zur Verfügung steht. Und das sind nicht die niedrigsten,<br />
es gibt noch viel geringere Budgets. Dann ist natürlich<br />
klar, dass man damit nicht mehr viel bewegen kann. Man<br />
kann viel inspirieren, man kann Künstler zusammenbringen,<br />
aber für große Projekte ist dann schon wie<strong>de</strong>r die<br />
Akquirierung von Drittmitteln erfor<strong>de</strong>rlich, und dann wird<br />
die Sache sehr kompliziert. Ich glaube, <strong>de</strong>r internationale<br />
Austausch hapert im Moment sehr daran, dass die För<strong>de</strong>rmöglichkeiten<br />
so schwierig sind. Die Beschaffung<br />
von Geld ist sehr kompliziert und mit einem so hohen<br />
Verwaltungsaufwand verbun<strong>de</strong>n, dass darunter auch<br />
die Kreativität lei<strong>de</strong>t. Ich glaube, da muss wirklich eine<br />
Umkehr stattfin<strong>de</strong>n. Auch die<br />
Produzenten innerhalb <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />
müssen gestärkt wer<strong>de</strong>n,<br />
Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />
Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />
weil sie die Basis dafür sind, dass Künstler auch dauerhaft<br />
produzieren können. Wir können nicht immer nur Projekte<br />
för<strong>de</strong>rn, son<strong>de</strong>rn müssen auch die Produktionsstätten<br />
unterstützen, damit nicht wie<strong>de</strong>r alle an <strong>de</strong>m Projekt<br />
Beteiligten nur damit beschäftigt sind, die Mittel bei an<strong>de</strong>ren<br />
zu beantragen und danach dort abzurechnen. Das<br />
ist einfach ein Riesenaufwand, <strong>de</strong>r unnötig ist.<br />
Das Kreative Potential<br />
31
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Milz:<br />
Es ist ja auch nicht nur die Kreativität, die darunter<br />
lei<strong>de</strong>t, es ist vor allen Dingen auch das Verhältnis <strong>de</strong>s<br />
Publikums zu seiner Kultur. Das sehen wir in <strong>de</strong>n Spar<strong>de</strong>batten<br />
<strong>de</strong>r kleineren Stadt- und Staatstheater genauso<br />
wie in <strong>de</strong>n Schließungsdiskussionen. Klaus Zehelein,<br />
Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s Deutschen Bühnenvereins, hat gera<strong>de</strong> in<br />
einem unterstützen<strong>de</strong>n Interview für das Theaterhaus<br />
Stuttgart, das auch sehr stark unter Geldmangel lei<strong>de</strong>t,<br />
gesagt, die ersten Äußerungen <strong>de</strong>s Menschen waren<br />
die Höhlenmalereien von Lascaux und nicht die Erfindung<br />
<strong>de</strong>r Buchhaltung. Kultur muss einfach fest verankert<br />
wer<strong>de</strong>n, wir brauchen ein ganz an<strong>de</strong>res Selbstverständnis,<br />
was die Notwendigkeit <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung<br />
von Kunst und Kultur angeht. Das erfor<strong>de</strong>rt auch eine<br />
an<strong>de</strong>re Kommunikation mit <strong>de</strong>n Verantwortlichen <strong>de</strong>r<br />
Pol<strong>iti</strong>k, die heute wahrscheinlich oft eine bestimmte Sozialisation<br />
nicht mehr selbstverständlich erlebt haben.<br />
Georg Schwarz, ich wür<strong>de</strong> gern zu Ihnen übergehen,<br />
möchte dabei jedoch die Frage von Gut und Böse und<br />
ob es richtig ist, dass ein unternehmerisches Engagement<br />
inhaltliche Vorgaben macht, ausklammern. Ich<br />
möchte fragen, wie es Ihnen gelingt, über Instrumente<br />
wie <strong>de</strong>n Beirat und das Kuratorium am Puls <strong>de</strong>r Zeit zu<br />
bleiben. Wie schaffen Sie es, aktuelle Trends aufzuspüren<br />
und in Kontakt mit <strong>de</strong>r Szene zu kommen?<br />
Schwarz:<br />
Die Gremienstruktur wur<strong>de</strong> zur Gründung <strong>de</strong>r Stiftung<br />
von <strong>de</strong>n verantwortlichen Herren, <strong>de</strong>n Vorstän<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r Allianz, festgelegt. Das Kuratorium berät <strong>de</strong>n Stif-<br />
Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />
Bsp. Allianz Kulturstiftung<br />
tungsrat und empfiehlt diesem<br />
Projekte ein, wie ich fin<strong>de</strong>,<br />
sehr intelligentes System.<br />
Seit Gründung <strong>de</strong>r Stiftung haben sich die Organe, die<br />
Gremien verän<strong>de</strong>rt. Wir haben immer versucht, das<br />
Kuratorium so lebendig, so europäisch, so interdisziplinär<br />
wie möglich zu halten, da uns das die Möglichkeit<br />
bietet, durch ausgewählte Persönlichkeiten aus <strong>de</strong>n<br />
verschie<strong>de</strong>nen kulturellen Sparten <strong>de</strong>n Kontakt direkt<br />
zum Publikum und zu <strong>de</strong>n Kulturschaffen<strong>de</strong>n zu<br />
halten. Ich möchte jetzt nicht explizit Namen nennen,<br />
aber es sind teilweise wirklich hochkarätige Leute, die<br />
für uns die Antennen darstellen und uns ein kontinuierliches<br />
Feedback über aktuelle Entwicklungen, Freiräume<br />
und Vakuen geben. Das könnten wir in München mit<br />
einem so kleinen personellen Aufgebot natürlich nicht<br />
allein leisten. Durch das Zusammenspiel <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />
Organe, also Kuratorium und Stiftungsrat, entsteht ein<br />
think tank, <strong>de</strong>r sehr konstruktive I<strong>de</strong>en und Konzepte<br />
auf <strong>de</strong>n Weg bringt. Unser Prinzip ist es, kulturelle Begegnungen,<br />
Momente in einem kulturellen Europa<br />
zu schaffen, zu ermöglichen und zu för<strong>de</strong>rn. Wir sprechen<br />
wirklich von einem kulturellen Europa, für das wir<br />
offen sind. Daher sind wir auch an <strong>de</strong>n Grenzbereichen<br />
aktiv. Wir haben ein großes Projekt, „European Bor<strong>de</strong>rlands“,<br />
in das wir auf Literaturebene zum Beispiel<br />
die Ukraine und die Republik Moldau mit einbeziehen,<br />
weil wir festgestellt haben, dass nach <strong>de</strong>n pol<strong>iti</strong>schen<br />
Ereignissen von 1989 die Ost-Ost-Verbindungen immer<br />
mehr auseinan<strong>de</strong>r gebrochen sind. Wir fin<strong>de</strong>n, dass es<br />
gera<strong>de</strong> da ein großes Potenzial gibt, und es ist eine<br />
wichtige Aufgabe, diese Verbindungen neu aufleben zu<br />
lassen, weiter zu befruchten und im I<strong>de</strong>alfall dann über<br />
an<strong>de</strong>re internationale Kontakte auszubauen.<br />
Für mich ist es wirklich spannend, hier zu sein. Ich<br />
habe mit großem Interesse Ihre praktischen Fallbeispiele,<br />
I<strong>de</strong>en und Einwän<strong>de</strong> zur Kenntnis genommen.<br />
Und ich appelliere an Sie,<br />
um das mal von <strong>de</strong>r Seite<br />
zu spiegeln, die die Anträge<br />
von Ihnen erhält, pflegen<br />
Kommunikation<br />
zwischen Künstlern<br />
und För<strong>de</strong>rern<br />
Sie einen transparenten Kommunikationsmodus, gehen<br />
Sie auf För<strong>de</strong>rer, Stifter und potenzielle Unterstützer<br />
zu. Ich spreche jetzt für uns, für die Allianz Kulturstiftung<br />
GL , aber ich <strong>de</strong>nke, dass viele an<strong>de</strong>re Kollegen,<br />
sei es in <strong>de</strong>r Verwaltung, in <strong>de</strong>r öffentlichen Hand, da<br />
ebenfalls grundsätzlich aufgeschlossen sind. Man muss<br />
<strong>de</strong>nen einfach in einem gesun<strong>de</strong>n zeitlichen Vorlauf<br />
von 2 o<strong>de</strong>r 3 Jahren die Sachlage schil<strong>de</strong>rn und <strong>de</strong>n<br />
Sachstand für ein Projekt XY beschreiben. Ich habe bei<br />
uns immer feststellen können, dass es eine grundsätzliche<br />
Offenheit gibt. Natürlich muss man auch Regularien<br />
beachten, manchmal funktioniert es nicht ganz<br />
so, aber grundsätzlich besteht eine Offenheit, alles zu<br />
besprechen und oft fin<strong>de</strong>t sich auch eine Lösung. Ich<br />
<strong>de</strong>nke, dass sich bestimmte Fragestellungen, die Ihnen<br />
als Kulturschaffen<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Planung, in <strong>de</strong>r Konzeption,<br />
Angst machen, auf diese Art beiseite schieben lassen,<br />
so dass Sie sich auf <strong>de</strong>n kreativen Prozess konzentrieren<br />
können.<br />
Und noch ein Appell: Unterschätzen Sie nicht die<br />
Verwaltungsbeamten. Es ist nicht so, dass wir, ich<br />
spreche jetzt in <strong>de</strong>r Wir-Form, unbedingt Ergebnisse<br />
einfor<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r kontrollieren wollen, wie das Projekt<br />
verlaufen ist. Es interessiert uns einfach, was in <strong>de</strong>m<br />
Projektzeitraum geschehen ist, wie viele Leute gekommen<br />
sind, ob es ein pos<strong>iti</strong>ves o<strong>de</strong>r negatives Feedback<br />
gab. Gab es Fehler, gab es ungewöhnliche Ereignisse?<br />
Das soll überhaupt nicht als Kontrolle o<strong>de</strong>r grundsätzliche<br />
Zwangsevaluation dargestellt wer<strong>de</strong>n, obwohl es<br />
manchmal so ankommt, das gebe ich auch zu. Es ist<br />
vielmehr ein grundsätzliches Interesse an Ihren Projekten,<br />
I<strong>de</strong>en und Konzepten. Trauen Sie <strong>de</strong>n Leuten<br />
auch zu, dass sie sich damit auseinan<strong>de</strong>rsetzen. Ich<br />
<strong>de</strong>nke, auf dieser Ebene lässt sich viel mehr bewegen,<br />
als man manchmal meint.<br />
Milz:<br />
Sie betreuen bei <strong>de</strong>r Stiftung die jungen Künstler<br />
und Forscher über die För<strong>de</strong>rung hinaus, in<strong>de</strong>m Sie<br />
unter an<strong>de</strong>rem durch die Alumni-Struktur bei <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Aka<strong>de</strong>mie weiterhin einen Input zur Arbeit<br />
geben. Ich fin<strong>de</strong> das einen sehr interessanten Aspekt,<br />
da es so eine Kontinuität in <strong>de</strong>r Weiterarbeit mit jungen<br />
Künstlern gibt, die in Projekte eingebun<strong>de</strong>n waren.<br />
Schwarz:<br />
Korrekt. Zu Beginn <strong>de</strong>r Stiftungsgründung hatten<br />
wir uns die Prämisse gesetzt, ein grundsätzliches<br />
Alumni-Netzwerk zu grün<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m wir alle herausragen<strong>de</strong>n<br />
Akteure, alle geför<strong>de</strong>rten Künstler etc. in einem<br />
Netzwerk zusammenfassen wollten. Wir mussten das<br />
mittlerweile ein bisschen revidieren, weil es einfach<br />
zu schwierig ist, die verschie<strong>de</strong>nen Interessenslagen<br />
und Fragestellungen miteinan<strong>de</strong>r zu vereinbaren. Im<br />
32
Moment stehen wir <strong>de</strong>shalb gera<strong>de</strong> an einem Schei<strong>de</strong>weg,<br />
Wir versuchen jetzt eine spartenbezogene Betreuung<br />
<strong>de</strong>r Alumni und haben einen Testlauf im Bildungsbereich<br />
gestartet. So haben wir ein Netzwerk<br />
von Stu<strong>de</strong>nten gegrün<strong>de</strong>t, die an einem unserer Elite-<br />
Bildungsprogrammen teilgenommen haben. In diesem<br />
Jahr hat die erste Sitzung in Brüssel stattgefun<strong>de</strong>n,<br />
zeitgleich zur <strong>de</strong>utschen EU-Ratspräsi<strong>de</strong>ntschaft. Es war<br />
höchst spannend, zu sehen, was passiert, wenn man<br />
verschie<strong>de</strong>ne Jahrgänge aus verschie<strong>de</strong>nen Sparten zusammenbringt,<br />
was die für ein Feedback bringen. Genauso<br />
interessant war es zu sehen, was manche Leute<br />
erreicht haben, in welchen entlegenen Orten <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong><br />
sie die verschie<strong>de</strong>nsten Projekte gestaltet haben. Das<br />
sind für uns wie<strong>de</strong>rum Antennen. Auch wenn es gera<strong>de</strong><br />
nicht unbedingt zu unserem generellen För<strong>de</strong>rprojekt<br />
bzw. unserer Ausrichtung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Schwerpunkt Osteuropa/Südosteuropa<br />
passt, ist es <strong>de</strong>nnoch ein Input.<br />
Das sehen wir wirklich als Investment, das sich nicht<br />
sofort evaluieren o<strong>de</strong>r bewerten lässt. Es ist eine Invest<strong>iti</strong>on,<br />
es ist eine Interessenseinbringung, ein Austausch,<br />
<strong>de</strong>r irgendwann Früchte trägt. Darauf legen wir<br />
großen Wert.<br />
Milz:<br />
Ich übergebe an Flóra Tálasi. Ich wür<strong>de</strong> Sie gern zu<br />
„Bipolar“, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utsch-ungarischen Kulturprojekten<br />
Dialog<br />
zwischen Künstler und<br />
För<strong>de</strong>rer<br />
befragen. An diesen Projekten<br />
fasziniert mich immer, dass<br />
hier sehr pol<strong>iti</strong>sche Arbeit mit<br />
einem doch relativ großen<br />
Freiraum für die einzelnen Projekt-Verwirklicher von<br />
<strong>de</strong>r Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL finanziert wird. Bei „Bipolar“<br />
ist <strong>de</strong>r heute schon mehrfach gefor<strong>de</strong>rte Raum<br />
und die Invest<strong>iti</strong>on in Zeiten <strong>de</strong>s Brainstormings, <strong>de</strong>r<br />
Konzeptphase in <strong>de</strong>n Projekten ganz klar ausformuliert.<br />
Es ist eine wichtige For<strong>de</strong>rung, dass bereits die erste<br />
Projektskizze von <strong>de</strong>utschen und ungarischen Kulturinstitutionen<br />
gemeinsam entwickelt wird. Diese Begegnung,<br />
die künstlerische Begegnung, die menschliche<br />
Begegnung zwischen <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn ist genau das, was<br />
gesucht wird, wo man auch darauf vertraut, dass etwas<br />
weiterlebt. Dazu auch meine Frage: Wie wird in dieses<br />
Weiterleben investiert, und gibt es dafür eine Struktur?<br />
Tálasi:<br />
„Bipolar – <strong>de</strong>utsch-ungarische Kulturprojekte“ ist<br />
das zweite bilaterale Projekt im Schwerpunktprogramm<br />
Mittel- und Osteuropa <strong>de</strong>r Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL .<br />
Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />
Bun<strong>de</strong>skulturstiftung<br />
„Bipolar“<br />
Es han<strong>de</strong>lt sich um ein In<strong>iti</strong>ativprojekt,<br />
das sehr großzügig<br />
mit 3 Millionen Euro von<br />
<strong>de</strong>r Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun-<br />
<strong>de</strong>s GL ausgestattet wur<strong>de</strong>, mit 3 Millionen Euro wie die<br />
an<strong>de</strong>ren In<strong>iti</strong>ativprojekte in diesem Schwerpunktprogramm<br />
auch. Das Programm ist auf 3 Jahre befristet.<br />
Es wur<strong>de</strong> heute von vielen Seiten, aus verschie<strong>de</strong>nen<br />
Perspektiven gefor<strong>de</strong>rt, dass <strong>de</strong>r internationalen Arbeit<br />
auf europäischer Ebene viel mehr Geld und Aufmerksamkeit<br />
gewidmet wer<strong>de</strong>n sollte. Ich möchte kurz eine<br />
osteuropäische Perspektive einbringen und sozusagen<br />
von dieser Warte aus darauf aufmerksam machen, dass<br />
in Deutschland auch unterhalb <strong>de</strong>r europäischen Ebene,<br />
also auf <strong>de</strong>r nationalen, auf <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sebene, auf<br />
<strong>de</strong>r regionalen Ebene sehr viele verschie<strong>de</strong>ne Möglichkeiten<br />
<strong>de</strong>r internationalen Arbeit vorhan<strong>de</strong>n sind, und<br />
dass wir alle, die wir hier in Deutschland arbeiten, das<br />
für eine Selbstverständlichkeit halten. Das ist in an<strong>de</strong>ren<br />
Län<strong>de</strong>rn Europas nicht so. Internationale Kulturarbeit<br />
wird in Osteuropa sehr oft mit <strong>de</strong>r Repräsentation<br />
nationaler Kultur im Ausland gleichgesetzt, also sprich<br />
Export. Deswegen, um noch einmal aus <strong>de</strong>r Perspektive<br />
von Ost- und Mitteleuropa darauf hinzuweisen, ist<br />
genau diese In<strong>iti</strong>ative <strong>de</strong>r Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL<br />
eine für Osteuropa sehr spannen<strong>de</strong> In<strong>iti</strong>ative. Nach <strong>de</strong>r<br />
Wen<strong>de</strong> 1989/90 sind in vielen <strong>de</strong>r neuen EU-Län<strong>de</strong>r<br />
Strukturen entstan<strong>de</strong>n, die ohne die kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />
Aufmerksamkeit aus Westeuropa nicht möglich gewesen<br />
wären o<strong>de</strong>r die sich gar nicht erst hätten entfalten<br />
können. Viele Kulturinstitute wie Br<strong>iti</strong>sh Council GL ,<br />
das Goethe-Institut GL o<strong>de</strong>r die Soros Foundation GL haben<br />
dazu beigetragen, dass sehr vielse<strong>iti</strong>ge Strukturen<br />
dort entstan<strong>de</strong>n sind. Diese Zeiten sind vorbei. Herr<br />
Berg hat darauf hingewiesen, mit welchen Etats das<br />
Goethe-Institut GL inzwischen in diesen Regionen arbeitet,<br />
und auch an<strong>de</strong>re westeuropäische Län<strong>de</strong>r haben<br />
ihr Engagement sehr stark zurückgefahren. Die Soros<br />
Foundation GL existiert fast nicht mehr o<strong>de</strong>r för<strong>de</strong>rt nicht<br />
mehr im Kulturbereich. Deswegen <strong>de</strong>nke ich, dass diese<br />
Reihe <strong>de</strong>r In<strong>iti</strong>ativprojekte <strong>de</strong>r Kulturstiftung <strong>de</strong>s<br />
Bun<strong>de</strong>s GL in Ost- und Mitteleuropa gera<strong>de</strong> mit diesem<br />
antizyklischem Verhalten eine sehr spannen<strong>de</strong> und von<br />
Ungarn aus gesehen eine wichtige In<strong>iti</strong>ative darstellt.<br />
Es han<strong>de</strong>lt sich um ein zeitlich befristetes Projekt und<br />
die Stiftung erhebt trotz<strong>de</strong>m <strong>de</strong>n Anspruch, etwas in<br />
Bewegung zu setzen, das nachhaltig wirken soll.<br />
Das war dann auch die erste Herausfor<strong>de</strong>rung, <strong>de</strong>r wir<br />
uns stellen mussten, als wir die Arbeitsmetho<strong>de</strong> entwickelt<br />
haben. Die Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL erarbeitet<br />
für je<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r bilateralen Projekte ein eigenes Konzept,<br />
das mit <strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>nen Arbeitsbeziehungen <strong>de</strong>r kulturellen<br />
Kontakte mit diesen Län<strong>de</strong>rn bzw. <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rlandschaft<br />
für die bi-nationale Zusammenarbeit, die<br />
man in <strong>de</strong>n jeweiligen Län<strong>de</strong>rn vorfin<strong>de</strong>t, abgestimmt<br />
wird. Für <strong>de</strong>utsch-ungarische Projekte gab es so etwas<br />
bislang nicht. In <strong>de</strong>n letzten 15, 17 Jahren war zwar<br />
ein recht starkes kulturpol<strong>iti</strong>sches Interesse an Ungarn<br />
spürbar, auch wegen Ungarns aktiver Rolle in <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong>zeit.<br />
Deshalb gab es in <strong>de</strong>n letzten Jahren auch viele<br />
kuratierte Projekte. Aber wir haben uns gesagt, wenn<br />
die Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL so viel Geld in die Hand<br />
nimmt und das zu diesem Zeitpunkt antizyklisch investiert,<br />
dann sollte das in einer möglichst offenen Form<br />
geschehen, so dass möglichst viele Künstler partizipieren<br />
und ihre I<strong>de</strong>en einbringen können. Deshalb haben<br />
wir uns für ein offenes Ausschreibungsverfahren entschie<strong>de</strong>n.<br />
Zugleich haben wir <strong>de</strong>n Anspruch erhoben,<br />
diesem Programm ein Profil zu geben, das sozusagen<br />
das Hier und Jetzt <strong>de</strong>r Jahre 2006, <strong>2007</strong> beschreibt, einen<br />
bestimmten Zustand <strong>de</strong>r kulturellen Beziehungen<br />
zu einem bestimmten Zeitpunkt. Deswegen haben wir<br />
für die Ausschreibung drei Themenfel<strong>de</strong>r empfehlend<br />
<strong>de</strong>finiert, auf die wir die beson<strong>de</strong>re Aufmerksamkeit<br />
lenken wollten. Um die Kreativität nicht zu sehr einzugrenzen,<br />
waren diese Themenfel<strong>de</strong>r jedoch sehr weit<br />
formuliert. Ich nenne sie hier ganz kurz: Es ging um die<br />
Das Kreative Potential<br />
33
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Zukunft <strong>de</strong>r Utopie nach <strong>de</strong>r gescheiterten, auch sozialistischen<br />
Utopie, <strong>de</strong>r realen verwirklichten Utopie. Ein<br />
weiteres Themenfeld, auch ein europäisches Leitthema,<br />
war die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r Vergangenheit, die<br />
in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn sehr unterschiedlich verläuft. In<br />
Ungarn bekommt diese Auseinan<strong>de</strong>rsetzung eine ganz<br />
starke pol<strong>iti</strong>sche Note, egal, ob wir über Vertreibung,<br />
über Holocaust o<strong>de</strong>r über Repressalien zur sozialistischen<br />
Zeit sprechen. Und als drittes weites Themenfeld<br />
haben wir eine kr<strong>iti</strong>sche Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit<br />
<strong>de</strong>n so genannten Normalitäten angeregt. Wir haben<br />
aber auch eine Öffnungsklausel eingebracht, das heißt,<br />
es konnten auch Projekte vorgeschlagen wer<strong>de</strong>n, die<br />
keinen thematischen Bezug auf die von uns vorgeschlagenen<br />
Themen genommen haben bzw. neue I<strong>de</strong>en<br />
einbrachten. Im Mittelpunkt <strong>de</strong>r In<strong>iti</strong>ativprojekte <strong>de</strong>r<br />
Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL stand für uns die Aufgabe,<br />
Künstler-<br />
Netzwerke<br />
Kooperationsprojekte zu in<strong>iti</strong>ieren<br />
und zu för<strong>de</strong>rn, wenn Partner von<br />
<strong>de</strong>r I<strong>de</strong>enentwicklung an zusammen<br />
arbeiteten und ihre Arbeitsweisen entwickelten. Sie kennen<br />
das sicherlich aus ihrer praktischen Erfahrung, dass<br />
die Netzwerke in <strong>de</strong>n mittel- und osteuropäischen Län<strong>de</strong>rn<br />
bei weitem nicht so aktiv sind wie die Netzwerke<br />
innerhalb Westeuropas, so dass viele Koproduktionen<br />
ohne osteuropäische Partner entstehen. Deswegen<br />
sehe ich, auch wenn wir jetzt tatsächlich überwiegend<br />
bi-nationale Projekte angeregt haben, solche Projekte<br />
mit <strong>de</strong>utscher und ungarischer Beteiligung, an <strong>de</strong>nen<br />
keine Drittlän<strong>de</strong>r beteiligt waren, als einen Beitrag zu<br />
einer europäischen Netzwerkbildung an.<br />
Milz:<br />
Können Sie das Gesagte an einem Beispiel untermauern<br />
und konkreter machen?<br />
Tálasi:<br />
Lassen Sie mich ein Beispiel wählen, wo viele Partner<br />
auf <strong>de</strong>r Suche nach geeigneten Kooperationspartnern<br />
waren, unter an<strong>de</strong>rem die Internationale Heiner Müller<br />
Gesellschaft mit „Hamlet in Budapest. Hamlet in Berlin“,<br />
einem Projekt, das von <strong>de</strong>r Beschäftigung Heiner<br />
Müllers mit <strong>de</strong>r Hamlet-Figur, ausgelöst durch die Erfahrung<br />
<strong>de</strong>s Ungarn-Aufstan<strong>de</strong>s 1956, ausging. Es gab<br />
damit einen Ungarn-Bezug. An<strong>de</strong>re Partner waren in<br />
dieser Phase <strong>de</strong>r Projektentwicklung mit verschie<strong>de</strong>nen<br />
I<strong>de</strong>en unterwegs. Das Maxim-Gorki-Theater arbeitete<br />
seit längerem mit <strong>de</strong>m Regisseur David Marton zusammen,<br />
war an Heiner Müller interessiert und suchte einen<br />
Partner für das Projekt. In Ungarn versuchte das<br />
Trafó eine Kooperation mit einer Gruppe aus Amsterdam,<br />
mit SPACE, zusammen zu bekommen, und die<br />
hatten wie<strong>de</strong>rum schon länger eine Kooperation mit<br />
ANDCOMPANY&CO. aus Düsseldorf geplant. Und so<br />
ist aus diesen drei verschie<strong>de</strong>nen Ansätzen ein sehr<br />
spannen<strong>de</strong>s Projekt entstan<strong>de</strong>n: Hamlet in Budapest.<br />
Hamlet in Berlin, das sich Heiner Müller und Heiner<br />
Müllers Beschäftigung mit <strong>de</strong>r Hamlet-Figur und <strong>de</strong>m<br />
Ungarn-Aufstand zum Ausgangspunkt nahm und verschie<strong>de</strong>ne<br />
junge Regisseure mit unterschiedlichen theatralen<br />
Mitteln und Theaterkonzepten zusammen gebracht<br />
hat. Die Zusammenarbeit begann erst einmal<br />
germanistisch, in<strong>de</strong>m man Quellenforschung betrieb<br />
und das Fragment aus <strong>de</strong>m Konvolut <strong>de</strong>r Manuskripte<br />
von Heiner Müller herausarbeitete. Dann hat das je<strong>de</strong>r<br />
in seiner eigenen Art und Weise mit <strong>de</strong>r historischen<br />
Erfahrung von 1956, mit <strong>de</strong>r Erfahrung <strong>de</strong>r pol<strong>iti</strong>schen<br />
Unruhen anlässlich <strong>de</strong>r Erinnerung an 1956 in Ungarn<br />
zu einem sehr spannen<strong>de</strong>n<br />
Projekt verarbeitet. Das wur<strong>de</strong> Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />
dann im Maxim-Gorki-Theater<br />
präsentiert. Für uns war es sehr interessant und wichtig<br />
zu beobachten, wie nach und nach zwischen „Bipolar“<br />
und <strong>de</strong>m Goethe-Institut GL eine sehr fruchtbare Kommunikation<br />
entstand, gera<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>r Notwendigkeit<br />
heraus, vor Ort immer mehr als Vermittler zu agieren<br />
und nicht mit eigenem Geld in Produktionen hineingehen<br />
zu können. Bei diesem Projekt hat das Goethe-Institut<br />
GL das Forum für die Auswertung und Vorstellung<br />
<strong>de</strong>r Ergebnisse <strong>de</strong>r Heiner-Müller-Werkstatt in Budapest<br />
gegeben. Und ich gehe davon aus, dass diese inhaltliche<br />
Arbeit weitergehen wird.<br />
Lassen Sie mich noch einen Punkt zur kulturpol<strong>iti</strong>schen<br />
Arbeit sagen. Ich glaube, dass diese Dimension<br />
<strong>de</strong>r In<strong>iti</strong>ativprojekte, wo<br />
wir europäisch agieren können,<br />
auch sehr wichtig ist. Wir waren<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
nationale Ebene<br />
uns natürlich bewusst, dass das, was wir tun, befristet<br />
und <strong>de</strong>swegen in <strong>de</strong>r potenziellen Nachhaltigkeit von<br />
vornherein eingeschränkt ist. Deshalb haben wir von<br />
Anfang an versucht, auch in Ungarn Partner zu suchen,<br />
die später diese In<strong>iti</strong>ativen weiter tragen können. Und<br />
so haben wir gleich zu Beginn eine Partnerschaft mit<br />
<strong>de</strong>m Nationalen Kulturfonds aufgebaut. Eine erste Zusammenarbeit<br />
bestand darin, dass <strong>de</strong>r Nationale Kulturfonds<br />
bei <strong>de</strong>n kleineren Projekten, bei <strong>de</strong>n kleineren<br />
Institutionen <strong>de</strong>n Eigenanteil <strong>de</strong>r ungarischen Seite<br />
durch eine Son<strong>de</strong>rför<strong>de</strong>rung übernommen hat. Wir<br />
sind mit <strong>de</strong>m Kulturfonds im Gespräch, diese Zusammenarbeit<br />
fortzuführen und in Ungarn internationale<br />
Projekte zu för<strong>de</strong>rn.<br />
Milz:<br />
Ich <strong>de</strong>nke, die Tatsache, dass sich zu Beginn <strong>de</strong>r<br />
80er Jahre sehr viele Theaterschaffen<strong>de</strong> jenseits <strong>de</strong>r<br />
Stadt- und Staatstheater in Kollektivstrukturen <strong>de</strong>finiert<br />
haben, führte sehr stark zur Gründung von effektiven<br />
Netzwerken. Schließen wir mit diesem, wie ich fin<strong>de</strong>,<br />
sehr gelungenen Beispiel für europäische Zusammenarbeit<br />
von „Hamlet in Budapest. Hamlet in Berlin“,<br />
welches wi<strong>de</strong>rspiegelt, dass eine ganz junge Generation<br />
von Kollektiven im Moment aktiv ist. Ganz herzlichen<br />
Dank an die Run<strong>de</strong>.<br />
34
Panel:<br />
„Kreative I<strong>de</strong>en, kulturpol<strong>iti</strong>sche Strategien – neue <strong>Impuls</strong>e für<br />
Künstler und Netzwerke“<br />
Prof. Hanns-Dietrich Schmidt (Commissioner for<br />
International Relations, Ruhr 2010), Nele Hertling<br />
(Vizepräsi<strong>de</strong>ntin Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste GL , Berlin), Ralf<br />
R. Ollertz (Künstlerischer Leiter Cie. Toula Limnaios,<br />
Berlin), Dieter Buroch (Intendant Mousonturm Frankfurt/Main),<br />
Dieter Welke (Regisseur, Frankfurt/Main)<br />
Mo<strong>de</strong>ration: Michael Freundt<br />
Freundt:<br />
In <strong>de</strong>n bisherigen Beiträgen wur<strong>de</strong>n bereits die<br />
Themen Mobilität, rechtliche Situation – speziell in <strong>de</strong>r<br />
Visa-Problematik – angesprochen. Wir haben über För<strong>de</strong>rinstrumente<br />
und För<strong>de</strong>rpol<strong>iti</strong>k, die Programme und<br />
die Themen, die dort gesetzt wer<strong>de</strong>n, gesprochen. Es<br />
wur<strong>de</strong> gefor<strong>de</strong>rt, diese Strukturen zu entbürokratisieren,<br />
sie zu flexibilisieren; es solle mehr um künstlerische<br />
Prozesse gehen und die För<strong>de</strong>rung - sowohl auf <strong>de</strong>r europäischen<br />
wie auch auf <strong>de</strong>r nationalen Ebene - müsse<br />
aufbauend strukturiert sein. Es wur<strong>de</strong> gefor<strong>de</strong>rt, dass<br />
För<strong>de</strong>rprogramme für Grenzbereiche <strong>de</strong>r Professionalität<br />
geöffnet wer<strong>de</strong>n und dass die Strukturfonds GL auch<br />
für Kulturprojekte zugänglich gemacht wer<strong>de</strong>n müssen.<br />
Diese Punkte wollen wir im Panel noch einmal schärfen.<br />
Und wir vertiefen ein wichtiges Thema: die soziale<br />
Lage <strong>de</strong>r Künstler in Europa.<br />
Wenn wir immer drüber gesprochen haben, dass es<br />
um Teilhabe, um einen Dialog geht, um das Gleichgewicht<br />
zwischen Kunst und Pol<strong>iti</strong>k, Kultur und Pol<strong>iti</strong>k,<br />
dann ist natürlich die Frage, wie wir diesen Dialog<br />
strukturieren und weiter voran bringen können. Dazu<br />
braucht es Instrumente auch auf Seiten <strong>de</strong>r Künstler.<br />
Aber wie können Künstler, die auch zurückgehen wollen<br />
in <strong>de</strong>n künstlerischen Prozess, dies leisten? Wie kann<br />
mit ihnen und für sie eine starke Vertretung aufgebaut<br />
wer<strong>de</strong>n und Wissen in diesem Bereich gebün<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n?<br />
Ich möchte Ralf R. Ollertz bitten, aus <strong>de</strong>r künstlerischen<br />
Perspektive heraus zu unterstreichen, was als<br />
wichtigster Punkt an die Pol<strong>iti</strong>k heranzutragen wäre.<br />
und dabei im Hinterkopf behalten, dass die Arbeitsbedingungen<br />
für das Ensemble akzeptabel sind, dass sich<br />
die Mitglie<strong>de</strong>r finanzieren und auch gegen Unwägbarkeiten<br />
absichern können. Von daher ist <strong>de</strong>r erste Punkt,<br />
<strong>de</strong>r mir persönlich sehr unter <strong>de</strong>n Nägeln brennt, wirklich<br />
die Einheitlichkeit <strong>de</strong>r Sozial- und Rentenversicherung<br />
von Künstlern unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r<br />
spezifischen Arbeitsbedingungen in Europa. Das ist<br />
ein sehr dringliches Thema. Speziell in Deutschland<br />
bekommt man mehr Steine in <strong>de</strong>n Weg gelegt, wenn<br />
man Leuten längerfristig Arbeit bietet - das wird dann<br />
auf Scheinselbstständigkeit überprüft – ein ganz „erfreulicher“<br />
Nebeneffekt.<br />
Vorschläge und Wünsche: Es gibt in Deutschland<br />
eine Institution, die für uns eine sehr gute und wirklich<br />
auch unterstützenswerte Arbeit leistet: das Nationale<br />
Performance Netz GL . Das ist eine Organisation, die<br />
sehr unbürokratisch, einfach<br />
und schnell han<strong>de</strong>lt, die sowohl<br />
<strong>de</strong>n Künstlern als auch<br />
<strong>de</strong>n Veranstaltern direkt hilft.<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
Bsp. Nationales<br />
Performance Netz<br />
Ich weiß nicht, ob es allen so geht, aber in unserem Ensemble<br />
machen die Einnahmen aus Gastspielen ca. 40<br />
Prozent <strong>de</strong>s Gesamtetats aus. Je mehr man also spielt,<br />
umso besser kann man existieren.<br />
Die Einführung eines europäischen Performancenetzes,<br />
das ähnlich einfach strukturiert und aufgebaut<br />
sein müsste, wäre für uns ein großer Gewinn, eine<br />
große Hilfe.<br />
Es gibt keine Tournee im Ausland ohne das Goethe-<br />
Institut GL , ob in Europa o<strong>de</strong>r Südamerika, wo wir häufig<br />
sind. In <strong>de</strong>n vergangenen Jahren wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Etat jedoch<br />
so immens gestrichen, dass man eigentlich nur noch auf<br />
die Organisation durch das Goethe-Institut GL zurückgreifen,<br />
nicht aber mehr auf<br />
weitere Unterstützung hoffen<br />
kann. Die Goethe-Institute GL<br />
Rolle <strong>de</strong>r Kulturinstitute<br />
Bsp. Goethe Institut<br />
vor Ort, gera<strong>de</strong> wenn man es mit südamerikanischen<br />
Partnern zu tun hat, sind aber sehr, sehr hilfreich, und<br />
ohne diese Unterstützung ginge es gar nicht. Die Stärkung<br />
<strong>de</strong>s Goethe-Instituts GL und eine ganz <strong>de</strong>utliche<br />
Erhöhung seines Kulturetats wären daher unbedingt<br />
von Nöten. Das wäre im Sinne aller.<br />
Das Kreative Potential<br />
Soziale Lage<br />
<strong>de</strong>r Künstler<br />
Ollertz:<br />
Alle Probleme, die hier heute angesprochen wur<strong>de</strong>n,<br />
sind für uns Alltag. Wir sind ein festes Ensemble,<br />
das seit elf Jahren zusammen arbeitet. Festes Ensemble<br />
heißt: 15 Mitarbeiter mit einem eigenen Spielort. Wir<br />
sind mit circa 90 Vorstellungen im Jahr recht gut ausgelastet;<br />
sind sehr viel auf Tournee, machen<br />
sehr viele Gastspiele und haben<br />
natürlich all diese Probleme mit Visa,<br />
mit Arbeitsrecht, mit Sozialversicherung, Rentenversicherung<br />
etc. Wir müssen immer improvisieren und Lösungen<br />
fin<strong>de</strong>n, die lei<strong>de</strong>r nicht immer ganz legal sind,<br />
Was die För<strong>de</strong>rung betrifft, gibt es generell ein Problem,<br />
das nicht nur ein europäisches ist. Mir fällt auf,<br />
dass es immer um eine Steuerung von inhaltlichen<br />
Konzepten geht und dadurch von Inhalten <strong>de</strong>r<br />
künstlerischen Arbeit. Das brauchen wir nun wirklich<br />
nicht. Was wir brauchen, ist unbürokratische, di-<br />
rekte Hilfe, die auch wirklich<br />
bei <strong>de</strong>n Künstlern lan<strong>de</strong>t<br />
und nicht in <strong>de</strong>r Bürokratie.<br />
Die Inhalte brennen uns<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
För<strong>de</strong>rrichtlinien vs.<br />
Freie För<strong>de</strong>rung<br />
schon selber unter <strong>de</strong>n Nägeln. Themenschwerpunkte<br />
bei För<strong>de</strong>rkriterien halte ich für vollkommen unsinnig.<br />
35
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Entschuldigung, aber das muss ich so <strong>de</strong>utlich sagen.<br />
Auslän<strong>de</strong>rsteuer ist immer wie<strong>de</strong>r ein Thema, das<br />
man gern anmerkt, aber keiner reagiert – ich sag’s aber<br />
trotz<strong>de</strong>m wie<strong>de</strong>r.<br />
Die Stärkung und <strong>de</strong>r Aufbau von Produktionshäusern<br />
ist eine Selbstverständlichkeit, weil das allen<br />
Künstlern hilft. Das hat Thomas Lehmen heute sehr<br />
<strong>de</strong>utlich gesagt und ich kann das aus unserer Sicht nur<br />
unterstützen. Es hat nicht je<strong>de</strong>r die Möglichkeit, die<br />
Kraft und die Energie, so etwas selber aufzubauen, so<br />
wie wir das gemacht haben, und ich bin froh, dass wir<br />
das überhaupt noch tun können.<br />
Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />
Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />
Häuser aus finanzieller Sicht<br />
nicht generell wichtig. Es ist ein Zusammentreffen von<br />
Partnern. So etwas begrün<strong>de</strong>t sich darauf, dass man<br />
gemeinsame Interessen verfolgt, die nicht nur in finanzieller<br />
Hinsicht bestehen. Man muss auch wirklich an<br />
<strong>de</strong>m Künstler, <strong>de</strong>m Ensemble und <strong>de</strong>r künstlerischen<br />
Arbeit interessiert sein. Aus Sicht <strong>de</strong>r Künstler muss<br />
man <strong>de</strong>m Koproduzenten vertrauen können, d.h. wenn<br />
Absprachen getroffen wer<strong>de</strong>n, muss man sich darauf<br />
verlassen können, dass diese auch wirklich eingehalten<br />
wer<strong>de</strong>n und dass <strong>de</strong>r Koproduzent einem <strong>de</strong>n Rücken<br />
stärkt. Das ist vielleicht die konservative Vorstellung von<br />
einem guten Intendanten: Auch wenn die Premiere<br />
kein Erfolg ist, steht er trotz<strong>de</strong>m hinter <strong>de</strong>m Ensemble.<br />
Das halte ich nach wie vor für gültig.<br />
Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />
Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />
Koproduktionen sind<br />
für Künstler und auch für die<br />
Ein großes Problem ist das<br />
kurzfristige För<strong>de</strong>rn, das immer<br />
mehr Einzug hält. Man<br />
bekommt schnell Projektgel<strong>de</strong>r, die man in kürzester<br />
Zeit für unsinnige, spekulative Verträge und Kostenvoranschläge<br />
ausgeben muss, und eigentlich könnte<br />
man dieses Geld viel langfristiger anlegen und damit<br />
die wirkliche Arbeit längerfristig unterstützen. Das<br />
wür<strong>de</strong> bei<strong>de</strong>n Seiten nützen und wäre viel rentabler für<br />
die künstlerische Arbeit und die Aufführung selber.<br />
Wenn man nun fragt, was sich ein Künstler<br />
wünscht…<br />
Wenn es um Geld geht, wäre ich schon zufrie<strong>de</strong>n,<br />
wenn man zehn Prozent <strong>de</strong>r Agrarsubventionen in die<br />
Kultur stecken wür<strong>de</strong>; das wäre wirklich ein ernst zu<br />
nehmen<strong>de</strong>r Vorschlag, und von da aus könnte man<br />
dann weiter diskutieren.<br />
Freundt:<br />
Ich möchte die an<strong>de</strong>re Seite <strong>de</strong>s Produktionsprozesses,<br />
<strong>de</strong>n Produzenten, ansprechen. Hanns-Dietrich<br />
Schmidt von „Ruhr 2010 – Kulturhauptstadt Europas“<br />
ist bei uns. Die Kulturhauptstädte agieren ja auch als<br />
Produzenten mit beträchtlichem Potential.<br />
Schmidt:<br />
Ja, ich möchte Ihr Augenmerk, wenn wir über „Europäisch<br />
koproduzieren“ re<strong>de</strong>n, natürlich auch auf das<br />
Projekt „Kulturhauptstadt“ lenken. Seit seiner Gründung<br />
1985 hat sich dieses Projekt sehr stark gewan<strong>de</strong>lt. Am<br />
Anfang waren es Städte wie Athen, Berlin und Amsterdam.<br />
Die haben gemacht, was sie ohnehin machten<br />
- mit ein bisschen mehr Geld. Entschuldigung.<br />
Aber allein die Tatsache, dass Deutschland 2010<br />
durch das Ruhrgebiet vertreten wird, zeigt schon, dass<br />
es da eine starke Verän<strong>de</strong>rung in <strong>de</strong>r Konzeption gegeben<br />
hat. Und es ist natürlich<br />
nicht nur das Ruhrgebiet, es<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
sind auch Städte wie Stavanger, Liverpool und Linz, die<br />
in Zukunft Kulturhauptstädte sein wer<strong>de</strong>n. Das zeigt,<br />
dass die Konzeptionen <strong>de</strong>r Kulturhauptstädte viel pol<strong>iti</strong>scher,<br />
viel problemorientierter gewor<strong>de</strong>n sind; dass es<br />
nicht mehr darum geht, ein auf ein Jahr aufgeblasenes<br />
Festival zu zeigen, son<strong>de</strong>rn dass neue Themenbereiche<br />
dazugekommen sind, die auch für Sie als Produzenten<br />
neue Fragestellungen beinhalten. Ich nenne drei Bereiche:<br />
Das ist zunächst<br />
einmal <strong>de</strong>r Bereich<br />
Thematische Schwerpunkte vs.<br />
Urbanität/Stadtent-<br />
Freie För<strong>de</strong>rung<br />
wicklung, Bereich zwei: Migration, Bereich drei: Kreativwirtschaft.<br />
Das geht natürlich weg von <strong>de</strong>n klassischen<br />
Theaterstrukturen, aber es for<strong>de</strong>rt Sie als Produzenten<br />
vor Ort auf, auch an<strong>de</strong>re und neue I<strong>de</strong>en zu<br />
entwickeln, die sehr spezifisch mit <strong>de</strong>r Konzeption <strong>de</strong>r<br />
einzelnen Kulturhauptstädte zu tun haben.<br />
Die Kulturhauptstädte, die bereits nominiert sind<br />
– das geht bis 2012 – sind untereinan<strong>de</strong>r sehr gut vernetzt.<br />
Wir kommunizieren darüber, was es an Projekten<br />
gibt und an internationalen Projekten auch weiterhin<br />
geben sollte. Wir sind da überhaupt nicht zu, man kann<br />
durchaus noch mit I<strong>de</strong>en, mit Projekten bei uns andocken.<br />
Aber niemand macht mehr einen „Call-for-Projects“,<br />
<strong>de</strong>nn da wird man erst mal mit Projekten zugeschüttet,<br />
die irgendjemand schon immer mal machen<br />
wollte. Allein bei uns in Essen wur<strong>de</strong>n über 650 Projekte<br />
eingereicht, <strong>de</strong>nen man anmerkte, dass da einer ein uraltes<br />
Ding leicht umgeföhnt hatte und nun versuchte,<br />
uns das zu zeigen. Ich fin<strong>de</strong> es wichtig, dass sich die<br />
Produzenten wirklich mit <strong>de</strong>r Konzeption beschäftigen,<br />
mit <strong>de</strong>m Inhalt <strong>de</strong>r einzelnen Kulturhauptstädte.<br />
Ich nehme aus dieser Run<strong>de</strong> mit, dass wir die Aufgabe<br />
haben, in einem Forum, sei es im Internet, die<br />
Schwerpunkte <strong>de</strong>r einzelnen Kulturhauptstädte noch<br />
<strong>de</strong>utlicher zu machen; damit auch Sie als Produzenten<br />
wissen, worum es uns geht. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite ist<br />
es auch so, wenn Sie neu <strong>de</strong>nken, weggehen aus <strong>de</strong>n<br />
Theaterräumen, hin<strong>de</strong>nken zu Cross-Over-Projekten,<br />
haben Sie durchaus noch Chancen, in diesen brummen<strong>de</strong>n<br />
Städten, diesen brummen<strong>de</strong>n Regionen in Europa,<br />
die sich mit Kultur beschäftigen, wo produziert<br />
wird, anzudocken.<br />
Ein zweiter Punkt, <strong>de</strong>n ich noch ganz kurz erwähnen<br />
möchte: Durch die gestiegene Wichtigkeit <strong>de</strong>r Kulturhauptstadt<br />
gibt es auch in <strong>de</strong>n einzelnen Län<strong>de</strong>rn,<br />
die die Kulturhauptstädte in Zukunft stellen, ganz harte<br />
nationale Ausscheidungen. Das war in Deutschland genauso<br />
<strong>de</strong>r Fall. Und auch da, in <strong>de</strong>n einzelnen Städten,<br />
<strong>de</strong>n einzelnen Län<strong>de</strong>rn, wer<strong>de</strong>n verstärkt europäische<br />
Partner gesucht, um sich in diesem Bewerbungsprozess<br />
besser zu platzieren. Das wird in Zukunft Polen, Frankreich,<br />
Spanien und die Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong> betreffen. Auch da<br />
gibt es einzelne Städte, die Koproduzenten suchen, um<br />
sich in diesem Bewerbungsprozess national besser zu<br />
36
pos<strong>iti</strong>onieren. Es gibt im Bereich Kulturhauptstadt noch<br />
viele Möglichkeiten, auch für <strong>de</strong>n Produzenten vor Ort.<br />
Aber das Projekt muss spezifisch sein, es muss genau<br />
sein, und es muss pol<strong>iti</strong>sch <strong>de</strong>n richtigen Weg<br />
weisen.<br />
Freundt:<br />
Mit <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Beiträgen haben wir also das Feld<br />
zwischen <strong>de</strong>n Produzenten, wie wir jetzt die Fonds,<br />
Geldgeber, Stiftungen und die Steuergeld verwalten<strong>de</strong>n<br />
Institutionen genannt haben, und <strong>de</strong>n Künstlern noch<br />
einmal aufgemacht.<br />
Dabei steht auch die Frage im Raum, wie stark sind<br />
die Künstler? Wie ist ihre Situation, die soziale Situation,<br />
in <strong>de</strong>r sie arbeiten? Ich möchte Dieter Welke bitten,<br />
diese Frage, von <strong>de</strong>r ich <strong>de</strong>nke, dass wir sie bis dato<br />
in unserem Programm zu wenig eingeblen<strong>de</strong>t haben,<br />
hier einzubringen. Denn letztlich ist die soziale Lage<br />
<strong>de</strong>r Künstler die Basis für Kreation und Kunstproduktion<br />
überhaupt.<br />
Welke:<br />
Ich spreche hier als offizieller Sprecher <strong>de</strong>s ITI GL bei<br />
<strong>de</strong>r UNESCO und als Theatermensch, <strong>de</strong>r in seiner Berufspraxis<br />
mit <strong>de</strong>n materiellen Nöten und Schwierigkeiten<br />
seines Berufes zu kämpfen hat, wie je<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />
auch. Die Diskussion <strong>de</strong>r sozialen Lage <strong>de</strong>r Bühnenkünstler<br />
ist in erster Linie Sache <strong>de</strong>s Künstlers selbst.<br />
D.h. ich wür<strong>de</strong> mich freuen, wenn sich die Künstler auf<br />
europäischer Ebene <strong>de</strong>utlicher artikulieren wür<strong>de</strong>n und<br />
wenn auch die Gewerkschaften – das ist zum Teil in <strong>de</strong>n<br />
Län<strong>de</strong>rn unterschiedlich – die materiellen Belange von<br />
Künstlern vertreten wür<strong>de</strong>n.<br />
Ich möchte diese Diskussion in einen Zusammenhang<br />
mit <strong>de</strong>r UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt<br />
GL stellen.<br />
Es gibt einen Artikel in <strong>de</strong>r Konvention GL , Artikel<br />
7.2., <strong>de</strong>r besagt, dass es die Pflicht <strong>de</strong>r Staaten ist, sich<br />
Kulturelle<br />
Vielfalt<br />
um <strong>de</strong>n sozialen und legalen Status<br />
<strong>de</strong>r Künstler zu kümmern, sie also<br />
zu schützen. Dieser Artikel wur<strong>de</strong><br />
Soziale Lage<br />
<strong>de</strong>r Künstler<br />
zung für kulturelle Vielfalt GL<br />
zunächst einmal die Tatsache<br />
ist, dass Künstler überhaupt<br />
arbeiten können und nicht arbeitslos rumhocken<br />
– was sie ja zum großen Teil tun. Da komme ich<br />
jetzt auf die konkrete Situation. Spätestens seit 2003,<br />
übrigens auch durch die große Einflussnahme <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Union so stark abgeschwächt, dass man das<br />
heute kaum als Verpflichtung wahrnehmen kann, sonst<br />
wären diese Verpflichtungen individuell o<strong>de</strong>r kollektiv<br />
einklagbar. Das wirft natürlich ein entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Licht<br />
auf die Kräfteverhältnisse.<br />
Man will die staatliche Souveränität im Bereich <strong>de</strong>r<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k, aber mit daraus entstehen<strong>de</strong>n Pflichten,<br />
was die Künstler angeht, geht man an<strong>de</strong>rs um. Das ist<br />
übrigens ein Kennzeichen in vielen Bereichen dieser<br />
Konvention GL . Immerhin, <strong>de</strong>r Artikel 11 <strong>de</strong>r Konvention<br />
GL , um das Thema abzuschließen, gibt uns die Möglichkeit,<br />
als Zivilgesellschaft an <strong>de</strong>r Verwirklichung <strong>de</strong>r<br />
Konvention mitzuwirken.<br />
Es steht natürlich außer Frage, dass die Voraussetals<br />
in Frankreich die großen Festivals abgesagt wur<strong>de</strong>n,<br />
ist es offenkundig, dass es <strong>de</strong>n Künstlern nicht nur im<br />
Bühnenbereich, son<strong>de</strong>rn im noch größeren Bereich <strong>de</strong>r<br />
darstellen<strong>de</strong>n Künste, immer schlechter geht. In Frankreich<br />
hat sich die Sache damals an <strong>de</strong>r Künstlerversicherung<br />
entzün<strong>de</strong>t. Die damals durchgeführte Reform<br />
hatte zur Folge, dass sehr viele Leute aus diesem Versicherungssystem<br />
herausgeflogen sind. Diese Situation<br />
ist immer noch virulent und wird sich auch in Zukunft<br />
nicht so schnell bereinigen lassen. In Deutschland gibt<br />
es eine ähnliche Situation. Grund hierfür ist die allgemeine<br />
Finanzkrise <strong>de</strong>r Theater, die mit <strong>de</strong>m Rückzug<br />
<strong>de</strong>s Staates bzw. <strong>de</strong>r öffentlichen Hand aus vielen öffentlichen<br />
Strukturen zu tun hat. Das ist europaweit<br />
eine Ten<strong>de</strong>nz; nicht nur europaweit, das ist weltweit<br />
eine Ten<strong>de</strong>nz.<br />
Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass die Sozialversicherungssysteme,<br />
soweit sie überhaupt existieren,<br />
das so nicht mehr tragen können o<strong>de</strong>r eigentlich nicht<br />
mehr dafür gemacht sind. In Deutschland haben wir<br />
im Augenblick eine Pet<strong>iti</strong>on GL laufen, die von mehr als<br />
10.000 Kollegen unterzeichnet wur<strong>de</strong>. In <strong>de</strong>r Pet<strong>iti</strong>on GL<br />
wird auf die Situation <strong>de</strong>r Schauspieler aufmerksam gemacht.<br />
Aufgrund <strong>de</strong>r Tatsache, dass nach einem Jahr<br />
das Arbeitslosengeld ausläuft und für viele Schauspieler<br />
immer kurzfristigere Verträge abgeschlossen wer<strong>de</strong>n,<br />
rutschen je<strong>de</strong>s Mal mehr Kollegen in die Hartz IV-Maschinerie<br />
rein und wer<strong>de</strong>n dann zu Arbeiten gezwungen,<br />
die nichts mehr mit ihrem Beruf zu tun haben.<br />
Dabei wird nicht berücksichtigt, dass auch die Zeit,<br />
in <strong>de</strong>r man nicht probiert, für viele Arbeitszeit ist. Da<br />
wird an Projekten gearbeitet, da wer<strong>de</strong>n Inszenierungen<br />
vorbereitet, die Künstler trainieren usw. Was wir<br />
feststellen können, ist also eine wachsen<strong>de</strong> Präkarisierung,<br />
die uns im Grun<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r weltweiten Ten<strong>de</strong>nz<br />
verbin<strong>de</strong>t. In Abstrichen zwar, aber immerhin.<br />
Zugleich ist die Lage sehr unübersichtlich, da die<br />
Sozialversicherungssysteme und auch die einzelnen<br />
vertraglichen Regelungen pro Land doch sehr verschie<strong>de</strong>n<br />
sind. Die Theatersysteme in Deutschland und in<br />
an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn sind ja sehr unterschiedlich.<br />
Ein weiterer Punkt, <strong>de</strong>r mir persönlich immer mehr<br />
auffällt, ist die Vermehrung <strong>de</strong>s Praktikantenwesens. Da<br />
gibt es Praktikanten, die bereits seit drei o<strong>de</strong>r vier Jahren<br />
Praktikanten sind. Es gibt ganze Regiestäbe, die leben<br />
von Praktikanten. Mit was wird da gespielt? Selbstausbeutung<br />
hat immer zu unserem Beruf gehört. Aber<br />
dass man sich auf <strong>de</strong>r Selbstausbeutung in diesem Sinn<br />
ausruht, darf es in Zukunft so nicht mehr geben.<br />
Auch die Situation <strong>de</strong>r Freischaffen<strong>de</strong>n, das betrifft<br />
einen großen Teil <strong>de</strong>s Regiepersonals, <strong>de</strong>r Bühnenbildner<br />
und an<strong>de</strong>re, hat sich verschlechtert.<br />
Eine generelle Frage, die mich immer wie<strong>de</strong>r beschäftigt:<br />
Wie setzt sich eigentlich unser Marktwert zusammen?<br />
Der berühmte Marktwert. Wer steckt hinter <strong>de</strong>m<br />
Marktwert? Was ist das, <strong>de</strong>r Marktwert? Auf was stützt<br />
sich das im Einzelnen? Ist das jetzt das Pressebuch? O<strong>de</strong>r<br />
das Geraune, das durch das Theater geht? O<strong>de</strong>r…? Was<br />
ist es eigentlich? Also, wie wird das gemacht und wie<br />
schnell gehen Karrieren kaputt? O<strong>de</strong>r wie schnell gehen<br />
Karrieren hoch und dann wie<strong>de</strong>r runter? Die Durchlaufgeschwindigkeit<br />
hat sich auf je<strong>de</strong>n Fall sehr stark erhöht.<br />
Das ist feststellbar, auch statistisch.<br />
Das Kreative Potential<br />
37
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Es gibt auch ein paar weiche Faktoren, die mir Sorge<br />
machen. Der inhaltliche Wettbewerb ist das beleben<strong>de</strong><br />
Element <strong>de</strong>s Theaters. Aber wenn es dann in eine<br />
ökonomische Konkurrenz geht, fürchte ich manchmal<br />
doch sehr, dass sich im Theater allgemein, je<strong>de</strong>r klebt<br />
an seinem Job, so etwas wie Revierförsterei breit macht.<br />
Dieses Abstecken von „claims“ hat sehr stark zugenommen<br />
- auch als Konkurrenzsituation in <strong>de</strong>n Ensembles.<br />
Ich sehe das auch mit <strong>de</strong>m Blick von außen, weil ich<br />
nicht nur in Deutschland arbeite.<br />
Diese materielle Situation <strong>de</strong>r Künstler hat Auswirkungen<br />
auf die Theater. Es ist allerdings schwer, das<br />
genau zu analysieren, weil man an die Statistiken z.T.<br />
nicht heran kommt. Ich bin selbst mehrmals daran gescheitert,<br />
als ich dies im Hinblick auf meine Arbeit in <strong>de</strong>r<br />
UNESCO untersuchen wollte. Es wäre daher durchaus<br />
wichtig, dass wir bald auf ein einheitliches, europäisch<br />
vergleichbares System <strong>de</strong>r Datenerhebung, was die soziale<br />
Lage <strong>de</strong>r Künstler angeht, zurückgreifen könnten,<br />
um herauszufin<strong>de</strong>n, wie die Beschäftigungslage wirklich<br />
ist. Da müssten auch die Gewerkschaften aktiver<br />
wer<strong>de</strong>n. Die Gewerkschaften sind da gefor<strong>de</strong>rt, genauso<br />
wie die Theaterverbän<strong>de</strong>.<br />
Schlussbemerkung: Ich glaube, es muss auf einen<br />
europäischen Report hinauslaufen. Und <strong>de</strong>r wür<strong>de</strong><br />
auch von <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k begrüßt wer<strong>de</strong>n, weil es <strong>de</strong>mentsprechen<strong>de</strong><br />
In<strong>iti</strong>ativen, ich beziehe mich da auf die<br />
Entschließung zur Situation <strong>de</strong>r Künstler GL , im Europäischen<br />
Parlament gibt. Danke.<br />
Freundt:<br />
In genau dieser Entschließung <strong>de</strong>s Europäischen<br />
Parlaments GL wur<strong>de</strong> noch einmal festgehalten, dass<br />
es um die Anerkennung <strong>de</strong>s sozialen Status <strong>de</strong>r<br />
Künstler gehen muss, dass es darum gehen muss,<br />
die arbeitsrechtlichen Systeme in Europa aneinan<strong>de</strong>r<br />
anzugleichen, dass Vergleichbarkeiten und Anschlusssysteme<br />
geschaffen wer<strong>de</strong>n müssen. Und da<br />
wird auch die Frage gestellt: was gilt als Arbeitszeit<br />
<strong>de</strong>s Künstlers? Ist es nur die im Vertrag festgehaltene<br />
Proben- und Auftrittszeit? O<strong>de</strong>r wird auch die individuelle<br />
Trainings- und Vorbereitungszeit angerechnet,<br />
wenn es später um Rente o<strong>de</strong>r um soziale Absicherung<br />
geht?<br />
Das Stichwort, dass wir Informationen brauchen,<br />
dass wir unsere Kräfte sammeln müssen, um in diesem<br />
Prozess weiter im Spiel zu bleiben, wür<strong>de</strong> ich gern als<br />
Überleitung zu Nele Hertling aufgreifen, die in ihrer<br />
Arbeit für <strong>de</strong>n Prozess <strong>de</strong>s „Netzwerkens“ steht, für<br />
<strong>de</strong>n Dialog, auch <strong>de</strong>n kontinuierlichen Dialog mit <strong>de</strong>r<br />
Pol<strong>iti</strong>k. Ich gebe Ihnen, Frau Hertling, das Wort für Anmerkungen.<br />
Was ist zu beachten, wenn wir diesen<br />
Dialog zwischen Künstlern und Pol<strong>iti</strong>k weiterbewegen<br />
wollen? Und was sollte aus Ihrer Sicht <strong>de</strong>n Pol<strong>iti</strong>kern<br />
als wichtigster Punkt übergeben wer<strong>de</strong>n?<br />
Hertling:<br />
Erlauben sie mir noch eine ganz kurze Bemerkung<br />
zur Frage <strong>de</strong>r sozialen Lage. Man muss natürlich immer<br />
davon ausgehen, dass wir in manchen Län<strong>de</strong>rn und vor<br />
allen Dingen in <strong>de</strong>n neuen Beitrittslän<strong>de</strong>rn ganz unterschiedliche<br />
Situationen haben. Ich war in Avignon<br />
zugegen, als die Künstler zu Protesten aufriefen. Da<br />
waren in diesem Jahr sehr viele osteuropäische o<strong>de</strong>r lateinamerikanische<br />
Kompanien, die<br />
Soziale Lage<br />
überhaupt nicht verstehen konnten,<br />
auf welch einem hohen Niveau<br />
<strong>de</strong>r Künstler<br />
die französischen Künstler in einen Protest gingen, aus<br />
einer Lage heraus, von <strong>de</strong>r sie nur träumen konnten.<br />
Ich glaube, es ist eine europäische Aufgabe, dass wir<br />
hier nicht eine Zweiklassensituation zwischen <strong>de</strong>n alten<br />
und <strong>de</strong>n neuen Län<strong>de</strong>rn schaffen, auch was die soziale<br />
Lage betrifft. Und zum Beitrag von Hanns-Dietrich<br />
Schmidt wollte ich noch sagen, dass ich <strong>de</strong>r Meinung<br />
bin, dass es kaum Kulturstädte gab, die so pol<strong>iti</strong>sch waren<br />
wie Amsterdam, Berlin und Glasgow. Glasgow hat<br />
ein extrem urbanistisches Programm gehabt. Amsterdam<br />
hat sich extrem um Migranten gekümmert. Und<br />
Berlin hatte nicht ein repräsentatives Projekt, son<strong>de</strong>rn<br />
hatte die Aufgabe übernommen, 1988 die junge Kunst<br />
aus Mittel- und Osteuropa durch <strong>de</strong>n Eisernen Vorhang<br />
zu bringen, was uns auch weitgehend gelungen<br />
ist. Weshalb ich das sage: Ich fin<strong>de</strong> es furchtbar, dass<br />
in <strong>de</strong>n späteren Kulturhauptstädten mehr und mehr<br />
Verwaltung und pol<strong>iti</strong>sche Kräfte die Programme bestimmt<br />
haben. In <strong>de</strong>n ersten Jahren waren es Kulturleute,<br />
die es in ihrem Sinne versucht haben. Später kippte<br />
das, und das ist etwas, wo man generell sehr aufpassen<br />
muss. Ich fand, das war eine furchtbare Entwicklung.<br />
Jetzt merkt man, dass es wie<strong>de</strong>r in die an<strong>de</strong>re Richtung<br />
geht, das ist ganz entschei<strong>de</strong>nd.<br />
Zu <strong>de</strong>m, was heute gesagt wur<strong>de</strong>: Wir haben sehr<br />
viele pos<strong>iti</strong>ve Vorschläge, sehr viel interessante Analysen<br />
gehört. Aber wie ist das alles weiterzugeben? Wo<br />
sind die Kräfte, die für die<br />
Implementierung sorgen? Pol<strong>iti</strong>scher Dialog<br />
Es hat jetzt keinen Sinn, hier<br />
groß darüber zu lamentieren, dass die Zwischenschritte<br />
noch viel schwieriger sein wer<strong>de</strong>n, als sich die guten<br />
I<strong>de</strong>en auszu<strong>de</strong>nken und die Pol<strong>iti</strong>ker anzuklagen; das<br />
geht leicht. Aber wo sind die Schnittstellen? Wie, wenn<br />
nicht gemeinsam, kriegen wir beispielsweise zustan<strong>de</strong>,<br />
was Gottfried Wagner gesagt hat: die Kultur als<br />
Gegenmacht zum Marktmechanismus zu etablieren?<br />
Die Kultur ist in Europa nach wie vor keine eigenständige<br />
Macht im pol<strong>iti</strong>schen Sinne. Wie können wir das<br />
überwin<strong>de</strong>n? Alle Pol<strong>iti</strong>kfel<strong>de</strong>r haben in Brüssel eine<br />
Be<strong>de</strong>utung, allein die Kultur hat bisher, Stichwort Sub-<br />
sidiarität GL , keine europäische<br />
pol<strong>iti</strong>sche Be<strong>de</strong>utung. Ganz<br />
sicher hängt das Defizit <strong>de</strong>r<br />
Europäische<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
Sichtbarkeit und auch <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rungspol<strong>iti</strong>k damit zusammen.<br />
Wie schaffen wir es, <strong>de</strong>r Kultur gegen viele<br />
an<strong>de</strong>re Argumente und Kräfte diese sichtbar gleichberechtigte,<br />
wenn nicht gar höhere Be<strong>de</strong>utung zu geben?<br />
Wir alle sagen, Europa ist ein kultureller Prozess.<br />
Und dieser kulturelle Prozess wird getragen von einer<br />
Zivilgesellschaft, sprich von <strong>de</strong>r Kultur. Von uns! Wir<br />
sind es ja im Grun<strong>de</strong> genommen, die Europa sind<br />
und die Europa schaffen müssen. Und ich weise noch<br />
einmal darauf hin: Wenn wir es nicht schaffen, auch aus<br />
<strong>de</strong>n kulturellen Kräften, aus <strong>de</strong>n künstlerischen Kräften<br />
heraus, diese Aufgabe zu <strong>de</strong>r unsrigen zu machen und<br />
nicht einfach nur als Bittsteller aufzutreten, son<strong>de</strong>rn als<br />
38
Partner, wird es nicht weitergehen. Das, glaube ich, ist<br />
immer am En<strong>de</strong> solcher Tagungen noch einmal in Erinnerung<br />
zu rufen: Wohin geht <strong>de</strong>r Prozess? Wie schaffen<br />
wir das? In welchen Strukturen schaffen wir es, diesen<br />
Schritt zu tun? Das ist für mich ganz entschei<strong>de</strong>nd.<br />
Ich will noch zwei, drei kleine Fragen stellen, ohne<br />
lange darüber zu sprechen. Das mangeln<strong>de</strong> Geschichtsbewusstsein<br />
in Europa hat meiner Meinung nach auch<br />
ganz stark mit <strong>de</strong>m Verhältnis von Produzieren und Koproduzieren<br />
in Europa zu tun. Wir haben, von Deutschland<br />
her gesehen, eine Schuld auf uns gela<strong>de</strong>n. Wir haben<br />
das Verhältnis einer gemeinsamen kulturellen Trad<strong>iti</strong>on<br />
mit allem, was östlich, zum Teil auch was westlich<br />
von uns gelegen ist, zerstört. Dass <strong>de</strong>r Osten, ganz<br />
pauschal gesagt, so isoliert ist und so hinterher hinkt,<br />
hängt auch damit zusammen. Und das Wie<strong>de</strong>raufbauen<br />
von gemeinsamen Strukturen, die nicht immer nur<br />
von Ost nach West, son<strong>de</strong>rn auch von West nach Ost<br />
gehen, ist für mich eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Frage europäischen<br />
Koproduzierens und Produzierens.<br />
Ein letztes Wort vielleicht noch zum Image von Europa.<br />
Heute wur<strong>de</strong> mehrmals Wim Wen<strong>de</strong>rs erwähnt.<br />
Wim Wen<strong>de</strong>rs hat auf <strong>de</strong>r Berliner Konferenz GL ein<br />
schreckliches Bild gemalt. Er hat gesagt, die Pol<strong>iti</strong>k wird<br />
Schuld daran sein, wenn Europa in <strong>de</strong>r nächsten Generation<br />
nur noch ein Wort ist, das die jungen Menschen<br />
zum Gähnen o<strong>de</strong>r zum Protest bringt. Warum schaffen<br />
wir als Kulturbereich es nicht, ein pos<strong>iti</strong>ves Image aufzubauen?<br />
Er hat natürlich vom Film gesprochen, aber<br />
es gibt auch an<strong>de</strong>re Bereiche. Die pos<strong>iti</strong>ve Besetzung<br />
<strong>de</strong>s Begriffs Europa, welche zum gemeinsamen Tun<br />
führt, das ist für mich fast die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Frage.<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />
Netzwerke<br />
tur-Institutionen zusammen<br />
bringt, um in Brüssel permanent<br />
präsent zu sein. Wir<br />
wer<strong>de</strong>n auf diesem Panel hier nicht mehr das Pro und<br />
Contra dieser Institutionen, ihre mögliche Verkarstung<br />
und die Wichtigkeit, diese Institutionen immer lebendig<br />
und im Kontakt mit <strong>de</strong>r Praxis zu halten, diskutieren<br />
können. Aber ich erwarte mir von Dieter Buroch noch<br />
ein paar Stichworte zu <strong>de</strong>r Frage, wie sich aus Sicht <strong>de</strong>r<br />
Künstler und <strong>de</strong>r Künstlerproduzenten die Netzwerke<br />
aufstellen müssen, um <strong>de</strong>n Dialog zwischen Künstlern<br />
und Pol<strong>iti</strong>k voran bringen zu können.<br />
Freundt:<br />
Ich glaube, dass gera<strong>de</strong> die Netzwerke, die es in<br />
unserem Bereich gibt, seien es die nationalen Verbän<strong>de</strong>,<br />
seien es Institutionen wie das IETM GL o<strong>de</strong>r das ITI GL ,<br />
Künstler zusammen bringen, das Know-how sammeln,<br />
kontinuierlich daran arbeiten und darin auch eine wesentliche<br />
Aufgabe sehen, <strong>de</strong>r Kultur eine permanente<br />
pol<strong>iti</strong>sche Präsenz zu geben. So wie das European Forum<br />
for the Arts and Heritage GL unterschiedliche Kul-<br />
Buroch:<br />
Mir ist heute aufgefallen, dass die Konzepte und Remich<br />
das Panel <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>ker. Da ist mir aber auch<br />
zepte, die wir vor 20 Jahren entwickelt<br />
haben, nicht mehr stim-<br />
Kulturwirtschaft<br />
men. Beson<strong>de</strong>rs beeindruckt hat<br />
klar gewor<strong>de</strong>n, was man unter Europa versteht. Europa<br />
ist in <strong>de</strong>m Zusammenhang ein Wirtschafts- und<br />
ein rein pol<strong>iti</strong>sches Gebil<strong>de</strong>. Es geht in erster Linie um<br />
Geld und Macht. Wenn Kunst o<strong>de</strong>r Kultur vorkommen,<br />
dann immer mit einem Beisatz: Kulturwirtschaft. Ich<br />
fin<strong>de</strong> das einen ziemlich schwierigen Begriff, <strong>de</strong>r aber<br />
ständig benutzt wird, und erst über diesen Begriff Kulturwirtschaft<br />
kommen wir in die pol<strong>iti</strong>sche Diskussion<br />
rein. Ich möchte eigentlich nicht mehr hören, dass wir<br />
in <strong>de</strong>r Kulturwirtschaft mehr Beschäftigte haben als in<br />
<strong>de</strong>r Chemie. Das haben wir vor fünf Jahren festgestellt.<br />
Das darf nicht unsere Diskussion sein. Vor allem nicht<br />
mit dieser Gruppe von Menschen, die wir hier auf <strong>de</strong>m<br />
Panel haben. Ich habe erwartet, dass man die Be<strong>de</strong>utung<br />
von Kunst o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Wert von Künstlern thematisiert<br />
und daraus Schlüsse zieht. Aus diesen und<br />
jenen Grün<strong>de</strong>n für Europa müssen wir die Kultur unterstützen.<br />
Das hat mir sehr gefehlt, und ich habe auch<br />
ein bisschen die Befürchtung, dass nicht klar gewor<strong>de</strong>n<br />
ist, dass wir ohne Kunst und Kultur so eine Gesellschaft<br />
überhaupt nicht steuern können. Das ist lebensnotwendig,<br />
um diese Gesellschaft überhaupt in Gang zu<br />
bringen. Wir brauchen die Künstler als Quer<strong>de</strong>nker.<br />
Da geht es nicht um die Kulturwirtschaft, son<strong>de</strong>rn um<br />
das, was wirklich gemacht wird, nämlich Kunst. Kulturwirtschaft<br />
hat mit Kunst eigentlich überhaupt nichts zu<br />
tun.<br />
Wir sollten uns wie<strong>de</strong>r daran erinnern, dass Künstler<br />
wirklich an<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>nken, zum Glück. Die interessieren<br />
sich für Qualität. Die suchen sich z.B. die besten<br />
Tänzer, und wenn die aus fünf verschie<strong>de</strong>nen Län<strong>de</strong>rn<br />
kommen, dann sind eben diese fünf Län<strong>de</strong>r vertreten.<br />
Bei dieser Denkweise zu bleiben, darin sollten wir die<br />
Künstler bestärken.<br />
Und wir sollten die Netzwerke auch kr<strong>iti</strong>sch sehen.<br />
Und ich wage es, etwas Kr<strong>iti</strong>sches über die Netzwerke<br />
zu sagen, weil wir als Mousonturm, glaube ich, international<br />
mit zu <strong>de</strong>n stärksten Netzwerkern gehören.<br />
Wenn man zum Beispiel vor zehn, zwanzig Jahren europäische<br />
Festivals gesehen hat, dann waren das alles<br />
Unikate, sie hatten alle eine sehr spezielle eigene Handschrift.<br />
Über unsere „Vernetzerei“ – die ganz wichtig<br />
ist, bitte verstehen Sie mich nicht falsch – haben wir<br />
uns irgendwann so vernetzt, dass wir aus diesem Netz<br />
nicht mehr rauskommen. Die Gleichartigkeit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rze<strong>iti</strong>gen<br />
europäischen Festivals macht mir keine Freu<strong>de</strong>,<br />
auch wenn ich Teil davon bin. Alle Festivals fangen mit<br />
Lalala Human Steps an, hören mit Les Ballets C. <strong>de</strong> la B.<br />
auf. Das sind Toptruppen, aber ich erinnere mich noch<br />
an einen völlig verrückten Kollegen aus Frankreich, <strong>de</strong>r<br />
seine Verträge immer mit gänzlich unbekannten Künst-<br />
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass die<br />
Künstler Europa eigentlich schon<br />
Künstlersehr<br />
viel früher ent<strong>de</strong>ckt haben.<br />
Netzwerke<br />
Vor 10 Jahren habe ich <strong>de</strong>n Versuch<br />
angetreten, eine freie, hochprofessionelle Produktionsgemeinschaft<br />
zu bil<strong>de</strong>n und mit wenig Geld eine internationale<br />
Company auf internationalem Niveau aufzubauen.<br />
Wir haben, erst als die Company gegrün<strong>de</strong>t<br />
war, festgestellt, dass bei acht Tänzern fünf verschie<strong>de</strong>ne<br />
Nationalitäten vertreten waren. Heute wür<strong>de</strong> man<br />
zunächst sagen: „Wir haben ein Netzwerk, wir müssen<br />
einen Antrag stellen!“ und dann erst geht’s los.<br />
Das Kreative Potential<br />
39
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
lern auf Bier<strong>de</strong>ckeln gemacht hat. Das waren Festivals,<br />
zu <strong>de</strong>nen ich gerne gefahren bin, weil ich etwas völlig<br />
Neues gesehen habe. Ich war bitter enttäuscht, grottenschlechte<br />
Sachen haben sich gemischt mit absoluten<br />
Ent<strong>de</strong>ckungen, weil er ein mutiger Mann war, <strong>de</strong>r<br />
sein eigenes Ding gemacht hat. Die <strong>de</strong>rze<strong>iti</strong>gen Vernetzungen<br />
sollte man auch kr<strong>iti</strong>sch hinterfragen und nicht<br />
einfach nur blind mitmachen. Vor allem fin<strong>de</strong> ich Netzwerke<br />
zur Existenzsicherung ganz gefährlich. Wenn irgen<strong>de</strong>ine<br />
Kulturstiftung irgendwann einmal sagt, <strong>de</strong>r<br />
Kanarienvogel ist Tier <strong>de</strong>s Jahres, dann wer<strong>de</strong>n wir<br />
überall Produktionen sehen, wo Kanarienvögel über<br />
die Bühne laufen. Soweit sollte es nicht kommen. Wir<br />
müssen Künstlern Freiräume schaffen, damit sie inhaltlich<br />
entschei<strong>de</strong>n können, damit sich ihre Freiheiten<br />
eher vergrößern und nicht verkleinern.<br />
Jetzt komme ich noch mal zurück zur Kulturwirtschaft.<br />
Ich möchte daran erinnern, dass Deutschland<br />
in <strong>de</strong>r europäischen Kunstproduktion<br />
schlicht und ergreifend nicht<br />
Kulturwirtschaft<br />
wettbewerbsfähig ist. Das ist jetzt<br />
nicht die alte Nummer „das Stadttheater nimmt uns<br />
freien Produktionen das Geld weg“, das war früher.<br />
Wir haben in Deutschland eine Struktur, die sehr toll<br />
ist, die ganz viel Theater ermöglicht, aber im europäischen<br />
Wettbewerb eigentlich nicht tauglich ist. Dieser<br />
Struktur fehlt das Mobile. Nur ganz schwer können die<br />
großen Häuser auf internationale Festivals fahren. Die<br />
kleinen Produktionen können es, die freien Kompanien<br />
könnten es, arbeiten mittlerweile auch hochprofessionell.<br />
Aber wir haben wirklich zu wenige Spielstätten,<br />
um zu importieren, und wir haben zu wenige Produktionsmöglichkeiten<br />
hier, um zu exportieren. Deswegen<br />
for<strong>de</strong>re ich: Baut Produktionszentren! Fangt die<br />
Diskussion auch mit <strong>de</strong>n großen Häusern an, ob zum<br />
Beispiel Ballettkompanien in Einzelfällen auch etwas an<strong>de</strong>rs<br />
strukturiert wer<strong>de</strong>n können, damit wir in diesem<br />
Wettbewerb als Kulturwirtschaftler, in <strong>de</strong>m wir ja stehen,<br />
auch bestehen können.<br />
Hertling:<br />
Aus finanziellen und strukturellen Grün<strong>de</strong>n ist das<br />
Koproduzieren und das Reisen<br />
von Kunst in <strong>de</strong>n letzten<br />
Jahren immer kleinteiliger ge-<br />
Mobilität<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
wor<strong>de</strong>n. Aus finanziellen Grün<strong>de</strong>n können sich die Veranstalter<br />
fast nur noch kleine Projekte leisten. Das sind<br />
meistens die zeitgenössischen. Was uns dabei jedoch<br />
verloren geht, ist das große Publikum in Europa, das<br />
für viele Projekte dieser Art gar nicht zu gewinnen ist,<br />
weil sie <strong>de</strong>nken, es ist zu mo<strong>de</strong>rn und zu experimentell.<br />
Was wir am Anfang in Europa hatten, gera<strong>de</strong> bei<br />
<strong>de</strong>m schwierigen Verhältnis zwischen Deutschland und<br />
Frankreich, waren Mittel, um beispielsweise das Berliner<br />
Ensemble durch Frankreich und Ariane Mnouchkine<br />
durch Deutschland touren zu lassen. Das waren<br />
keine bloßen Events, son<strong>de</strong>rn bewusste kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />
Austauschprojekte, durch die wir die jeweiligen Län<strong>de</strong>r,<br />
ihre Trad<strong>iti</strong>onen, ihre Sprache und vieles von ihrer Kultur<br />
überhaupt erst kennen und schätzen gelernt haben.<br />
Ich <strong>de</strong>nke, wir müssen sehr aufpassen, dass wir in <strong>de</strong>m<br />
europäischen Prozess nicht die große Publikumsschicht<br />
verlieren. Das hängt mit <strong>de</strong>r zu kleinen Möglichkeit zu<br />
koproduzieren und zu reisen zusammen. Das ist auch<br />
noch mal eine ganz große For<strong>de</strong>rung.<br />
Freundt:<br />
Damit schließen wir mit einem sehr starken Statement,<br />
mit <strong>de</strong>r ganz klaren For<strong>de</strong>rung, die Künstler in ihrer<br />
Autonomie, in ihrer Individualität und auch in ihrer<br />
Produktionskraft zu stärken, in<strong>de</strong>m wir Produktionszentren,<br />
Produktionsmittel für die Künstler for<strong>de</strong>rn und die<br />
För<strong>de</strong>rer und Pol<strong>iti</strong>ker auffor<strong>de</strong>rn, auch mal aus Sicht<br />
<strong>de</strong>r Künstler zu <strong>de</strong>nken. Vielen Dank.<br />
40
Teil II – Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />
Hochkarätig waren die kulturpol<strong>iti</strong>schen Panels besetzt,<br />
welche Eröffnung und Abschluss <strong>de</strong>s Symposiums<br />
bil<strong>de</strong>ten. Gegenüber <strong>de</strong>n Pol<strong>iti</strong>kern von Län<strong>de</strong>rgemeinschaft,<br />
Bun<strong>de</strong>stag, Auswärtigem Amt, BKM, Europäischem<br />
Parlament und EU-Kommission formulierten<br />
Künstlerverbän<strong>de</strong>, Netzwerke und die In<strong>iti</strong>atoren <strong>de</strong>r<br />
kulturpol<strong>iti</strong>schen Konferenz „Europa eine Seele geben“<br />
und „kultur.macht.europa“ ihren Anspruch an Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
in Europa.<br />
Dabei wur<strong>de</strong> die Mitteilung <strong>de</strong>r EU-Kommission<br />
über eine europäische Kulturagenda im Zeichen <strong>de</strong>r<br />
Globalisierung von <strong>de</strong>n Kulturschaffen<strong>de</strong>n begrüßt,<br />
schlägt sie doch Wege vor, endlich auf allen pol<strong>iti</strong>schen<br />
Ebenen Kultur in Europa zum Thema zu machen – und<br />
substantiell zu för<strong>de</strong>rn.<br />
Künstler wollen Kultur in Europa mitgestalten – über<br />
einen Dialog, in <strong>de</strong>m sie als wirkliche Partner anerkannt<br />
sind, in <strong>de</strong>m sie Kulturpol<strong>iti</strong>k mit gestalten. Längst liegen<br />
Vorschläge auf <strong>de</strong>m Tisch, wie die Rahmenbedingungen<br />
europäischer Kooperation verbessert wer<strong>de</strong>n<br />
können: „Impediments to Mobility and Possible Solutions“,<br />
die viel diskutierte Studie von Pearle* und IETM,<br />
wur<strong>de</strong> auch hier ins Gespräch gebracht.<br />
Kultur ist Motor in Europa, Künstler sind das Zukunftspotential<br />
<strong>de</strong>n Kontinents – darüber lässt sich gut<br />
pol<strong>iti</strong>sch <strong>de</strong>battieren. Aber Son<strong>de</strong>rregelung für Künstler,<br />
Angleichungen <strong>de</strong>r sozialen Sicherungssysteme<br />
über Län<strong>de</strong>rgrenzen hinweg, Vermeidung von Son<strong>de</strong>rsteuern<br />
und Doppelbesteuerung, Abbau von Reisebeschränkung<br />
für Künstler aus Drittstaaten? – erneut wur<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>utlich, wie zäh die pol<strong>iti</strong>schen Prozesse verlaufen,<br />
wie wenig sich in Brüssel bewegen lässt.<br />
Die Gespräche in <strong>de</strong>n Tagen <strong>de</strong>s Symposiums waren<br />
– mit Blick auf die Akteure in <strong>de</strong>n darstellen<strong>de</strong>n Künsten<br />
in Deutschland – ein erster Schritt für einen strukturierten<br />
Dialog von Kulturbereich und Pol<strong>iti</strong>k.<br />
41
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Panel:<br />
„Kulturpol<strong>iti</strong>k in Europa / Europäische Einigung, Creative Industries<br />
und das Potential <strong>de</strong>r Künstler: hoch gelobt – und gut geför<strong>de</strong>rt?“<br />
Nele Hertling (Vizepräsi<strong>de</strong>ntin Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste<br />
GL , Mit-In<strong>iti</strong>atorin <strong>de</strong>r Berliner Konferenz „Europa<br />
eine Seele geben“ GL ), Dr. Norbert Sievers (Geschäftsführer<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>sche Gesellschaft GL / Kongress<br />
„kultur.macht.europa“), Ruth Hieronymi (Mitglied<br />
<strong>de</strong>s Europäischen Parlaments), Xavier Troussard (Generaldirektion<br />
Kultur und Bildung GL , Brüssel), Frithjof<br />
Berger (Referatsleiter „Internationale Zusammenarbeit<br />
im Kulturbereich“ beim Beauftragten <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung<br />
für Kultur und Medien GL ), Steffen Reiche<br />
(Mitglied <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stages, Mitglied <strong>de</strong>s Kulturausschusses)<br />
Mo<strong>de</strong>ration: Prof. Dr. Wolfgang Schnei<strong>de</strong>r (Direktor<br />
<strong>de</strong>s Instituts für Kulturpol<strong>iti</strong>k, Universität Hil<strong>de</strong>sheim)<br />
Begegnung zwischen Pol<strong>iti</strong>k und Kultur sollten wir nutzen,<br />
aber eben mit einem gesun<strong>de</strong>n Selbstbewusstsein<br />
– Gottfried Wagner hat <strong>de</strong>n Aufschlag gemacht – um<br />
das große pol<strong>iti</strong>sche Feld zu beschreiten. Wir müssen<br />
jetzt darüber re<strong>de</strong>n, auf welche Wege wir uns verständigen<br />
und durchaus auch versuchen,<br />
Erwartungshaltungen<br />
zu formulieren.<br />
Frau Hertling, Sie haben<br />
die Berliner Konferenz „Euro-<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />
Netzwerke<br />
In<strong>iti</strong>ative „Europa eine<br />
Seele geben“<br />
pa eine Seele geben“ GL mit in<strong>iti</strong>iert. Vielleicht können<br />
Sie pointieren, welche Wege sie sehen, um tatsächlich<br />
ein Kulturnetzwerk für Europa zu organisieren und<br />
dieses auch pol<strong>iti</strong>sch zu stabilisieren.<br />
Schnei<strong>de</strong>r:<br />
Ein Prinzip <strong>de</strong>s Theaters ist <strong>de</strong>r Austausch, die Pflege<br />
<strong>de</strong>s Austausches. Theater hat ein Bedürfnis zu kommunizieren,<br />
mit <strong>de</strong>m Publikum, aber auch mit an<strong>de</strong>ren<br />
Theatern. Ich behaupte, die Theaterkünstler sind<br />
nicht nur Botschafter ihrer Geschichten, sie sind<br />
auch Botschafter von Zeitgeist und Diskursen, sie<br />
sind Botschafter einer europäischen I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s permanenten<br />
Dialogs. Meine These ist, dass <strong>de</strong>m Theater<br />
die europäische I<strong>de</strong>e gera<strong>de</strong>zu immanent ist, dass das<br />
Theater Europa belebt, in<strong>de</strong>m es durch Koproduktionen,<br />
Festivals und Netzwerke Europa immer wie<strong>de</strong>r<br />
neu erfin<strong>de</strong>t. In allen Bereichen fin<strong>de</strong>n dialogische<br />
Veranstaltungen und programmatische Austauschprogramme<br />
statt und man kann konstatieren, dass Europa<br />
durch das Theater miteinan<strong>de</strong>r verwoben ist. Trotz <strong>de</strong>r<br />
Sprachunterschie<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>t ein reger Künstleraustausch<br />
statt, trotz <strong>de</strong>r unterschiedlichen Strukturen kommt es<br />
immer wie<strong>de</strong>r zum gemeinsamen Schaffen, trotz <strong>de</strong>r<br />
Vielfalt vor Ort sind Festivals immer noch beson<strong>de</strong>re Ereignisse<br />
<strong>de</strong>s gegense<strong>iti</strong>gen Sich Kennen Lernens. Meine<br />
sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen eigentlich<br />
nicht über Europa re<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn Sie alle hier verkörpern<br />
Europa. Sie produzieren, tauschen sich aus, sie<br />
arbeiten zusammen und sie wissen vielleicht mehr über<br />
Europa als mancher Pol<strong>iti</strong>ker, weil Sie auf Ihrer Ebene<br />
seit vielen Jahren nicht nur zusammenkommen, son<strong>de</strong>rn<br />
versuchen, aus diesem Zusammenkommen ein<br />
kreatives Potenzial mit immer wie<strong>de</strong>r schönen Ergebnissen<br />
zu entwickeln. Stellt sich uns also weniger die<br />
Frage, wie wir jetzt auf die Mitteilung <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Kommission GL reagieren können? Wir können jetzt<br />
ganz selbstbewusst sein, <strong>de</strong>nn endlich ist wohl auch in<br />
Brüssel <strong>de</strong>utlich gewor<strong>de</strong>n, welche beson<strong>de</strong>re Rolle die<br />
Kultur, die Kulturschaffen<strong>de</strong>n und – wenn ich das so<br />
übertragen darf – das Theater in Europa spielt. Diese<br />
Hertling:<br />
„Europa eine Seele geben“ GL ist keine Lobbygruppe<br />
für <strong>de</strong>n Kulturbereich im engeren Sinne, son<strong>de</strong>rn versucht,<br />
<strong>de</strong>r Kultur in <strong>de</strong>r europäischen Pol<strong>iti</strong>k neben allen<br />
an<strong>de</strong>ren Pol<strong>iti</strong>kfel<strong>de</strong>rn die ihr angemessene Be<strong>de</strong>utung<br />
zu verschaffen. Unser Ansatz ist in <strong>de</strong>r Tat, die Dialogfähigkeit<br />
zwischen <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k,<br />
und zwar sowohl <strong>de</strong>r<br />
nationalen als auch <strong>de</strong>r eu-<br />
Dialog zwischen<br />
Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />
ropäischen, und <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft zu stärken. Dafür<br />
gibt es eine ganze Reihe von Projekten, auf die wir<br />
vielleicht in <strong>de</strong>r Diskussion noch zu sprechen kommen.<br />
Der In<strong>iti</strong>ative ist es gelungen, in Brüssel ein so genanntes<br />
Steering Committee GL einzurichten, das neben Ján<br />
Figel und Gerald Pöttering aus verschie<strong>de</strong>nen europäischen<br />
Parlamentariern besteht. Diese haben sich bereit<br />
erklärt, für Gedanken und Vorschläge, die aus dieser In<strong>iti</strong>ative<br />
kommen, sozusagen <strong>de</strong>n Türöffner in die europäische<br />
Pol<strong>iti</strong>k zu spielen, um mit neuen Ansätzen in die<br />
europäische Pol<strong>iti</strong>k hinein zu wirken. Damit ist, wie wir<br />
glauben, etwas sehr Wichtiges entstan<strong>de</strong>n: ein Sprachrohr<br />
für die europäische Kultur in Brüssel. Ich möchte<br />
ein Beispiel nennen, um zu zeigen, was wir damit meinen.<br />
Es gibt das Format <strong>de</strong>r „Foren“. Das letzte dieser<br />
Foren fand in Belgrad statt, wo es einer kleinen zivilgesellschaftlichen<br />
In<strong>iti</strong>ative in <strong>de</strong>r heutigen, sehr schwierigen<br />
pol<strong>iti</strong>schen Situation gelungen ist, alle Partner in<br />
dieser komplizierten Stadt zusammen zu bringen, um<br />
gemeinsam mit europäischen Kräften, vor allem <strong>de</strong>r Felix-Mer<strong>iti</strong>s-Stiftung<br />
GL in Amsterdam und „Europa eine<br />
Seele geben“ GL in Berlin, ein Forum zu organisieren, zu<br />
<strong>de</strong>m wir über das Steering Committee GL zwei Europaparlamentarier,<br />
Doris Pack und Hannes Swoboda, und<br />
die Kommissarin Meglena Kunewa* nach Belgrad einla<strong>de</strong>n<br />
konnten. Einer zivilgesellschaftlichen In<strong>iti</strong>ative ge-<br />
* Meglena Kunewa, bulgarische Pol<strong>iti</strong>kerin und seit <strong>2007</strong> EU-Kommissarin für<br />
Verbraucherschutz.<br />
42
lang es, nicht nur die Belgra<strong>de</strong>r Lokalpol<strong>iti</strong>k, son<strong>de</strong>rn die<br />
offizielle serbische Pol<strong>iti</strong>k und pol<strong>iti</strong>sche Vertreter aller<br />
Balkanlän<strong>de</strong>r an einen Tisch zu bekommen. Das klingt<br />
sehr harmlos, war aber ein extrem schwieriger Prozess.<br />
In einer sehr offenen Diskussion über Chancen von Zivilgesellschaft,<br />
sprich Kunst und Kultur, – die durch die<br />
Anwesenheit von Europapol<strong>iti</strong>kern erst möglich wur<strong>de</strong><br />
– konnte bei <strong>de</strong>n Zuhörern in Serbien ein Denkprozess<br />
angeregt und eine Aktivität ermöglicht wer<strong>de</strong>n, die bereits<br />
jetzt Früchte trägt. Es ist sozusagen <strong>de</strong>r Dialog „Zivilgesellschaft<br />
und Pol<strong>iti</strong>k“, <strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> an Stellen, wo<br />
es bisher un<strong>de</strong>nkbar war, sehr viel bewirkt, und ich bin<br />
überzeugt davon, dass auch bei uns diese Wirksamkeit<br />
noch viel zu wenig genutzt wird. Das ist die eigentliche<br />
Hauptzielrichtung: die Zivilgesellschaft in die<br />
Verantwortung zu bringen, um mit dieser Kraft die<br />
Pol<strong>iti</strong>k in Europa hin zu einer kulturellen Pol<strong>iti</strong>k, zu einer<br />
pol<strong>iti</strong>schen Kultur zu bringen. Das ist <strong>de</strong>r Hauptansatz,<br />
hier liegt <strong>de</strong>r Schwerpunkt <strong>de</strong>r Aktivitäten.<br />
Schnei<strong>de</strong>r:<br />
Wenn ich noch einmal nachfragen darf: Welche<br />
konkreten Ziele verfolgen Sie? Welche Strukturen sollen<br />
entstehen? Vielleicht können Sie das noch einmal<br />
pointieren.<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />
Netzwerke<br />
In<strong>iti</strong>ative „Europa eine<br />
Seele geben“<br />
Hertling:<br />
Im Prinzip kann ich nur wie<strong>de</strong>rholen:<br />
Unser Ziel ist es, <strong>de</strong>m<br />
Selbstbewusstsein <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft<br />
eine Plattform zu ge-<br />
ben und es im pol<strong>iti</strong>schen Prozess zu stärken. In <strong>de</strong>r<br />
letzten Konferenz, die diese In<strong>iti</strong>ative im November<br />
2008 plant, sollen <strong>de</strong>r nationalen und europäischen<br />
Pol<strong>iti</strong>k zwei so genannte Weißbücher GL übergeben wer<strong>de</strong>n,<br />
um anhand zahlreicher Belege konkret zu zeigen,<br />
wie kulturelle und künstlerische Prozesse Strukturen in<br />
Europa beeinflussen und verän<strong>de</strong>rn können. Daran<br />
arbeitet kontinuierlich eine große Arbeitsgruppe. Die<br />
an<strong>de</strong>re I<strong>de</strong>e, mit <strong>de</strong>r diese zivilgesellschaftliche Kraft<br />
bewiesen wer<strong>de</strong>n kann und soll, beschäftigt sich mit<br />
<strong>de</strong>m Thema Städte und Regionen. Es geht darum,<br />
in Städten und Regionen das Bewusstsein dafür zu<br />
schärfen, dass dort die europäische Kultur entsteht<br />
und <strong>de</strong>mzufolge dort die Verantwortung für europäische<br />
Kultur wachsen muss. Auch hier gibt es sehr<br />
konkrete Arbeitsschritte mit vielen Partnern quer durch<br />
Europa bis nach Istanbul. Wir gehen hier sogar so weit<br />
zu sagen, dass Istanbul ein Mo<strong>de</strong>ll für ein zukünftiges<br />
Europa sein könnte. Bei <strong>de</strong>r Bewerbung Istanbuls um<br />
die Kulturhauptstadt Europas 2010 ist es <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft<br />
gelungen, <strong>de</strong>n Zuschlag zu bekommen, gera<strong>de</strong><br />
weil keine kulturpol<strong>iti</strong>schen Strukturen in <strong>de</strong>r Stadt existierten<br />
und eine breite Kooperation daher nicht erst<br />
bereits bestehen<strong>de</strong> Strukturen zu überwin<strong>de</strong>n hatte.<br />
Das kann als Mo<strong>de</strong>ll dafür stehen, wie zivile Kraft außerhalb<br />
von festgelegten Strukturen etwas erreichen kann.<br />
Und eine Stadt wie Istanbul könnte hier in <strong>de</strong>r Tat zu<br />
einem Mo<strong>de</strong>ll für Europa wer<strong>de</strong>n.<br />
Mobilität<br />
Noch ein Wort zur Mobilität,<br />
einem Thema, mit <strong>de</strong>m wir uns<br />
sehr entschie<strong>de</strong>n auseinan<strong>de</strong>rsetzen,<br />
auch in Kontakten zu <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Kommissionen<br />
in Brüssel. Es geht dabei nicht nur um Reise-<br />
mittel, es geht auch um sehr praktische Fragen, wie<br />
z.B. die Visa-Beschaffung. Wir kämpfen mit <strong>de</strong>m Stability<br />
Pact GL , mit Kommissar Olli Rehn* für eine Verbesserung<br />
dieser Situation, die ich an einem Beispiel noch<br />
einmal illustrieren möchte. Auf unserem Forum in Belgrad<br />
konnten Referenten und Teilnehmer nicht erscheinen,<br />
weil sie in letzter Sekun<strong>de</strong> kein Visum bekommen<br />
hatten. Die Tatsache, dass Bulgarien und Rumänien<br />
jetzt EU-Mitglie<strong>de</strong>r sind, hat eine neue Grenze mit einer<br />
neuen Visa-Frage östlich von Bulgarien und Rumänien<br />
geschaffen und damit Kontakte abgeschnitten, die<br />
über Jahre gut funktioniert haben. Dazu kommt in dieser<br />
Region die Problematik <strong>de</strong>r europäischen Budgets,<br />
die entwe<strong>de</strong>r für EU-Mitglie<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Nicht-Mitglie<strong>de</strong>r<br />
gedacht sind, und merging funds sind auf bei<strong>de</strong>n Seiten<br />
ganz schwierig zu organisieren. Es entsteht also eine<br />
neue Abschottung in eine Richtung, in <strong>de</strong>r wir sie absolut<br />
nicht erwartet haben. Auch so konkrete Fragen<br />
gehören zum Thema Mobilität, und hier nutzen wir<br />
ebenfalls unsere Kontakte über das Steering Committee<br />
GL , um diese Frage sehr direkt anzugehen und eine<br />
Lösung zu fin<strong>de</strong>n.<br />
Schnei<strong>de</strong>r:<br />
Ich glaube, es ist wichtig, dass man immer wie<strong>de</strong>r<br />
darauf hinweist, dass Europa nicht die Europäische Union<br />
allein ist. Europa ist auch nicht ein Staatengebil<strong>de</strong>,<br />
son<strong>de</strong>rn Europa sind natürlich die Europäer. Vor zwei<br />
Wochen lud die Kulturpol<strong>iti</strong>sche Gesellschaft GL zum 4.<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>schen Bun<strong>de</strong>skongress GL „kultur.macht.europa<br />
– europa.macht.kultur“ GL ein und entwickelte vor<br />
<strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>r Ergebnisse dieser Veranstaltung<br />
ein Papier mit <strong>de</strong>zidierten For<strong>de</strong>rungen in Bezug auf<br />
unser Feld, die darstellen<strong>de</strong>n Künste in Europa. Herr<br />
Sievers, wenn Sie <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>skongress GL in Bezug zu<br />
unser Problematik hier bringen – welche Punkte wür-<br />
<strong>de</strong>n Sie benennen?<br />
Sievers:<br />
Die Kulturpol<strong>iti</strong>sche Gesellschaft<br />
GL ist eine Vereinigung,<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />
Netzwerke<br />
Bsp. Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />
Gesellschaft<br />
die aus Einzelpersonen besteht, im Unterschied zu an<strong>de</strong>ren<br />
Verbän<strong>de</strong>n, die in unterschiedlichsten Pos<strong>iti</strong>onen<br />
an <strong>de</strong>n unterschiedlichsten Knotenpunkten dieses sehr<br />
komplizierten Netzwerkes ‚Kulturpol<strong>iti</strong>k’ in Deutschland<br />
aktiv sind. Ich weiß nicht, ob es in Europa eine vergleichbare<br />
Organisation gibt, bislang bin ich noch auf<br />
keine gestoßen, aber durch diese Beson<strong>de</strong>rheit haben<br />
wir auch die Möglichkeit, bestimmte Themen zu setzen<br />
und in <strong>de</strong>n Köpfen und im Bewusstsein von Menschen<br />
zu verankern. Das versuchen wir mit unterschiedlichen<br />
Mitteln zu erreichen, z.B. durch Tagungen, Konferenzen,<br />
aber auch durch unsere Zeitschrift „Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />
Mitteilungen“, durch Bücher, Publikationen usw.<br />
Denn Kulturpol<strong>iti</strong>k wird letztlich in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten<br />
Organisationen von Menschen gemacht. Das vielleicht<br />
als Vorbemerkung. Die internationale Orientierung ist<br />
im Übrigen bei uns schon seit 30 Jahren präsent. Das<br />
steht schon in <strong>de</strong>r Grundsatzerklärung. Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
ist grundsätzlich immer international auszurichten.<br />
Als wir uns in <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>schen Gesellschaft GL im<br />
* Olli Rehn, finnischer Pol<strong>iti</strong>ker und EU-Erweiterungskommissar in <strong>de</strong>r Kommission<br />
von José Manuel Durão Barroso<br />
Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />
43
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
vergangenen Jahr überlegten, <strong>de</strong>n 4. Kulturpol<strong>iti</strong>schen<br />
Bun<strong>de</strong>skongress GL , mit Unterstützung <strong>de</strong>s Beauftragten<br />
<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung für Kultur und Medien GL sowie an<strong>de</strong>rer<br />
Organisationen auszurichten, war es im Kontext<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen EU-Ratspräsi<strong>de</strong>ntschaft nahe liegend,<br />
Europa als Schwerpunkt zu wählen. Uns ist natürlich<br />
nicht verborgen geblieben, dass Europa in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k kein beson<strong>de</strong>rs erfolgreiches Thema<br />
ist, um es mal gelin<strong>de</strong> zu formulieren, son<strong>de</strong>rn doch<br />
noch <strong>de</strong>r Aufrüttelung und <strong>de</strong>r Intensivierung bedarf.<br />
Mit <strong>de</strong>n kulturpol<strong>iti</strong>schen Bun<strong>de</strong>skongressen GL , die alle<br />
zwei Jahre stattfin<strong>de</strong>n, konnten wir dieses Thema zwar<br />
auf die kulturpol<strong>iti</strong>sche Agenda setzen, sahen uns jedoch<br />
in <strong>de</strong>r Pflicht, zumin<strong>de</strong>st in Deutschland auch <strong>de</strong>n<br />
Beweis zu erbringen, dass wir tatsächlich Aufmerksamkeit<br />
für dieses Thema gewinnen können. Und das ist<br />
uns durch verschie<strong>de</strong>ne Maßnahmen, die ich kurz skizzieren<br />
und zur Diskussion stellen möchte, gelungen.<br />
Wir haben uns zunächst gesagt, dass wir keinen I<strong>de</strong>ntitätsdiskurs<br />
führen wollen. Wir wollen nicht mehr darüber<br />
philosophieren, weshalb das Thema wichtig ist,<br />
son<strong>de</strong>rn wir machen eine Setzung: Europa macht Kultur<br />
– Kultur macht Europa. Das war <strong>de</strong>r Ausgangspunkt<br />
Europäische<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
unserer Überlegungen. Ich<br />
<strong>de</strong>nke, es ist wichtig, dass man<br />
die europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
möglichst genau <strong>de</strong>finiert und dass man an konkreten<br />
Fragestellungen, <strong>de</strong>n Institutionen, <strong>de</strong>n Verfahren, <strong>de</strong>n<br />
Themen arbeitet. Und so haben wir <strong>de</strong>n Kongress aufgebaut.<br />
Ziel war es, möglichst das gesamte Feld <strong>de</strong>r<br />
europäischen Kulturpol<strong>iti</strong>k aufzuschlüsseln, um zu zeigen,<br />
dahinter verbergen sich nicht nur Programmformeln<br />
o<strong>de</strong>r Begriffe, die wir schon gar nicht mehr hören<br />
können, wie z.B. Vielfalt. Wir wollten also versuchen,<br />
durch konkrete Themen und konkrete Fragestellungen<br />
zu überzeugen. Das ist <strong>de</strong>r erste Punkt. Wir haben uns<br />
gesagt, wenn wir dies verwirklichen wollen, brauchen<br />
wir – zweiter Punkt – Kooperationspartner. Ebenso<br />
wie mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Kulturpol<strong>iti</strong>k, die wegen <strong>de</strong>s<br />
Fö<strong>de</strong>ralismus und <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Akteure auf diesem<br />
Gebiet höchst komplex ist, verhält es sich mit <strong>de</strong>r<br />
europäischen Kulturpol<strong>iti</strong>k. Man kann keine erfolgreiche<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k praktizieren und formulieren,<br />
wenn es nicht zusammen mit an<strong>de</strong>ren geschieht,<br />
wenn man nicht kooperiert. Aber Kooperation ist ein<br />
schwieriges Geschäft. Kooperation ist eine Metho<strong>de</strong>,<br />
die man erlernen muss, auf <strong>de</strong>utscher und insbeson<strong>de</strong>re<br />
auf europäischer Ebene. Es ist uns gelungen, sowohl<br />
europäische als auch viele <strong>de</strong>utsche Partner zu fin<strong>de</strong>n<br />
und uns mit <strong>de</strong>nen in einem schwierigen Prozess im<br />
Vorfeld über das Thema abzustimmen. Das hat, glaube<br />
ich, gut funktioniert. Der dritte Punkt, <strong>de</strong>r uns wichtig<br />
ist, betrifft die Kontinuität. Der kulturpol<strong>iti</strong>sche Diskurs<br />
in Europa braucht mehr Kontinuität. Man muss sich aufeinan<strong>de</strong>r<br />
beziehen und die Ergebnisse einer Konferenz<br />
o<strong>de</strong>r Publikation wie<strong>de</strong>r aufgreifen, um sie noch einmal<br />
in einem neuen Licht, in einem an<strong>de</strong>ren Kontext zu beurteilen<br />
und zu bewerten. Und auch das haben wir versucht,<br />
in<strong>de</strong>m wir mit drei Tagungen bzw. Kongressen,<br />
die im Rahmen <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Ratspräsi<strong>de</strong>ntschaft<br />
stattfan<strong>de</strong>n, kooperiert haben. Wir haben versucht, sowohl<br />
die Tagung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen UNESCO-Kommission<br />
zum Thema „Kulturelle Vielfalt GL “ als auch die Tagung<br />
zur Kulturwirtschaft, die in Berlin stattfand, und die Tagung<br />
<strong>de</strong>r ECF GL in Den Haag in einen direkten Zusammenhang<br />
zu stellen, was uns auch gelungen ist. Das<br />
sind erst Anfänge, aber wir haben es erreicht, einen<br />
Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>n kulturpol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />
herzustellen, die – das muss man präzisierend<br />
hinzufügen von zivilgesellschaftlichen Akteuren aufgenommen<br />
und gestaltet wur<strong>de</strong>n. Das sind drei Punkte,<br />
die ich ganz wichtig fin<strong>de</strong>.<br />
Schnei<strong>de</strong>r:<br />
Auf <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>skongress GL sind wir nicht dazu gekommen,<br />
tatsächlich weitergehen<strong>de</strong> Strukturen zu formulieren.<br />
Es gibt zwar die Kulturpol<strong>iti</strong>sche Gesellschaft GL<br />
in Deutschland, aber nicht auf europäischer Ebene. Es<br />
gibt vielleicht an<strong>de</strong>re Netzwerke wie die EFAH GL o<strong>de</strong>r im<br />
Theaterbereich IETM GL , die durchaus in <strong>de</strong>r Lage wären,<br />
diese Funktion zu übernehmen. Aber ich bitte Sie, noch<br />
einmal ganz kurz die inhaltlichen Punkte zu benennen,<br />
an <strong>de</strong>nen für uns die Pflege <strong>de</strong>s kulturpol<strong>iti</strong>schen Diskurses<br />
konkret wird.<br />
Sievers:<br />
Es sind drei sehr konkrete Ansatzpunkte, die u.a.<br />
auch auf unseren Erfahrungen als Träger <strong>de</strong>s Cultural<br />
Contact Points GL basieren, wo sich uns viele Probleme<br />
und Fragen aus <strong>de</strong>r Praxis vermitteln. Es war uns daher<br />
sehr wichtig, zu sagen, Kulturför<strong>de</strong>rung auf europäischer<br />
Ebene muss effektiver gestaltet wer<strong>de</strong>n. Wir<br />
alle wissen, wie kompliziert die Anträge sind. Ich habe<br />
gera<strong>de</strong> selbst diese Erfahrung hinter mich bringen müssen,<br />
als ich <strong>de</strong>n Antrag für <strong>de</strong>n Kongress stellte. Dabei<br />
kennen wir die Verfahren, die Mechanismen, die haushaltsrechtlichen<br />
Rahmenbedingungen usw. Das sollte<br />
in je<strong>de</strong>m Fall vereinfacht wer<strong>de</strong>n.<br />
Vor allem kleinere Organisationen,<br />
und das wer<strong>de</strong>n<br />
EU-Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
Bürokratieabbau<br />
hier sicher viele kennen, haben wenige Möglichkeiten,<br />
tatsächlich Gel<strong>de</strong>r zu beantragen. Allein die Tatsache,<br />
dass man das Geld von <strong>de</strong>r europäischen Union nicht<br />
zu <strong>de</strong>m Zeitpunkt bekommt, an <strong>de</strong>m man es braucht,<br />
dass man auf Zwischenfinanzierungen angewiesen ist,<br />
erschwert die Sache ungemein. Das wissen Sie alles, da<br />
braucht es möglicherweise auch Fonds zur Abfe<strong>de</strong>rung<br />
dieser Risiken, damit zivilgesellschaftliche Organisationen<br />
überhaupt diese Möglichkeiten in Anspruch nehmen<br />
können.<br />
„Mobilität för<strong>de</strong>rn“ ist ein weiterer<br />
Punkt, <strong>de</strong>r uns sehr wichtig Mobilität<br />
ist. Auch das ist bereits in KULTUR<br />
2000 GL und <strong>de</strong>n nachfolgen<strong>de</strong>n Programmen verankert.<br />
Das muss noch ausgebaut wer<strong>de</strong>n, aber dafür hat<br />
Herr Wagner bereits ein eindrückliches Plädoyer abgegeben.<br />
Und ein dritter Punkt, mit <strong>de</strong>m wir uns in <strong>de</strong>n letzten<br />
Jahren beschäftigt haben,<br />
ist <strong>de</strong>r Zugang zu <strong>de</strong>n Strukturfonds<br />
GL , <strong>de</strong>r unbedingt Öffnung <strong>de</strong>r Fonds<br />
EU-Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
erleichtert wer<strong>de</strong>n sollte. Aus<br />
<strong>de</strong>n Strukturfonds GL fließt ja bekanntlich viel mehr Geld<br />
in die Kultur, wahrscheinlich nicht in künstlerische Projekte<br />
im engeren Sinne, son<strong>de</strong>rn in die eher größeren<br />
Vorhaben, aber es gibt ungefähr 10 bis 12mal so viele<br />
44
Gel<strong>de</strong>r für kulturelle Belange, die man, theoretisch zumin<strong>de</strong>st,<br />
beantragen kann. Aber das ist außeror<strong>de</strong>ntlich<br />
kompliziert, zumal die Informationslage nicht ganz einfach<br />
ist. Da wäre es sehr hilfreich, wenn man die Fonds<br />
für zivilgesellschaftliche Projekte und Organisationen in<br />
Kooperation mit <strong>de</strong>n nationalen und vor allem regionalen<br />
Behör<strong>de</strong>n, die dafür zuständig sind, zugänglicher<br />
machen wür<strong>de</strong>.<br />
Ein vierter Punkt, über <strong>de</strong>n wir auch im Rahmen <strong>de</strong>s<br />
Kongresses diskutiert haben, betrifft die Erinnerungskultur.<br />
Wie sind Fragen <strong>de</strong>r Erinnerung kulturpol<strong>iti</strong>sch,<br />
kulturell zu fassen und zu thematisieren? Das ist ein<br />
ganz, ganz wichtiger Punkt, auch ein sehr schwieriger.<br />
Wir sollten uns aber auch vor diesen schwierigen Fragen<br />
nicht verstecken.<br />
Schnei<strong>de</strong>r:<br />
Ich erlaube Ihnen jetzt noch eine ganz kurze Werbeeinblendung.<br />
Sie haben von <strong>de</strong>r Kontinuität gesprochen,<br />
Sie haben von <strong>de</strong>m Diskurs gesprochen und Sie<br />
haben dazu auch publizistisch etwas beizutragen.<br />
Sievers:<br />
Ja, wir <strong>de</strong>nken, Kongresse sind Inszenierungen, aber<br />
man darf Sie nicht nur auf drei Tage begrenzen, son<strong>de</strong>rn<br />
muss sie vorbereiten. Das haben wir durch einen<br />
Newsletter, durch eine Webseite (www.kupoge.<strong>de</strong>)<br />
und durch eine Publikation versucht, in <strong>de</strong>nen wir dann<br />
etwas systematischer die Fragen <strong>de</strong>r europäischen Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
behan<strong>de</strong>lt haben. Die Publikation ist das Jahrbuch<br />
für Kulturpol<strong>iti</strong>k, eine Grundlage, auf die man sich<br />
beziehen kann, und ich <strong>de</strong>nke, wenn man die verschie<strong>de</strong>nsten<br />
Instrumente, die man hat, so bün<strong>de</strong>lt, dann<br />
kommt man auch weiter.<br />
Schnei<strong>de</strong>r:<br />
Herr Reiche, Wir haben jetzt über die Themensetzungen<br />
<strong>de</strong>r kulturpol<strong>iti</strong>schen Konferenzen und Debatten<br />
gesprochen. Wie fließt dies in die konkrete Pol<strong>iti</strong>k<br />
ein? Was wird im Bericht <strong>de</strong>r Enquête-Kommission über<br />
Europa- und Kulturpol<strong>iti</strong>k drinstehen?<br />
Europäische<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
Reiche:<br />
Ich bin im Moment sehr optimistisch. Es ist unglaublich,<br />
wie viel in Europa im Kulturbereich in Bewegung<br />
geraten ist. Dinge, die man sich vor kurzem<br />
noch gar nicht vorstellen konnte. Die Hymne und die<br />
Fahne haben <strong>de</strong>n Gipfel nicht überlebt, aber <strong>de</strong>r Kulturartikel,<br />
<strong>de</strong>r hat überlebt. Und<br />
das macht <strong>de</strong>utlich, dass die<br />
Europäische Union in <strong>de</strong>r tiefen<br />
Krise, in <strong>de</strong>r sie im Moment steckt, merkt, dass sie<br />
die Kultur braucht, um voran zu kommen, um I<strong>de</strong>ntität<br />
in Europa zu schaffen, um <strong>de</strong>n Lissabon-Prozess GL voranzubringen,<br />
um Kultur einfach wie<strong>de</strong>r stärker in <strong>de</strong>n<br />
öffentlichen Fokus zu bringen. In <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />
wollte man viele Jahre über Kultur immer nur ganz<br />
am Ran<strong>de</strong> sprechen, das war immer ein Nebenthema.<br />
Die Europäische Union dürfe dafür eigentlich nicht zuständig<br />
sein, es ginge ja um Subsidiarität GL . Zuallererst<br />
war es eine Wirtschaftsunion und dann wur<strong>de</strong> daraus<br />
ein Rechtsraum und mit <strong>de</strong>r Europäischen Union dann<br />
auch ein pol<strong>iti</strong>scher Raum. Jetzt merkt man stärker<br />
als je zuvor, dass wir auch die Kultur brauchen, um<br />
die I<strong>de</strong>ntität zu entwickeln, um <strong>de</strong>n europäischen<br />
Traum voranzubringen. Grönland beispielsweise ist<br />
im Grun<strong>de</strong> viel größer als Europa, aber warum ist Europa<br />
be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r als Grönland? Weil <strong>de</strong>r Rohstoff Europas<br />
die Kultur ist. Das heißt, unsere gemeinsame Kultur<br />
in ihrer Vielfalt, in ihrer Verschie<strong>de</strong>nheit, die vielen<br />
verschie<strong>de</strong>nen Geschichten, die eine gemeinsame Geschichte<br />
ergeben, das ist das, was uns eint und verbin<strong>de</strong>t.<br />
Und wenn wir wollen, dass Europa, neben Indien,<br />
neben China, neben <strong>de</strong>n USA, neben <strong>de</strong>n vielen großen<br />
an<strong>de</strong>ren Akteuren in diesem Globalisierungsprozess<br />
perspektivisch eine Rolle spielen soll, wenn wir wollen,<br />
dass nach <strong>de</strong>m 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt, das maßgeblich vom<br />
amerikanischen Traum geprägt wur<strong>de</strong>, im 21. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
<strong>de</strong>r europäische Traum, und das heißt unsere<br />
Werte, eine Rolle spielen sollen, dann wer<strong>de</strong>n wir dafür<br />
zentral die Kultur brauchen, als <strong>Impuls</strong>geber, als Motor.<br />
Unter diesem Gesichtspunkt bekommt das Diktum, das<br />
Jean Monnet* zugeschrieben wird, das er aber tatsächlich<br />
nie geäußert hat, eine ganz neue Be<strong>de</strong>utung. Er<br />
soll gesagt haben, dass er, wenn er noch einmal mit<br />
<strong>de</strong>m Aufbau von Europas bzw. <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />
beginnen wür<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>r Kultur anfinge. In <strong>de</strong>r jetzigen<br />
tiefen Krise beginnen wir tatsächlich, <strong>de</strong>r Kultur eine<br />
größere Rolle zuzuschreiben. Als die Mitteilung <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Kommission GL veröffentlicht wur<strong>de</strong>, dachte<br />
ich, einige Län<strong>de</strong>r in Deutschland müssten sofort in<br />
Ohnmacht fallen. Ich war mir sicher, dass die Bayern<br />
sofort protestieren und mit <strong>de</strong>m Austritt aus <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Union und Schlimmerem drohen wür<strong>de</strong>n. Das<br />
ist alles nicht passiert, obwohl da etwas drinstand, was<br />
man vor drei, vier Jahren für völlig un<strong>de</strong>nkbar gehalten<br />
hätte. Die Europäische Kommission schlägt in <strong>de</strong>r Mitteilung<br />
GL vor, <strong>de</strong>n Prozess <strong>de</strong>r offenen Koordinierung GL ,<br />
<strong>de</strong>n man bisher bloß für <strong>de</strong>n Bildungsbereich reklamiert<br />
hat, nun auch auf <strong>de</strong>n Kulturbereich auszu<strong>de</strong>hnen, da<br />
die offene Koordinierung nötig ist, um in diesem Bereich<br />
voran zu kommen. Auch daran wird <strong>de</strong>utlich, ein<br />
wichtiger, zentraler Baustoff für Europa ist die Kultur.<br />
Wir haben in <strong>de</strong>r Enquête-Kommission GL eine Reihe von<br />
Empfehlungen gegeben, damit Sie das nicht nur lesen,<br />
son<strong>de</strong>rn auch in Ihre Arbeit aufnehmen. Da ist zum Beispiel<br />
die Empfehlung drin, dass wir gera<strong>de</strong> als Deutsche<br />
mit <strong>de</strong>m berühmten German Vote nicht immer<br />
nur als Bremser im Kulturbereich auftreten. German<br />
Vote heißt soviel wie: Wir wissen nichts, wir können nichts<br />
sagen, weil Kulturfragen bei uns Län<strong>de</strong>rsache sind.<br />
Wir müssen als größter Staat in Europa aus <strong>de</strong>m<br />
Bremserhäuschen nach vorne gehen und wirklich<br />
Dynamik hineinbringen, damit wir ein Mobilitätsprogramm<br />
eben nicht nur für die Studieren<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn<br />
auch für die Künstler bekommen, damit wir eine europäische<br />
Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste eröffnen können.<br />
Wir haben zum Glück nun endlich eine vom Bund finanzierte<br />
Aka<strong>de</strong>mie. Nationale Aka<strong>de</strong>mie darf man sie<br />
nicht nennen, obwohl sie das im Grun<strong>de</strong> genommen<br />
ist, aber wir brauchen auch eine solche europäische<br />
Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste, wir brauchen eine europäische<br />
Kulturstiftung, also Institutionen, die wirklich mit einer<br />
Stimme für Europa die Vielfalt, aber zugleich auch<br />
* Jean Omer Marie Gabriel Monnet, französischer Unternehmer und Pol<strong>iti</strong>ker. Er<br />
gilt als einer <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong>rväter <strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaften<br />
Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />
45
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
das, was uns im Vergleich zu an<strong>de</strong>ren eint, benennen<br />
und nach vorn bringen. Wir benötigen min<strong>de</strong>stens<br />
ein Prozent dieses großen europäischen Haushalts<br />
auch für Kulturfragen. Wir wissen, dass fünf bis sieben<br />
Prozent für kulturelle Dinge ausgegeben wer<strong>de</strong>n,<br />
da <strong>de</strong>r europäische Sozialfond<br />
GL und <strong>de</strong>r EFRE-Fond GL ,<br />
EU-Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
also <strong>de</strong>r Regionalentwicklungsfond,<br />
für Kulturfragen geöffnet wor<strong>de</strong>n sind, und<br />
große, kulturelle Projekte daraus finanziert wer<strong>de</strong>n.<br />
Aber wir brauchen das, was mit Kultur <strong>2007</strong> GL , also für<br />
die jetzige För<strong>de</strong>rperio<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>n Weg gebracht wor<strong>de</strong>n<br />
ist, auch in einem größerem Umfang, um solche<br />
Projekte unbürokratischer und besser auf <strong>de</strong>n Weg<br />
zu bekommen. Denn wenn wir, und das ist mein Ziel,<br />
irgendwann dahin kommen wollen, dass es die „Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Europa“ o<strong>de</strong>r die „Vereinigten Staaten von<br />
Europa“ gibt, dann wer<strong>de</strong>n wir die Kultur und das Bewusstsein<br />
von europäischer Kultur brauchen und dann<br />
wird Kultur nicht nur Begleiter, son<strong>de</strong>rn Türöffner und<br />
Wegbereiter sein.<br />
Schnei<strong>de</strong>r:<br />
Danke. Da spricht ein ehemaliger Län<strong>de</strong>rminister,<br />
<strong>de</strong>r für die Kultur zuständig war.<br />
Reiche:<br />
Aber als Län<strong>de</strong>rminister immer schon das Gleiche<br />
gesagt hat.<br />
Hertling:<br />
Ich möchte gern eine Frage stellen. Sie haben die<br />
Bayern genannt. Wie optimistisch sind Sie, dass die<br />
Mitteilung <strong>de</strong>r EU-Kommission GL , die in <strong>de</strong>r Tat einen<br />
sehr großen Schritt nach vorn be<strong>de</strong>utet, von <strong>de</strong>n europäischen<br />
Staaten mitgetragen wird? Im Steering Committee<br />
GL war es Ján Figel, <strong>de</strong>r dafür plädiert hat, dass<br />
wir alle versuchen, in unseren eigenen Län<strong>de</strong>rn Lobbyarbeit<br />
dafür zu leisten, weil er in <strong>de</strong>m alten Konstrukt<br />
<strong>de</strong>r Nationalstaaten die Gefahr sieht. Sind Sie da optimistisch,<br />
und wie geht <strong>de</strong>r Weg weiter?<br />
Reiche:<br />
Wer in Europa nicht an Wun<strong>de</strong>r glaubt, <strong>de</strong>r ist<br />
kein Realist. Und in diesem Sinne bin ich Realist. Weil<br />
ich glaube, die Bayern können ja beichten, das ist ihr<br />
großer Vorteil, sie sitzen immer mit diesen gekreuzten<br />
Fingern da, protestieren und zum Schluss bauen sie das<br />
größte Schloss mitten in Brüssel, direkt neben <strong>de</strong>m Europäischen<br />
Parlament, weil sie genau wissen, dass sie<br />
zwar gegen Europa protestieren können, dass da aber<br />
auch viel zu holen ist und dass sie da vor allen Dingen<br />
auch viel bewegen können. Und daher glaube ich,<br />
dass Herr Goppel* in <strong>de</strong>r Kultusministerkonferenz GL und<br />
dann bei vielen an<strong>de</strong>ren Stellen Rotz und Wasser heulen<br />
und dagegen protestieren wird. Letztlich wer<strong>de</strong>n<br />
aber auch die Bayern mitmachen müssen, weil wir nur<br />
über die Kultur in Europa voran kommen, und auch<br />
Bayern wird nur stark in einem starken Europa.<br />
* Seit Oktober 2003 ist Thomas Goppel nach viereinhalb Jahren als Generalsekretär<br />
<strong>de</strong>r CSU Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst<br />
Hertling:<br />
So wie die an<strong>de</strong>ren Europäer.<br />
Reiche:<br />
Die an<strong>de</strong>ren Europäer erst recht. Denn die haben<br />
nicht diese fö<strong>de</strong>ralen Be<strong>de</strong>nken, wie sie Deutschland<br />
immer hat. Und wenn man sich vorstellt, dass wir kürzlich<br />
das Grundgesetz unsinnigerweise dahin geän<strong>de</strong>rt<br />
haben, dass auf europäischer Ebene in Kulturfragen immer<br />
ein Län<strong>de</strong>rvertreter spricht, wie im Moment fatalerweise<br />
Herr Goppel, dann wird einem <strong>de</strong>utlich, wie stark<br />
Deutschland da auch bremsen kann. Aber ich hoffe<br />
und <strong>de</strong>nke, dass wir gera<strong>de</strong> mit diesem großen Kapitel<br />
über europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k im Bericht <strong>de</strong>r Enquête-<br />
Kommission GL ein paar <strong>Impuls</strong>e geben können.<br />
Schnei<strong>de</strong>r:<br />
Wir sollten uns auf die Frage konzentrieren: Wo<br />
ist Europa in <strong>de</strong>r Lage, nicht nur zu würdigen und zu<br />
wertschätzen, was im kulturellen Bereich an Kooperation<br />
stattfin<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn weiter zu unterstützen o<strong>de</strong>r zukünftig<br />
zu för<strong>de</strong>rn. Herr Berger, wie wür<strong>de</strong>n Sie nach all<br />
diesen Konferenzen, Überlegungen und Debatten das<br />
letzte halbe Jahr resümieren?<br />
Berger:<br />
Ich muss sagen, die Bilanz aus Sicht <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
ist relativ gut. Die Bun<strong>de</strong>sregierung hat innerhalb <strong>de</strong>r<br />
EU-Ratspräsi<strong>de</strong>ntschaft GL ein wesentliches, auch kulturpol<strong>iti</strong>sches<br />
Projekt vorangetrieben, in<strong>de</strong>m wir die Revision<br />
<strong>de</strong>r Fernsehrichtlinie GL pol<strong>iti</strong>sch über die Bühne<br />
gebracht haben. Und wir haben es geschafft, was für<br />
die Kulturpol<strong>iti</strong>ker und Kulturschaffen<strong>de</strong>n von großem<br />
Interesse ist, das Thema Kulturwirtschaft in <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Agenda zu verankern. Am 24. Mai haben wir im<br />
Bereich „Kultur und Audiovisuelles“<br />
<strong>de</strong>r EU-Kommission eine Ratsresolution<br />
zur Kulturwirtschaft beschlos-<br />
Kulturwirtschaft<br />
sen, die wir ausdrücklich als Etappenziel verstehen. Der<br />
Rat <strong>de</strong>r Kulturminister hat sich darauf verständigt, eine<br />
Reihe von konkreten Maßnahmen im Bereich <strong>de</strong>r Kulturwirtschaft<br />
vorzuschlagen. Das betrifft beispielsweise<br />
<strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Ausbildung. In allen Ausbildungsbereichen<br />
für Kulturschaffen<strong>de</strong> soll in Zukunft <strong>de</strong>r<br />
Bereich <strong>de</strong>r Wirtschafts- und Betriebswissenschaft<br />
stärker verankert wer<strong>de</strong>n, um all <strong>de</strong>nen, die mit ihrer<br />
Kreativität künftig Geld verdienen wollen, ein besseres<br />
Instrumentarium an die Hand zu geben, mit <strong>de</strong>ssen<br />
Hilfe sie im wirtschaftlichen Prozess überleben können.<br />
Wir haben gesagt, dass das Rückgrat <strong>de</strong>r Kulturindustrie<br />
die kleinen und mittleren Unternehmen sind.<br />
Man muss sich beson<strong>de</strong>rs im Kulturbereich um diese so<br />
genannten KMUs* kümmern. Dies hat – relativ unbemerkt,<br />
weil es nur in einem Halbsatz steht – sogar <strong>de</strong>r<br />
Europäische Rat zum Thema Lissabon-Prozess GL im März<br />
anerkannt, in<strong>de</strong>m er bemerkte, dass <strong>de</strong>n KMUs im kulturwirtschaftlichen<br />
Bereich beson<strong>de</strong>res Augenmerk zu<br />
widmen sei. Wir haben auch gesagt, dass man gera<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>n KMUs im Kulturbereich Hilfestellung leisten sollte,<br />
wenn es um Finanzierungsfragen geht. Das heißt nun<br />
* Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ist die Sammelbezeichnung für Unternehmen,<br />
die bestimmte Größenmerkmale nicht überschreiten. Die Einordnung als<br />
KMU ist unabhängig von <strong>de</strong>r gewählten Rechtsform. Unternehmen, die die Größenordnungen<br />
überschreiten, wer<strong>de</strong>n dann als Großunternehmen bezeichnet.<br />
46
nicht direkt die Auflegung neuer För<strong>de</strong>rprogramme,<br />
son<strong>de</strong>rn als Querschnittsfrage zunächst einmal: Wie<br />
kommen gera<strong>de</strong> Start Ups, wie kommen kleine Un-<br />
EU-Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
Durchlässigkeit von Fonds<br />
und För<strong>de</strong>rstrukturen<br />
ternehmen an För<strong>de</strong>rmittel,<br />
die es in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />
Bereichen durchaus gibt, von<br />
europäischen Gel<strong>de</strong>rn bis zur<br />
Kreditanstalt für Wie<strong>de</strong>raufbau.<br />
Vielfach ist es aber so, dass die Leute nicht mit<br />
<strong>de</strong>n Mechanismen zurechtkommen, dass sie Beratung<br />
brauchen zu <strong>de</strong>n Möglichkeiten, die es überhaupt gibt.<br />
Wir haben darüber hinaus vereinbart, dass das Thema<br />
Kulturwirtschaft auf längere Sicht sowohl <strong>de</strong>n Rat als<br />
auch die Diskussion auf Expertenebene beschäftigen<br />
wird. Dies war schon im März Thema <strong>de</strong>s informellen<br />
Kulturministertreffens hier in Berlin. Die Kulturminister<br />
wer<strong>de</strong>n sich weiter mit <strong>de</strong>m Thema befassen. Es wird<br />
noch ein Koordinierungstreffen unter unserer Präsi<strong>de</strong>ntschaft<br />
geben, wo eine Reihe von Themenkreisen,<br />
wie die Kulturstatistik im Fokus stehen, damit man hier<br />
an besser abgestimmte Daten kommt.<br />
Wir haben während unserer Präsi<strong>de</strong>ntschaft eigentlich<br />
eine überdurchschnittliche Zahl von Tagungen<br />
durchgeführt, einige sind hier schon erwähnt wor<strong>de</strong>n.<br />
Wir hatten eine eigene Serie von Tagungen zum Thema<br />
„Mobilität von Sammlungen“.<br />
Mobilität Sie wissen vielleicht, dass die Mobilität<br />
in <strong>de</strong>n drei Säulen im Kulturbereich<br />
auf europäischer Ebene seit einiger Zeit eine<br />
zunehmen<strong>de</strong> Rolle spielt. Das hat mit <strong>de</strong>r Diskussion<br />
darüber begonnen, wie man die Mobilität von Kulturschaffen<strong>de</strong>n<br />
för<strong>de</strong>rn kann. Da ist <strong>de</strong>r Kulturministerrat,<br />
um das so <strong>de</strong>utlich zu sagen, an seine interinstitutionellen<br />
Grenzen gestoßen. Natürlich ist es eine wichtige<br />
Frage, wie man Kulturleuten, Theaterleuten, Filmleuten<br />
die Ausübung ihrer Tätigkeit europaweit erleichtern<br />
kann, aber eine Reihe von Punkten wie etwa <strong>de</strong>r Sozialbereich<br />
fallen entwe<strong>de</strong>r in die Kompetenz an<strong>de</strong>rer<br />
Fachministerräte o<strong>de</strong>r sie sind überhaupt nicht<br />
vergemeinschaftlicht. Das muss man nüchtern sehen.<br />
Und wenn Sie sich überlegen, welche Vorbehalte etwa<br />
das Vereinigte Königreich in <strong>de</strong>n vergangenen Tagen<br />
zu einigen Punkten auf <strong>de</strong>m Europäischen Rat immer<br />
wie<strong>de</strong>r geäußert hat, dann sehen Sie, dass wir da an<br />
sehr sensible Punkte im europäischen Konstrukt herankommen,<br />
<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r nächste Bereich betrifft die Mobilität<br />
von Kulturgütern. Es hat sich in <strong>de</strong>n vergangenen<br />
Jahren herausgestellt, dass es etwa im Museumsbereich<br />
eine Reihe von Hemmnissen gibt, die es zu überwin<strong>de</strong>n<br />
gilt, wenn wir in Zukunft einen besseren Austausch<br />
zwischen <strong>de</strong>n Institutionen von einzelnen Kulturgütern<br />
o<strong>de</strong>r ganzen Sammlungen organisieren wollen. Der<br />
dritte Bereich, <strong>de</strong>r immer mehr in <strong>de</strong>n Fokus rückt, ist<br />
<strong>de</strong>r Bereich <strong>de</strong>r Mobilität von Kulturrezipienten, <strong>de</strong>nn<br />
es ist ja nicht immer so, dass die Kulturschaffen<strong>de</strong>n<br />
durch Europa reisen müssen, um ihr Publikum zu fin<strong>de</strong>n.<br />
Auch das Publikum reist ja zunehmend durch Europa,<br />
um kulturelle Angebote wahrzunehmen. Diese<br />
Bereiche haben wir während unserer Präsi<strong>de</strong>ntschaft im<br />
Fokus gehabt, und wir haben darüber hinaus versucht,<br />
<strong>Impuls</strong>e zu geben, die die Diskussion über die kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />
Agenda auch in <strong>de</strong>n nächsten Jahren vorantreiben.<br />
Ein wesentlicher <strong>Impuls</strong> ist bereits jetzt durch<br />
die Mitteilung <strong>de</strong>r Kommission GL über die künftige<br />
kulturpol<strong>iti</strong>sche Agenda gegeben wor<strong>de</strong>n. Ich kann<br />
Herrn Reiche hier übrigens beruhigen, es gibt schon<br />
einen Briefwechsel zwischen Herrn Goppel und Herrn<br />
Stoiber zum Thema Offene Koordinierung GL . Es gibt bereits<br />
einen Antrag im Bun<strong>de</strong>srat, <strong>de</strong>r genau dieses Vorhaben<br />
mit aller Entschie<strong>de</strong>nheit ablehnt und ich gehe<br />
nicht davon aus, dass das auf Ebene <strong>de</strong>r Kulturminister<br />
bleibt. Wahrscheinlich wird das die Ministerpräsi<strong>de</strong>nten<br />
und schließlich Frau Merkel beschäftigen. Es ist also<br />
nicht so, dass die von Ihnen erwarteten Reflexe ausgeblieben<br />
wären, son<strong>de</strong>rn sie sind unter <strong>de</strong>r Hand schon<br />
sehr virulent, was lei<strong>de</strong>r auch ein Defizit hier auf unserem<br />
Podium offenbart, <strong>de</strong>nn für Ihre Kr<strong>iti</strong>k ist hier gar<br />
kein Ansprechpartner vertreten. Wir haben hier nur die<br />
Bun<strong>de</strong>sebene repräsentiert, nicht die Län<strong>de</strong>rebene. Das<br />
ist auch in Bezug auf die schon mehrfach erwähnten<br />
Regionalfonds ein Manko, <strong>de</strong>nn für die Regionalfonds<br />
haben wir auf Bun<strong>de</strong>sebene gar keine Stellschraube.<br />
Wenn es darum geht, in irgen<strong>de</strong>iner Weise die viel<br />
z<strong>iti</strong>erten Regionalfonds zu Gunsten <strong>de</strong>r Kultur anzuzapfen,<br />
dann muss ich mich an die Län<strong>de</strong>rleute richten.<br />
Das heißt, hier gibt es also sicherlich noch einige<br />
offene Fä<strong>de</strong>n, die wir irgendwann verknüpfen müssen.<br />
Schnei<strong>de</strong>r:<br />
Jetzt noch mal ganz konkret zur Mitteilung <strong>de</strong>r<br />
Kommission GL . Herr Berger, Sie sind nicht nur Beamter,<br />
son<strong>de</strong>rn Sie haben auch ein Herz,<br />
und Ihr Herz schlägt für die Kunst. Kulturwirtschaft<br />
Gera<strong>de</strong> haben Sie dankenswerterweise<br />
die Rolle <strong>de</strong>r Kulturwirtschaft, <strong>de</strong>r Creative Industries,<br />
die ja sehr be<strong>de</strong>utend sein kann, in die Diskussion<br />
gebracht. Ich habe jedoch manchmal <strong>de</strong>n Eindruck,<br />
und so ist das auch auf <strong>de</strong>r Konferenz „kultur.macht.<br />
Europa“ GL diskutiert wor<strong>de</strong>n, dass hier Vorsicht geboten<br />
ist, da die Kunst dadurch instrumentalisiert wird. Unter<br />
diesem Blickwinkel stehen vor allem ökonomische,<br />
wirtschaftliche Grün<strong>de</strong> im Vor<strong>de</strong>rgrund. Die Mitteilung<br />
GL stand daher bezeichnen<strong>de</strong>rweise auch unter <strong>de</strong>r<br />
Überschrift: Mitteilung <strong>de</strong>r Kommission GL an <strong>de</strong>n Wirtschafts-<br />
und Sozialausschuss. Wie gehen sie damit um,<br />
dass hier gewissermaßen über <strong>de</strong>n Umweg <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k<br />
das Wirtschaftliche an <strong>de</strong>r Kunst herausgestellt wird?<br />
Berger:<br />
Das ist in <strong>de</strong>r Tat eine ambivalente Erscheinung. Allerdings<br />
<strong>de</strong>nke ich, dass die Kulturschaffen<strong>de</strong>n ihr Licht<br />
da nicht unter <strong>de</strong>n Scheffel stellen sollten. Es ist in <strong>de</strong>r<br />
Tat so, dass wir in <strong>de</strong>r Vergangenheit auf europäischer<br />
Ebene Kunst und Kultur eher in einem trad<strong>iti</strong>onellen<br />
Sinne betrachtet haben, wie man es in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />
Pol<strong>iti</strong>k auch jetzt noch gern tut. Es ist ein Orchi<strong>de</strong>enfach,<br />
heißt es dann, und es ist ganz nett, es ist etwas Schmücken<strong>de</strong>s.<br />
Deshalb ist es auch immer etwas Nettes, über<br />
Kunst und Kultur zu diskutieren, aber es geht eigentlich<br />
nicht um hard facts. Und mit dieser doch etwas<br />
verqueren These versuchte bereits eine Studie aufzuräumen,<br />
die die Kommission schon im vorvergangenen<br />
Jahr in Auftrag gegeben hatte und die im November<br />
vergangenen Jahres in Brüssel vorgestellt wur<strong>de</strong>. Diese<br />
Studie hat dann anhand harter Zahlen belegt, dass die<br />
Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />
47
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Kulturwirtschaft, <strong>de</strong>r Begriff ist zwar mit aller Vorsicht<br />
zu genießen, da keiner von uns, <strong>de</strong>r hier sitzt, genau<br />
weiß, wie <strong>de</strong>r Begriff Kulturwirtschaft abzugrenzen ist,<br />
aber, dass die Kulturwirtschaft mehr Arbeitsplätze in<br />
Europa schafft als die chemische Industrie, dass sie<br />
mehr Umsatz macht als die Autoindustrie usw. Das<br />
heißt, es geht in <strong>de</strong>r seit November vergangenen Jahres<br />
auf europäischer Ebene angestoßenen Diskussion auch<br />
darum, mal in <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k zu <strong>de</strong>monstrieren, dass Kultur<br />
kein Orchi<strong>de</strong>enfach ist, son<strong>de</strong>rn, dass Kultur auch eine<br />
wirtschaftspol<strong>iti</strong>sche Komponente hat. Kultur schafft<br />
Arbeitsplätze, das muss man so <strong>de</strong>utlich sagen. Der<br />
gesamte Kreativbereich wächst doppelt so schnell wie<br />
die restliche Wirtschaft in Europa. Er schafft schneller<br />
Arbeitsplätze als die restliche Wirtschaft in Europa, und<br />
wenn Europa langfristig, wie es in <strong>de</strong>r Lissabon-Strategie<br />
GL so schön heißt, zu einem wettbewerbsfähigen<br />
Kontinent wer<strong>de</strong>n will, dann können wir die Kultur<br />
nicht außen vor lassen.<br />
Schnei<strong>de</strong>r:<br />
Gut, darauf kann ich mich einlassen. Ich möchte<br />
mich jetzt endlich Europa zuwen<strong>de</strong>n, Frau Hieronymi.<br />
Sie vertreten hier das Europäische Parlament GL . In <strong>de</strong>r<br />
Mitteilung <strong>de</strong>r Kommission GL an das Europäische Parlament<br />
GL steht die For<strong>de</strong>rung, dass die Mobilität von<br />
Künstlern und von Kunstwerken geför<strong>de</strong>rt sowie die<br />
Mobilität von Beschäftigten <strong>de</strong>s Kulturbetriebs verbessert<br />
wer<strong>de</strong>n soll. Welche konkreten Anträge wer<strong>de</strong>n im<br />
Moment formuliert, um das pol<strong>iti</strong>sch umzusetzen?<br />
Hieronymi:<br />
Ich gehöre <strong>de</strong>m Europäischen Parlament seit 1999<br />
an, und seit <strong>de</strong>m ersten Tag bin ich Mitglied <strong>de</strong>s Kulturausschusses<br />
<strong>de</strong>s Europäischen Parlamentes. Daher freue<br />
ich mich, dass nach all <strong>de</strong>n jahrelangen Sonntagsre<strong>de</strong>n<br />
Europäische<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
ohne Folgen nun vielleicht die<br />
Chance besteht, dass <strong>de</strong>n aktuellen<br />
Sonntagsre<strong>de</strong>n Taten<br />
folgen. Aber ich muss Ihnen auch sagen, dass ich nicht<br />
ganz so optimistisch bin wie an<strong>de</strong>re hier im Raum und<br />
zwar <strong>de</strong>shalb, weil ich aus Deutschland komme. Nicht<br />
wegen <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Fö<strong>de</strong>ralismus, das ist ein Problem<br />
für sich, son<strong>de</strong>rn weil Deutschland genau wie das Vereinigte<br />
Königreich nur noch auf die Haushaltsbeschränkungen<br />
pocht. Das Europäische Parlament GL hat <strong>de</strong>n<br />
Haushaltplan <strong>2007</strong>-2013 drei Mal abgelehnt. Im Kulturausschuss<br />
haben wir das solange abgelehnt, bis die<br />
Fristen abgelaufen waren, um zu zeigen, dass wir das<br />
nicht akzeptieren. Aber aus Deutschland kam immer<br />
nur maximal ein Prozent <strong>de</strong>s Bruttosozialproduktes,<br />
und damit können Sie in <strong>de</strong>r Kultur nicht arbeiten. In<br />
an<strong>de</strong>ren Bereichen, die Landwirtschaft einmal ausgenommen,<br />
sicher auch nicht. Aber solange das so ist, bin<br />
ich skeptisch. Deshalb bin ich sehr froh, dass jetzt unter<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Ratspräsi<strong>de</strong>ntschaft in Deutschland so<br />
viele Kongresse und Diskussionen stattgefun<strong>de</strong>n haben.<br />
Ich hoffe sehr, dass das hilft. Trotz allem muss sich auch<br />
dann noch sehr viel än<strong>de</strong>rn. Und das erste, was sich än<strong>de</strong>rn<br />
muss, ist das Denken. Es muss endlich allen klar<br />
wer<strong>de</strong>n, dass nicht hier Deutschland und da Europa<br />
ist, son<strong>de</strong>rn dass dies das Gleiche be<strong>de</strong>utet.<br />
Schnei<strong>de</strong>r:<br />
Wir stehen alle auf <strong>de</strong>rselben Bühne.<br />
Hieronymi:<br />
Ja, wir arbeiten sogar am gleichen Stück. Und<br />
Deutschland ist nun einmal das größte Mitgliedsland<br />
und das einflussreichste, wenn es <strong>de</strong>nn will.<br />
Und <strong>de</strong>shalb bewegt sich relativ wenig, wenn aus<br />
Deutschland nichts Ausreichen<strong>de</strong>s kommt. Aber ich<br />
bin von Haus aus Optimist. Die Kommission hat ihre<br />
Mitteilung GL vorgelegt und diese Mitteilung GL richtet<br />
sich, und da legen wir gesteigerten Wert darauf, fe<strong>de</strong>rführend<br />
an <strong>de</strong>n Kulturausschuss <strong>de</strong>s Europäischen Parlamentes.<br />
Der Wirtschafts- und Sozialausschuss will im<br />
Zweifelsfall gar nicht mit beraten.<br />
Der Adressat ist eine an<strong>de</strong>re Institution.<br />
Das ist nicht <strong>de</strong>r Wirtschafts-<br />
Europäische<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
und Sozialausschuss <strong>de</strong>s Europäischen Parlamentes,<br />
son<strong>de</strong>rn das sind die Tarifpartner, verkürzt gesagt, diejenigen,<br />
die sich eben auch ein europäisches Forum<br />
geschaffen haben und die insofern beratend beteiligt<br />
wer<strong>de</strong>n. Was ich jetzt mit <strong>de</strong>r Mitteilung GL mache, kann<br />
ich Ihnen sagen: Zusammen mit meinen Kollegen<br />
versuche ich nun die Kommission in all ihren For<strong>de</strong>rungen<br />
zu unterstützen und dafür in Deutschland<br />
ein Problembewusstsein zu schaffen. Vielen Dank,<br />
dass Sie dabei helfen. Aber ich wer<strong>de</strong> auch alles daran<br />
setzen, in diese Mitteilung GL hinein zu bekommen, was<br />
ich <strong>de</strong>rzeit noch vermisse. Ich bin sehr froh, dass es diese<br />
Mitteilung gibt, und ich danke Herrn Figel und Ihnen,<br />
<strong>de</strong>nn es ist ja auch Ihr Werk, dass wir es begonnen<br />
haben. Kulturför<strong>de</strong>rpol<strong>iti</strong>k ist ganz wichtig und dafür<br />
brauchen wir neue Instrumente, bessere Instrumente<br />
und mehr Geld. Das ist alles richtig. Aber ich sehe die<br />
große Gefahr, dass wir gar nicht<br />
merken, wie uns an einer an<strong>de</strong>ren Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
Stelle die Möglichkeiten, Kultur zu<br />
gestalten und Kultur zu schützen, weg brechen. Wir<br />
haben heute eine grenzüberschreiten<strong>de</strong> Kultur und<br />
verfügen zunehmend über eine Technologie, die dieses<br />
grenzüberschreiten<strong>de</strong> Arbeiten erleichtert. Und diese<br />
grenzüberschreiten<strong>de</strong> Kultur fällt, wenn sie wirtschaftlich<br />
relevant ist, und alles achtet darauf, dass<br />
die Kultur sich wirtschaftlich entwickelt, unter das<br />
europäische Wirtschafts- und Wettbewerbsrecht,<br />
und niemand merkt es in Deutschland. Das ist meine<br />
größte Sorge, <strong>de</strong>nn ich habe schon im Verborgenen<br />
mit starkem Gegenwind aus Deutschland daran arbeiten<br />
müssen, dass zumin<strong>de</strong>st audiovisuelle Dienste,<br />
audiovisuelle künstlerische Werke in Zukunft nicht nur<br />
noch wie elektronische Han<strong>de</strong>lsgüter behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.<br />
Dieses Thema ist in Deutschland gar nicht präsent<br />
gewesen. Und ich weiß nicht, ob Sie überhaupt verstehen,<br />
wovon ich re<strong>de</strong>.<br />
Schnei<strong>de</strong>r:<br />
Können wir Sie einfach bitten, es an <strong>de</strong>m einen o<strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>ren Beispiel noch einmal <strong>de</strong>utlich zu machen?<br />
Hieronymi:<br />
Kulturelle Werke von einer hinreichen<strong>de</strong>n wirtschaftlichen<br />
Be<strong>de</strong>utung, die grenzüberschreitend sind und<br />
auf elektronischem Wege übertragen wer<strong>de</strong>n, wie z.B.<br />
48
Filme, Theaterstücke o<strong>de</strong>r Konzerte, die unter Nutzung<br />
<strong>de</strong>r digitalen Technologie übertragen bzw. im Internet<br />
abgerufen wer<strong>de</strong>n können, sind nach Europäischem<br />
Recht Wirtschaftsgut und kein Kulturgut, mit <strong>de</strong>r Folge,<br />
dass nur das Wirtschaftsrecht gilt. Diese Regelung<br />
sollte bereits für digital übertragenes Fernsehen gelten.<br />
Deshalb hat das Europäische Parlament GL so stark darauf<br />
gedrängt und dann kurz vor Toresschluss auch die<br />
Unterstützung <strong>de</strong>r Kommission und <strong>de</strong>s Rates dafür bekommen,<br />
dass wir für digital übertragenes Fernsehen<br />
ein Recht brauchen, das Kultur- und Wirtschaftsrecht<br />
gleichermaßen ist, das diese Dienste als Kultur- und<br />
Wirtschaftsgüter und nicht nur als Wirtschaftsgüter einordnet.<br />
Mit <strong>de</strong>r Revision <strong>de</strong>r Fernsehrichtlinie GL ist dies<br />
gelungen. Sie heißt <strong>de</strong>shalb jetzt auch „Richtlinie für<br />
audiovisuelle Mediendienste“. Aber in Deutschland ist<br />
das Problem überhaupt nicht <strong>de</strong>battiert wor<strong>de</strong>n. Da ist<br />
nur über die so genannte Produktplatzierung diskutiert<br />
wor<strong>de</strong>n, die ich lei<strong>de</strong>r nicht verhin<strong>de</strong>rn konnte, um<br />
wenigstens die Zuordnung zum reinen Wirtschaftsgut<br />
zu verhin<strong>de</strong>rn. Ich hätte mir da mehr Unterstützung<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
Gesetzgebung<br />
sich so viele Kommissionsmitglie<strong>de</strong>r in einer Debatte<br />
austauschen und eine Einigung erzielen, die durchaus<br />
als verbindlich gesehen wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Dies wird uns helfen, <strong>de</strong>n so genannten Kultur-Mainstream<br />
besser zu erreichen. Aber das ist nicht nur Sache<br />
von Brüssel. Es muss mit allen involvierten Interessenvertretern<br />
eine gemeinsame Agenda gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
Tatsächlich verfolgen wir eine Strategie <strong>de</strong>r Stärkung.<br />
Wir wollen die Interessenvertreter stärken, die lokalen,<br />
die regionalen und die nationalen Instanzen.<br />
Um dies zu erreichen, müssen wir natürlich darin<br />
übereinkommen, was unsere Ziele sind. Ein Teil <strong>de</strong>r Mitgewünscht.<br />
Aber im Ergebnis ist<br />
es unter <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Ratspräsi<strong>de</strong>ntschaft<br />
gelungen, diese audiovisuellen<br />
Dienste, aber nur die Mediendienste, rechtlich<br />
als Wirtschafts- und Kulturgüter zu sichern. Für alle<br />
übrigen Dienste, die elektronisch übertragen wer<strong>de</strong>n,<br />
haben wir das nicht. Um ein paar Beispiele zu nennen:<br />
Online-Musik, Online-Content, zum Beispiel Spiele,<br />
aber auch alle an<strong>de</strong>ren Online-Inhalte, die nicht Medien<br />
in Sinne von Fernsehen sind, gelten als Wirtschaftsgut.<br />
Daher wer<strong>de</strong> ich all das, was die Kommission vorgeschlagen<br />
hat, unterstützen, aber gemeinsam mit meinen<br />
Kolleginnen und Kollegen alles daran setzen, dass<br />
wir für diese neuen Formen <strong>de</strong>r Kultur ebenfalls <strong>de</strong>n<br />
Schutz als Kulturgut schaffen. Das ist bis heute nicht<br />
gelungen und insofern hoffe ich, dass wir in Zukunft<br />
vielleicht auch über diese Fragen <strong>de</strong>r Kulturordnungspol<strong>iti</strong>k,<br />
wie ich sie, in Ergänzung zur Kulturför<strong>de</strong>rpol<strong>iti</strong>k,<br />
nennen wür<strong>de</strong>, stärker sprechen könnten.<br />
Schnei<strong>de</strong>r:<br />
Wenn es um das Urheberrecht geht, wer<strong>de</strong>n die<br />
Künstler natürlich sehr hellhörig. Frau Hieronymi hatte<br />
noch einmal <strong>de</strong>utlich gemacht, dass es wichtig ist, das<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
EU-Ebene<br />
Budget zu erhöhen, dass es aber<br />
auch darum geht, Strukturen zu<br />
schaffen.<br />
Herr Troussard, wenn Sie das <strong>de</strong>mnächst konkret<br />
bearbeiten, wo setzen Sie an? Wir haben bereits von<br />
an<strong>de</strong>ren Fonds und Projekten gehört, die in Europa Kultur<br />
för<strong>de</strong>rn. In Ihrer Generaldirektion steht es direkt an<br />
<strong>de</strong>r Tür, und <strong>de</strong>shalb wollen wir jetzt schon mal die Tür<br />
aufstoßen und sehen, woran Sie arbeiten. Was wird auf<br />
europäischer Ebene tatsächlich geför<strong>de</strong>rt?<br />
Troussard:<br />
Lassen Sie mich zunächst sagen, wie froh ich bin,<br />
heute bei Ihnen zu sein. Für mich ist es nicht bloß eine<br />
weitere Konferenz, son<strong>de</strong>rn eine echte Gelegenheit <strong>de</strong>r<br />
Kontaktaufnahme zu Kulturschaffen<strong>de</strong>n.<br />
Wenn wir verstehen wollen, was wir mit „Kommunikation<br />
als Prozess“ meinen, müssen wir auf <strong>de</strong>n Anfang<br />
zurückblicken. Jahrelang ist die Kultur, wie Gottfried<br />
Wagner gesagt hat, eine Ansammlung von Mantras<br />
gewesen - rhetorische Phrasen<br />
und wenig Geld. Wir haben<br />
nun vor, <strong>de</strong>n Status und auch<br />
die Vision von <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>r Kultur im europäischen<br />
Kontext zu verän<strong>de</strong>rn. In vielen Teilen unserer Verwaltung<br />
herrscht seit Jahren die Vorstellung, dass kulturelle<br />
Projekte und das Engagement <strong>de</strong>r Kulturschaffen<strong>de</strong>n lediglich<br />
kleine, teure und risikoreiche Unternehmungen<br />
hervorbringen. Das ist in einigen Bereichen unserer Verwaltung<br />
und in unseren pol<strong>iti</strong>schen Kreisen mit <strong>de</strong>r Zeit<br />
so etwas wie eine negative Grundannahme gewor<strong>de</strong>n.<br />
Hier liegt <strong>de</strong>r Ausgangspunkt. Jetzt ist es unsere Aufgabe,<br />
diese Betrachtungsweise von Kultur umzukehren<br />
und zu zeigen, dass Kultur nicht ein Luxus o<strong>de</strong>r eine<br />
finanzielle Belastung, son<strong>de</strong>rn eine Invest<strong>iti</strong>on ist. Das<br />
ist es, was wir mit <strong>de</strong>r Mitteilung GL erreichen wollen.<br />
Wir sollten nicht unterschätzen, welche Errungenschaft<br />
diese Mitteilung GL darstellt. Für die meisten von<br />
Ihnen mag das offensichtlich sein, aber ich kann Ihnen<br />
versichern, dass es innerhalb<br />
unserer eigenen Verwaltung<br />
bereits eine Leistung ist, dass<br />
Dialog zwischen<br />
Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />
teilung GL besteht darin, diese Ziele<br />
zu formulieren. Aber wir müssen mit<br />
Ihnen darüber diskutieren, so dass<br />
Europäische<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
EU-Ebene<br />
wir eine soli<strong>de</strong> gemeinsame Basis haben, was unsere<br />
Zielvorstellungen betrifft. Dann muss darüber nachgedacht<br />
wer<strong>de</strong>n, mit welchen Metho<strong>de</strong>n wir etwas erreichen<br />
wollen. Hier schlagen wir vor, im kulturellen Sektor<br />
Metho<strong>de</strong>n zu verwen<strong>de</strong>n, die sich auch in an<strong>de</strong>ren Bereichen<br />
wie beispielsweise Beschäftigung, Sozialschutz,<br />
Erziehung und Jugend als nützlich erwiesen haben. Wir<br />
nennen sie die „offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong>“ GL und<br />
betrachten sie als ein Mittel <strong>de</strong>r Stärkung.<br />
Worum geht es dabei? Zunächst einmal untermauert<br />
sie die Zielsetzung, da sie im Rat einstimmig angenommen<br />
wur<strong>de</strong>. Denn woran liegt es, dass es beispielsweise<br />
bei <strong>de</strong>r Entwicklung von Erziehungsrichtlinien eine große<br />
Anerkennung und ein Vorwärtskommen gibt? Warum<br />
ist bei vielen an<strong>de</strong>ren Richtlinien, die sich ebenfalls im<br />
Rahmen <strong>de</strong>r so genannten Subsidiarität GL befin<strong>de</strong>n, eine<br />
ähnliche Entwicklung zu verzeichnen? Es liegt weitgehend<br />
daran, dass in diesen Bereichen offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong>n<br />
GL eingeführt wur<strong>de</strong>n. Das stärkt die gemeinsamen<br />
Ziele auf europäischer Ebene. Im Rahmen<br />
einer offenen Koordinierungsmetho<strong>de</strong> GL zu arbeiten,<br />
wird <strong>de</strong>n Einfluss <strong>de</strong>r Kultusminister und <strong>de</strong>r Kulturschaffen<strong>de</strong>n<br />
in <strong>de</strong>n Städten und Regionen stärken.<br />
Diese Metho<strong>de</strong> ermöglicht es auch, das Know-How,<br />
Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />
49
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Kulturwirtschaft<br />
die Erfahrung, die besten Praktiken dort zu beför<strong>de</strong>rn,<br />
wo sie bereits existieren. Es geht nicht nur um <strong>de</strong>n<br />
Verwaltungsprozess. Es geht vor allem darum, voneinan<strong>de</strong>r<br />
zu lernen und die besten Erfahrungen zu teilen,<br />
auch auf lokaler o<strong>de</strong>r regionaler Ebene. Nur das<br />
macht es möglich, unsere Standards vorwärts zu bringen,<br />
die Sichtbarkeit und das Verständnis von Kultur<br />
als Invest<strong>iti</strong>on zu erhöhen. Und langfristig mag daraus<br />
auch erwachsen, was Deutschland sich erwartet. Wenn<br />
das Image <strong>de</strong>r Kultur verbessert wird, steigen möglicherweise<br />
auch die finanziellen<br />
Zuschüsse.<br />
Zwei weitere Punkte, die ich für<br />
Europäische<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
wichtig halte:<br />
Zunächst die Instrumentalisierung. Wir sagen nicht,<br />
dass die Kultur an<strong>de</strong>ren Zielsetzungen untergeordnet<br />
sein soll. Wer in <strong>de</strong>n darstellen<strong>de</strong>n Künsten kreative<br />
Errungenschaften anstrebt, tut das selbstverständlich,<br />
weil er an <strong>de</strong>n Wert <strong>de</strong>r Kunst an sich glaubt. Aber die<br />
Arbeit <strong>de</strong>r Kunstschaffen<strong>de</strong>n erfüllt gleichze<strong>iti</strong>g viele<br />
an<strong>de</strong>re Ziele, die auf nationaler wie auf europäischer<br />
Ebene bereits anerkannt sind. Warum sich nicht für die<br />
Ergebnisse interessieren? Um ein konkretes Beispiel zu<br />
nennen: In Großbritannien wur<strong>de</strong> kürzlich eine Erhebung<br />
zu Projekten gemacht, die von Strukturfonds GL<br />
unterstützt wur<strong>de</strong>n. Obwohl die „Kultur“ innerhalb<br />
<strong>de</strong>r Zielsetzung <strong>de</strong>r Fonds keinen Platz einnimmt,<br />
wur<strong>de</strong>n hun<strong>de</strong>rte von rein kreativen, kulturellen Projekten<br />
geför<strong>de</strong>rt, die auf ihre Weise einen Beitrag zu<br />
<strong>de</strong>n anerkannten Zielen <strong>de</strong>r Fonds leisteten. Was wir<br />
beabsichtigen, ist nicht eine Instrumentalisierung <strong>de</strong>r<br />
Kultur. Wir <strong>de</strong>nken aber, dass die Macht <strong>de</strong>r Kultur<br />
nur ver<strong>de</strong>utlicht wer<strong>de</strong>n kann, wenn wir sichtbar machen,<br />
welche Ergebnisse durch Invest<strong>iti</strong>onen entstehen<br />
können. Wer sich kulturell engagiert, för<strong>de</strong>rt auch<br />
sozialen Zusammenhalt, intellektuellen Dialog und<br />
wirkt bil<strong>de</strong>nd in Bezug auf Kreativität und intellektuelle<br />
Kompetenzen. Diese Dinge müssen wir zeigen<br />
und för<strong>de</strong>rn.<br />
Eine an<strong>de</strong>re Frage, die oft aufkommt, ist die Frage<br />
<strong>de</strong>r zeitlichen Planung. Wann sind die ersten Resultate<br />
dieser wun<strong>de</strong>rbaren offenen<br />
Koordinierungsmetho<strong>de</strong> GL zu erwarten?<br />
Ich <strong>de</strong>nke, dass wir in verschie-<br />
<strong>de</strong>nen Zeitrahmen arbeiten müssen. Wir stehen gera<strong>de</strong><br />
erst am Anfang. Der Austausch mit <strong>de</strong>m Kultursektor<br />
ist aber beispielsweise schon genutzt wor<strong>de</strong>n, um die<br />
Ausschreibung zum EU-Programm „Kultur <strong>2007</strong>“ zu<br />
mo<strong>de</strong>rnisieren. So wird es ab Juli dieses Jahres mehr<br />
Transparenz und mehr ressortbezogene Ausschreibungen<br />
geben. Wir arbeiten an <strong>de</strong>n Vorschlägen, die<br />
in <strong>de</strong>r Konferenz „europa.macht.kultur“ GL zum Thema<br />
Mobilität gemacht wor<strong>de</strong>n sind. Wir versuchen herauszufin<strong>de</strong>n,<br />
welche Metho<strong>de</strong> wir nutzen können, um hier<br />
ein Pilotprojekt zu implementieren. Wir haben in <strong>de</strong>r<br />
Mitteilung GL eine gewisse Zahl von Mitteln angekündigt,<br />
zum Beispiel im Rahmen <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rpol<strong>iti</strong>k, daher<br />
wird es kurzfristige Ergebnisse geben.<br />
Aber um ein langfristiges Ziel<br />
EU-För<strong>de</strong>rung<br />
zu för<strong>de</strong>rn, müssen wir uns um einige<br />
sehr viel technischere Fragen kümmern. Die Mobilitätsfrage<br />
beispielsweise ist nicht nur eine finanzielle,<br />
son<strong>de</strong>rn auch eine Frage <strong>de</strong>r Rahmenbedingungen.<br />
Und hier kann die offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong> GL für<br />
die übergreifen<strong>de</strong> Organisation von z.B. Steuerabgaben<br />
und sozialen Sicherungssystemen auf europäischer<br />
und nationaler Ebene sorgen, so dass wir für<br />
Kulturschaffen<strong>de</strong> ein besseres Umfeld schaffen können.<br />
Wir wer<strong>de</strong>n also einen Plan mit ganz unterschiedlichen<br />
Fristen haben. Ich wollte an dieser Stelle nur noch einmal<br />
die Stärke <strong>de</strong>s Prozesses betonen.<br />
Letzter Punkt: Natürlich können wir das nicht allein<br />
erreichen, auch nicht allein mit <strong>de</strong>n EU-Institutionen.<br />
Wir brauchen Sie dazu auf <strong>de</strong>r Bühne, und das ist ein<br />
weiteres Element unserer Mitteilung GL : <strong>de</strong>r Dialog mit<br />
<strong>de</strong>m Kulturbereich. Bisher fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Dialog mit <strong>de</strong>m<br />
kulturellen Sektor lediglich<br />
in unzureichen<strong>de</strong>m Maße<br />
und sehr aufgesplittert<br />
Dialog<br />
zw. Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />
statt, so dass die Stimme <strong>de</strong>r Kultur als vereinte Stimme<br />
schwer zu hören ist. Selbst die Stimmen einzelner<br />
Personen, die in Ihrem kreativen Sektor sehr stark sein<br />
mögen, sind allein unzureichend, also müssen wir zusammenarbeiten,<br />
um sie zu stärken. Die erste Möglichkeit<br />
für Sie, an diesem Prozess teilzunehmen und ihn zu<br />
formen, ist das Forum, das im September in Lissabon<br />
organisiert wird. Dort wer<strong>de</strong>n sowohl die Ziele als auch<br />
die Metho<strong>de</strong>n diskutiert wer<strong>de</strong>n, und die Ergebnisse<br />
wer<strong>de</strong>n dann <strong>de</strong>n Kultusministern vorgestellt. Einen<br />
Tag darauf wer<strong>de</strong>n wir die erste informelle Diskussion<br />
über die Mitteilung GL abhalten. Dies ist eine Einladung<br />
an Sie, an <strong>de</strong>r Debatte teilzunehmen und die Gelegenheit<br />
zu ergreifen, Ihre Ansichten und Erwartungen<br />
zu äußern.<br />
Schnei<strong>de</strong>r:<br />
Herr Troussard, vielen Dank. Sie haben gemerkt, Europa<br />
und insbeson<strong>de</strong>re die Diskussion um die europäische<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k, fin<strong>de</strong>t auf sehr verschie<strong>de</strong>nen Ebenen<br />
statt. Es ist auch eine sehr komplexe Gemengelage.<br />
Natürlich gehen Sie als Kunst- und Kulturschaffen<strong>de</strong><br />
völlig zu recht erst einmal davon aus, was Sie künstlerisch<br />
wollen und was Sie künstlerisch interessiert. Das<br />
muss im Mittelpunkt stehen und das sollte auch <strong>de</strong>n<br />
Pol<strong>iti</strong>kern <strong>de</strong>utlich gemacht wer<strong>de</strong>n. Es kann nicht sein,<br />
dass Programme o<strong>de</strong>r Strukturen in<strong>iti</strong>iert und pol<strong>iti</strong>sch<br />
betreut wer<strong>de</strong>n, die vielleicht an <strong>de</strong>r Praxis vollkommen<br />
vorbeigehen. Natürlich kann Kulturpol<strong>iti</strong>k auch<br />
so etwas wie eine Vision entwickeln, aber immer im<br />
Diskurs mit <strong>de</strong>n Künstlern und Kulturschaffen<strong>de</strong>n. Es<br />
gibt im Moment sehr viele In<strong>iti</strong>ativen, die auf <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten<br />
Ebenen in Europa versuchen, eben dieses<br />
Zusammenbringen von Kultur und Pol<strong>iti</strong>k zu ermöglichen,<br />
um Strukturen nicht nur anzupassen, son<strong>de</strong>rn<br />
auch perspektivisch zu gestalten. Europa fin<strong>de</strong>t nicht<br />
nur in <strong>de</strong>r Europäischen Union statt, das müssen wir<br />
beachten, wenn wir mit <strong>de</strong>n europäischen Gremien im<br />
Gespräch sind.<br />
50
Panel:<br />
„Hin<strong>de</strong>rnisse abbauen, För<strong>de</strong>rung ausbauen - Anfor<strong>de</strong>rungen an<br />
die Kulturpol<strong>iti</strong>k“<br />
Hans Heinrich Bethge (Berichterstatter <strong>de</strong>s Kulturausschusses<br />
<strong>de</strong>r KMK), Rolf Bolwin (Direktor Deutscher<br />
Bühnenverein), Cord Meier-Klodt (Auswärtiges Amt,<br />
Referatsleiter „Grundsatzfragen Kultur“), Dr. Gerhard<br />
Sabathil (Leiter <strong>de</strong>r Vertretung EU-Kommission in<br />
Deutschland), Daphne Tepper (European Forum for<br />
the Arts and Heritage, Brüssel)<br />
Mo<strong>de</strong>ration: Walter Heun (Joint Adventures, München)<br />
Heun:<br />
Wir wer<strong>de</strong>n jetzt in kürzester Zeit versuchen, die<br />
vielen Gedanken, die heute zum Thema Hin<strong>de</strong>rnisse<br />
abbauen, För<strong>de</strong>rung ausbauen geäußert wur<strong>de</strong>n, in<br />
ein halbwegs stringentes Anfor<strong>de</strong>rungsprofil an die<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k zu bekommen. Ich möchte eingangs gern<br />
Rolf Bolwin bitten, hier kurz die Ergebnisse <strong>de</strong>r Pearle*-<br />
Studie „Impediments to Mobility“ GL über Mobilität in<br />
Europa zu referieren.<br />
Bolwin:<br />
Wenn man sich die Studie von Richard Polácek ansieht,<br />
dann stellt man fest, dass sich die Hin<strong>de</strong>rnisse<br />
für europäisches Koproduzieren und <strong>de</strong>n Austausch<br />
von Produktionen auf verschie<strong>de</strong>ne<br />
Mobilität Rechtsgebiete verteilen. Das betrifft<br />
die Bereiche Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht,<br />
Aufenthaltsrecht, Arbeitsrecht und<br />
<strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Urheberrechte.<br />
Ich möchte an dieser Stelle nicht weiter ins Detail<br />
gehen, aber ich glaube, es ist allen bewusst, dass es<br />
in diesen Bereichen erhebliche Schwierigkeiten gibt.<br />
Diese wur<strong>de</strong>n bereits in verschie<strong>de</strong>nen Papieren, in<br />
<strong>de</strong>nen von Richard Polácek, aber auch in Papieren <strong>de</strong>r<br />
europäischen Union, aufgezeigt. Für mich ist daher die<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Frage: Warum tut sich eigentlich nichts?<br />
Wenn man mit Pol<strong>iti</strong>kern über diese Probleme spricht,<br />
dann ist die erste Antwort: Schreiben sie mir das doch<br />
mal bitte auf. Und dann sagt man: Das haben wir<br />
schon zehn Mal aufgeschrieben. Wir können es auch<br />
noch ein elftes Mal aufschreiben, aber dadurch wird es<br />
auch nicht besser.<br />
O<strong>de</strong>r man veranstaltet Konferenzen wie diese und<br />
wir diskutieren alle über die Probleme und vielleicht<br />
auch noch darüber, wie wir sie individuell in einem Theater,<br />
für eine Gruppe von Künstlern lösen können. Aber<br />
keiner <strong>de</strong>nkt darüber nach, wie wir das Gesamtproblem<br />
endlich aus <strong>de</strong>r Welt schaffen können, damit wir mit<br />
<strong>de</strong>m, was künstlerisch geschieht, beweglicher wer<strong>de</strong>n.<br />
Ich unterstütze ausdrücklich, was Nele Hertling vorhin<br />
sagte: Es sind die Künste und die Künstler, die sich ihr<br />
Feld in Europa erobern müssen. Und ich wer<strong>de</strong> z. B. in<br />
Diskussionen über För<strong>de</strong>rungen nicht mü<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Union zu sagen: Es ist schön, dass es Netzwerke<br />
gibt, aber das Geld, das in <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />
für Kunst und Kultur zur Verfügung steht – es ist ja<br />
ohnehin nicht so viel - sollte vor allem <strong>de</strong>n Künsten zu<br />
Gute kommen. Es sind die Künste, die das Geld brauchen<br />
und nicht die Netzwerke, die immer wie<strong>de</strong>r neu<br />
entstehen. Und um die Diskussion hier ein wenig anzuheizen,<br />
will ich jetzt kurz skizzieren, was man machen<br />
könnte, um einige dieser Probleme zu lösen.<br />
Wir könnten erstens sagen: Je<strong>de</strong>r Künstler wählt<br />
selbst einen Standort in <strong>de</strong>r europäischen Union, wo er<br />
sich überwiegend aufhält. Dort zahlt er seine Steuern<br />
und seine Sozialversicherungen. In an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn<br />
Europas zahlt er diese nicht mehr.<br />
Zweitens: Je<strong>de</strong> Produktion hat einen Standort, wo<br />
sie entsteht. Dort bekommt <strong>de</strong>r Produzent seine Urheberrechte.<br />
Damit kann er dann durch die gesamte<br />
Europäische Union reisen und muss sich nicht in <strong>de</strong>n<br />
Län<strong>de</strong>rn, in <strong>de</strong>nen er die Produktion zeigen will, die Urheberrechte<br />
je<strong>de</strong>s Mal neu besorgen.<br />
Und drittens: Ein Künstler, <strong>de</strong>r nicht aus Europa<br />
kommt, jedoch in einem Land <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />
das Aufenthaltsrecht und eine Arbeitserlaubnis hat,<br />
kann mit einer Produktion ohne irgendwelche Hin<strong>de</strong>rnisse<br />
durch ganz Europa reisen. Er braucht keine zusätzlichen<br />
Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse in an<strong>de</strong>ren<br />
Län<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Europäischen Union.<br />
Das ist ein relativ einfaches Programm. Ich weiß,<br />
dass die Umsetzung kompliziert ist, aber ich fin<strong>de</strong>, dass<br />
man anfangen muss, über solche Lösungen zu re<strong>de</strong>n<br />
und nachzu<strong>de</strong>nken, weil wir uns ansonsten immer wie<strong>de</strong>r<br />
in <strong>de</strong>n kleinen Verästelungen <strong>de</strong>s Alltags verirren<br />
und nichts zu Stan<strong>de</strong> bringen. Ich bin <strong>de</strong>r Überzeugung,<br />
dass die Lösungen bisher daran scheiterten, dass<br />
alle letzten En<strong>de</strong>s nach einer Lösung suchten, die genauso<br />
kompliziert ist, wie das, was ohnehin schon existiert.<br />
Und damit kommen wir keinen Schritt weiter. Ich<br />
möchte, dass wir zu einer Diskussion kommen, in <strong>de</strong>r<br />
die Pol<strong>iti</strong>k endlich sagt: Jawohl, wir sehen die Probleme<br />
und wir möchten sie lösen. Und ich glaube, das ist auch<br />
das Anliegen von Pearle*. GL<br />
Heun:<br />
Das scheint mir ein zün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Gedanke zu sein. Haben<br />
Sie Vorschläge, wie das konkret umzusetzen ist?<br />
Bolwin:<br />
Die habe ich natürlich erst mal nicht, weil es selbstverständlich<br />
kompliziert ist. Aber ich glaube, wir müssen<br />
in einen Dialog darüber treten. Was nützt mir eine<br />
Europäische Konferenz, bei <strong>de</strong>r teilweise Spitzenpol<strong>iti</strong>ker<br />
<strong>de</strong>r Europäischen Union auftauchen, bei <strong>de</strong>r aber<br />
über nichts an<strong>de</strong>res gere<strong>de</strong>t wird als darüber, wie<br />
schön Kunst und Kultur ist. Das fin<strong>de</strong> ich ganz toll, aber<br />
unter <strong>de</strong>n real existieren<strong>de</strong>n Arbeitsbedingungen von<br />
Künstlern in diesem Europa nützt das wenig, allenfalls,<br />
dass wir uns ernst genommen fühlen, weil die Europäische<br />
Union sagt: Ja, Kunst und Kultur ist Klasse. Aber<br />
wer sagt das nicht. Es geht jetzt aber um ein konkretes<br />
Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />
51
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Arbeiten. Und ich glaube, wir müssen damit anfangen,<br />
die Europäische Union und <strong>de</strong>ren Spitzenvertreter mit<br />
diesen konkreten Fragen zu konfrontieren. Dieser Konfrontation<br />
weicht sie nämlich aus und vermei<strong>de</strong>t dadurch,<br />
dass die Probleme, die in <strong>de</strong>r Tat kompliziert<br />
sind, gelöst wer<strong>de</strong>n.<br />
Heun:<br />
Frage an Daphne Tepper: Was kann das European<br />
Forum for Arts and Heritage GL tun, um solche Gedanken<br />
auf europäischer Ebene mit voranzutreiben?<br />
Tepper:<br />
Ich bin sehr froh, hier dabei sein zu können, um all<br />
die Wünsche, Probleme und Streitfragen zu hören, die<br />
heute diskutiert wor<strong>de</strong>n sind. So viele For<strong>de</strong>rungen sind<br />
formuliert wor<strong>de</strong>n: ein EU-Mobilitätsfonds für junge<br />
Künstler, die Bese<strong>iti</strong>gung <strong>de</strong>r Mobilitätshin<strong>de</strong>rnisse,<br />
Dialog zwischen<br />
Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />
die Entwicklung einer neuen<br />
Kommunikation, um <strong>de</strong>n Dialog<br />
zwischen <strong>de</strong>r Kulturpo-<br />
l<strong>iti</strong>k auf EU-Ebene und <strong>de</strong>n Kulturschaffen<strong>de</strong>n zu verbessern,<br />
mehr Transparenz, eine höhere Effizienz <strong>de</strong>s<br />
Kulturprogramms <strong>de</strong>r Kommission und eine beständige<br />
finanzielle Unterstützung <strong>de</strong>r Netzwerke und<br />
Projekte. Sicherlich vergesse ich viele For<strong>de</strong>rungen, die<br />
darüber hinaus formuliert wor<strong>de</strong>n sind.<br />
Wenn man sich die Prozesse und die Verteilung <strong>de</strong>r<br />
Kompetenzen in <strong>de</strong>r EU ansieht, stellt man fest, dass es<br />
nicht leicht ist, die richtigen Ansprechpartner für die verschie<strong>de</strong>nen<br />
Themengebiete herauszufin<strong>de</strong>n. All die hier<br />
formulierten Probleme wer<strong>de</strong>n von unterschiedlichen EU-<br />
Institutionen behan<strong>de</strong>lt. Die Generaldirektion Bildung und<br />
Kultur ist ein Ansprechpartner, aber es gibt noch verschie<strong>de</strong>ne<br />
an<strong>de</strong>re; es gibt eine Generaldirektion Beschäftigung<br />
etc. Einige Problembereiche wer<strong>de</strong>n am effizientesten<br />
<strong>de</strong>m Parlament vorgelegt, an<strong>de</strong>re <strong>de</strong>m Rat. Es ist komplex<br />
und schwierig, bestimmte For<strong>de</strong>rungen voranzubringen<br />
und konkrete Resultate zu erzielen.<br />
Am European Forum for the Arts and Heritage GL verfolgen<br />
wir all diese Problemfel<strong>de</strong>r genau. Wir versuchen,<br />
sowohl Informationen als auch For<strong>de</strong>rungen und Bedürfnisse<br />
<strong>de</strong>s Kultursektors zu sammeln und dieses<br />
Wissen dann in In<strong>iti</strong>ativen und Kampagnen einfließen<br />
zu lassen, die die Dinge hoffentlich voranbringen und<br />
zu konkreten Resultaten in diesen Bereichen führen.<br />
Die Mitteilung zur Kulturagenda GL , die die Kommission<br />
gera<strong>de</strong> veröffentlicht hat, spricht viele dieser komplizierten<br />
Fragen und Probleme an. Es ist ein wichtiges<br />
Dokument, weil es das erste ist, in <strong>de</strong>m die Europäische<br />
Kommission GL eine echte Strategie für <strong>de</strong>n Kulturbereich<br />
auf EU-Ebene vorschlägt. Diese Strategie ist im<br />
kulturellen Sektor bereits zum Teil diskutiert wor<strong>de</strong>n,<br />
sie wird nun im Europäischen Parlament und mit <strong>de</strong>n<br />
Kultusministerien <strong>de</strong>battiert. Und hoffentlich wer<strong>de</strong>n<br />
dann einige <strong>de</strong>r Empfehlungen im November vom Kulturrat<br />
verabschie<strong>de</strong>t. Die Mitteilung ist ein ehrgeiziges<br />
Dokument. Wir wissen, dass sie das vor <strong>de</strong>r Abstimmung<br />
innerhalb <strong>de</strong>r Kommission noch sehr viel mehr<br />
war. Dennoch bleibt sie ein ehrgeiziges Dokument mit<br />
einem großen Potenzial, einige <strong>de</strong>r sehr technischen<br />
Probleme, etwa im Bereich Mobilität o<strong>de</strong>r auch <strong>de</strong>n<br />
Status <strong>de</strong>r Künstler betreffend, voranzubringen. Mit<br />
<strong>de</strong>r offenen Koordinierungsmetho<strong>de</strong> GL könnte das in<br />
Angriff genommen wer<strong>de</strong>n.<br />
Das Dokument ist zu<strong>de</strong>m wichtig, weil es einen Absatz<br />
enthält, <strong>de</strong>r sich auf <strong>de</strong>n Dialog mit <strong>de</strong>m kulturellen<br />
Sektor bezieht. Ich glaube, dass die Netzwerke,<br />
Plattformen und Vermittler, die genau wissen, wie<br />
Brüssel funktioniert und die <strong>de</strong>n zeitlichen Ablauf<br />
kennen, sehr wichtig sind. Es sind Leute, die auch <strong>de</strong>n<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />
Netzwerke<br />
breiteren pol<strong>iti</strong>schen Kontext kennen,<br />
<strong>de</strong>r erklärt, warum die Europäische<br />
Kommission GL und das Europäische<br />
Parlament GL dieses Dokument genau zum jetzigen<br />
Zeitpunkt verabschie<strong>de</strong>n. Diese Leute bün<strong>de</strong>ln Kräfte,<br />
um <strong>de</strong>n Kulturbereich zu informieren. Sie koordinieren<br />
In<strong>iti</strong>ativen, die möglicherweise auf unterschiedlichen<br />
Ebenen stattfin<strong>de</strong>n und die nicht automatisch <strong>de</strong>n richtigen<br />
Moment o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Einfluss <strong>de</strong>r richtigen Person<br />
nutzen wür<strong>de</strong>n.<br />
Woran wir in EFAH GL in letzter Zeit gearbeitet haben<br />
und auch weiter arbeiten wer<strong>de</strong>n, ist eine Zusammenarbeit<br />
mit <strong>de</strong>r Europäischen Kommission, um Dialogprozesse<br />
mit <strong>de</strong>m kulturellen Sektor zu entwickeln,<br />
die über bloße Absprachen hinaus gehen. Das wür<strong>de</strong><br />
be<strong>de</strong>uten, dass wir einmal alle zwei Jahre ein großes<br />
Treffen einberufen, um Sie in Bezug auf spezielle Fragen<br />
zu konsultieren, Ihre Meinung einzuholen und Ihre Ziele<br />
zu erfragen, über die man sich an<strong>de</strong>rswo auf pol<strong>iti</strong>scher<br />
Ebene oft hinwegsetzt. Die Dialogprozesse sollen auch<br />
weiter gehen als nur die Interessen <strong>de</strong>r Mitgliedsstaaten<br />
zu koordinieren. Wir streben einen Prozess echter<br />
Mitwirkung an, bei <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />
Dialog zwischen<br />
Kulturbereich ein klares Mitspracherecht<br />
hat und<br />
Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />
die<br />
Sprecher genau bestimmt sind, so dass man weiß,<br />
wen man bei welchen Fragen zu Rate ziehen muss. Einen<br />
Prozess, bei <strong>de</strong>m sich auch die Kulturschaffen<strong>de</strong>n<br />
rechtze<strong>iti</strong>g in die Entwicklung einer Richtlinie einklinken<br />
können. Es ist sehr wichtig, <strong>de</strong>n kulturellen Sektor<br />
bereits im Moment <strong>de</strong>s Experimentierens, <strong>de</strong>r Diskussion<br />
und <strong>de</strong>r Debatte einzubin<strong>de</strong>n, ganz zu Beginn <strong>de</strong>r<br />
Entwicklung einer Richtlinie. Das ist ein wichtiger Moment.<br />
Erst wenn diese Prozesse <strong>de</strong>r Absprache und <strong>de</strong>r<br />
Mitarbeit klar <strong>de</strong>finiert und von <strong>de</strong>n Institutionen, <strong>de</strong>n<br />
Mitgliedsstaaten und <strong>de</strong>m Europäischen Parlament bestätigt<br />
wor<strong>de</strong>n sind, wenn alle zusammen auf eine klar<br />
<strong>de</strong>finierte Strategie hinarbeiten, gibt es eine Chance,<br />
diese unterschiedlichen Problembereiche mittel- und<br />
langfristig zu lösen. Vielen Dank.<br />
Heun:<br />
Herzlichen Dank. Das war eine wun<strong>de</strong>rbare Zusammenfassung<br />
<strong>de</strong>r Möglichkeiten, die die EFAH GL hat.<br />
Aber mir ist es noch zu wenig auf <strong>de</strong>n konkreten Fall<br />
abgestimmt. Herr Bolwin hat geschil<strong>de</strong>rt, dass die arbeits-<br />
und Visa-rechtliche Situation mit <strong>de</strong>r Sozialversicherungsfrage<br />
sowie <strong>de</strong>m Steuer- und Urheberrecht<br />
zusammenspielt. Das ist eine sehr komplexe Angelegenheit,<br />
wegen <strong>de</strong>r man auf <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten<br />
Ebenen die Ministerien bzw. Gesetzgeber ansprechen<br />
müsste. Im Prinzip sind diese Fragen fast nicht lösbar,<br />
weil sie für alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen<br />
Bereiche gelten müssten. Wäre ein eigenes EU-Kunstrecht<br />
eventuell ein Weg in die richtige Richtung? Ein<br />
52
Recht, wo die Kunst explizit von Notwendigkeiten freigestellt<br />
wird, die für an<strong>de</strong>re Wirtschaftsbereiche gelten?<br />
Herr Sabathil, wie ist Ihre Haltung dazu?<br />
Sabathil:<br />
Ich habe mich in <strong>de</strong>n letzten Tagen sehr viel mit pol<strong>iti</strong>scher<br />
Kultur beschäftigt, allerdings im Zusammenhang<br />
mit <strong>de</strong>r Gipfelkonferenz und <strong>de</strong>n Lösungen, die<br />
man da gefun<strong>de</strong>n hat. Es ist auf diesem Gipfel nicht<br />
immer kulturell sehr hochstehend zugegangen, das haben<br />
sie vielleicht auch gemerkt. Insofern ist es für mich<br />
ein Aha-Erlebnis nun bei Ihnen zu sein und die praktischen<br />
Probleme, die uns bekannt sind, in <strong>de</strong>r Breite<br />
präsentiert zu bekommen. Sie sagen ganz richtig, dass<br />
es sich um Probleme han<strong>de</strong>lt, die nicht einem Bereich<br />
allein zugehörig sind. Das Steuerrecht zu än<strong>de</strong>rn ist<br />
z.B. nur einstimmig möglich, und da gibt es eine ganze<br />
Latte von Maßnahmen, die immer wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m<br />
Programm je<strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>ntschaft stehen. Fortschritte<br />
stellen sich jedoch nur sehr langsam ein. Der letzte EU-<br />
Gipfel hat eine beson<strong>de</strong>re Reserve eingebaut, damit die<br />
Kommission und die Europäische Union nicht zu sehr<br />
in <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r sozialversicherungsrechtlichen Bedingungen<br />
<strong>de</strong>r Mitgliedsstaaten eingreifen. Wir haben<br />
einige Erscheinungen feststellen müssen, die nicht unbedingt<br />
mit <strong>de</strong>n Hoffnungen und Erwartungen zusammenhängen,<br />
die hier gera<strong>de</strong> geäußert wur<strong>de</strong>n. Es wird<br />
im Gegenteil versucht, Dinge wie<strong>de</strong>r etwas zurückzudrehen.<br />
Ich sage Ihnen einfach mal ganz offen, wie<br />
Wirklichkeit und Erwartungen nebeneinan<strong>de</strong>r stehen.<br />
Ich bedanke mich sehr, dass Sie das Thema <strong>de</strong>r Kulturagenda<br />
GL schon eingeführt haben. Da ist in <strong>de</strong>r Tat<br />
ein Satz drin, <strong>de</strong>r ganz konkret besagt: Wir wollen alles<br />
tun, um die Verbesserung <strong>de</strong>r Mobilität <strong>de</strong>r Kunstschaffen<strong>de</strong>n<br />
in Europa herbeizuführen.<br />
Ich glaube aber, man wird das<br />
Mobilität nicht erreichen, in<strong>de</strong>m man eine<br />
eigene Kulturpol<strong>iti</strong>k für diese Dinge<br />
schafft, son<strong>de</strong>rn es kann nur, so ist die europäische<br />
Gemeinschaft gestrickt, ein Ausfluss allgemeiner Regelungen<br />
sein. Und da sind wir auf <strong>de</strong>m Weg und viel ist<br />
bereits geschehen. Die Kommission hat auf Grund <strong>de</strong>r<br />
Kulturagenda GL zu einem verstärkten Dialog mit <strong>de</strong>n<br />
Kulturschaffen<strong>de</strong>n aufgerufen. Sie hat einen ganzen<br />
Fragenkatalog an die Betroffenen gerichtet. Wir la<strong>de</strong>n<br />
Sie zur Zeit alle ein, aufzuschreiben, welche Probleme<br />
Sie beschäftigen, damit das konkret nie<strong>de</strong>rgelegt wird,<br />
damit <strong>de</strong>r Kulturkommissar und auch alle an<strong>de</strong>ren,<br />
Kultur ist ein Querschnittsthema, sich dieser Dinge annehmen.<br />
Aber ich kann Ihnen keine schnelle Lösung<br />
versprechen.<br />
Im Gegenteil, die Kommission, die Europäische<br />
Union han<strong>de</strong>lt im Bereich <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>k immer<br />
aus einer Art Defensive heraus, weil Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
eben nicht primär Gemeinschaftspol<strong>iti</strong>k ist. Es gibt<br />
zu viele Mitgliedsstaaten, Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r und an<strong>de</strong>re,<br />
die sagen, dass die europäische Ebene mit Ausnahme<br />
ganz allgemeiner Regelungen, die sich z.B. auf Freizügigkeit<br />
beziehen, bitte die Finger davon lassen soll. Daher<br />
war <strong>de</strong>r Kultursektor auch nicht immer <strong>de</strong>r primäre<br />
Bereich. An<strong>de</strong>re Sektoren hat man wegen ihrer Größe<br />
und Be<strong>de</strong>utung bei <strong>de</strong>r Bese<strong>iti</strong>gung von Barrieren für<br />
wichtiger gehalten. Das soll sich nach Möglichkeit mit<br />
<strong>de</strong>r Kulturagenda GL än<strong>de</strong>rn. Die Kommission will ein<br />
Kulturforum für einen besseren Dialog mit <strong>de</strong>n wirktet<br />
wer<strong>de</strong>n, nehmen eher die Kulturpol<strong>iti</strong>ker als die<br />
lich Betroffenen einrichten. Ich<br />
stimme Ihnen zu, an <strong>de</strong>n großen<br />
Konferenzen, die veranstal-<br />
Dialog zwischen<br />
Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />
Kulturschaffen<strong>de</strong>n teil. Es ist ein Problem <strong>de</strong>r Kommunikation<br />
zwischen Pol<strong>iti</strong>k und Kultur, nicht nur im europäischen<br />
Rahmen. Wir sprechen über Kultur, sind<br />
aber mit <strong>de</strong>n Betroffenen zu wenig im Gespräch.<br />
Abgesehen von <strong>de</strong>n allgemeinen Regelungen, die für<br />
alle Wirtschaftssektoren gelten, stehen wir doch relativ<br />
am Anfang. Einige Dinge wur<strong>de</strong>n zwar vorangetrieben,<br />
meine Kollegen haben die Probleme auch erkannt, aber<br />
aufgrund <strong>de</strong>r Breite und <strong>de</strong>r Spezifität dieser Probleme<br />
sind Lösungsvorschläge noch in relativ weiter Ferne. Ich<br />
kann Sie daher nur ermuntern, im Rahmen <strong>de</strong>r Konsultationen,<br />
und ich wer<strong>de</strong> das von mir aus auch tun, die<br />
Dinge in Brüssel noch konkreter auf <strong>de</strong>n Tisch zu legen.<br />
Ich glaube, ein Grund für das langsame Vorankommen<br />
ist die Tatsache, dass die Kultur an sich keine<br />
homogene Lobby hat. Das ist kein Vorwurf. Das ist<br />
ganz einfach eine Feststellung. Aus eigener Erfahrung<br />
weiß ich, dass sich v.a. in <strong>de</strong>n Bereichen etwas bewegt,<br />
in <strong>de</strong>nen starke Kräfte dahinterstehen.<br />
Ich kann sie daher nur aufrufen, alles, was hier besprochen<br />
wur<strong>de</strong>, nach Brüssel weiterzutragen, um es<br />
auch dort zum Thema zu machen. Es braucht dann<br />
Zeit, viele Kompromisse und Konsultationen, um<br />
beispielsweise in einer Frage nur zum Steuerrecht o<strong>de</strong>r<br />
in <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r Freizügigkeit <strong>de</strong>r angebotenen Dienstleistungen<br />
zu einer Lösung zu kommen.<br />
Heun:<br />
Ich bin noch nicht ganz zufrie<strong>de</strong>n mit dieser Aussage.<br />
Das klingt ein bisschen so, wie Herr Bolwin das<br />
schon befürchtet hat. Jetzt sollen wir noch einmal das<br />
leisten, was die „Impediments to Mobility“ GL bereits<br />
geleistet hat. Es gibt schon ein Dokument dazu. Das<br />
ist auf breitester Ebene ausführlich recherchiert wor<strong>de</strong>n<br />
und liegt auch schriftlich vor. Die Kulturpol<strong>iti</strong>k ist, wie<br />
sie es gera<strong>de</strong> formuliert haben, bereit, ein Gespräch<br />
aufzunehmen und hat erkannt, dass es ein komplexes<br />
Feld ist, das nicht von heute auf morgen gelöst wer<strong>de</strong>n<br />
kann. Dieser gordische Knoten ist nicht so schnell zu<br />
durchschlagen. Muss sich die Pol<strong>iti</strong>k, wenn sie in so einer<br />
Situation ist, nicht trotz<strong>de</strong>m gemüßigt fühlen, auch<br />
mittelfristige Lösungen aufzuzeigen? Wie kann man in<br />
<strong>de</strong>r momentan bestehen<strong>de</strong>n Situation mittelfristige Angebote<br />
schaffen, um die Schwierigkeiten, die für Künstler<br />
in ganz Europa bestehen, zu lin<strong>de</strong>rn? Ich habe vor<br />
Jahren ein Gespräch mit meinem Steuerberater zu genau<br />
diesen Fragen gehabt. Er hat am Schluss einen sehr<br />
sinnvollen Satz gesagt, <strong>de</strong>r etwa so lautete: Ein Künstler<br />
hat in <strong>de</strong>m Moment, wo er nicht mehr allein arbeitet,<br />
son<strong>de</strong>rn noch eine zweite Person hinzuzieht, sämtliche<br />
Pflichten eines freien Unternehmers im Wirtschaftbereich<br />
zu erfüllen. Das Einzige, was er nicht hat, ist die<br />
Gewinnchance. Denn in <strong>de</strong>m Moment, wo er Gewinn<br />
macht, muss er diesen an die öffentlichen Geldgeber<br />
zurückzahlen. Die Frage wäre also wirklich: Was kann<br />
man auf EU-Ebene anbieten, um für Künstler diese Mobilitätseinschränkung<br />
zu lin<strong>de</strong>rn?<br />
Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />
53
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
EU-För<strong>de</strong>rung<br />
Son<strong>de</strong>rregelung für Künstler<br />
Bolwin:<br />
Darf ich dazu noch eine kurze Bemerkung machen?<br />
Es ist vorhin so selbstverständlich gesagt wor<strong>de</strong>n,<br />
dass es keine Son<strong>de</strong>rregelung<br />
für Künstler geben<br />
wird. Das muss ein Vertreter<br />
<strong>de</strong>r europäischen Kommission natürlich auch sagen.<br />
Aber ich fin<strong>de</strong>, dass wir das nicht akzeptieren dürfen.<br />
Wir müssen klipp und klar sagen, dass die Künste in<br />
Europa eine beson<strong>de</strong>re Rolle spielen und dass daraus<br />
auch ein beson<strong>de</strong>res Problem erwächst. Die Kunstschaffen<strong>de</strong>n<br />
sind in einer Weise miteinan<strong>de</strong>r vernetzt<br />
und produzieren <strong>de</strong>rart grenzüberschreitend, wie es<br />
das in an<strong>de</strong>ren Branchen gar nicht gibt. Und <strong>de</strong>swegen<br />
müssen wir sehr wohl unseren Wunsch artikulieren,<br />
dass wir eine Son<strong>de</strong>rregelung für die Künste<br />
wollen. Denn ansonsten kommen wir keinen Schritt<br />
weiter. Wir brauchen uns doch nichts vorzumachen.<br />
Kein Mensch wird diese komplizierten Probleme, die<br />
wir hier nur ansatzweise diskutiert haben, gleichze<strong>iti</strong>g<br />
für die Metallindustrie, für die Druckindustrie, für<br />
<strong>de</strong>n gesamten Bereich <strong>de</strong>r Filmindustrie und dann<br />
noch für die darstellen<strong>de</strong>n Künste lösen. Ich glaube,<br />
dann können wir es vergessen. Man muss sich<br />
darüber im Klaren sein, dass das, was Nele Hertling<br />
sagte die Künste seien <strong>de</strong>r Motor Europas dann einfach<br />
nicht funktionieren wird. Auch mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k<br />
muss man darüber eine grundsätzliche Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
führen, ob das jetzt gewünscht ist o<strong>de</strong>r<br />
nicht. Wenn es gewünscht ist, dann haben wir das<br />
Recht auf einen Son<strong>de</strong>rstatus. Und wenn wir einen<br />
Son<strong>de</strong>rstatus haben, dann brauchen wir auch beson<strong>de</strong>re<br />
Regelungen.<br />
Heun:<br />
Wollen Sie noch einen Satz dazu sagen?<br />
Sabathil:<br />
Ich bin sicher, dass Ihr Dokument in Brüssel bekannt<br />
ist und dass es auf die Agenda, die ausgearbeitet wur<strong>de</strong>,<br />
Einfluss hatte. Ich warne trotz<strong>de</strong>m vor zu hohen<br />
Erwartungen. Ich weiß aus meiner langjährigen Praxis,<br />
dass die Kohleindustrie, die Optiker, die Apotheker und<br />
die Schiffbauer auch alle einen Son<strong>de</strong>rstatus haben<br />
wollen. Ich möchte Sie nicht ausbremsen. Ich möchte<br />
Sie auch nicht mit <strong>de</strong>r Kohleindustrie und <strong>de</strong>n Apothekern<br />
vergleichen, aber es ist sicher ein Problem, einen<br />
Son<strong>de</strong>rstatus einzufor<strong>de</strong>rn. Das ist ein Thema, an das<br />
man in Brüssel gewöhnt ist. Auf diesem Gebiet wur<strong>de</strong><br />
schon sehr viel versucht, was dann doch nicht zum Erfolg<br />
geführt hat.<br />
Die allgemeinen Regelungen sind an sich schon<br />
schwierig. Daher erfor<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rstatus eine doppelte<br />
Argumentation. Ich kann Ihnen da im Moment<br />
keine Hoffnungen machen, aber ich <strong>de</strong>nke, es ist eine<br />
Gelegenheit. Wir haben zur Zeit einen Kommissar, <strong>de</strong>r<br />
beson<strong>de</strong>rs auf diesem engen Gebiet tätig ist. Sie wissen,<br />
wie groß die Kommission gewor<strong>de</strong>n ist. Vielleicht<br />
wer<strong>de</strong>n die Aussichten so besser. Aber die allgemeine<br />
Situation ist, was Sozialversicherungsrecht, Steuerrecht<br />
usw. betrifft, nicht gera<strong>de</strong> so, dass die Mitgliedsstaaten<br />
all <strong>de</strong>n speziellen Wünschen Tor und Tür öffnen wür<strong>de</strong>n.<br />
Wir diskutieren seit fünf, sechs Jahren über Ausnahmeregelungen<br />
für Restaurants in <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>s<br />
Mehrwertsteuersatzes. Das ist nur ein ganz konkretes<br />
Beispiel.<br />
Heun:<br />
Ich <strong>de</strong>nke, Sie spüren das Unwohlsein im Auditorium,<br />
wenn Kunst und Kultur mit bestimmten Wirtschaftszweigen<br />
auf ein Level gebracht wer<strong>de</strong>n. Ich interpretiere<br />
das gera<strong>de</strong> so. Denn wir hatten heute bereits<br />
einen relativen Konsens darüber, dass Kunst und Kultur<br />
so etwas wie das Gegenprogramm zur Ökonomisierung<br />
<strong>de</strong>r Gesellschaft sind. Und vielleicht leg<strong>iti</strong>miert das<br />
dann doch einen Son<strong>de</strong>rstatus.<br />
Aber ich begrüße es, dass sie die Offenheit haben,<br />
uns zu sagen, wie schwierig dieser Weg ist.<br />
Ich möchte jetzt noch mal auf die <strong>de</strong>utsche Situation<br />
zu sprechen kommen. Wir befin<strong>de</strong>n uns in einem<br />
Umfeld, wo es ganz starke Mobilitätseinschränkungen<br />
gibt. Wir haben von Martin Berg vom Goethe-Institut GL<br />
gehört, dass die Mittel <strong>de</strong>s Goethe-Instituts GL mittlerweile<br />
so stark gekürzt wur<strong>de</strong>n, dass es sich seinerseits<br />
um Drittmittel bemühen muss, um Projekte durchführen<br />
zu können. Da die Frage an Herrn Meier-Klodt: Wie<br />
sehen Sie die Situation? Ist es tatsächlich realistisch,<br />
dass <strong>de</strong>r Etat <strong>de</strong>s Goethe-Instituts GL<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
in <strong>de</strong>r heutigen Zeit wie<strong>de</strong>r nennenswert<br />
erhöht wird? Welche<br />
nationale Ebene<br />
zu-<br />
sätzlichen Strategien hat das Auswärtige Amt in seiner<br />
Aktionsplanung?<br />
Meier-Klodt:<br />
Es ist meiner Meinung nach nicht nur realistisch,<br />
son<strong>de</strong>rn in diesem Jahr bereits geschehen. Alle Anzeichen<br />
<strong>de</strong>uten darauf hin, dass es auch in diesem Trend<br />
weitergehen wird. Die Lage <strong>de</strong>r Mittlerorganisationen<br />
<strong>de</strong>r auswärtigen Kultur- und Bildungspol<strong>iti</strong>k hat sich<br />
über viele Jahre relativ kontinuierlich verschlechtert.<br />
Und das Stichwort <strong>de</strong>r Gegenmaßnahme ist hier gefallen:<br />
Pol<strong>iti</strong>sche Lobby. Das gilt aus meiner Sicht für ganz<br />
Europa. Erstmals in diesem ersten halben Jahr ist mit<br />
<strong>de</strong>r Mitteilung GL ein starkes Strategiepapier zum Thema<br />
Kultur in Europa verfasst wor<strong>de</strong>n. Im Rahmen unserer<br />
Präsi<strong>de</strong>ntschaft ist das Wort ‚Kultur’, wenn auch<br />
mit <strong>de</strong>m Zusatz Kulturwirtschaft bzw. Kreativwirtschaft,<br />
relativ häufig gefallen. Über diesen Komplex kann man<br />
vielleicht noch einmal getrennt sprechen. In einem<br />
Wort wür<strong>de</strong> ich sagen: Solange das kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />
Ziel im Vor<strong>de</strong>rgrund bleibt, ist es auch keine Schan<strong>de</strong>,<br />
wenn es im Zusammenhang mit an<strong>de</strong>ren Zielen<br />
genannt wird. Aber das ist, wie gesagt, ein an<strong>de</strong>res<br />
Thema.<br />
Und gleiches gilt eben auch für <strong>de</strong>n nationalen<br />
Bereich. Um hier noch einmal die Größenordnung in<br />
Erinnerung zu rufen: Schwerpunktmäßig wird Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
zunächst einmal in <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn gemacht. Das<br />
heißt, wenn wir gute <strong>de</strong>utsche auswärtige Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
machen, dann machen wir auch gute europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k,<br />
o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st stärken wir sie. Das umfasst<br />
generell die pol<strong>iti</strong>sche Aufmerksamkeit. Ohne jetzt hier<br />
pro domo re<strong>de</strong>n zu wollen, glaube ich, dass mit Außenminister<br />
Steinmeier, nach langer Zeit ein Minister<br />
das Auswärtige Amt leitet, <strong>de</strong>r die Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
pol<strong>iti</strong>sch ganz hoch hängt. Wir re<strong>de</strong>n seit Jahrzehnten<br />
54
von <strong>de</strong>r dritten Säule, ein Begriff, <strong>de</strong>n Willy Brandt geprägt<br />
hat. Richtig erfahrbar war das nicht immer. Das<br />
sage ich ganz selbstkr<strong>iti</strong>sch. Und das versucht dieser<br />
Minister gera<strong>de</strong> in Wort und Tat zu än<strong>de</strong>rn. Wir wollen<br />
konzeptionell mo<strong>de</strong>rn aufgestellt sein.<br />
Der eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re war im letzten Herbst vielleicht<br />
auf einer größeren Konferenz dazu, „Menschen<br />
bewegen“ GL haben wir sie genannt. Ein Bun<strong>de</strong>skanzler<br />
sagte mal: Wichtig ist, was hinten raus kommt. Darauf<br />
kommt es an. Was sind wir bereit dafür auszugeben?<br />
Und da hatten wir in diesem Jahr eine Trendwen<strong>de</strong>. Für<br />
uns waren das 20 Millionen. Jetzt kommt einer daher<br />
und sagt: Schau dir an<strong>de</strong>re Bereiche an. Da sind 20<br />
Millionen ein Pappenstil. Vor <strong>de</strong>m Hintergrund eines<br />
Rückgangs, <strong>de</strong>n wir über Jahre zu verzeichnen hatten,<br />
war das aber ein echter Erfolg. Es war ganz konkret<br />
das Geld, das wir brauchten, um das Netz <strong>de</strong>r Goethe-<br />
Institute GL zu stabilisieren. Es stand im Raum, <strong>de</strong>r eine<br />
o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re hat das sicher in <strong>de</strong>n Zeitungen verfolgen<br />
können, dass wir drastisch reduzieren müssen. Mit <strong>de</strong>r<br />
pol<strong>iti</strong>schen Lobby, persönlichem Einsatz und <strong>de</strong>m klaren<br />
Signal ist es gelungen, das zu verhin<strong>de</strong>rn.<br />
Ich will jetzt noch nicht vorgreifen, aber die Zeichen<br />
<strong>de</strong>uten darauf hin, dass wir mit weiteren In<strong>iti</strong>ativen,<br />
gera<strong>de</strong> im Bereich <strong>de</strong>r auswärtigen Kulturpol<strong>iti</strong>k,<br />
diesen Trend auch weiter verstetigen können.<br />
Insofern wäre meine Kernbotschaft in dieser Run<strong>de</strong>:<br />
Wenn wir die Aufmerksamkeit auf einen Bereich richten<br />
können, <strong>de</strong>r für uns im Rahmen unserer Außenpol<strong>iti</strong>k<br />
eine eminent pol<strong>iti</strong>sche Be<strong>de</strong>utung hat, das soll keine<br />
Verkennung <strong>de</strong>r kulturellen Arbeit und keine inhaltliche<br />
Steuerung sein, dann können wir diesen Bereich auch<br />
stärken. Wir wollen und wir müssen die Kultur stärker<br />
für unsere Ziele nutzen. Und wenn wir das tun,<br />
stärken wir sie damit auch. Das ist je<strong>de</strong>nfalls meine<br />
feste Überzeugung.<br />
Heun:<br />
Das ist schon mal eine erfreuliche Nachricht, vor<br />
allem für das Goethe-Institut GL .<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
EU- und nationale Ebene<br />
Meier-Klodt:<br />
Und an<strong>de</strong>re.<br />
Heun:<br />
Jetzt hat das Auswärtige Amt mit <strong>de</strong>m Goethe-Institut<br />
GL auch Erfahrungen darin sammeln können, wie es<br />
ist, eine unabhängige Institution zu unterstützen, die<br />
für die auswärtige Kulturför<strong>de</strong>rung und Aktion zuständig<br />
ist. Halten Sie es für vorstellbar, dass man auf europäischer<br />
Ebene eine Art europäisches Kulturinstitut ins<br />
Leben ruft, das als eigenständige Organisation neben<br />
<strong>de</strong>r europäischen Kommission ausschließlich die Aufgabe<br />
hat, die Mobilität in Europa zu för<strong>de</strong>rn?<br />
Meier-Klodt:<br />
Ich halte das für <strong>de</strong>nkbar. Ob es machbar, mit Partnern<br />
umsetzbar ist, kann ich jetzt ad hoc nicht beurteilen.<br />
Wir selber haben mit diesem zugegebenermaßen<br />
etwas spezifischen <strong>de</strong>utschen System gute Erfahrungen<br />
gemacht. Dieses System ist bedingt durch die<br />
Nachkriegszeit und <strong>de</strong>n Wunsch für immer zu verhin<strong>de</strong>rn,<br />
dass Kultur vor<strong>de</strong>rgründig für pol<strong>iti</strong>sche Ziele<br />
missbraucht wird. Dazu stehen wir bis heute. Keiner<br />
will dieses beson<strong>de</strong>re Verhältnis, das wir mit unseren<br />
Mittlerorganisationen haben, än<strong>de</strong>rn. Man muss sich<br />
in Europa allerdings nur ein wenig umgucken, um zu<br />
sehen, dass unsere Nachbarn es teilweise ganz an<strong>de</strong>rs<br />
machen.<br />
Der angelsächsische Ansatz mit public diplomacy,<br />
<strong>de</strong>n ich für gut und auch überzeugend halte, geht da<br />
einen an<strong>de</strong>ren Weg. Man muss sich nur die Konzeption<br />
<strong>de</strong>s Goethe-Instituts GL und die neue Konzeption <strong>de</strong>s<br />
Br<strong>iti</strong>sh Council GL vor Augen halten, und schon hat man<br />
eine wun<strong>de</strong>rbare, hoch spannen<strong>de</strong> Diskussion mit sehr<br />
unterschiedlichen Antworten. Deswegen möchte ich<br />
mir, so ad hoc gefragt, keine Prognose zutrauen.<br />
Heun:<br />
Noch einmal zurück zu Herrn Sabathil. Wo wür<strong>de</strong>n<br />
sie die zukünftige Rolle <strong>de</strong>r EU über die Fragen <strong>de</strong>s<br />
Subsidiaritätsprinzips GL hinaus<br />
sehen? Sie sagten vorhin,<br />
dass die Schwierigkeit in<br />
EU-Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
zentralen, kulturpol<strong>iti</strong>schen Fragen aktiv zu wer<strong>de</strong>n,<br />
für Sie letztendlich auch darin besteht, dass es immer<br />
wie<strong>de</strong>r Probleme mit <strong>de</strong>r Abgrenzung zur Län<strong>de</strong>rpol<strong>iti</strong>k<br />
gibt. Wo sehen Sie die zukünftige Rolle <strong>de</strong>r EU-<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k, und wo wird die kulturelle Kompetenz<br />
<strong>de</strong>r EU sein?<br />
Sabathil:<br />
Die Schwierigkeit ergibt sich zum großen Teil daraus,<br />
dass Kultur eben wirklich eine horizontale Pol<strong>iti</strong>k<br />
ist und dass bei aller Spezifität so viele Bereiche gleichze<strong>iti</strong>g<br />
angesprochen sind, die es schwierig machen,<br />
eine homogene, durch eine Lobby unterstützte Pol<strong>iti</strong>k<br />
hervorzubringen. Subsidiaritätsprinzip GL , das Stichwort<br />
ist gefallen. Das Subsidiaritätsprinzip GL wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>m<br />
Mandat für <strong>de</strong>n europäischen Reformvertrag, <strong>de</strong>r vorgestern<br />
beschlossen wur<strong>de</strong>, erheblich verstärkt. Es wird<br />
also in Zukunft mehr Subsidiarität GL geben. Es wird<br />
mehr Mitsprache <strong>de</strong>r nationalen Parlamente geben,<br />
was die Geschwindigkeit <strong>de</strong>ssen, wie Dinge wirklich<br />
voran gebracht wer<strong>de</strong>n können, sicher nicht erhöht.<br />
Zweitens: Sie wissen, dass <strong>de</strong>r Haushaltsrahmen<br />
<strong>de</strong>r Europäischen Kommission im kulturellen Bereich<br />
hinter <strong>de</strong>m zurückbleibt, was vielfach erwartet wur<strong>de</strong>.<br />
Und natürlich fällt es uns immer leichter, in Bereichen<br />
etwas voranzubringen, in <strong>de</strong>nen auch die Mittel dafür<br />
vorhan<strong>de</strong>n sind. Die finanziellen Mittel im kulturellen<br />
Bereich sind bekannt, sie liegen weit unter <strong>de</strong>m, was<br />
man for<strong>de</strong>rn kann. Die Möglichkeiten <strong>de</strong>r Kommission,<br />
Einflüsse auszuüben und regulativ tätig zu wer<strong>de</strong>n, sind<br />
natürlich eingeschränkt, wenn sie finanziell nichts dazu<br />
beizutragen hat. In unserer Kulturagenda GL ist <strong>de</strong>shalb<br />
vor sechs Wochen ganz <strong>de</strong>utlich aufgezeigt wor<strong>de</strong>n, wo<br />
die Schwerpunkte in <strong>de</strong>n drei Bereichen liegen. Erstens:<br />
die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Vielfalt und <strong>de</strong>s Austauschs – da<br />
fällt unser Thema darunter. Aber da gibt es eben nur<br />
eine subsidiäre Zuständigkeit, wenn sie nicht ganz horizontal<br />
auf die allgemeine Binnenmarktgesetzgebung,<br />
Freizügigkeit usw. ausgerichtet ist.<br />
Zweitens: Der Bereich <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>r Kultur im<br />
Rahmen <strong>de</strong>s Wirtschafts-, Innovations- und Krea-<br />
Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />
55
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
tivitätsprozesses; Kultur als eigenständiger Wirtschaftsfaktor<br />
mit seinem wachsen<strong>de</strong>n Anteil am Bruttosozialprodukt.<br />
Da können wir, finanziell zwar stark<br />
begrenzt, unterstützend eingreifen. Drittens: Die Rolle<br />
<strong>de</strong>r europäischen Kultur weltweit, <strong>de</strong>r Faktor <strong>de</strong>s interkulturellen<br />
Dialogs, <strong>de</strong>s Austauschs, die Rolle <strong>de</strong>r<br />
europäischen Kultur als Ganzes, über die Nationalkulturen<br />
hinaus, die Rolle im interkulturellen Dialog <strong>de</strong>r<br />
Kontinente - welche Beziehungen sie da auch immer<br />
ansprechen, ob das Asien, <strong>de</strong>r Islam o<strong>de</strong>r die Vereinigten<br />
Staaten sind. Ich muss Sie da fast benei<strong>de</strong>n. Die<br />
dritte Säule <strong>de</strong>r nationalen Außenpol<strong>iti</strong>k <strong>de</strong>r Kultur ist<br />
sicher höher und größer einzuschätzen als es die dritte<br />
Säule in <strong>de</strong>r europäischen Außenpol<strong>iti</strong>k ist. Da haben<br />
wir einen erheblichen Nachholbedarf, und da treffen<br />
dann zwei sensible Bereiche aufeinan<strong>de</strong>r: Kultur zum<br />
einen und Außenpol<strong>iti</strong>k als Domäne nationaler Souveränität<br />
zum an<strong>de</strong>ren. Wir kommen da in einen doppelten<br />
Engpass. Sie brauchen nur zu lesen, welche<br />
weiteren Fesseln und Einschränkungen die br<strong>iti</strong>sche Regierung<br />
für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspol<strong>iti</strong>k<br />
<strong>de</strong>r Europäischen Union in diesem Vertragsentwurf<br />
durchgesetzt hat. Wir müssen einfach die globale<br />
Entwicklung im Auge behalten. Wir müssen die aktuelle<br />
Diskussion zwischen <strong>de</strong>n Kulturen sehen. Und<br />
gleichze<strong>iti</strong>g tun wir uns beson<strong>de</strong>rs schwer damit,<br />
etwas gemeinsames Europäisches zu schaffen. Ich<br />
fän<strong>de</strong> es ganz außeror<strong>de</strong>ntlich nützlich und hilfreich,<br />
wenn die auswärtigen Kulturinstitute stärker zusammenarbeiten<br />
könnten - nicht nur die Institute <strong>de</strong>r 27<br />
Mitgliedsstaaten, son<strong>de</strong>rn auch die <strong>de</strong>r Drittlän<strong>de</strong>r. Da<br />
wur<strong>de</strong>n Anfänge gemacht, aber die gehen noch nicht<br />
weit genug. Was in <strong>de</strong>n Mitgliedsstaaten mit <strong>de</strong>n<br />
Netzwerken entstan<strong>de</strong>n ist, muss auch nach außen<br />
sehr viel stärker wer<strong>de</strong>n – selbst wenn es aufgrund<br />
<strong>de</strong>s Sprachenproblems sehr schnell an Grenzen stößt,<br />
weil dann natürlich sofort die Konkurrenz <strong>de</strong>r europäischen<br />
Kultur- und Sprachenpol<strong>iti</strong>k ansteht.<br />
Zu<strong>de</strong>m erscheint es mir ganz beson<strong>de</strong>rs wichtig,<br />
dass wir neben <strong>de</strong>n nationalen Auslandsrundfunkanstalten,<br />
die nur einige Län<strong>de</strong>r haben, das ist ein Luxus,<br />
<strong>de</strong>n sich nur die großen Län<strong>de</strong>r leisten können, auch<br />
einen europäischen Auslandsrundfunk haben. Gern<br />
auch in mehreren Sprachen. Wenn wir uns auf gemeinsame<br />
Sprachen einigen könnten, wären wir in <strong>de</strong>r Lage,<br />
das Angebot von Deutsche Welle, BBC International,<br />
Radio France International usw. zu erweitern. Aber da<br />
stoßen wir schon in Deutschland an die Grenzen <strong>de</strong>s<br />
Rundfunkfö<strong>de</strong>ralismus, <strong>de</strong>r es einfach verbietet, dass<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche öffentliche Rundfunk Beteiligungen an<br />
einer europäischen Fernseh- o<strong>de</strong>r Rundfunkstation eingeht.<br />
Da liegen die Probleme wirklich im Detail. Kultur<br />
ist eben etwas, das sehr prägend ist und gleichze<strong>iti</strong>g als<br />
Abgrenzungsbereich dient, bei <strong>de</strong>r Sprache angefangen.<br />
Daher gibt es durchaus auch Konkurrenz zwischen<br />
<strong>de</strong>n Kulturpol<strong>iti</strong>ken <strong>de</strong>r einzelnen Län<strong>de</strong>r im Hinblick<br />
auf ihre Interessen im Drittland o<strong>de</strong>r auch im europäischen<br />
Bereich.<br />
Heun:<br />
Herr Bethge, jetzt haben wir die spezifische <strong>de</strong>utsche<br />
Situation, die nun schon mehrfach angeführt wur<strong>de</strong>, besprochen.<br />
Haben Sie dadurch, dass die Kulturhoheit bei<br />
Ihnen liegt, nicht nur <strong>de</strong>n Gestaltungsspielraum, son<strong>de</strong>rn<br />
auch <strong>de</strong>n Schwarzen Peter <strong>de</strong>r Finanzierung? Welche<br />
Lösungsmöglichkeiten sehen Sie, um einige <strong>de</strong>r heute<br />
genannten Anliegen mit <strong>de</strong>r nötigen nachhaltigen För<strong>de</strong>rung<br />
zu unterstützen? Wir haben zum Bespiel zu hören<br />
bekommen, dass die Bun<strong>de</strong>skulturstiftung Projekte<br />
anregt und auf <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten Ebenen inhaltliche<br />
Stimuli in die Kunstszene gibt. Wenn das in Deutschland<br />
stattfin<strong>de</strong>t, stellt sich natürlich die Frage, welche Möglichkeiten<br />
einer nachhaltigen För<strong>de</strong>rung gibt es, nach<strong>de</strong>m<br />
so ein Projekt abgeschlossen wur<strong>de</strong>. Da sind dann<br />
wohl in erster Linie die Län<strong>de</strong>r gefragt. Außer<strong>de</strong>m möchte<br />
ich Sie bitten, auch aus Ihrer Erfahrung als Berichterstatter<br />
<strong>de</strong>s Kulturausschusses <strong>de</strong>r KMK GL heraus Ihre<br />
Perspektive auf Europa zu<br />
beschreiben.<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
nationale Ebene<br />
Bethge:<br />
Zunächst bin ich nur Berichterstatter für <strong>de</strong>n Bereich<br />
Theater. Ich wür<strong>de</strong> nicht sagen, dass die Län<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
Schwarzen Peter <strong>de</strong>r Finanzierung haben. Es ist nun<br />
trad<strong>iti</strong>onell in Deutschland so, dass Kultur Län<strong>de</strong>rsache<br />
ist. Die Län<strong>de</strong>r und auch die Kommunen för<strong>de</strong>rn<br />
auf vielfältige, wenn man es mit an<strong>de</strong>ren europäischen<br />
Län<strong>de</strong>rn vergleicht, auf ganz beeindrucken<strong>de</strong> Weise,<br />
die regionale Kultur. Auch wenn das Geld für die Kultur<br />
natürlich nie genug ist. Wir als Län<strong>de</strong>rgemeinschaft<br />
leiten daraus auch gewisse Mitspracherechte auf europäischer<br />
Ebene ab, gera<strong>de</strong> weil wir vor Ort die Kultureinrichtungen<br />
erhalten und entsprechen<strong>de</strong> an<strong>de</strong>re<br />
För<strong>de</strong>rprogramme durchsetzen. Das ist für uns auf europäischer<br />
Ebene häufig schwierig, <strong>de</strong>nn bis sich die 16<br />
Län<strong>de</strong>r auf eine Pos<strong>iti</strong>on verständigt haben, braucht es<br />
eine gewisse Zeit, die dann bei <strong>de</strong>n Abstimmungsprozessen<br />
lei<strong>de</strong>r häufig fehlt. Wenn man sich zum Beispiel<br />
die Kulturagenda GL ansieht, ist es natürlich wichtig zu<br />
fragen, wie sich die Län<strong>de</strong>r dazu verhalten. Wie wollen<br />
die Län<strong>de</strong>r das unterstützen, damit <strong>de</strong>r Vorstoß <strong>de</strong>r<br />
Kommission dann auch tatsächlich Erfolg hat und auch<br />
von Deutschland unterstützt wird? Da offenbart sich sicher<br />
auch eine Schwachstelle <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Systems.<br />
Wir fin<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r KMK GL nicht so schnell eine gemeinsame<br />
Stellungnahme. Statt<strong>de</strong>ssen müssen wir erst einmal<br />
kompliziert miteinan<strong>de</strong>r abstimmen. Die Län<strong>de</strong>r<br />
haben natürlich auch ganz unterschiedliche Ansätze,<br />
wie sie sich in Europa verstehen und wie weit sie diesen<br />
Prozess voranbringen wollen. Die Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r offenen<br />
Koordinierung GL ist hier gera<strong>de</strong> angesprochen wor<strong>de</strong>n.<br />
Es besteht bei <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn eine gewisse Zurückhaltung<br />
darüber, ob die Europäische Kommission auch<br />
im Kulturbereich eine erweiterte Regelungskompetenz<br />
bekommen soll. Wir glauben, dass aus Europa<br />
schon so viele Regelungen gekommen sind, dass es für<br />
<strong>de</strong>n Akzeptanzprozess in Europa nicht för<strong>de</strong>rlich ist, hier<br />
noch stärker reglementierend einzugreifen, so wichtig<br />
wir sonst die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Mobilität und <strong>de</strong>r stärkeren<br />
Zusammenarbeit auch sehen.<br />
Zu <strong>de</strong>n einzelnen För<strong>de</strong>rgesichtspunkten bei <strong>de</strong>r<br />
Bun<strong>de</strong>skulturstiftung: Wir konnten einige sehr schöne<br />
För<strong>de</strong>rprojekte mit <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>skulturstiftung in<strong>iti</strong>ieren.<br />
Das Problem ist, dass die Län<strong>de</strong>r das einerseits kofinanzieren<br />
und sich an<strong>de</strong>rerseits z.T. auch verpflichten<br />
müssen, nach Auslaufen <strong>de</strong>r Stiftungsgel<strong>de</strong>r das Projekt<br />
56
weiterzufinanzieren. Das hat anfangs Irritationen auf<br />
Seiten <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r hervorgerufen. Wir sind dann mit <strong>de</strong>r<br />
Bun<strong>de</strong>skulturstiftung ins Gespräch gekommen, um uns<br />
im Vorfeld schon besser abstimmen zu können. Aber<br />
man darf sich nichts vormachen. Diese Kofinanzierungen<br />
und diese Weiterfinanzierungen können nicht<br />
von Gel<strong>de</strong>rn bestritten wer<strong>de</strong>n, die wir als Kulturleute<br />
von außen auf unsere Budgets bekommen, son<strong>de</strong>rn<br />
das sind dann gewisse Setzungen, die wir gemeinsam<br />
mit <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>skulturstiftung in bestimmten För<strong>de</strong>rfel<strong>de</strong>rn<br />
vornehmen, die dann aber auch durch gewisse<br />
Umschichtungen <strong>de</strong>s Etats finanziert wer<strong>de</strong>n müssen.<br />
Das heißt, es muss dann auch zu Lasten an<strong>de</strong>rer För<strong>de</strong>rbereiche<br />
gehen. Wie lange das noch durchzuhalten<br />
ist, da die För<strong>de</strong>rprogramme zunehmen und auch in<br />
an<strong>de</strong>ren Bereichen neue För<strong>de</strong>rprogramme hinzukommen,<br />
wird man sehen. Ich glaube nicht, dass man auf<br />
Dauer durchhält, all diese Projekte die dann auch in<br />
<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn angeschoben wer<strong>de</strong>n, weiterzufinanzieren.<br />
Heun:<br />
In Deutschland sollten auf allen Ebenen <strong>de</strong>r öffentlichen<br />
Hand flexible Budgets geschaffen wer<strong>de</strong>n, um<br />
Kooperationen auf <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />
Levels - sei es national,<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
nationale Ebene<br />
europäisch o<strong>de</strong>r interkulturell<br />
– zu ermöglichen. Frage an die Vertreter <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen<br />
Systems: Halten Sie so etwas in <strong>de</strong>r heutigen Zeit für<br />
möglich und sinnvoll? Die Praxis hat lei<strong>de</strong>r gezeigt,<br />
dass je<strong>de</strong>r Topf, auf <strong>de</strong>m „flexibel“ steht, als erstes gestrichen<br />
wird, obwohl das eigentlich die heiligen Töpfe<br />
sein sollten, weil genau die Flexibilität die Spielräume<br />
für künstlerische Prozesse ermöglicht. Wie sehen Sie die<br />
Situation?<br />
Bolwin:<br />
Es ist immer gut, wenn es mehr Geld gibt, erst<br />
recht, wenn es für Kunst und Kultur ist. Wenn jemand<br />
einen solchen Topf auflegen möchte, kann man ihn<br />
nur dazu ermutigen, egal wo das geschieht, ob bei<br />
<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>n Kommunen, <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland und an<strong>de</strong>ren<br />
hier vertretenen Län<strong>de</strong>rn. Insofern halte ich es für<br />
eine gute Entwicklung, dass sich die Bun<strong>de</strong>skulturstiftung<br />
entschie<strong>de</strong>n hat, dauerhafte Partnerschaften zu<br />
för<strong>de</strong>rn. Es ist ausdrücklich auch von <strong>de</strong>n Theatern<br />
gefor<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n, dass wir einen Topf brauchen, <strong>de</strong>r<br />
es ermöglicht z.B. Theaterpersonal und Produktionen<br />
auszutauschen o<strong>de</strong>r auch mit Theatern zu produzieren,<br />
die ihren Standort in einem an<strong>de</strong>ren europäischen<br />
Land haben. Allein an dieser Entscheidung, die<br />
auch in Abstimmung mit uns zustan<strong>de</strong> gekommen<br />
ist, sieht man, dass es eine intensive Debatte über die<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />
Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />
Frage gibt, was wir jenseits dieser<br />
rechtlichen Rahmenbedingungen,<br />
über die wir eingangs<br />
diskutiert haben, für Europa<br />
<strong>de</strong>rungsmitteln, möglicherweise mit <strong>de</strong>m Ziel einer<br />
europäischen Komponente, zu machen. Denn auch<br />
mit <strong>de</strong>m Geld, das institutionell zur Verfügung steht,<br />
wird schon relativ viel gemacht. Da möchte ich Herrn<br />
Buroch auch ein klein wenig wi<strong>de</strong>rsprechen, <strong>de</strong>nn die<br />
Situation hat sich in <strong>de</strong>n letzten zehn Jahren komplett<br />
verän<strong>de</strong>rt. Be<strong>de</strong>nken Sie nur, dass selbst die Salzburger<br />
Festspiele kaum noch eine Produktion machen, an<br />
<strong>de</strong>r nicht auch konkrete Stadt- o<strong>de</strong>r Staatstheater in<br />
Deutschland o<strong>de</strong>r einem an<strong>de</strong>ren europäischen Land<br />
beteiligt sind. Daran sieht man schon, wie schnell sich<br />
das weiterentwickelt hat. Das wäre noch vor acht bis<br />
neun Jahren kaum <strong>de</strong>nkbar gewesen. Auch an<strong>de</strong>re Festivals<br />
gehen zu dieser Art <strong>de</strong>s gemeinsamen Produzierens<br />
über, und es ist ein sehr großer Vorteil, dass<br />
wir in <strong>de</strong>r BRD keine Diskussion mit einem Träger, ob<br />
Land o<strong>de</strong>r Kommune, darüber führen müssen. Na-<br />
tun können. Ich warne in Bezug auf das <strong>de</strong>utsche<br />
System davor, Gel<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r institutionellen För<strong>de</strong>rung,<br />
die es ja in Deutschland im großen Stil, vor<br />
allem für Stadt- und Staatstheater und viele freie<br />
Gruppen gibt, herauszuziehen und zu Projektförtürlich<br />
bleibt die Frage, wo<br />
kriegen wir das Geld her,<br />
aber zunächst einmal kann<br />
<strong>de</strong>r Theaterbetrieb mit <strong>de</strong>n<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
För<strong>de</strong>rrichtlinien vs.<br />
Freie För<strong>de</strong>rung<br />
institutionellen För<strong>de</strong>rmitteln, die ihm zur Verfügung<br />
stehen, selbst seine Zielrichtung formulieren. Der Vorteil<br />
ist darüber hinaus, dass die künstlerische Leitung<br />
<strong>de</strong>s jeweiligen Theaters die Frage entschei<strong>de</strong>t, was auf<br />
europäischer Ebene mit an<strong>de</strong>ren Theatern produziert<br />
wird. In an<strong>de</strong>ren Fällen ist es die Entscheidung <strong>de</strong>r<br />
pol<strong>iti</strong>schen Gremien, die das Geld für das Projekt zur<br />
Verfügung stellen. Darüber muss man mal einen Moment<br />
nach<strong>de</strong>nken. Die Künstler for<strong>de</strong>rn m.E. zu Recht,<br />
dass sie selbst entschei<strong>de</strong>n wollen, was sie europäisch<br />
produzieren und was nicht. Ich fin<strong>de</strong> nicht, dass man<br />
das immer nur kunstfernen Institutionen überlassen<br />
sollte, selbst wenn sie dafür Jurys o<strong>de</strong>r Entscheidungsgremien<br />
mit unterschiedlichen Leuten einrichten.<br />
Heun:<br />
Habe ich das richtig verstan<strong>de</strong>n, dass es jetzt für europäische<br />
Koproduktionen eine Form <strong>de</strong>r Kooperation<br />
zwischen <strong>de</strong>n Stadttheatern und <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>skulturstiftung<br />
gibt?<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
nationale Ebene<br />
Bolwin:<br />
Nein, die Bun<strong>de</strong>skulturstiftung hat einen Topf aufgemacht,<br />
mit <strong>de</strong>ssen Geld Kooperationen und Partnerschaften<br />
zwischen einem <strong>de</strong>utschen Theater und<br />
einem Theater im europäischen Ausland geför<strong>de</strong>rt<br />
wer<strong>de</strong>n können. Das beginnt dann mit <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>s Austauschs von Personal, ich mache es einmal an<br />
einem Beispiel vom Thalia Theater zur Comédie Francaise<br />
fest.<br />
Heun:<br />
Und die Bun<strong>de</strong>skulturstiftung wür<strong>de</strong> in diesem Fall<br />
die Mobilität <strong>de</strong>r Dramaturgen för<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r auch die<br />
Gehälter <strong>de</strong>r Dramaturgen?<br />
Bolwin:<br />
Erst einmal <strong>de</strong>n Austausch. So etwas ist mit zusätzlichen<br />
Kosten verbun<strong>de</strong>n. Es ist aber nur ein Beispiel. Sie<br />
könnte auch eine Koproduktion o<strong>de</strong>r eine Übersetzung<br />
för<strong>de</strong>rn. Sie haben vorhin von Sprachbarrieren gespro-<br />
Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />
57
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
chen, die ja dadurch überwun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Und es ist<br />
doch interessant, wenn ein Stück von, sagen wir Schimmelpfennig,<br />
an drei Theatern gleichze<strong>iti</strong>g gespielt wird<br />
– in Frankreich, England und Deutschland - als zeitgleihervorbringt.<br />
Ich bin übrigens nicht <strong>de</strong>r Auffassung,<br />
che Uraufführung, um in Europa<br />
EU-Kulturpol<strong>iti</strong>k einen Dialog darüber anzuregen,<br />
was neue dramatische Literatur<br />
dass es jetzt schon wie<strong>de</strong>r darum gehen soll, für die<br />
Darstellung europäischer Kultur im außereuropäischen<br />
Raum zu produzieren. Ich habe <strong>de</strong>n Eindruck,<br />
wir befin<strong>de</strong>n uns im Moment schon in einem Defizit innerhalb<br />
Europas. Gera<strong>de</strong> wenn Sie das Radio nennen,<br />
„Krisenradio“ ist so ein beliebter Begriff. Wir sen<strong>de</strong>n in<br />
pol<strong>iti</strong>sche Krisengebiete außerhalb Europas. Ich fin<strong>de</strong><br />
das alles richtig, aber das darf nicht dazu führen, dass<br />
wir <strong>de</strong>n innereuropäischen Kulturdialog vernachlässigen,<br />
was zu einem Teil geschieht. Es fühlt sich nämlich keiner<br />
mehr so richtig zuständig. Das Auswärtige Amt sagt,<br />
dass es keine richtige auswärtige Pol<strong>iti</strong>k mehr sei. Es sei<br />
europäische Pol<strong>iti</strong>k und Europa gehöre immer mehr zur<br />
Innenpol<strong>iti</strong>k. Und in Europa ist letztlich auch keiner da,<br />
<strong>de</strong>r das ersetzt, so dass die Frage auftaucht: Wer ist <strong>de</strong>nn<br />
jetzt eigentlich für <strong>de</strong>n europäischen Dialog zuständig?<br />
Die Auswärtigen Ämter, die Europäische Union o<strong>de</strong>r gibt<br />
es sonst irgendjeman<strong>de</strong>n? Ich glaube, wir sollten <strong>de</strong>n<br />
europäischen Dialog in <strong>de</strong>r ganzen Debatte darüber, inwieweit<br />
sich Europa im außereuropäischen Ausland mit<br />
seiner Kunst und Kultur präsentiert, nicht aus <strong>de</strong>n Augen<br />
verlieren.<br />
Heun:<br />
Ich möchte gern Daphne Tepper, die jetzt viel über<br />
die verschie<strong>de</strong>nen Ebenen <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
und ihr Verhältnis zu Europa sowie zu Strategien <strong>de</strong>r<br />
europäischen Kulturför<strong>de</strong>rung gehört hat, noch einmal<br />
zu Wort kommen lassen. Mich interessiert, wie Sie als<br />
jemand, <strong>de</strong>r von draußen kommt, diese Situation betrachten<br />
und ob Sie eine zün<strong>de</strong>n<strong>de</strong> I<strong>de</strong>e haben, wie<br />
wir <strong>de</strong>n Karren, <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Ebenen <strong>de</strong>r<br />
öffentlichen Kulturverwaltung parkt, in Gang kriegen<br />
können.<br />
Tepper:<br />
Ich weiß nicht, ob es wirklich meine Aufgabe ist,<br />
Ihnen zu sagen, was ich über die <strong>de</strong>utsche Situation<br />
<strong>de</strong>nke, die sehr komplex ist, so wie die Situation in an<strong>de</strong>ren<br />
Mitgliedsstaaten auch. Ich bin noch nicht einmal<br />
sicher, ob die Lösung darin besteht, auf EU-Ebene finanziell<br />
zu för<strong>de</strong>rn. Im kulturellen Bereich unterliegen<br />
die Verantwortlichkeiten <strong>de</strong>m Subsidiaritätsprinzip GL ,<br />
das müssen wir immer im Kopf behalten. Es han<strong>de</strong>lt<br />
sich um eine komplementäre, eine unterstützen<strong>de</strong> Verantwortlichkeit,<br />
obgleich das Subsidiaritätsprinzip GL<br />
überdacht wor<strong>de</strong>n ist. Es gibt auf EU-Ebene eine kulturelle<br />
Lobby, die nun schon seit Jahren dafür plädiert,<br />
das Thema ‚Kultur’ auf die europäische Tagesordnung<br />
zu setzen.<br />
Deshalb schlägt nun auch die Mitteilung zur Kulturagenda<br />
GL die offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong> GL vor,<br />
die das Subsidiaritätsprinzip GL zwar nicht umgeht, <strong>de</strong>r<br />
Europäischen Kommission, <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />
aber erlaubt, in einigen Bereichen <strong>de</strong>r kulturellen Richt-<br />
linien mitzumischen, was sonst auf strikt legaler Ebene<br />
nicht möglich wäre.<br />
Ich <strong>de</strong>nke, dass die offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong><br />
GL ein adäquates Mittel sein kann, um die<br />
unterschiedlichen Problemstellungen, die so spezifisch<br />
mit <strong>de</strong>r nationalen Situation und <strong>de</strong>m nationalen<br />
Rechtssystem zusammenhängen, anzugehen.<br />
Ich <strong>de</strong>nke hier etwa an <strong>de</strong>n sozialen Status <strong>de</strong>r Künstler<br />
o<strong>de</strong>r die Mobilitätsbeschränkungen.<br />
Es bleibt allerdings abzuwarten, wie Deutschland<br />
diesen Vorschlag aufnehmen wird, da Deutschland trad<strong>iti</strong>onell<br />
<strong>de</strong>r offenen Koordinierungsmetho<strong>de</strong> GL eher<br />
abgeneigt ist.<br />
Aber ich <strong>de</strong>nke, es ist die Aufgabe <strong>de</strong>r kulturellen<br />
Lobby und <strong>de</strong>r kulturellen Plattformen in Europa,<br />
dieses Pionierprojekt voranzubringen und Aktionen<br />
<strong>de</strong>r Mitgliedsstaaten auf EU-Level zu koordinieren.<br />
Und es ist die Aufgabe <strong>de</strong>r zivilgesellschaftlichen Organisationen<br />
sicherzustellen, dass mit <strong>de</strong>r offenen Koordinierungsmetho<strong>de</strong><br />
GL die richtigen Debatten geführt und<br />
die richtigen Probleme angegangen wer<strong>de</strong>n, damit all<br />
die sensiblen pol<strong>iti</strong>schen Themen, wie etwa <strong>de</strong>r Status<br />
<strong>de</strong>r Künstler, die üblicherweise nicht diskutiert wer<strong>de</strong>n,<br />
von <strong>de</strong>n Mitgliedsstaaten angesprochen wer<strong>de</strong>n. Das<br />
ist das Ziel <strong>de</strong>r offenen Koordinierungsmetho<strong>de</strong> GL .<br />
Ich <strong>de</strong>nke, es ist wirklich wichtig, dass Berichte veröffentlicht<br />
wer<strong>de</strong>n, die zeigen, dass es sich um eine<br />
transparente Metho<strong>de</strong> han<strong>de</strong>lt und dass die Akteure<br />
<strong>de</strong>r Zivilgesellschaft Gelegenheit haben, an diesem Prozess<br />
teilzunehmen und ihre eigenen Ziele zur Tagesordnung<br />
zu bringen.<br />
Heun:<br />
Mir ist schon vor Beginn <strong>de</strong>r Diskussion bewusst gewesen,<br />
dass es sehr komplex und schwierig sein wird,<br />
konkrete Lösungsvorschläge für die angesprochenen<br />
Themen zu entwickeln. Ich möchte jetzt gern das Panel<br />
für Ihre Fragen und Anregungen öffnen, die besprochenen<br />
Themenschwerpunkte in die Run<strong>de</strong> werfen und<br />
Sie auch gern auffor<strong>de</strong>rn, zün<strong>de</strong>n<strong>de</strong> I<strong>de</strong>en zu formulieren,<br />
wie wir <strong>de</strong>r Kultur in Deutschland und in Europa<br />
noch auf die Sprünge helfen können.<br />
Bertram Müller:<br />
Ich wür<strong>de</strong> gern ausführlicher darüber diskutieren,<br />
wie das Argument <strong>de</strong>r Kulturwirtschaft helfen kann,<br />
manche Probleme finanzieller Art zu lösen. Natürlich<br />
ist diese Argumentation kränkend und in je<strong>de</strong>r Hinsicht<br />
problematisch, aber sie ist sicher<br />
hilfreich, <strong>de</strong>r EU und <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k zu Kulturwirtschaft<br />
zeigen, wie unlogisch sie in ihrem<br />
Verfahren sind. Wir haben öfter gehört, dass Europa<br />
in <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r Globalisierung ein<br />
Alleinstellungsmerkmal ganz beson<strong>de</strong>rer Art hat: Es ist<br />
eine Kulturregion, und diese Kultur ist es, was Europa<br />
zu etwas Beson<strong>de</strong>rem macht. An<strong>de</strong>rerseits för<strong>de</strong>rt die<br />
EU, und das ist völlig unlogisch für ein wirtschaftliches<br />
Unternehmen, wie es die EU auch ist, dieses Alleinstellungsmerkmal<br />
nicht o<strong>de</strong>r nur in geringem Maße. Die<br />
Zahlen sind ein<strong>de</strong>utig. In Deutschland allein wer<strong>de</strong>n<br />
nur 7 Milliar<strong>de</strong>n Euro für Kulturför<strong>de</strong>rung ausgegeben,<br />
obwohl die Kulturindustrie 70 Milliar<strong>de</strong>n, die Kreativitätsindustrie<br />
180 Milliar<strong>de</strong>n erwirtschaftet. Das heißt,<br />
58
es wer<strong>de</strong>n höchstens 5 Prozent <strong>de</strong>s Wirtschaftszweiges<br />
investiert. Das ist wesentlich weniger als in <strong>de</strong>r Kohle-<br />
o<strong>de</strong>r Chemieindustrie. Wenn man sich nur für einen<br />
Moment auf diese wirtschaftliche Denke begibt, in <strong>de</strong>r<br />
Europa offenbar allein operiert, dann müsste Europa zu<br />
einer ganz an<strong>de</strong>ren Konsequenz kommen, wenn es im<br />
Wirtschaftskampf mit China etc. überleben will. Dann<br />
müsste es in die Kulturindustrie investieren, in die<br />
För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kreativität, in die schulische Bildung<br />
zur Kreativität. Denn dort wer<strong>de</strong>n die Individuen und<br />
die kreativen Menschen geformt, die unser wirtschaftliches<br />
Überleben sichern. Verzeihen Sie mir diese wirtschaftliche<br />
Argumentation, aber ich glaube, an<strong>de</strong>rs<br />
kommen wir nicht weiter. Und ich möchte von Ihnen<br />
wissen, welche Chancen – wir wissen, welche Gefahren<br />
– aber welche Chancen wir hätten, mir dieser Argumentation<br />
in Europa weiter zu kommen.<br />
Heun:<br />
An wen richtet sich die Frage konkret?<br />
Bertram Müller:<br />
An Herrn Sabathil speziell, aber sicher auch an an<strong>de</strong>re.<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
EU- o<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>rsache?<br />
Kulturagenda<br />
Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r offenen<br />
Koordinierung<br />
ordinierung GL , die in Deutschland<br />
auch in an<strong>de</strong>ren Bereichen<br />
etwas kr<strong>iti</strong>sch gesehen wird,<br />
auf offene Ohren stößt. Subsidiarität GL im kulturpol<strong>iti</strong>schen<br />
Bereich, vielleicht übertreibe ich etwas, ist<br />
ein Totschlag-Argument, weil es uns verbietet, das<br />
zu tun, was Experten vielfach für richtig halten. Und<br />
ich weiß gar nicht, ob ich Ihnen wünschen soll, dass<br />
<strong>de</strong>r Abstimmungsprozess zwischen <strong>de</strong>n 16 Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn<br />
schneller geht, weil wir so vielleicht mehr Möglichkeiten<br />
haben, etwas in Gang zu bringen, bevor <strong>de</strong>r<br />
Abstimmungsprozess zu En<strong>de</strong> ist. Wir haben <strong>de</strong>n Ball<br />
losgetreten und wollen nun im Ministerrat sehen, wie<br />
weit er rollt, wann er lan<strong>de</strong>t, ob<br />
die Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r offenen Koordinierung<br />
GL auf Gegenliebe<br />
stößt o<strong>de</strong>r ob wir damit rechnen<br />
müssen, in Formelkompromissen und nicht weiterführen<strong>de</strong>n<br />
Schlussfolgerungen stecken zu bleiben. Wir<br />
wer<strong>de</strong>n sehen, wie weit wir mit dieser anspruchsvollen<br />
Agenda, die ein Anfang ist, kommen. Es ist noch viel<br />
Detailarbeit zu leisten, und Deutschland bleibt auch<br />
nach <strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>ntschaft ein ganz entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />
Sabathil:<br />
Das betrifft <strong>de</strong>n zweiten Bereich <strong>de</strong>r Kulturagenda GL ,<br />
die ja vorher schon mehrfach angesprochen wur<strong>de</strong>.<br />
Wenn ich <strong>de</strong>n dritten Bereich beson<strong>de</strong>rs unterstrichen<br />
habe, dann <strong>de</strong>shalb, weil wir da ganz am Anfang stehen.<br />
Der Austausch zwischen Mitgliedsstaaten, Kultur<br />
als Bereich <strong>de</strong>r europäischen Pol<strong>iti</strong>k ist ja schon etwas<br />
älter, wir sind nicht mehr bei null, es gibt viel zu tun,<br />
aber im dritten Bereich liegen wir eben beson<strong>de</strong>rs zurück.<br />
Wir sprechen gar nicht von einer europäischen<br />
dritten Säule, von daher gibt es hier Nachholbedarf.<br />
Nun sind wir natürlich sehr gespannt, und die Antworten<br />
liegen jetzt beim Ministerrat unter portugiesischer<br />
Präsi<strong>de</strong>ntschaft, inwieweit diese Mitteilung GL auf<br />
Wi<strong>de</strong>rhall stößt, inwieweit die Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r offenen Koplayer.<br />
Kultur war bislang, die Bildungspol<strong>iti</strong>k ist ganz<br />
ähnlich gelagert, ein Bereich, in <strong>de</strong>m europäische Aktivitäten<br />
nicht beson<strong>de</strong>rs hoch geschätzt wur<strong>de</strong>n. Daher<br />
freue ich mich, wenn <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>saußenminister, <strong>de</strong>r,<br />
an<strong>de</strong>rs als sein Vorgänger, <strong>de</strong>m kulturpol<strong>iti</strong>schen Bereich<br />
doch einen sehr viel höheren Stellenwert zumisst,<br />
in <strong>de</strong>m Bereich auch die <strong>de</strong>utsche Pos<strong>iti</strong>on weitgehend<br />
bestimmen kann, wenn es zum Dialog zwischen <strong>de</strong>r<br />
Bun<strong>de</strong>s- und Lan<strong>de</strong>sebene kommt, damit das gemeinsame<br />
Europäische geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n kann. Die<br />
I<strong>de</strong>en sind soweit vorhan<strong>de</strong>n, jetzt kommt es auf die<br />
Umsetzung an.<br />
Wir haben ein Kulturforum<br />
vorgeschlagen, um <strong>de</strong>n Dialog<br />
Pol<strong>iti</strong>scher Dialog<br />
mit <strong>de</strong>n Betroffenen zu för<strong>de</strong>rn.<br />
Dialog Pol<strong>iti</strong>k - Künstler<br />
Ich wür<strong>de</strong> mir wünschen, dass die Pol<strong>iti</strong>k durch<br />
dieses Forum in <strong>de</strong>n Kulturschaffen<strong>de</strong>n einen stärkeren<br />
Partner hat, nicht nur auf nationaler, son<strong>de</strong>rn<br />
gera<strong>de</strong> auch auf europäischer Ebene. Das könnte helfen,<br />
die Rolle <strong>de</strong>r Kultur zu stärken und auf nationaler<br />
wie auf europäischer Ebene die Interessen <strong>de</strong>r Kulturschaffen<strong>de</strong>n<br />
mit einer solchen Vehemenz zu vertreten,<br />
dass wir zu Fortschritten kommen.<br />
Heun:<br />
Darf ich die Frage auch an Herrn Bethge weitergeben?<br />
Kulturwirtschaft<br />
Bethge:<br />
Ja, zur Kulturwirtschaft: Das ist ein Bereich, <strong>de</strong>r zur<br />
Zeit einen sehr hohen Stellenwert hat. Auch in <strong>de</strong>n<br />
Län<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong>n überall Kulturwirtschaftsberichte geschrieben.<br />
Von Kulturseite her wird das natürlich ganz<br />
bewusst getan, um Argumente gegenüber <strong>de</strong>n Geld<br />
geben<strong>de</strong>n Instanzen zu haben, die dann auch weitergehen<strong>de</strong><br />
Entscheidungen treffen. Diesen Instanzen will<br />
man damit aufzeigen, dass Kultur nicht nur ein „hübscher“<br />
Bereich ohne wirtschaftlichen Effekt ist. Das ist<br />
auf EU-Ebene, wo alle För<strong>de</strong>rprogramme unter <strong>de</strong>r<br />
Lissabon-Strategie GL stehen, sicher ähnlich, <strong>de</strong>nn mehr<br />
Wachstum be<strong>de</strong>utet auch mehr Beschäftigung. Und<br />
wenn man <strong>de</strong>utlich machen kann, inwieweit <strong>de</strong>r Kulturbereich<br />
hier einen Beitrag leistet, ist das sicher hilfreich.<br />
Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite birgt diese Argumentation,<br />
das hat man schon in <strong>de</strong>n 80er/90er Jahren gesehen,<br />
als man viel über Umwegrentabilität und solche Dinge<br />
gesprochen hat, auch die Gefahr, dass man Kultur<br />
nur noch unter diesem ökonomischen Aspekt sieht. Da<br />
muss man aufpassen, dass man diese Argumente nicht<br />
zu weit treibt und als ausschließlich gelten lässt. Es<br />
muss auch weiterhin die Eigenwertigkeit von Kunst und<br />
Kultur postuliert und als Argument gebraucht wer<strong>de</strong>n,<br />
<strong>de</strong>nn sonst geben wir wirklich etwas Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s<br />
auf.<br />
Heun:<br />
Ich wollte ganz kurz einen Zwischenruf zulassen.<br />
Kulturelle Vielfalt<br />
Publikum:<br />
Frau Hieronymi hat heute morgen sehr eindrucksvoll<br />
am Beispiel <strong>de</strong>r Fernsehrichtlinie GL und <strong>de</strong>r Nichtwürdigung<br />
an<strong>de</strong>rer digitaler Kunstausdrucksformen wie Mu-<br />
Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />
59
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
sik, die aus <strong>de</strong>m Internet zu la<strong>de</strong>n ist und die als Wirtschaftsgut,<br />
nicht aber als Kulturgut gelabelt ist, gezeigt,<br />
wie gefährlich das ist. Mich irr<strong>iti</strong>ert hier <strong>de</strong>r pos<strong>iti</strong>ve Bezug<br />
auf die cultural industries und die Kulturwirtschaft,<br />
<strong>de</strong>nn wir haben doch gera<strong>de</strong> einen zwei- o<strong>de</strong>r dreijährigen<br />
Prozess in Europa und in <strong>de</strong>r ganzen Welt durchlaufen,<br />
in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r cultural industries erstmalig<br />
von <strong>de</strong>r ganzen Welt einvernehmlich als Schreckgespenst<br />
in einem Adornoschen Sinne bestimmt wor<strong>de</strong>n<br />
ist und an <strong>de</strong>ssen En<strong>de</strong> die Konventionen über cultural<br />
diversity GL stan<strong>de</strong>n. Man beschloss daher, dass Kunst<br />
und Kultur von diesem Sektor auszunehmen seien. Von<br />
daher wun<strong>de</strong>rt mich dieser insgesamt pos<strong>iti</strong>ve Diskurs.<br />
Die aktuelle Diskussion in Europa und in <strong>de</strong>r Welt ist<br />
ja die, dass durch die drohen<strong>de</strong> Bolkensteinrichtlinie GL<br />
und durch GATS GL 90 % <strong>de</strong>r möglichen Schutzfunktionen<br />
<strong>de</strong>r cultural-diversity-Konventionen GL wie<strong>de</strong>r aufgehoben<br />
wer<strong>de</strong>n. Ich möchte daher wissen, wo Sie die<br />
größten Bedrohungen sehen und wie Sie auf EU-Ebene<br />
darauf reagieren, <strong>de</strong>nn das betrifft uns alle und zwar in<br />
einem Ausmaß, das selbst auf <strong>de</strong>m Podium vielen nicht<br />
klar zu sein scheint.<br />
Kulturwirtschaft<br />
Heun:<br />
Ich hatte Herrn Bethges Statement durchaus auch<br />
als kr<strong>iti</strong>sch aufgenommen. Herr Meier-Klodt, wollen Sie<br />
dazu in Ihrem Statement Bezug herstellen?<br />
Meier-Klodt:<br />
Ich wollte eigentlich noch ein paar pos<strong>iti</strong>ve Einwürfe<br />
zur Kulturwirtschaft machen und zwar aus zwei<br />
Grün<strong>de</strong>n. Wir wer<strong>de</strong>n am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Tages nicht daran<br />
gemessen, ob wir gute Kulturpol<strong>iti</strong>ker, son<strong>de</strong>rn ob wir<br />
gute Außenpol<strong>iti</strong>ker sind. Aber die auswärtige Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
kann dabei, wie ich meine, eine immer entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>re<br />
Rolle spielen. Vor diesem Hintergrund <strong>de</strong>nke<br />
ich, das das Konzept Kulturwirtschaft o<strong>de</strong>r creative industries<br />
o<strong>de</strong>r Kreativwirtschaft – das schil<strong>de</strong>rt auch immer<br />
so ein bisschen zwei Aspekte <strong>de</strong>n Blick auf neue<br />
Fel<strong>de</strong>r erweitert, die für unsere Ziele von Interesse<br />
sind. Es wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Welt noch nicht verstan<strong>de</strong>n, dass<br />
Deutschland auch mit Design o<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> punkten<br />
kann, nicht nur mit <strong>de</strong>n klassischen Sparten <strong>de</strong>r Kultur.<br />
Ich will jetzt nicht sagen, dass wir künftig nur noch<br />
mit Design glänzen wollen und nicht mehr mit Goethe<br />
und Schiller, aber dieses Konzept öffnet <strong>de</strong>n Blick. Es<br />
geht in einigen Defin<strong>iti</strong>onen sehr weit, bis hin zur digitalen<br />
Spieleindustrie. Da kann man sicher irgendwo<br />
die Reißleine ziehen und sagen, bis hierhin und nicht<br />
weiter, aber mit <strong>de</strong>m Konzept ist die Diskussion auch<br />
auf mo<strong>de</strong>rne Fel<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kultur eröffnet wor<strong>de</strong>n.<br />
Der zweite Punkt ist, dass Kulturarbeit eben auch<br />
pos<strong>iti</strong>ve Implikationen für die Wirtschaft haben<br />
kann. Aber hier wür<strong>de</strong> ich es genauso wie Herr Bethge<br />
formulieren, in dieser Reihenfolge. Wenn Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
nur noch danach bewertet wird, wie sehr sie zum Bruttosozialprodukt<br />
beiträgt, dann ist das ein völliges Missverständnis.<br />
Aber dass Kultur zum Bruttosozialprodukt<br />
beiträgt, kann nur hilfreich sein. All diese Konferenzen,<br />
die wir im Rahmen unserer Präsi<strong>de</strong>ntschaft veranstaltet<br />
haben, und auch die informellen Kreise, wo man mit<br />
Partnern <strong>de</strong>r Wirtschaft, <strong>de</strong>r Stiftungen und <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft<br />
zusammenkam, spiegelten v.a. eins wi<strong>de</strong>r: Je<strong>de</strong>r<br />
hat verstan<strong>de</strong>n, dass Kulturarbeit heute nicht mehr<br />
nur im kleinen Kreis gemacht wer<strong>de</strong>n kann. Ein Ministerium<br />
mit seinen Mittlern zum Beispiel ist viel zu eng<br />
gesehen. Der Blick muss geweitet wer<strong>de</strong>n. Und aus dieser<br />
Perspektive sind solche Konzepte möglicherweise<br />
hilfreich, weil sie gemeinsame Schnittstellen verschie<strong>de</strong>ner<br />
Bereiche aufzeigen, die miteinan<strong>de</strong>r kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />
Ziele verfolgen sollten.<br />
Das sind aus meiner Sicht zwei Pos<strong>iti</strong>v-Argumente,<br />
mit <strong>de</strong>m Bereich entspannt umzugehen und die Sollbruchstelle<br />
genau da darzustellen, wo die Ziele in die<br />
falsche Reihenfolge gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
EU-För<strong>de</strong>rung<br />
Kreativwirtschaft<br />
Publikum:<br />
Die Rahmenbedingungen sind nun einmal so, dass<br />
nur die Bereiche, die von <strong>de</strong>r Konvention erfasst wur<strong>de</strong>n,<br />
davon ausgenommen sind, als ausschließliche<br />
Wirtschaftsgüter <strong>de</strong>finiert zu wer<strong>de</strong>n. Das heißt, die gesamte<br />
EU-För<strong>de</strong>rpol<strong>iti</strong>k, dass wir überhaupt Kunst för<strong>de</strong>rn<br />
dürfen, beruht darauf, dass sie als Kunst <strong>de</strong>finiert<br />
ist. Das ist eine Son<strong>de</strong>rregelung, sonst wäre es Wettbewerbsverzerrung.<br />
Darum geht es doch. All die an<strong>de</strong>ren<br />
Bereiche, wie zum Beispiel die digitalen Musiklabels,<br />
sind nicht davon erfasst. Das ist doch eine große Bedrohung.<br />
Das gesamte europäische För<strong>de</strong>rsystem stand in<br />
Frage.<br />
Kulturwirtschaft<br />
Heun:<br />
Die Frage ist doch die, um das noch einmal zuzuspitzen,<br />
ob wir mit <strong>de</strong>r Argumentation um <strong>de</strong>n kulturwirtschaftlichen<br />
Faktor unserer Kunst nicht eine Welle<br />
auslösen, auf <strong>de</strong>r wir surfen, aber von <strong>de</strong>r wir dann womöglich<br />
auch verschluckt wer<strong>de</strong>n.<br />
Bolwin:<br />
Ich fin<strong>de</strong>, man muss das sauber abgrenzen. Eigentlich<br />
habe ich mit <strong>de</strong>m Wort Kulturwirtschaft kein so<br />
großes Problem, weil es ohne diesen Wirtschaftsfaktor<br />
ohnehin nicht geht. Die gesamte Buchindustrie ist ein<br />
Wirtschaftsbetrieb, und kein Mensch kommt auf die<br />
I<strong>de</strong>e, dass das Schreiben von Büchern mit Kunst nichts<br />
mehr zu tun hat. O<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bereich <strong>de</strong>r Filmindustrie<br />
ist zu einem großen Teil von wirtschaftlichen Faktoren<br />
bestimmt. Trotz<strong>de</strong>m wissen wir, dass in diesen ganzen<br />
Kulturwirtschaftsbereichen auch ein künstlerischer Kern<br />
steckt. Ich fin<strong>de</strong> es sehr bemerkenswert, dass Sie jetzt<br />
in Ihrem zweiten Statement diesen Begriff wie<strong>de</strong>r in die<br />
Debatte eingeführt haben. Es muss in <strong>de</strong>r Diskussion<br />
über För<strong>de</strong>rungsbedingungen <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />
ausdrücklich klar sein, dass es sich um Künste han<strong>de</strong>lt,<br />
weil ansonsten die Gefahr besteht, dass das als Wirtschaft<br />
angesehen wird und damit in das Wettbewerbsrecht<br />
rutscht. Da ist nicht die Kulturwirtschaft, son<strong>de</strong>rn<br />
bereits die Kultur, ein problematischer Begriff. Der ist<br />
mittlerweile so weit gefasst, dass man überhaupt keine<br />
Grenze mehr ziehen kann. Deswegen haben wir in sämtlichen<br />
Argumentationen, auch in <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
zum Thema Konvention zur Kulturellen Vielfalt GL ,<br />
immer gesagt: Was wir schützen müssen, und was auf<br />
60
je<strong>de</strong>n Fall öffentlich geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n darf, ist <strong>de</strong>r Kernbereich<br />
<strong>de</strong>ssen, was da im kulturellen Leben stattfin<strong>de</strong>t.<br />
Das sind die Künste. Und da gibt es, meiner Ansicht<br />
nach, auch überhaupt kein Problem. In <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Union und auch bei cultural diversity GL ist heftig<br />
darüber diskutiert wor<strong>de</strong>n, was eine Dienstleistung ist.<br />
Ich habe schon immer gesagt: Der Künstler, <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r<br />
Bühne steht und probt, wird öffentlich geför<strong>de</strong>rt. Dafür<br />
gibt es das öffentliche Geld. Das hat aber mit Kulturwirtschaft<br />
o<strong>de</strong>r mit Wirtschaft überhaupt nichts zu tun.<br />
Das ist auch gar keine Dienstleistung. Das ist das Produzieren<br />
von Kunst. Der gesamte Dienstleistungsbereich<br />
beginnt erst in <strong>de</strong>m Moment, wenn man das fertige<br />
Kunstprodukt in einen Wirtschaftskreislauf einbringt.<br />
Und das geschieht manchmal in einer sehr viel stärker<br />
von wirtschaftlichen Interessen bestimmten Weise,<br />
wie z.B. in großen Teilen <strong>de</strong>s Buchgeschäftes o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Filmindustrie, o<strong>de</strong>r es geschieht in weniger stark von<br />
wirtschaftlichen Interessen bestimmten Bereichen, wie<br />
etwa im Theater, wo gar nicht die Möglichkeiten bestehen,<br />
wirtschaftliche Erfolge zu erzielen. Die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Aufgabe für uns ist, <strong>de</strong>utlich zu machen, welche<br />
Rolle die Künste im gesamten Kulturbetrieb spielen, um<br />
sie auch weiterhin aus <strong>de</strong>m allgemeinen Wettbewerbs<strong>de</strong>nken<br />
heraushalten zu können.<br />
De Vlieg:<br />
Ich möchte zwei kurze Kommentare anbringen, einen<br />
zu Europa und einen zu Deutschland, weil ich fin<strong>de</strong>,<br />
dass Sie Daphne vorhin in eine sehr unangenehme<br />
Lage gebracht haben.<br />
EU-Pol<strong>iti</strong>k vs.<br />
Län<strong>de</strong>rpol<strong>iti</strong>k<br />
Mein erster Punkt betrifft<br />
Europa. Von Beginn <strong>de</strong>s Panels<br />
an sagten alle, Europa<br />
solle dies o<strong>de</strong>r jenes tun. Das stört mich sehr. Nicht<br />
Europa ist das Problem – die Mitgliedsstaaten selbst<br />
sind es. Europa - wie auch immer wir es <strong>de</strong>finieren -<br />
hat sich in fast allen Fällen sehr bemüht. Das Europäische<br />
Parlament GL versucht beispielsweise mit Hilfe <strong>de</strong>r<br />
Kampagne „70 Cents für die Kultur“ GL das Budget für<br />
die Kultur zu erhöhen. Aber wer blockiert das? Es sind<br />
unsere Finanzminister, unsere Landwirtschaftsminister,<br />
unsere Verteidigungsminister. Sie sind diejenigen, die<br />
festlegen, wie hoch das Kulturbudget ist, nicht Europa.<br />
Wir müssen auf unsere eigenen Län<strong>de</strong>r schauen,<br />
müssen realistisch sein und herausfin<strong>de</strong>n, wer in <strong>de</strong>r<br />
pol<strong>iti</strong>schen Lobby blockiert und was wir dagegen<br />
tun können.<br />
Mein zweiter Kommentar bezieht sich auf Deutschland<br />
– falls ich es wagen darf, mich zu <strong>de</strong>m sehr komplizierten<br />
<strong>de</strong>utschen System zu äußern. Ich bin selbst<br />
Bürgerin eines fö<strong>de</strong>ralistischen Lan<strong>de</strong>s, Belgien. Demnach<br />
weiß ich, dass es sich um ein sehr sensibles Thema<br />
han<strong>de</strong>lt. Vor etwa zwei Wochen war ich hier in Berlin<br />
auf einer an<strong>de</strong>ren Konferenz über Kulturpol<strong>iti</strong>k und das<br />
erste, was <strong>de</strong>r bayerische Staatsminister Goppel sagte,<br />
als er im Panel seinen Mund öffnete, war: Ja, ich möchte<br />
mit meinen Gegnern sprechen. Gegner, niemand hatte<br />
bis zu diesem Zeitpunkt von Gegnern auf <strong>de</strong>r Konferenz<br />
gesprochen. Ich kann mich natürlich naiv stellen<br />
und mir <strong>de</strong>n Tag wünschen, an <strong>de</strong>m dieses Thema nicht<br />
mehr so feindselige Reaktionen auslöst. Vielleicht haben<br />
die Menschen in 50, 60, 80 Jahren diese ungünstige,<br />
gespaltene Situation überwun<strong>de</strong>n. Das hoffe ich sehr.<br />
Und vielleicht fängt man dann an, im Interesse <strong>de</strong>s Kultursektors<br />
zu <strong>de</strong>nken, anstatt immer nur das Interesse<br />
<strong>de</strong>r eigenen Institution im Blick zu haben.<br />
Kulturwirtschaft<br />
Lupfer:<br />
Herr Meier-Klodt hat von Schnittmengen gesprochen,<br />
das ist eine interessante Sache in <strong>de</strong>r Kulturwirtschaft,<br />
aber ich sehe ein bisschen die Gefahr, dass kreative<br />
Künstler und kreative Kulturschaffen<strong>de</strong> für diese<br />
Kreativität eventuell bestraft wer<strong>de</strong>n. Nehmen wir mal<br />
eine Schnittmenge aus guter Kunst und gutem Management.<br />
Da heißt es zum Schluss, du kannst dich um<br />
dich selbst kümmern, du hast es drauf, das Geld selber<br />
zu beschaffen. Wo ist später die pol<strong>iti</strong>sche Sicherheit,<br />
falls man kulturwirtschaftlicher <strong>de</strong>nkt und han<strong>de</strong>lt, dass<br />
dies nicht pol<strong>iti</strong>sch als Einsparungspotenzial erkannt<br />
wird?<br />
Bei <strong>de</strong>m Begriff Schnittmengen fällt mir das Gleiche<br />
zum Erziehungssektor ein. In Nordrhein-Westfalen gibt<br />
es jetzt das Projekt „Je<strong>de</strong>m Kind ein Instrument“. Da<br />
wer<strong>de</strong>n letztlich Gel<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>skulturstiftung ausgegeben,<br />
um Erziehung zu finanzieren. Eigentlich müsste<br />
<strong>de</strong>r Kultusminister von Nordrhein-Westfalen sagen: Das<br />
ist eine super I<strong>de</strong>e, das wird aus <strong>de</strong>m Erziehungs-Budget<br />
bezahlt, und obendrauf setzen wir noch die Künstler,<br />
die wir brauchen, um mit <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn zu musizieren.<br />
Die wer<strong>de</strong>n ebenfalls daraus finanziert. Aber nein,<br />
das wird aus <strong>de</strong>n wenigen zur Verfügung stehen<strong>de</strong>n<br />
Kulturgel<strong>de</strong>rn bezahlt. Das ist die Realität. Jetzt bleibt<br />
noch weniger Geld im Topf, da Kunst und Kultur auch<br />
noch die Erziehung übernehmen müssen. Ich möchte<br />
wissen, welche Garantien es in Zukunft für Künstler<br />
gibt, dass es nicht zu ihrem Nachteil ausgelegt wird,<br />
wenn sie wirtschaftlich rentabel produzieren.<br />
Bethge:<br />
Was Sie da ansprechen, ist sicherlich wirklich ein<br />
Problem. Ich sehe das auch bei uns in Hamburg, wo wir<br />
ein ähnliches Projekt durchführen,<br />
ein musikpädagogisches Projekt, Bildungspol<strong>iti</strong>k<br />
wo Kin<strong>de</strong>r ebenfalls an Instrumente<br />
herangeführt wer<strong>de</strong>n sollen. Und natürlich ist es dann<br />
schwierig, die Schulseite je<strong>de</strong>s Mal dafür zu begeistern<br />
und dafür zu sorgen, dass sie auch finanzielle Mittel dafür<br />
bereitstellt. Wobei man sagen muss, dass auch die<br />
Schuletats nicht so gut bestückt sind, dass sie so ohne<br />
weiteres Geld haben, um solche Dinge zu för<strong>de</strong>rn. Ich<br />
<strong>de</strong>nke, mit <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r kulturellen Bildung stehen wir<br />
gera<strong>de</strong> erst am Anfang, und ich fin<strong>de</strong> es gut, dass die<br />
In<strong>iti</strong>ative von <strong>de</strong>r Kulturseite ausgegangen ist. Es muss<br />
<strong>de</strong>r Öffentlichkeit bewusst gemacht wer<strong>de</strong>n, wie wichtig<br />
Kunst und Kultur auch in <strong>de</strong>r Entwicklung eines<br />
Menschen sind. Das kommt <strong>de</strong>r Kultur und <strong>de</strong>r Akzeptanz<br />
von Kultur insgesamt zugute und hilft uns dann<br />
wie<strong>de</strong>rum, Gel<strong>de</strong>r zu akquirieren. Als nächsten Schritt<br />
müssen wir es nun schaffen, die Schulseite stärker in die<br />
Verantwortung einzubin<strong>de</strong>n und auch <strong>de</strong>utlich zu machen,<br />
dass gera<strong>de</strong> die künstlerischen, die ästhetischen<br />
Fächer eminent wichtig sind. Das müssen wir in Hamburg<br />
und in allen Län<strong>de</strong>rn leisten. In diesem Bereich<br />
muss viel mehr investiert wer<strong>de</strong>n, als es zur Zeit ge-<br />
Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />
61
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
schieht. Im Moment stehen eher die kogn<strong>iti</strong>ven Fächer<br />
im Vor<strong>de</strong>rgrund, was teilweise auch mit <strong>de</strong>n Pisa-Diskussionen<br />
zu tun hat. Trotz<strong>de</strong>m fin<strong>de</strong> ich die In<strong>iti</strong>ative<br />
von <strong>de</strong>r Kulturseite, auch von <strong>de</strong>n vielen Künstlern, sehr<br />
gut. Und ich glaube, wir müssen auch zusammen arbeiten,<br />
um in <strong>de</strong>r kulturellen Bildung neue Maßstäbe<br />
zu setzen.<br />
Kulturwirtschaft<br />
Jochen Sandig:<br />
Wenn man nicht dafür belohnt wird, dass man einen<br />
öffentlichen Euro verdoppelt, in<strong>de</strong>m man kreative<br />
Arbeit leistet, dann läuft etwas grundsätzlich falsch. Ich<br />
bin <strong>de</strong>r Meinung, es muss auch dafür Belohnungssysteme<br />
geben. Die freien Projekte verdoppeln, verdreio<strong>de</strong>r<br />
vierfachen ihre Mittel in <strong>de</strong>r Regel durch Koproduktionen<br />
etc. Da ist etwas entstan<strong>de</strong>n, wo <strong>de</strong>r Effekt<br />
öffentlicher Gel<strong>de</strong>r verstärkt wird. Ich sehe ebenfalls<br />
die Gefahr, dass all diejenigen, die auch wirtschaftlich<br />
erfolgreich sind, nicht dafür belohnt wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn<br />
im Gegenteil permanent dafür büßen müssen. Auf an<strong>de</strong>rer<br />
Ebene, gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n großen Institutionen, wird<br />
die paradiesische Situation <strong>de</strong>r Vollfinanzierung immer<br />
noch als gottgegeben angenommen. Da muss bei allen<br />
ein großer Hebel umgelegt wer<strong>de</strong>n, bei <strong>de</strong>n Akteuren<br />
in <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k, <strong>de</strong>r Verwaltung etc. Gera<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>n auf<br />
Vollfinanzierung ausgerichteten großen Institutionen<br />
müssen neue Instrumente greifen, die eben auch die<br />
I<strong>de</strong>e einer Verdoppelung <strong>de</strong>r Finanzierung mit sich<br />
ziehen. Wenn wir einerseits eine Verdoppelung <strong>de</strong>r<br />
Etats und mehr Geld für Europa for<strong>de</strong>rn, uns aber<br />
an<strong>de</strong>rerseits auch bemühen, unsere Mittel effektiv<br />
als investive Mittel einzusetzen, dann bewegt sich<br />
etwas in eine ganz neue Richtung. Dann können wir<br />
eine ganz neue Dynamik herstellen, um mehr aus <strong>de</strong>m<br />
Geld zu machen. Danke.<br />
Heun:<br />
Zugespitzt formuliert hat Jochen Sandig gera<strong>de</strong> gesagt,<br />
dass man die Stadt- und Staatstheater sowie die<br />
öffentlich finanzierten Museen, Bibliotheken etc. zwingen<br />
sollte, 50 Prozent ihrer Mittel selbst einzuspielen.<br />
Das ist als Statement sehr tough. Ich persönlich weiß<br />
nicht, ob man weiterkommt, in<strong>de</strong>m man verschie<strong>de</strong>ne<br />
Formen <strong>de</strong>r kulturellen Tätigkeit gegeneinan<strong>de</strong>r ausspielt.<br />
Aber vielleicht wäre das eine Anregung für ein<br />
weiteres Symposium.<br />
Herr Meier-Klodt, wollten Sie noch etwas sagen?<br />
Meier-Klodt:<br />
Wir haben unsere außenpol<strong>iti</strong>schen Ziele. Wir wollen<br />
junge Menschen weltweit erreichen, wir wollen sie<br />
uns wohl gesonnen stimmen, wir wollen mit ihnen in<br />
Kontakt treten, wir wollen sie mit Fragestellungen, die<br />
wir in Deutschland haben, konfrontieren und so ein<br />
Netzwerk von Vertrautheit schaffen. Das macht unser<br />
Schulsystem, das macht die Kulturarbeit, das macht die<br />
Hochschularbeit. Hier kann die Kultur eine ganz beson<strong>de</strong>re<br />
Rolle spielen. Aber ich bestimme sie nicht, ich mache<br />
nicht die Kultur, und letztlich machen auch unsere<br />
Mittler nicht die Kultur. Sie schaffen einen Rahmen,<br />
sie schaffen ein Forum. Das als solches ist keine<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung. Natürlich helfen sie auch <strong>de</strong>r Kultur,<br />
in<strong>de</strong>m sie mit <strong>de</strong>n immerhin 570 Millionen Euro, über<br />
die wir im Jahr verfügen, die Kultur auch in <strong>de</strong>r Auslandsarbeit<br />
einsetzen. Diese 570 Millionen sind nicht<br />
wenig, wenn man sie mit <strong>de</strong>m auf 6 Jahre angelegten<br />
Budget für Kultur <strong>2007</strong> GL vergleicht; dort sind es etwa<br />
400 Millionen im Programm <strong>2007</strong>-2013. Das ist schon<br />
ein Batzen und <strong>de</strong>nnoch habe ich immer <strong>de</strong>n Eindruck,<br />
dass wir viel zu kurz springen, wenn wir in unserer Regierungswelt<br />
verbleiben. Die Künstler selbst haben in<br />
ihren Vereinigungen direkte Kontakte, sie machen<br />
auswärtige Kulturpol<strong>iti</strong>k. Die Museen in Deutschland<br />
machen auswärtige Kulturpol<strong>iti</strong>k, ein ganz großes<br />
Spektrum an Akteuren macht auswärtige Kulturpol<strong>iti</strong>k.<br />
Obwohl sie gar nicht unmittelbar von uns geför<strong>de</strong>rt<br />
wer<strong>de</strong>n. Und mit <strong>de</strong>n informellen Kommunikationslinien,<br />
wie man sie auf Konferenzen vorfin<strong>de</strong>t, kann man<br />
versuchen, ein wenig in dieselbe Richtung zu schauen.<br />
Je<strong>de</strong>r hat seine Aufgabe, die Wirtschaft hat ihre eigene<br />
Sichtweise. Wir können Schwerpunkte, die uns mit<br />
Blick auf <strong>de</strong>n Rest <strong>de</strong>r Welt von Be<strong>de</strong>utung sind, nicht<br />
koordinieren, aber wir können miteinan<strong>de</strong>r abgleichen,<br />
ob wir ähnlich <strong>de</strong>nken. Und wenn wir es nicht tun, können<br />
wir überlegen, warum.<br />
Heun:<br />
Es ist uns allen bewusst gewor<strong>de</strong>n, dass es sehr<br />
schwierig ist, konkrete Anfor<strong>de</strong>rungen an die Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
zu stellen und Strategien zu entwickeln.<br />
Ich habe es aber als sehr stimulierend empfun<strong>de</strong>n,<br />
dass wir an diesem konstruktiven Tag in einem Rahmen<br />
diskutiert haben, in <strong>de</strong>m man sich gegense<strong>iti</strong>g nicht<br />
als Opponenten verstan<strong>de</strong>n hat und in <strong>de</strong>m konstruktiv<br />
über eine gemeinsame I<strong>de</strong>e diskutiert wur<strong>de</strong>, auch<br />
wenn es unterschiedliche Haltungen gab. Der Rohstoff<br />
Europas ist die Kultur. Jetzt müssen die Ergebnisse <strong>de</strong>r<br />
Diskussionen aufgearbeitet wer<strong>de</strong>n, damit wir daran arbeiten<br />
können, diesen Rohstoff für unsere Gesellschaft<br />
und für unsere Pol<strong>iti</strong>k urbar zu machen.<br />
62
Teil III – Die In<strong>iti</strong>ativen<br />
Am En<strong>de</strong> eines kompakten Symposiumstages stand<br />
natürlich die Frage: Wie weiter? Der Dialog zwischen<br />
Künstlern und Pol<strong>iti</strong>k ist gestartet, aber wie soll dieser<br />
Dialog strukturiert wer<strong>de</strong>n und welche Institutionen<br />
wer<strong>de</strong>n diesen Dialog weiter vorantreiben? In Deutschland<br />
liegt <strong>de</strong>r Ball nun bei <strong>de</strong>n Künstlerverbän<strong>de</strong>n und<br />
Netzwerken. Um in Europa voranzukommen, müssen<br />
mehr noch als die Institutionen in Brüssel, die Pol<strong>iti</strong>ker<br />
in <strong>de</strong>n Mitgliedslän<strong>de</strong>rn überzeugt und gewonnen<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Die In<strong>iti</strong>atoren <strong>de</strong>s Symposiums (ITI Deutschland<br />
und Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste) haben inzwischen<br />
weitere Schritte unternommen: Einerseits die Kommunikation<br />
<strong>de</strong>r Ergebnisse <strong>de</strong>s Symposiums in Deutschland<br />
und Europa, an<strong>de</strong>rerseits – unter Fe<strong>de</strong>rführung<br />
<strong>de</strong>s Fonds – ein konkretes Mo<strong>de</strong>llprojekt: eine Studie<br />
zur wirtschaftlichen und sozialen Situation <strong>de</strong>r Künstler<br />
als Grundlage für fundierte Argumente im pol<strong>iti</strong>schen<br />
Dialog.<br />
Auch an<strong>de</strong>re Institutionen, Netzwerke, Pol<strong>iti</strong>ker und<br />
Künstler haben nicht die Hän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Schoss gelegt,<br />
son<strong>de</strong>rn kulturpol<strong>iti</strong>sche Projekte weiter verfolgt und<br />
neue In<strong>iti</strong>ativen gestartet. Dieser Abschnitt soll zeigen,<br />
wer aktiv ist und was sich – unter an<strong>de</strong>rem – inzwischen<br />
bewegt hat.<br />
Fazit <strong>de</strong>s Symposiums<br />
Dr. Thomas Engel, Günter Jeschonnek<br />
Jeschonnek:<br />
Thomas Engel und ich wer<strong>de</strong>n versuchen, alles, was<br />
heute diskutiert wor<strong>de</strong>n ist, zu bün<strong>de</strong>ln und auf jene<br />
Punkte zu konzentrieren, die aus unserer Sicht nach außen<br />
getragen wer<strong>de</strong>n müssen. Sie sind aber auch aufgerufen,<br />
wichtige Fakten zu ergänzen.<br />
Ich möchte drei, vier Punkte noch nennen, die heute<br />
essentials waren. Ein zentrales Feld war die soziale<br />
Lage <strong>de</strong>r Künstlerinnen und Künstler<br />
Soziale Lage<br />
in Europa, in Deutschland. Das wür<strong>de</strong><br />
ich in je<strong>de</strong>m Fall als einen wich-<br />
<strong>de</strong>r Künstler<br />
tigen Punkt sehen, <strong>de</strong>r weitergeführt wer<strong>de</strong>n muss. Der<br />
Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste GL hat sich für die nächsten<br />
Jahre drei große Themenfel<strong>de</strong>r gesetzt. Das erste, „För<strong>de</strong>rstrukturen<br />
<strong>de</strong>s freien Theaters und <strong>de</strong>s Tanzes in<br />
63
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Deutschland“, haben wir bereits 2006 im Januar mit einer<br />
großen Resonanz abgearbeitet. Das zweite Feld war<br />
die Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k. Dazu fin<strong>de</strong>t eben dieses<br />
Symposium statt. Das dritte große Feld beschäftigt sich<br />
mit <strong>de</strong>r sozialen Lage <strong>de</strong>r Künstlerinnen und Künstler<br />
in Deutschland, und dazu wer<strong>de</strong>n wir wahrscheinlich<br />
2008 ein größeres Symposium durchführen, mit einer<br />
Studie, die wir vorher noch in Auftrag geben, so<br />
dass wir wirklich mit konkreten Zahlen operieren können.<br />
Das wäre ein Schwerpunkt, <strong>de</strong>n wir aus dieser<br />
Veranstaltung mitnehmen. Das zweite wichtige Feld<br />
ist, anknüpfend an das, was Gottfried Wagner heute<br />
Morgen vorgeschlagen hat, die Gründung eines Mobilitätsfonds,<br />
ähnlich <strong>de</strong>m Erasmus-<br />
Mobilität Programm. Ich fin<strong>de</strong> es wichtig,<br />
dass wir diese europäische I<strong>de</strong>e in<br />
je<strong>de</strong>m Fall unterstützen und dass wir <strong>de</strong>r europäischen<br />
Kulturstiftung <strong>de</strong>utlich signalisieren, dass das auch eine<br />
For<strong>de</strong>rung von uns ist.<br />
Dialog zwischen<br />
Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />
Die nächste For<strong>de</strong>rung galt<br />
<strong>de</strong>m Dialog mit <strong>de</strong>n pol<strong>iti</strong>sch<br />
Verantwortlichen, <strong>de</strong>r direktere<br />
Formen annehmen muss. Das haben alle, auch die hier<br />
anwesen<strong>de</strong>n Kulturpol<strong>iti</strong>ker, gesagt. Sie haben uns regelrecht<br />
dazu ermuntert, uns stärker zu artikulieren.<br />
Des Weiteren wur<strong>de</strong>n Vorschläge eingebracht, wie<br />
z.B. die Einführung eines europäischen Performance-<br />
EU-För<strong>de</strong>rung<br />
Bürokratieabbau<br />
Durchlässigkeit von<br />
Fonds und För<strong>de</strong>rstrukturen<br />
Netzwerkes, um neue,<br />
mobilere, flexiblere För<strong>de</strong>rstrukturen<br />
zu entwickeln,<br />
die diesen schwerfälligen<br />
Apparat EU, darüber<br />
sind wir uns einig, unterlaufen könnten. Dabei sind<br />
natürlich die einzelnen Län<strong>de</strong>r gefragt. Es ist hier auch<br />
noch einmal ganz klar gewor<strong>de</strong>n, dass je<strong>de</strong>s einzelne<br />
Land und insbeson<strong>de</strong>re die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />
eine große Verantwortung in diesem Prozess hat.<br />
Deutschland bremst lei<strong>de</strong>r immer noch. Das haben wir<br />
heute öfter gehört. Ich bin fest davon überzeugt, wenn<br />
die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland national Vorreiter wird<br />
und im eigenen Land Akzente setzt, wird das auch Auswirkungen<br />
auf an<strong>de</strong>re europäische Län<strong>de</strong>r haben. Vielleicht<br />
wird es einen gewissen „Neid“ erzeugen, so dass<br />
die Künstler in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn sagen: „Die Deutschen<br />
machen das. Warum machen wir das nicht?“ Aber solange<br />
in unserem reichen Land dazu wenig passiert,<br />
tun die an<strong>de</strong>ren auch nicht mehr. Diese Vorreiterrolle<br />
Deutschlands muss man betonen.<br />
Engel:<br />
Ich möchte noch einmal auf die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r Inkubationsresi<strong>de</strong>nzen<br />
eingehen, von <strong>de</strong>nen Jochen Sandig<br />
gesprochen hat. Das verweist auf <strong>de</strong>n wichtigen Aspekt,<br />
dass Kreativität und die Möglichkeit, kreativ zu produzieren,<br />
tatsächlich einen gewissen Schutzraum<br />
braucht. Wir müssen von <strong>de</strong>n Ergebnis-orientierten,<br />
sehr schnell produzierten und auf eine wirtschaftliche<br />
Berechenbarkeit hin kalkulierten Produktionen wegkommen,<br />
hin zu einem geschützten<br />
Raum für das krea-<br />
Kulturwirtschaft<br />
tive Potential. Auch wenn man<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k als Gesellschaftspol<strong>iti</strong>k betrachtet und sich<br />
in <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>s ökonomischen Diskurses begibt,<br />
sieht man, dass es gera<strong>de</strong> um <strong>de</strong>n Faktor <strong>de</strong>s ökonomischen<br />
Potentials <strong>de</strong>r Gesellschaft einen ungeheuren<br />
Wertewan<strong>de</strong>l gegeben hat. Das Kopieren digitaler Inhalte,<br />
audiovisueller Inhalte wird in Amerika inzwischen<br />
mit Anti-Terror-Gesetzen geahn<strong>de</strong>t, weil genau da <strong>de</strong>r<br />
eigentliche Rohstoff für die Zukunftsfähigkeit <strong>de</strong>r<br />
Gesellschaft gesehen wird, im kreativen Potential.<br />
Wir befin<strong>de</strong>n uns damit ganz unvermittelt in einer Situation,<br />
in <strong>de</strong>r ökonomische Kriterien ganz stark die Kreativität<br />
im Visier haben. Und diese Kreativität gilt es für<br />
je<strong>de</strong>s Land und für je<strong>de</strong>n Kulturraum zu bewahren und<br />
zu schützen. Das ist im wirtschaftlichen und geostrategischen<br />
Denken schon längst passiert. Und es ist unsere<br />
Aufgabe, das auch hierzulan<strong>de</strong> stärker im Bewusstsein<br />
zu akzentuieren. Ich möchte mich da Frau Hieronymis<br />
Gedanken anschließen, die diesen Zweiklang von Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
als För<strong>de</strong>rpol<strong>iti</strong>k und als Ordnungspol<strong>iti</strong>k<br />
betont hat. Wenn wir es schaffen, innerhalb dieser zwei<br />
Bereiche Transparenz zu bekommen und die beschriebene<br />
Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r offenen Koordinierung GL umzusetzen,<br />
dann sind wir schon ein ziemliches Stück weiter.<br />
Jeschonnek:<br />
Es sind also genügend I<strong>de</strong>en vorhan<strong>de</strong>n und nun<br />
kommt es auf die Umsetzung an. Das klingt ganz simpel.<br />
Deshalb jetzt meine Frage: Welches Gremium ist<br />
in <strong>de</strong>r Lage, das, was wir heute gehört und diskutiert<br />
haben, an die pol<strong>iti</strong>sch Verantwortlichen weiter zu<br />
tragen, nicht als Bittsteller, son<strong>de</strong>rn in einem offenen<br />
Dialog, damit wirklich praktische Schritte folgen und<br />
wir nicht in fünf Jahren wie<strong>de</strong>r das Gleiche diskutieren.<br />
Engel:<br />
Ich glaube, dass diese Veranstaltung gezeigt hat,<br />
dass ein Bewusstsein für die Probleme da ist. Es gibt<br />
viele Fragen, die sehr kompetent, auf hohem Niveau<br />
diskutiert wer<strong>de</strong>n. Und es gibt Institutionen, die diese<br />
Fragen aufgreifen und in ihre zukünftige<br />
Arbeit intensiv einfließen<br />
lassen wer<strong>de</strong>n. Aus diesem<br />
Grund haben wir diese Institutionen<br />
und Netzwerke eingela<strong>de</strong>n.<br />
Pol<strong>iti</strong>sche Gremien und<br />
Dialog zwischen<br />
Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />
Netzwerke<br />
Netzwerke sind miteinan<strong>de</strong>r ins Gespräch gekommen,<br />
manchmal vermittelt, manchmal sehr direkt. Wir<br />
wer<strong>de</strong>n hier nicht mit einem fertigen Papier rausgehen,<br />
das wir übermorgen im Bun<strong>de</strong>stag vorlegen, aber wir<br />
wer<strong>de</strong>n uns an die pol<strong>iti</strong>schen Gremien wen<strong>de</strong>n, die<br />
unsere Partner hier in Deutschland sind. Ich erinnere<br />
Sie in <strong>de</strong>m Zusammenhang auch noch einmal an die<br />
wichtigen und von einer umfassen<strong>de</strong>n, langjährigen<br />
Erfahrung geprägten Bemerkungen von Mary Ann De<br />
Vlieg, dass es vor allem die eigenen Regierungen sind,<br />
die diese Probleme zu lösen haben, nicht immer Europa.<br />
Wir vertreten Organisationen, die auch mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k<br />
im Gespräch sind. Und natürlich wer<strong>de</strong>n wir diese<br />
Gedanken, wo immer wir können, einbringen und intensiv<br />
weiterentwickeln. Die Veranstaltung heute war<br />
als Zusammentragen verschie<strong>de</strong>ner Ansichten und<br />
Ausblicke sehr wichtig, aber im Grun<strong>de</strong> genommen<br />
nur ein Sprungbrett für die weitere Arbeit.<br />
64
Jeschonnek:<br />
Aber wie können wir die vielen Ergebnisse, die wir<br />
jetzt auch hier zusammengetragen haben, in einer<br />
gebün<strong>de</strong>lten Form an die pol<strong>iti</strong>sch Verantwortlichen<br />
bringen, um endlich einen Dialog zu for<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>r zu<br />
konkreten Ergebnissen führt? Gibt es dafür eine Institution?<br />
Engel:<br />
Das ist eine Aufgabe von uns allen. Darum sind<br />
wir hier. Wir wer<strong>de</strong>n die Beiträge, die hier gemacht<br />
wur<strong>de</strong>n, festhalten und allen, die hier teilgenommen<br />
haben, zur Verfügung stellen. Der Deutsche Kulturrat<br />
GL ist sicher eine wichtige Adresse. Viele von uns<br />
und von <strong>de</strong>n hier anwesen<strong>de</strong>n Personen und Vertretern<br />
von Institutionen sind darin Mitglied.<br />
Aber es wird auch in an<strong>de</strong>re Gremien mit rein getragen<br />
wer<strong>de</strong>n, ob wir als Internationales Theaterinstitut<br />
GL dies im Rahmen <strong>de</strong>r UNESCO-Arbeit machen<br />
o<strong>de</strong>r ob das an<strong>de</strong>re im Rahmen ihrer Strukturen machen.<br />
Die lokalen Pol<strong>iti</strong>ker und die Pol<strong>iti</strong>ker, die für<br />
Deutschland im Europa-Parlament und im Kulturausschuss<br />
sitzen, müssen erreicht wer<strong>de</strong>n. Es ist<br />
vielleicht eine noch nicht sehr gängige Praxis, dass<br />
man sich an Pol<strong>iti</strong>kerinnen und Pol<strong>iti</strong>ker mit Vorschlägen,<br />
mit For<strong>de</strong>rungen und einfach mit bestimmten<br />
Berichten aus <strong>de</strong>m Sektor direkt wen<strong>de</strong>n kann. Aber<br />
sie warten zum Teil darauf, dass sie mit solchen Informationen<br />
gefüttert wer<strong>de</strong>n, und nur wenn es da<br />
einen wirklich lebendigen Dialog gibt, dann gibt es<br />
auch eine Verän<strong>de</strong>rung.<br />
Mary-Ann De Vlieg:<br />
Ich <strong>de</strong>nke, es ist sehr interessant, die <strong>de</strong>utsche Seite<br />
zu hören. Ich <strong>de</strong>nke, wir sollten zunächst danach schauen,<br />
wie bei uns <strong>de</strong>r Stand ist. Die Teilnehmer aller Län<strong>de</strong>r<br />
hier haben die Möglichkeit, mit <strong>de</strong>r eigenen Regie-<br />
rung, mit <strong>de</strong>n Kulturstiftungen<br />
<strong>de</strong>r Regierungen zu sprechen<br />
und dann kommen wir wie<strong>de</strong>r<br />
Dialog zwischen<br />
Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />
zusammen. Ich schlage vor, dass wir alle von hier nach<br />
Hause gehen mit <strong>de</strong>n vielen I<strong>de</strong>en und Anregungen,<br />
die wir hier bekommen haben. Und dort versuchen<br />
wir zuerst in unseren eigenen Län<strong>de</strong>rn, bei unseren<br />
eigenen Regierungen etwas zu än<strong>de</strong>rn, zu verbessern.<br />
Und danach sollten wir uns wie<strong>de</strong>r treffen und<br />
darüber beraten, wie es weitergehen soll.<br />
Jeschonnek:<br />
Ich möchte hiermit auch alle hier Teilnehmen<strong>de</strong>n<br />
dazu aufrufen, I<strong>de</strong>en zu entwickeln, wie wir gemeinsam<br />
strategisch vorgehen. Sie können diese per Mail<br />
an <strong>de</strong>n Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste GL o<strong>de</strong>r ans Internationale<br />
Theaterinstitut GL schicken. Wir wer<strong>de</strong>n das bün<strong>de</strong>ln<br />
und Sie dann über Ergebnisse informieren, so dass<br />
<strong>de</strong>r Dialog weiter geführt wird und Sie wissen, welche<br />
nächsten Schritte wir vorhaben.<br />
Die In<strong>iti</strong>ativen<br />
Aktuelle Entwicklungen bei <strong>de</strong>n<br />
Hauptthemen<br />
Das Symposium bot allen Beteiligten vor allem vielfältige<br />
Informationen zur Theaterarbeit in Europa, startete<br />
einen intensiven Dialog zwischen Künstlern und<br />
Pol<strong>iti</strong>k. Am En<strong>de</strong> blieb aber die Frage, wie dieser Dialog<br />
strukturiert wer<strong>de</strong>n soll und welche Institutionen diesen<br />
Dialog weiter vorantreiben.<br />
Seit En<strong>de</strong> September haben nun Institutionen, Netzwerke,<br />
Pol<strong>iti</strong>ker und Künstler nicht die Hän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n<br />
Schoss gelegt, son<strong>de</strong>rn die wichtigsten Fragen <strong>de</strong>s<br />
Symposiums weiter bearbeitet, kulturpol<strong>iti</strong>sche Projekte<br />
weiter verfolgt und neue In<strong>iti</strong>ativen gestartet.<br />
Dieser Abschnitt soll zeigen, wer aktiv ist, was sich<br />
– unter an<strong>de</strong>rem – inzwischen bewegt hat und wie es<br />
weiter geht.<br />
Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
Unterstützung <strong>de</strong>r Mitteilung <strong>de</strong>r EU-Kommission<br />
über eine Europäische Kulturagenda im Zeichen<br />
<strong>de</strong>r Globalisierung<br />
Wer? Auf europäischer Ebene: IETM, EFAH, EMC<br />
(European Music Council)<br />
In Deutschland: ITI Deutschland, BUFT<br />
Was? Die europäischen Netzwerke IETM, EFAH und<br />
EMC haben in <strong>de</strong>r zweiten Jahreshälfte <strong>2007</strong> eine Lobby-Aktion<br />
gestartet, welche die Aufmerksamkeit für die<br />
anstehen<strong>de</strong>n Verhandlungen über die Mitteilung <strong>de</strong>r<br />
EU-Kommission erhöhen soll. Ziel ist die Annahme <strong>de</strong>r<br />
In<strong>iti</strong>ative <strong>de</strong>r EU-Kommission durch die EU-Mitgliedsstaaten.<br />
Die Mitteilung wird sich nicht unmittelbar auf ein<br />
höheres Kulturbudget und neue För<strong>de</strong>rprogramme<br />
auswirken, aber sie stellt eine unwie<strong>de</strong>rbringliche Gelegenheit<br />
dar, endlich <strong>de</strong>r Kultur einen hohen Stellenwert<br />
auf <strong>de</strong>r Agenda <strong>de</strong>r EU einzuräumen – und damit langfristig<br />
mehr Mittel für die Kultur zu mobilisieren.<br />
Wichtig ist daher, <strong>de</strong>n Dialog zwischen <strong>de</strong>m Kulturbereich<br />
und <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k – mit <strong>de</strong>n Vertretern aus EU-Parlament<br />
und Bun<strong>de</strong>stag, BKM und <strong>de</strong>n Kultusministerien<br />
<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r sehr klar zu gestalten. An sie sind die Fragen<br />
zu richten: Wie stehen Parlamentarier und Pol<strong>iti</strong>sche<br />
Repräsentanten zur In<strong>iti</strong>ative <strong>de</strong>r EU-Kommission? Welche<br />
Argumente wer<strong>de</strong>n für und gegen die Annahme<br />
<strong>de</strong>r Mitteilung eingebracht? Wur<strong>de</strong>n die Akteure im<br />
Kulturbereich konsultiert?<br />
Für die weitere Ausgestaltung <strong>de</strong>r Inhalte, <strong>de</strong>r Aktionen<br />
und Programme, die sich aus <strong>de</strong>r Mitteilung ergeben,<br />
sollten unbedingt die Akteure <strong>de</strong>s Kulturbereichs<br />
einbezogen wer<strong>de</strong>n.<br />
Hierzu haben IETM, EFAH und EMC an alle Mitglie<strong>de</strong>r<br />
ihrer Netzwerke Informationen und Auffor<strong>de</strong>rungen<br />
zum Han<strong>de</strong>ln gesandt. In Deutschland wer<strong>de</strong>n<br />
ITI und BUFT Informationen hierzu in ihren Medien veröffentlichen<br />
und alle Mitglie<strong>de</strong>r ermutigen, in direkten<br />
Kontakt mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k zu treten.<br />
65
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Soziale Lage <strong>de</strong>r Künstler<br />
1) Studie und Symposium zur wirtschaftlichen,<br />
sozialen und arbeitsrechtlichen Lage <strong>de</strong>r Künstler<br />
im Bereich <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste<br />
Wer? Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste; ITI Deutschland<br />
Trotz beschei<strong>de</strong>ner pos<strong>iti</strong>ver Entwicklungen europäischer<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k ist festzustellen, dass die Kluft<br />
zwischen <strong>de</strong>n Absichtserklärungen <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k in Bezug<br />
auf die Be<strong>de</strong>utsamkeit von Kunst und Kultur für <strong>de</strong>n<br />
europäischen Einigungsprozess und <strong>de</strong>n realen wirtschaftlichen,<br />
sozialen und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen<br />
für die künstlerischen Schaffensprozesse<br />
nach wie vor sehr groß ist. Das betrifft insbeson<strong>de</strong>re<br />
die wirtschaftliche Lage <strong>de</strong>r Mehrheit <strong>de</strong>r KünstlerInnen<br />
in ganz Europa. Deshalb empfahl <strong>de</strong>r Ausschuss für<br />
Kultur und Bildung <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments im<br />
März <strong>2007</strong>: „….ein kulturelles Umfeld zu schaffen, das<br />
in allen künstlerischen Bereichen dynamisch und <strong>de</strong>m<br />
Schöpferischen sowie <strong>de</strong>r Innovation för<strong>de</strong>rlich ist. Dies<br />
kann nicht geschehen, ohne dass wir unseren Künstlern<br />
soziale Garantien bieten, die wir allen an<strong>de</strong>ren europäischen<br />
Arbeitsnehmern gewähren, zum Ausgleich einer<br />
Garantie <strong>de</strong>r künstlerischen Freiheit, die für sie unverzichtbar<br />
ist.“<br />
Es gilt <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k konkret aufzuzeigen, unter welchen<br />
realen Bedingungen die verschie<strong>de</strong>nen Berufsgruppen<br />
<strong>de</strong>s Bereiches <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste produzieren<br />
und leben. Auf <strong>de</strong>r Grundlage dieser Recherchen sollen<br />
im Verlaufe eines gemeinsamen und konstruktiven<br />
Dialogs Handlungsempfehlungen für die Verbesserung<br />
dieser nicht akzeptablen Rahmenbedingungen – nicht<br />
nur bezogen auf die Europäische Union – erarbeitet<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Konkret hierzu hat <strong>de</strong>r Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste<br />
gemeinsam mit <strong>de</strong>m ITI Deutschland ein komplexes<br />
Mo<strong>de</strong>llprojekt in<strong>iti</strong>iert. Aus <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Perspektiven<br />
von Künstlern, Wissenschaftlern, Publizisten, Institutionen<br />
<strong>de</strong>r Arbeits- und Sozialsysteme, Verbän<strong>de</strong>n<br />
und Gewerkschaften <strong>de</strong>r Arbeitnehmer, Vertretern <strong>de</strong>r<br />
Arbeitgeber, Bun<strong>de</strong>sministerien, Bun<strong>de</strong>stagsabgeordneten,<br />
För<strong>de</strong>rinstitutionen und internationalen Theaternetzwerken<br />
soll zunächst eine umfassen<strong>de</strong>, komplexe<br />
und repräsentative Analyse wirtschaftlicher, sozialer<br />
und arbeitsrechtlicher Aspekte künstlerischer Produktionsprozesse<br />
vorgelegt wer<strong>de</strong>n, um Handlungsempfehlungen<br />
für die Verbesserung dieser Rahmenbedingungen<br />
und zum Schutz <strong>de</strong>s kreativen Potentials <strong>de</strong>r<br />
KünstlerInnen erarbeiten und postulieren zu können.<br />
Ein erstes Arbeitstreffen von Vertretern <strong>de</strong>r zu beteiligen<strong>de</strong>n<br />
Institutionen hat Mitte Oktober <strong>2007</strong> stattgefun<strong>de</strong>n.<br />
Beteiligt waren Kulturverbän<strong>de</strong> und Gewerkschaften,<br />
die speziell mit <strong>de</strong>m Theaterbereich befasst<br />
sind, sowie die Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit, <strong>de</strong>r Deutsche<br />
Kulturrat, pol<strong>iti</strong>sche Mandatsträger und unabhängige<br />
Experten. Das Treffen diente <strong>de</strong>r ersten Verständigung<br />
über <strong>de</strong>n thematischen Schwerpunkt, <strong>de</strong>n zu befragen<strong>de</strong>n<br />
Personenkreis bzw. die zu erfassen<strong>de</strong>n Berufsgruppen<br />
und die Struktur <strong>de</strong>s Fragebogens. Im Verlaufe<br />
<strong>de</strong>r nächsten Wochen ist abzustimmen, wer die Studie<br />
fe<strong>de</strong>rführend durchführt und die Daten bewertet und<br />
wer sich fachlich und finanziell an <strong>de</strong>m Gesamtprojekt<br />
beteiligt.<br />
Alle Anwesen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s ersten Arbeitstreffens waren<br />
sich darüber einig, dass eine <strong>de</strong>rartig komplexe und<br />
<strong>de</strong>taillierte Studie eine pol<strong>iti</strong>sche Zielrichtung hat und<br />
<strong>de</strong>r Unterstützung <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k bedarf.<br />
Im Fokus <strong>de</strong>r Erfassung <strong>de</strong>r empirischen Daten sowie<br />
qualifizierter Befragungen stehen die KünstlerInnen<br />
selbst sowie die an <strong>de</strong>n Produktionsprozessen unmittelbar<br />
Beteiligten (wie Dramaturgen, Produktionsleiter,<br />
künstlerische Assistenten etc.), unabhängig davon, ob<br />
sie selbständig o<strong>de</strong>r nichtselbständig tätig in ihre jeweiligen<br />
künstlerischen Hauptberufen sind.<br />
Prekäre Arbeitsverhältnisse sowie verschie<strong>de</strong>nste<br />
Muster <strong>de</strong>r permanenten Selbstausbeutung sind ein gesamtgesellschaftliches<br />
und nicht nur europäisches Phänomen,<br />
das auch im Kontext zu Entwicklungen innerhalb<br />
an<strong>de</strong>rer Berufszweige betrachtet wer<strong>de</strong>n muss.<br />
Die Studie soll aufzeigen, wie Erwerbsbiografien von<br />
KünstlerInnen verlaufen, wie intensiv sie ihr kreatives<br />
Potential in die Gesellschaft einbringen können und<br />
warum viele von ihnen zunehmend aus <strong>de</strong>n Arbeitsmärkten<br />
und sozialen Sicherungssystemen herausfallen<br />
und in <strong>de</strong>n offiziellen Statistiken nicht erscheinen.<br />
Ein wichtiges Ergebnis <strong>de</strong>r Vorgespräche zu <strong>de</strong>m<br />
Mo<strong>de</strong>llprojekt ist, dass auf die gravieren<strong>de</strong>n wirtschaftlichen,<br />
sozialen und arbeitsrechtlichen Verän<strong>de</strong>rungen<br />
in <strong>de</strong>r Gesellschaft pol<strong>iti</strong>sch und über die einzelnen Ressorts<br />
wie Arbeit und Soziales, Wirtschaft, Finanzen und<br />
Bildung hinaus reagiert wer<strong>de</strong>n muss.<br />
Die Studie wird als wesentliche Diskussionsgrundlage<br />
für das geplante Symposium zur wirtschaftlichen,<br />
sozialen und arbeitsrechtlichen Lage <strong>de</strong>r Künstler im<br />
Bereich <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste im November 2008<br />
dienen. (Text von Günter Jeschonnek)<br />
2) Die soziale Lage <strong>de</strong>r Theaterkünstler und <strong>de</strong>r<br />
Schutz <strong>de</strong>r kulturellen Vielfalt – die In<strong>iti</strong>ativen im internationalen<br />
Kontext<br />
Wer? ITI Deutschland, ITI Worldwi<strong>de</strong>, European Forum<br />
of the ITI, ENICPA<br />
Die soziale Lage <strong>de</strong>r Theaterkünstler hat sich in vielen<br />
europäischen, wie auch außereuropäischen Län<strong>de</strong>rn<br />
verschärft; dies gilt sowohl für die Beschäftigungslage<br />
wie auch für das Einkommen und die soziale Absicherung<br />
<strong>de</strong>r Theaterschaffen<strong>de</strong>n. Allerdings sind die Informationen<br />
über die soziale Lage <strong>de</strong>r Theaterkünstler<br />
weltweit wie auch ihre analytische Auswertung noch<br />
fragmentarisch; eine Gesamtanalyse steht aus.<br />
Die UNESCO-Konvention zum Schutz und zur För<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r Vielfalt <strong>de</strong>r kulturellen Ausdrucksformen<br />
versucht einen Ausgleich zwischen <strong>de</strong>n ökonomischen<br />
und <strong>de</strong>n inhaltlichen Aspekten <strong>de</strong>s kulturellen Schaffens<br />
- im Beson<strong>de</strong>ren auch <strong>de</strong>s künstlerischen - herzustellen.<br />
Der Artikel 7.2 <strong>de</strong>s Konventionstextes verweist in diesem<br />
Zusammenhang ausdrücklich auf die zentrale Rolle<br />
<strong>de</strong>r kreativen Kulturschaffen<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r Verwirklichung<br />
<strong>de</strong>r kulturellen Vielfalt.<br />
Die Verwirklichung <strong>de</strong>r Konvention stützt sich wesentlich<br />
auf Analysen und Erhebungen <strong>de</strong>r Vertragsstaaten<br />
und <strong>de</strong>s UNESCO-Observatoriums. Das hier<br />
bestehen<strong>de</strong> Informations- und Analyse<strong>de</strong>fizit wird von<br />
vielen staatlichen Vertretern wie auch von <strong>de</strong>r UNESCO<br />
durchaus wahrgenommen und anerkannt, genauso wie<br />
<strong>de</strong>r Handlungsbedarf auf diesem Gebiet. Entschei<strong>de</strong>nd<br />
66
wird in diesem Zusammenhang die erste Konferenz <strong>de</strong>s<br />
Exekutivorgans <strong>de</strong>r Konvention sein, die vom 10. bis<br />
zum 13. Dezember <strong>2007</strong> in Ottawa stattfin<strong>de</strong>t.<br />
Das Internationale Theaterinstitut hat in seinen Stellungnahmen<br />
zur UNESCO-Konvention die Analyse <strong>de</strong>r<br />
sozioökonomischen Bedingungen <strong>de</strong>s Theaterschaffens<br />
als eigene Aufgabenstellung formuliert, nicht zuletzt<br />
um seine Argumentation gegenüber staatlichen Institutionen<br />
sowie <strong>de</strong>r UNESCO zu fundieren und zu präzisieren.<br />
In diesem Sinne hat das <strong>de</strong>utsche Zentrum <strong>de</strong>s ITI<br />
die Kooperation <strong>de</strong>r europäischen Zentren bei <strong>de</strong>r Analyse<br />
<strong>de</strong>r wirtschaftlichen und sozialen Lage <strong>de</strong>r Künstler<br />
in Europa und international zum zentralen Thema seiner<br />
Arbeit in <strong>de</strong>n nächsten Jahren gemacht.<br />
Welche Kapazitäten, diese Analysen durchzuführen,<br />
bei <strong>de</strong>n nationalen Zentren in Europa bestehen, wur<strong>de</strong><br />
unmittelbar im Anschluss an das Symposium beim Treffen<br />
<strong>de</strong>r europäischen ITI-Zentren und <strong>de</strong>r nationalen<br />
Theaterinstitute in Europa (En<strong>de</strong> Juni <strong>2007</strong>) diskutiert.<br />
Derzeit laufen über ENICPA (in Zusammenarbeit<br />
mit On-the-move) eine europaweite Recherche und<br />
Erfassung zu Studien über die wirtschaftliche und soziale<br />
Lage <strong>de</strong>r Künstler. Derartige Studien liegen z.B.<br />
für Finnland, Estland, Frankreich vor. Die Studien wer<strong>de</strong>n<br />
über www.<strong>iti</strong>-<strong>germany</strong>.<strong>de</strong> verfügbar gemacht. Eine<br />
vom ITI Deutschland und an<strong>de</strong>ren bei EFAH vertretenen<br />
Kultur-NGOs beauftragte Expertengruppe wird 2008<br />
Wege zur Vergleichbarkeit <strong>de</strong>r europäischen Studien<br />
erarbeiten.<br />
Mit Bezug auf die mit <strong>de</strong>m Fonds Darstellen<strong>de</strong><br />
Künste in Deutschland in<strong>iti</strong>ierte Studie und das Symposium<br />
2008 wird das ITI Deutschland vor allem auf die<br />
Vergleichbarkeit dieser Erhebungen mit ähnlichen Studien<br />
in Europa achten und das Material insbeson<strong>de</strong>re<br />
auf <strong>de</strong>r europäischen Ebene (EU-Parlament) und international<br />
(ITI-Netzwerk und UNESCO) kommunizieren.<br />
Ein wichtiges Forum <strong>de</strong>r Diskussion wird hierzu <strong>de</strong>r ITI-<br />
Weltkongress September 2008 in Saragossa (Spanien)<br />
sein.<br />
Das ITI Deutschland plant, die soziale Lage <strong>de</strong>r<br />
Künstler thematisch ins Zentrum <strong>de</strong>r Veranstaltungen<br />
zum Welttheatertag 27. März 2008 zu stellen und die<br />
Problematik in die Öffentlichkeit zu tragen.<br />
(Text von Dieter Welke und Michael Freundt)<br />
Kultur und Kunstför<strong>de</strong>rung<br />
Wer? Cultural Contact Points, EU-Kommission<br />
Was? Im Rahmen <strong>de</strong>s Symposiums wur<strong>de</strong>n in diesem<br />
Themenbereich vor allem Bürokratieabbau, Flexibilisierung<br />
und die bessere Zugänglichkeit <strong>de</strong>r Fonds<br />
und Programme (insbeson<strong>de</strong>re KULTUR <strong>2007</strong>-2013)<br />
gefor<strong>de</strong>rt. Die EU-Kommission hat hier erste Schritte<br />
unternommen, zugleich sieht das Netzwerk <strong>de</strong>r Cultural<br />
Contact Points (CCPs) noch be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Spielraum<br />
für Verbesserungen. Sabine Bornemann (CCP Deutschland)<br />
berichtete auf <strong>de</strong>m Symposium von <strong>de</strong>n neuen<br />
Entwicklungen. Jetzt – nach <strong>de</strong>r ersten Ausschreibungsrun<strong>de</strong><br />
– analysieren die CCPs die verän<strong>de</strong>rten Verfahren<br />
und for<strong>de</strong>rn weitere Verbesserungen.<br />
Erstmalig gibt es ein 2-stufiges Antragsverfahren,<br />
<strong>de</strong>ssen erster Teil für <strong>de</strong>n Antragsteller weniger bürokratischen<br />
Aufwand be<strong>de</strong>utet. Erst in einer zweiten<br />
Stufe (in <strong>de</strong>r zweiten Auswahlrun<strong>de</strong>) sind zusätzliche<br />
Formulare und Belege nachzureichen. Diese Erleichterung<br />
bringt aber immer noch einen zu hohen Aufwand<br />
in <strong>de</strong>r ersten Phase.<br />
Erstmalig kann nunmehr auch ein Teil <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rmittel<br />
in einer Pauschalsumme ausgereicht wer<strong>de</strong>n. Hier<br />
müssen die Kosten nicht mehr en <strong>de</strong>tail nachgewiesen<br />
wer<strong>de</strong>n. Dies trifft nicht für alle Projekte zu, jedoch für<br />
Seminare, Konferenzen o<strong>de</strong>r Workshops, die Teil eines<br />
Projekts sind.<br />
In <strong>de</strong>r Budgetverteilung sollten auch verstärkt mittlere<br />
Projekte geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Die aktuelle Analyse<br />
zeigt jedoch, dass wie<strong>de</strong>rum bevorzugt Großprojekte<br />
geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n und somit anteilig weniger Geld für<br />
kleinere Projekte zur Verfügung steht. Hier setzen sich<br />
die CCPs ein für eine Neuorientierung bei <strong>de</strong>n Ausschreibungen<br />
für 2009, die <strong>de</strong>rzeit vorbereitet wer<strong>de</strong>n.<br />
Bei <strong>de</strong>r Besetzung <strong>de</strong>r Jurys, welche über die Projekte<br />
entschei<strong>de</strong>n, war mehr Transparenz gefor<strong>de</strong>rt. Die<br />
EU-Kommission wird ab 2008 einen „offenen Pool“ einrichten:<br />
Experten für die Besetzung <strong>de</strong>r Jury können frei<br />
vorgeschlagen wer<strong>de</strong>n bzw. sich bewerben.<br />
Insgesamt ist das Antragsverfahren bei KULTUR<br />
(<strong>2007</strong>-2013) komplexer gewor<strong>de</strong>n. Hier befin<strong>de</strong>n sich<br />
die CCPs im Dialog mit <strong>de</strong>r EU-Kommission und drängen<br />
auf eine wirkliche Vereinfachung.<br />
Nach wie vor ist ein konkreter Dialog mit <strong>de</strong>n Mitarbeiterinnen<br />
<strong>de</strong>s CCP in Bonn ein unverzichtbarer<br />
Schritt bei <strong>de</strong>r Antragstellung im Rahmen <strong>de</strong>r EU-För<strong>de</strong>rprogramme<br />
und Ausschreibungen.<br />
Mobilität<br />
1) Bessere Information über bestehen<strong>de</strong> För<strong>de</strong>rmöglichkeiten<br />
Wer? ITI Deutschland, On-the-move, IETM<br />
Was? Hier sei noch einmal auf die permanent weiter<br />
entwickelten Internet-Portale www.on-the-move.org<br />
und www.labforculture.org verwiesen. Auf <strong>de</strong>r Internetseite<br />
<strong>de</strong>s IETM (www.ietim.org) und <strong>de</strong>s ITI (www.<strong>iti</strong><strong>germany</strong>.<strong>de</strong>)<br />
sind die Links zum Download <strong>de</strong>r Studien<br />
„Impediments to Mobility“, „from post to pillar“ und<br />
„co-production and touring“ gesetzt.<br />
2) Pilotprojekt zur Mobilität von Künstlern in Europa<br />
Wer? Europäisches Parlament<br />
Wie? Das Europäische Parlament diskutiert die Vorlage<br />
für ein Pilotprojekt zur Mobilität von Künstlern in Europa.<br />
Han<strong>de</strong>lt es sich dabei schon um das von Gottfried<br />
Wagner in seiner Keynote und beim Kulturpol<strong>iti</strong>schen<br />
Bun<strong>de</strong>skongress angekündigte „Erasmus-Programm für<br />
Künstler“?<br />
Die <strong>de</strong>utsche Europa-Abgeordnete Helga Trüpel hat<br />
<strong>de</strong>n Vorschlag für ein Pilotprojekt, ausgestattet mit zunächst<br />
3 Mill. Euro, eingebracht. Nach Diskussion mit<br />
in <strong>de</strong>r Frage erfahrenen europäischen Künstlernetzwerken<br />
wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Vorschlag im Kulturausschuss angenommen<br />
und wird nun im Haushaltausschuss diskutiert.<br />
Das European Forum for the Arts and Heritage (EFAH)<br />
hofft, dass auch das Ansinnen einzelner Parlamentarier<br />
auf eine Reduzierung hin zu 1,5 Mill Euro abgelehnt<br />
wird. Das Projekt wird zunächst nicht einen neuen<br />
Fonds darstellen, son<strong>de</strong>rn existieren<strong>de</strong> Strukturen zur<br />
Die In<strong>iti</strong>ativen<br />
67
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Künstlermobilität ausbauen und in <strong>de</strong>r Pilotphase 2008<br />
drei Zielen dienen:<br />
1) Eine Machbarkeitsstudie für ein Europäisches Informationssystem<br />
zur Mobilität.<br />
2) Ausschreibungen für neue Mobilitätsprogramme bei<br />
bereits bestehen<strong>de</strong>n Netzwerken und För<strong>de</strong>rinstitutionen.<br />
3) Unterstützung <strong>de</strong>r Infrastruktur von bereits bestehen<strong>de</strong>n<br />
Mobilitätsfonds und –programmen.<br />
Das Pilotprojekt stellt einen ersten Schritt hin zu einem<br />
vollwertigen Europäischen Mobilitätsprogramm dar,<br />
welches in das Programm KULTUR <strong>2007</strong> aufgenommen<br />
wer<strong>de</strong>n könnte, wenn hier 2009 das Budget neu<br />
diskutiert wird.<br />
3) In<strong>iti</strong>ativen zur Erleichterung <strong>de</strong>r Visa-Formalitäten<br />
Wer? Berliner Konferenz, BDAT u.a.<br />
Was? Zahlreiche Kulturakteure kommunizieren die<br />
Visa-Problematik gegenüber <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k. Nele Hertling<br />
berichtete dies vom Netzwerk <strong>de</strong>r Berliner Konferenz,<br />
hier ein weiteres aktuelles Beispiel:<br />
Gerald Pöttering, Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s EU-Parlaments wur<strong>de</strong><br />
von Norbert Ra<strong>de</strong>macher, Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<br />
Deutscher Amateurtheater (BDAT) noch einmal <strong>de</strong>zidiert<br />
auf die Situation angesprochen und will die Diskussion<br />
darüber zum persönlichen Anliegen machen.<br />
Kulturwirtschaft<br />
1) Beobachtung <strong>de</strong>r Konferenzen und In<strong>iti</strong>ativen<br />
zur Kulturwirtschaft/ Kreativwirtschaft<br />
Im Verlaufe <strong>de</strong>s Jahres haben mehrere Konferenzen<br />
und Podiumsgespräche zum Themenfeld Kulturwirtschaft<br />
stattgefun<strong>de</strong>n. Die Pol<strong>iti</strong>k hat das Thema für sich<br />
ent<strong>de</strong>ckt.<br />
Eine kulturpol<strong>iti</strong>sche Tagung zur Kulturwirtschaft,<br />
welche am 8./9. November <strong>2007</strong> in Berlin auf In<strong>iti</strong>ative<br />
<strong>de</strong>r Kulturverwaltung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Berlin ausgerichtet<br />
wur<strong>de</strong>, stellte noch einmal die Künstler ins Zentrum<br />
<strong>de</strong>r Debatte um die Kulturwirtschaft und erklärte ihre<br />
beson<strong>de</strong>re Pos<strong>iti</strong>on als unverzichtbaren Beginn <strong>de</strong>r kulturwirtschaftlichen<br />
Verwertungskette. (www.kulturprojekte-berlin.<strong>de</strong>/projekte/kulturpol<strong>iti</strong>sche-tagung)<br />
Laufend aktualisierte Informationen fin<strong>de</strong>n sich auf<br />
www.kulturwirtschaft.<strong>de</strong><br />
Wenn man Künstler und Kunstproduktion auch unter<br />
dieser Perspektive betrachtet, dann kristallisieren<br />
sich zwei Aspekte in <strong>de</strong>r Beobachtung heraus:<br />
1) Die Gefahr, dass künstlerische Arbeit unter <strong>de</strong>n<br />
Aspekten von Wirtschaft, Markt und Dienstleistung<br />
subsumiert wer<strong>de</strong>n. Damit wäre das nicht-marktorientierte,<br />
nicht zweckgerichtete kreative Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>r<br />
Künstler infrage gestellt. Kunstför<strong>de</strong>rung könnte – als<br />
Subvention o<strong>de</strong>r Invest<strong>iti</strong>on begriffen, zunehmend<br />
nach ihrer Zweckdienlichkeit bemessen wer<strong>de</strong>n. Kunst<br />
kann jedoch nicht zweckgerichtet produziert wer<strong>de</strong>n.<br />
2) Pos<strong>iti</strong>v sind Aspekte, die bei <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />
kreativen Bereichs diskutiert wer<strong>de</strong>n:<br />
- Die Akteure (auch mit Blick auf <strong>de</strong>n gesamten Bereich)<br />
arbeiten vielfach in prekären Arbeitsverhältnissen.<br />
- Die soziale Situation <strong>de</strong>r Akteure muss abgesichert<br />
wer<strong>de</strong>n (z.B. durch die Sicherung <strong>de</strong>r Künstlersozialkasse).<br />
- Für eine stärkere wirtschaftliche Entwicklung müssen<br />
ökonomisches und betriebswirtschaftliches Wissen<br />
besser in <strong>de</strong>r Aus- und Weiterbildung vermittelt wer<strong>de</strong>n,<br />
auch durch zusätzliche Qualifizierungsprogramme.<br />
Künstler- und kulturpol<strong>iti</strong>sche Netzwerke<br />
Plattform für <strong>de</strong>n gemeinsamen Dialog<br />
Mit einer Koordinierungsrun<strong>de</strong> für dieses Projekt<br />
wur<strong>de</strong> auch eine Plattform für <strong>de</strong>n gemeinsamen Dialog<br />
mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k etabliert: Den Kern bil<strong>de</strong>n hier – neben<br />
Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste und ITI Deutschland<br />
– <strong>de</strong>r Deutsche Kulturrat, <strong>de</strong>r Deutsche Bühnenverein<br />
und <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sverband Freier Theater. Weiterhin sind<br />
Institutionen <strong>de</strong>r Arbeits- und Sozialsysteme, Verbän<strong>de</strong><br />
und Gewerkschaften <strong>de</strong>r Arbeitnehmer, Vertreter <strong>de</strong>r<br />
Arbeitgeber, Bun<strong>de</strong>sministerien, Bun<strong>de</strong>stagsabgeordnete<br />
und För<strong>de</strong>rinstitutionen einbezogen.<br />
Information über die Symposiumsergebnisse in<br />
<strong>de</strong>n europäischen Netzwerken<br />
Das ITI Deutschland übernimmt die Kommunikation<br />
<strong>de</strong>r Symposiumsergebnisse bei <strong>de</strong>n europäischen Konferenzen<br />
von EFAH (November <strong>2007</strong> in Polen), IETM<br />
(Mai 2008 in Slowenien) und ITI (September 2008 in<br />
Spanien) sowie in <strong>de</strong>n Newslettern dieser Netzwerke.<br />
Über <strong>de</strong>n Stand <strong>de</strong>r europäischen Diskussion wird in<br />
„impuls“, <strong>de</strong>n „off-informationen“ <strong>de</strong>s BUFT und weiteren<br />
Publikationen informiert.<br />
Bessere Information und stärkere Einbindung<br />
<strong>de</strong>r Künstler in die kulturpol<strong>iti</strong>sche Debatte<br />
In <strong>de</strong>r Folge <strong>de</strong>r Konferenzen „kultur.macht.europa“<br />
und „Europa eine Seele geben“ haben die Veranstalter<br />
hervorragen<strong>de</strong> Internetseiten und Newsletter etabliert,<br />
die insbeson<strong>de</strong>re zur Kulturpol<strong>iti</strong>k, För<strong>de</strong>rprogrammen,<br />
Kulturwirtschaft und <strong>de</strong>r sozialen Lage <strong>de</strong>r Künstler informieren.<br />
www.kultur-macht-europa.<strong>de</strong>, www.berlinerkonferenz.eu<br />
Dialog mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k<br />
Diskussion <strong>de</strong>r Ergebnisse <strong>de</strong>s Symposiums mit<br />
<strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k<br />
Wer? Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste, ITI<br />
Was? Kommunikationsstrategie<br />
Wie? In ersten Gesprächen wur<strong>de</strong>n die Ergebnisse<br />
und die Strategien <strong>de</strong>s weiteren Vorgehens mit Pol<strong>iti</strong>kern<br />
diskutiert:<br />
1) Gespräch Günter Jeschonnek (Fonds Darstellen<strong>de</strong><br />
Künste) mit Ruth Hieronymi (MdEP) am 07. September<br />
<strong>2007</strong> in Bonn<br />
2) Gespräch Dr. Thomas Engel, Michael Freundt (ITI<br />
Deutschland) mit Steffen Reiche (MdB) am 06. Dezember<br />
<strong>2007</strong> in Berlin<br />
3) Präsentation <strong>de</strong>r Ergebnisse <strong>de</strong>s Symposiums im<br />
Rahmen einer öffentlichen Anhörung beim Unterausschuss<br />
für Auswärtige Kultur- und Bildungspol<strong>iti</strong>k <strong>de</strong>s<br />
Deutschen Bun<strong>de</strong>stages am 10. Dezember <strong>2007</strong><br />
Weitere Schritte wer<strong>de</strong>n aus diesen Gesprächen und<br />
aus <strong>de</strong>r Reaktion auf die Dokumentation abgeleitet.<br />
68
Anhang<br />
Glossar – 55 Begriffe<br />
zu Kultur und Pol<strong>iti</strong>k in Europa<br />
„70 Cents für Kultur“- Kampagne<br />
Nach<strong>de</strong>m EU-Kommissionspräsi<strong>de</strong>nt<br />
Barroso 2004 Kultur als die wesentliche<br />
Gemeinsamkeit Europas proklamiert<br />
hatte, riefen EFAH und ECF gemeinsam<br />
mit Mitglie<strong>de</strong>rn (key members) <strong>de</strong>s Kulturausschusses<br />
<strong>de</strong>s Europäischen Parlaments<br />
diese Kampagne ins Leben, um<br />
das EU-Budget für Kultur von etwa 7<br />
Cent pro Bürger pro Jahr auf 70 Cent<br />
zu erhöhen. Zu Beginn <strong>de</strong>r Kampagne<br />
im März 2005 schlossen sich viele EU-<br />
Parlamentarier, Vertreter <strong>de</strong>r Künste,<br />
Wirtschaft und kulturelle NGOs <strong>de</strong>r<br />
Kampagne an.<br />
Tatsächlich empfahl das Europäische<br />
Parlament im Böge-Report im Juni 2005<br />
ein Budget von 408 Millionen Euro<br />
jährlich für die Spanne <strong>2007</strong>-2013, was<br />
eine Erhöhung auf 17 Cent pro Bürger<br />
be<strong>de</strong>uten wür<strong>de</strong>. Nach einigem Auf<br />
und Ab scheint sich das Budget nun auf<br />
etwa 400 Millionen Euro zu belaufen.<br />
www.efah.org<br />
Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste<br />
Aufgabe <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie ist es, in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit<br />
neue Kunstströmungen darzustellen<br />
und Kulturerbe zu bewahren.<br />
In diesem Rahmen organisiert sie u.a.<br />
Kunst- und Dokumentarausstellungen,<br />
Workshops, Vorlesungen, Film-, Theater-<br />
und Tanzvorführungen. Ein wesentlicher<br />
Bestandteil <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie ist ihr<br />
Archiv, <strong>de</strong>ssen Sammlung die Geschichte<br />
<strong>de</strong>r AdK und <strong>de</strong>r von ihr repräsentierten<br />
Kunstzweige umfasst.<br />
www.adk.<strong>de</strong><br />
Allianz Kulturstiftung<br />
Die Stiftung wur<strong>de</strong> 2000 mit einem<br />
Grundkapital von 50 Millionen Euro<br />
von <strong>de</strong>r vormaligen Allianz AG, jetzt<br />
Allianz SE ins Leben gerufen. Die Erfüllung<br />
<strong>de</strong>s Stiftungszwecks wird durch<br />
die jährlichen Zinserträge ermöglicht.<br />
Sie för<strong>de</strong>rt Kunst-, Kultur- und Bildungsprojekte<br />
im Geiste <strong>de</strong>r europäischen<br />
Integration mit beson<strong>de</strong>rer Beteiligung<br />
<strong>de</strong>r Jugend.<br />
www.allianz-kulturstiftung.<strong>de</strong><br />
Berliner Konferenz<br />
Die private, zivilgesellschaftliche In<strong>iti</strong>ative<br />
„Europa eine Seele geben“ nahm mit<br />
<strong>de</strong>r ersten Berliner Konferenz (November<br />
2004) ihren Anfang und folgt <strong>de</strong>m<br />
Gedanken: „Die Entwicklung Europas<br />
ist auf die Kraft <strong>de</strong>r Kultur angewiesen<br />
und muss diese nachhaltig nutzen.“ In<br />
diesem Sinne entwickelt die In<strong>iti</strong>ative<br />
ein internationales Netzwerk und wirbt<br />
um aktive Unterstützung für ihre Ziele<br />
bei Städten und Regionen, in <strong>de</strong>n Mitgliedsstaaten<br />
<strong>de</strong>r EU, in <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>r<br />
Kultur, <strong>de</strong>r Wirtschaft und in <strong>de</strong>r europäischen<br />
Pol<strong>iti</strong>k. Nele Hertling, Vizepräsi<strong>de</strong>ntin<br />
<strong>de</strong>r AdK Berlin, ist Sprecherin<br />
<strong>de</strong>r In<strong>iti</strong>ative. Vom 17. bis 19. November<br />
2006 wur<strong>de</strong> die zweite Berliner<br />
Konferenz ausgerichtet, ihr wird 2008<br />
eine weitere Berliner Konferenz folgen.<br />
www.berlinerkonferenz.eu<br />
BKM – Der Beauftragte <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung<br />
für Kultur und Medien<br />
Der Beauftragte <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung<br />
für Kultur und Medien, vulgo Kulturstaatsminister,<br />
trägt die Verantwortung<br />
für die Kultur- und Medienpol<strong>iti</strong>k <strong>de</strong>r<br />
Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland. Seit 2005<br />
beklei<strong>de</strong>t das Amt Bernd Neumann<br />
(CDU). Zu <strong>de</strong>n Aufgaben gehören neben<br />
<strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung von kulturellen<br />
Einrichtungen und Projekten von überregionaler<br />
nationaler Be<strong>de</strong>utung die<br />
Weiterentwicklung und Mo<strong>de</strong>rnisierung<br />
<strong>de</strong>r rechtlichen Rahmenbedingungen<br />
künstlerischen Schaffens sowie die Sicherung<br />
einer freien und pluralistischen<br />
Medienlandschaft. Dazu zählen auch die<br />
För<strong>de</strong>rung von Kultur in <strong>de</strong>r Hauptstadt<br />
Berlin, von Ge<strong>de</strong>nkstättenprojekten<br />
und die Filmför<strong>de</strong>rung. Ebenso soll <strong>de</strong>r<br />
öffentliche Diskurs über Kunst und Kultur<br />
geför<strong>de</strong>rt und belebt wer<strong>de</strong>n. Beim<br />
Symposium war <strong>de</strong>r BKM durch Frithjof<br />
Berger, Referatsleiter Internationale Kulturpol<strong>iti</strong>k,<br />
vertreten.<br />
www.bun<strong>de</strong>sregierung.<strong>de</strong><br />
Bolkenstein-Richtlinie<br />
ist ein Kurzwort für: Richtlinie <strong>de</strong>s Europäischen<br />
Parlaments und <strong>de</strong>s Rates über<br />
Dienstleistungen im Binnenmarkt vom<br />
12. Dezember 2006 (auch Europäische<br />
Dienstleistungsrichtlinie genannt). Diese<br />
EG-Richtlinie zur Verwirklichung <strong>de</strong>s<br />
Europäischen Binnenmarkts im Bereich<br />
<strong>de</strong>r Dienstleistungen hat <strong>de</strong>n Abbau<br />
von bürokratischen Hin<strong>de</strong>rnissen und<br />
zwischenstaatlichen Hemmnissen sowie<br />
die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s grenzüberschreiten<strong>de</strong>n<br />
Han<strong>de</strong>ls mit Dienstleistungen zum<br />
Ziel. Der Kulturbereich ist hier insofern<br />
berührt, als die Kulturakteure als Dienstleistungserbringer<br />
und <strong>de</strong>r Kulturbereich<br />
unter Marktgesichtspunkten gesehen<br />
wer<strong>de</strong>n können.<br />
Br<strong>iti</strong>sh Council<br />
- ist Großbritanniens internationale Organisation<br />
für Bildungsangebote und<br />
kulturelle Beziehungen. Insbeson<strong>de</strong>re<br />
die „Arts Group“ <strong>de</strong>s Br<strong>iti</strong>sh Council<br />
bemüht sich darum, lang währen<strong>de</strong><br />
Beziehungen zwischen br<strong>iti</strong>schen und<br />
ausländischen Künstlern herzustellen,<br />
offen gegenüber neuer Kunst zu sein<br />
sowie sozial engagierte Kunst und kreative<br />
Projekte zu unterstützen. Br<strong>iti</strong>sh<br />
Council wird durch die br<strong>iti</strong>sche Regierung,<br />
aber auch Firmen, Sponsoren und<br />
Partner getragen.<br />
www.br<strong>iti</strong>shcouncil.org<br />
CCP – Cultural Contact Point<br />
Die Kultur-Kontaktstelle Cultural Contact<br />
Point Germany (CCP) informiert interessierte<br />
<strong>de</strong>utsche Projektträger über<br />
die jeweils aktuellen europäischen Kulturför<strong>de</strong>rprogamme,<br />
vor allem das Rahmenprogramm<br />
KULTUR (<strong>2007</strong>-2013).<br />
Der CCP stellt die Unterlagen zur Verfügung<br />
und berät bei <strong>de</strong>r Antragstellung.<br />
Cultural Contact Points gibt es in <strong>de</strong>n<br />
Mitgliedstaaten <strong>de</strong>r Union und <strong>de</strong>s Europäischen<br />
Wirtschaftsraums sowie in<br />
<strong>de</strong>n teilnahmeberechtigten mittel- und<br />
osteuropäischen Län<strong>de</strong>rn. Beim Symposium<br />
informierte Sabine Bornemann,<br />
Referentin <strong>de</strong>s CCP, über die aktuellen<br />
Ausschreibungen von KULTUR <strong>2007</strong>.<br />
www.ccp-<strong>de</strong>utschland.<strong>de</strong><br />
COLINA<br />
- steht für „Collaboration in Arts“, ein<br />
Projekt, das auf interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />
zielt. Es entstand im Jahr<br />
2003, in<strong>iti</strong>iert durch Rui Horta, Choreograf<br />
und ehemaliger künstlerischer Leiter<br />
von S.O.A.P. Künstler verschie<strong>de</strong>ner<br />
Sparten wer<strong>de</strong>n in ein 14-tägiges Labor<br />
eingela<strong>de</strong>n. 2005 fand COLINA mit 26<br />
ausgewählten Künstlern verschie<strong>de</strong>ner<br />
Nationalitäten am tanzhaus nrw in<br />
Düsseldorf statt, 2006 bei Dancecity in<br />
Newcastle.<br />
www.colina2005.com;<br />
www.colina2006.com<br />
DK - Deutscher Kulturrat e.V.<br />
Der Deutsche Kulturrat wur<strong>de</strong> 1981 als<br />
pol<strong>iti</strong>sch unabhängige Arbeitsgemeinschaft<br />
kultur- und medienpol<strong>iti</strong>scher<br />
Organisationen und Institutionen von<br />
bun<strong>de</strong>sweiter Be<strong>de</strong>utung gegrün<strong>de</strong>t.<br />
1995 wur<strong>de</strong> die Arbeitsgemeinschaft in<br />
die feste und handlungsfähigere Struktur<br />
eines gemeinnützigen Vereins überführt.<br />
Der Deutsche Kulturrat ist <strong>de</strong>r<br />
anerkannte Spitzenverband <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>skulturverbän<strong>de</strong>.<br />
210 Bun<strong>de</strong>skulturverbän<strong>de</strong><br />
haben sich in acht Sektionen<br />
<strong>de</strong>m Deutschen Kulturrat e.V. angeschlossen.<br />
Der Deutsche Kulturrat e.V. versteht<br />
sich als Ansprechpartner <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k und<br />
Verwaltung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />
und <strong>de</strong>r Europäischen Union in allen<br />
die einzelnen Sparten <strong>de</strong>s Deutschen<br />
Kulturrates e.V. übergreifen<strong>de</strong>n kulturpol<strong>iti</strong>schen<br />
Angelegenheiten. Ziel <strong>de</strong>s<br />
Deutschen Kulturrates e.V. ist es, bun<strong>de</strong>sweit<br />
spartenübergreifen<strong>de</strong> Fragen in<br />
Anhang<br />
69
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
die kulturpol<strong>iti</strong>sche Diskussion auf allen<br />
Ebenen einzubringen.<br />
Zur Information <strong>de</strong>r Öffentlichkeit erscheint<br />
sechs mal im Jahr die Zeitung<br />
<strong>de</strong>s Deutschen Kulturrates „pol<strong>iti</strong>k und<br />
kultur“.<br />
www.kulturrat.<strong>de</strong><br />
ECF - European Cultural Foundation<br />
- ist eine unabhängige, nichtstaatliche<br />
Organisation, die auf die In<strong>iti</strong>ative <strong>de</strong>s<br />
Schweizer Schriftstellers und Philosophen<br />
Denis <strong>de</strong> Rougemont zurückgeht.<br />
Sie wur<strong>de</strong> 1954 gegrün<strong>de</strong>t, um<br />
durch Unterstützung von Aktivitäten<br />
in Kultur, Bildung und Forschung von<br />
multinationaler Be<strong>de</strong>utung und europäischem<br />
Charakter einen Beitrag zu<br />
einem offenen und <strong>de</strong>mokratischen Europa<br />
zu leisten und um Kultur auf die<br />
Tagesordnung <strong>de</strong>r europäischen Einigung<br />
zu setzen. Sie verfolgt drei prioritäre<br />
Ziele:<br />
- För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s interkulturellen Dialogs,<br />
-Anregung zur Beteiligung am gesellschaftlichen<br />
Leben durch künstlerische<br />
und kulturelle Aktivitäten sowie<br />
- Stärkung <strong>de</strong>s kulturellen Sektors.<br />
Gottfried Wagner, Direktor <strong>de</strong>r ECF,<br />
eröffnete das Symposium am 25. Juni<br />
<strong>2007</strong> mit einer Keynote.<br />
EFAH – European Forum for the Arts<br />
and Heritage<br />
- gegrün<strong>de</strong>t 1992 mit Sitz in Brüssel,<br />
ist das größte interdisziplinäre Forum<br />
für <strong>de</strong>n nichtstaatlichen Kulturbereich<br />
in Europa. Mit 90 Mitgliedsorganisationen,<br />
welche wie<strong>de</strong>rum rund 5.000<br />
Kulturorganisationen aus 25 west- und<br />
osteuropäischen Län<strong>de</strong>rn (über die EU<br />
hinaus) repräsentieren, fungiert EFAH<br />
als Vermittler gegenüber <strong>de</strong>n Entscheidungsträgern<br />
<strong>de</strong>r europäischen Pol<strong>iti</strong>k<br />
und Administration, wenn es um die<br />
Interessen von Künstlern und Kulturschaffen<strong>de</strong>n<br />
geht. Auf <strong>de</strong>m Symposium<br />
informierte Daphne Tepper, Policy Analyst<br />
im EFAH-Büro, über kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />
Ziele und Strategien aus <strong>de</strong>r Sicht von<br />
EFAH.<br />
www.efah.org<br />
EFRE-Fonds<br />
Die Europäischen Fonds für regionale<br />
Entwicklung (EFRE) sind wichtige Strukturfonds,<br />
die für <strong>de</strong>n wirtschaftlichen<br />
Aufholprozess <strong>de</strong>r ärmeren Regionen<br />
sorgen sollen. Um dies zu realisieren,<br />
wer<strong>de</strong>n unter an<strong>de</strong>rem mittelständische<br />
Unternehmen unterstützt, damit<br />
dauerhafte Arbeitsplätze geschaffen,<br />
Infrastrukturprojekte durchgeführt und<br />
technische Hilfsmaßnahmen angewandt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
ENICPA – European Network of Information<br />
Centres for the Performing Arts<br />
Das Europäische Netzwerk <strong>de</strong>r Informationszentren<br />
in <strong>de</strong>n Darstellen<strong>de</strong>n<br />
Künsten versteht sich als Plattform für<br />
<strong>de</strong>n Informationsaustausch und die<br />
fachliche Weiterbildung für jene Experten,<br />
die national und international<br />
Informationen über die Darstellen<strong>de</strong>n<br />
Künste sammeln und weiter verbreiten.<br />
Mit seiner Website und verschie<strong>de</strong>nen<br />
Internet-Projekten versucht das Netzwerk,<br />
sowohl Künstlern Informationen<br />
und Kontakte in hoher Qualität bereit<br />
zu stellen, wie auch Informationen über<br />
die darstellen<strong>de</strong>n Künste in Europa für<br />
an<strong>de</strong>re Bereiche verfügbar zu machen.<br />
www.enicpa.net;<br />
www.dancevi<strong>de</strong>onavigator.org<br />
Enquête-Kommission<br />
Die Kommission, vom Deutschen Bun<strong>de</strong>stag<br />
am 15. Dezember 2005 eingesetzt,<br />
besteht aus elf Abgeordneten aller<br />
Fraktionen (sowie elf stellvertreten<strong>de</strong>n<br />
Mitglie<strong>de</strong>rn) und einer gleichen Anzahl<br />
von externen Sachverständigen. Vorsitzen<strong>de</strong><br />
ist Gitta Connemann (CDU). Auf<br />
<strong>de</strong>r Grundlage einer Bestandsaufnahme<br />
<strong>de</strong>r gegenwärtigen Situation von Kunst<br />
und Kultur in Deutschland sollen bis<br />
<strong>2007</strong> Ergebnisse und pol<strong>iti</strong>sche Handlungsempfehlungen<br />
erarbeitet wer<strong>de</strong>n.<br />
Der Bericht <strong>de</strong>r Enquête-Kommission<br />
wird für En<strong>de</strong> <strong>2007</strong> erwartet.<br />
www.bun<strong>de</strong>stag.<strong>de</strong><br />
Entschließung <strong>de</strong>s EU-Parlaments zur<br />
sozialen Lage <strong>de</strong>r Künstler<br />
Am 7. Juni <strong>2007</strong> hat das Europäische<br />
Parlament (auf <strong>de</strong>r Grundlage eines<br />
Berichts <strong>de</strong>s Ausschusses für Kultur und<br />
Bildung) eine Entschließung zum Sozialstatut<br />
von Künstlern verabschie<strong>de</strong>t.<br />
Darin wird Kunst als eine Arbeit und als<br />
ein Beruf betrachtet, aber gleichze<strong>iti</strong>g<br />
festgestellt, dass „in mehreren Mitgliedstaaten<br />
Personen, die bestimmte künstlerische<br />
Berufe ausüben, keinen Rechtsstatus<br />
besitzen“. Der erste Schwerpunkt<br />
widmet sich <strong>de</strong>r „Verbesserung<br />
<strong>de</strong>r Lage <strong>de</strong>r Künstler in Europa“, es<br />
wird <strong>de</strong>r rechtliche und soziale Schutz<br />
<strong>de</strong>r Künstler thematisiert. Die Mitgliedstaaten<br />
wer<strong>de</strong>n aufgefor<strong>de</strong>rt, die Übertragung<br />
von Renten- und Sozialversicherungsansprüchen<br />
von Künstlern aus<br />
Drittlän<strong>de</strong>rn nach Rückkehr in ihr Land<br />
zu gewährleisten. Anerkennung von<br />
Diplomen, eine gerechte Vergütung für<br />
Urheberrechte, die Visa-Problematik,<br />
Mobilität, lebenslange Weiterbildung<br />
und die För<strong>de</strong>rung künstlerischer Ausbildung<br />
sind weitere Schwerpunkte.<br />
Den Originaltext haben wir in diese<br />
Dokumentation aufgenommen.<br />
www.europarl.europa.eu<br />
Entwurf zur Situation <strong>de</strong>r Künstler<br />
Siehe: Entschließung <strong>de</strong>s EU-Parlaments…<br />
Europa eine Seele geben<br />
Siehe: Berliner Konferenz<br />
Europäische Kommission<br />
- ist im pol<strong>iti</strong>schen System <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Gemeinschaft die Exekutive und<br />
als solche für die Umsetzung <strong>de</strong>r Beschlüsse<br />
von Ministerrat und Parlament<br />
zuständig. Sie schlägt darüber hinaus in<br />
Ausübung ihres In<strong>iti</strong>ativrechtes Rechtsvorschriften,<br />
pol<strong>iti</strong>sche Maßnahmen<br />
und Programme vor. Die Europäische<br />
Kommission besteht aktuell aus 27<br />
Kommissaren, darunter auch Jan Figel,<br />
zuständig für Allgemeine und berufliche<br />
Bildung und Kultur. Kommissionspräsi<strong>de</strong>nt<br />
ist seit 2004 José Manuel Durão<br />
Barroso. Der Europäischen Kommission<br />
unterstehen verschie<strong>de</strong>ne Generaldirektionen,<br />
darunter die Generaldirektion<br />
Bildung und Kultur.<br />
www.ec.europa.eu<br />
Europäischer Sozialfonds<br />
Der Europäische Sozialfonds (ESF) ist<br />
das Hauptinstrument, mit <strong>de</strong>m die EU<br />
Maßnahmen zur Höherqualifizierung<br />
und Steigerung <strong>de</strong>r Beschäftigungsfähigkeit<br />
för<strong>de</strong>rt. Entworfen wer<strong>de</strong>n diese<br />
Programme gemeinsam von <strong>de</strong>n<br />
Mitgliedstaaten und <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Kommission. Durchgeführt wer<strong>de</strong>n sie<br />
mit Projekten, an <strong>de</strong>nen öffentliche<br />
und private Organisationen mitwirken.<br />
Potenzielle Projektpartner: nationale,<br />
regionale und kommunale Behör<strong>de</strong>n;<br />
Sozialpartner, d. h. Arbeitgeber- und<br />
Arbeitnehmervertreter; Bildungs- und<br />
Ausbildungseinrichtungen sowie Freiwilligenorganisationen.<br />
Europäisches Parlament<br />
Im Europäischen Parlament vertreten<br />
785 Abgeordnete aus 27 Nationen rund<br />
490 Millionen Bürgerinnen und Bürger.<br />
Seit <strong>de</strong>r ersten Direktwahl im Jahr<br />
1979 hat das Europäische Parlament<br />
seine Kompetenzen Zug um Zug ausgebaut.<br />
Das Parlament spielt eine aktive<br />
Rolle bei <strong>de</strong>r Ausarbeitung von Rechtsvorschriften,<br />
beispielsweise in <strong>de</strong>n Bereichen<br />
Umweltschutz, Verbraucherrechte,<br />
Gleichberechtigung, Verkehr<br />
sowie Freizügigkeit von Arbeitnehmern,<br />
Kapital, Waren und Dienstleistungen.<br />
www.europarl.europa.eu<br />
Felix Mer<strong>iti</strong>s Stiftung<br />
„Connecting Cultures“ ist das Motto<br />
<strong>de</strong>r Felix Mer<strong>iti</strong>s Stiftung. Sie entwickelte<br />
sich aus <strong>de</strong>m Wunsch heraus,<br />
einen (inter)nationalen Treffpunkt für<br />
Künstler, Wissenschaftler und zivilgesellschaftliche<br />
Personen zu schaffen. Durch<br />
das Aufnehmen eines Dialogs mit <strong>de</strong>m<br />
Publikum unterstreicht das Zentrum die<br />
Notwendigkeit <strong>de</strong>r Entwicklung eines<br />
öffentlichen europäischen Raumes, <strong>de</strong>r<br />
die Rolle <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft stärker betonen<br />
und die kulturelle Dimension in<br />
Prozessen pol<strong>iti</strong>scher Gestaltung, wie es<br />
<strong>de</strong>r Helsinki-Prozess seit 1975 for<strong>de</strong>rt,<br />
unterstreichen soll. Angesichts <strong>de</strong>r ver-<br />
70
nachlässigten Rolle, die Kultur in <strong>de</strong>r<br />
ökonomischen Entwicklung Europas<br />
spielt, sieht sich die Felix Mer<strong>iti</strong>s Stiftung<br />
nicht nur als selbstverständlicher Partner<br />
<strong>de</strong>s Berliner Prozesses und <strong>de</strong>r In<strong>iti</strong>ative<br />
„Europa eine Seele geben“, son<strong>de</strong>rn<br />
auch als ihr überzeugter Fürsprecher.<br />
Das konzeptionelle Verständnis Felix<br />
Mer<strong>iti</strong>s’ liegt in <strong>de</strong>r Überzeugung verankert,<br />
dass die Einbeziehung <strong>de</strong>r Bürger<br />
in <strong>de</strong>n europäischen Einigungsprozess<br />
nicht nur notwendig, son<strong>de</strong>rn essentiell<br />
ist, da dieser Prozess zuallererst als ein<br />
kultureller verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n muss.<br />
www.felix.mer<strong>iti</strong>s.nl<br />
Fernsehrichtlinie<br />
Als Europäische Fernsehrichtlinie wird<br />
eine EG-Richtlinie <strong>de</strong>s Rates zur Koordinierung<br />
bestimmter Rechts- und<br />
Verwaltungsvorschriften <strong>de</strong>r Mitgliedstaaten<br />
über die Ausübung <strong>de</strong>r Fernsehtätigkeit<br />
bezeichnet. Sie hat das Ziel,<br />
durch die Schaffung eines harmonisierten<br />
rechtlichen Rahmens Hin<strong>de</strong>rnisse<br />
für die Herstellung und Verbreitung<br />
von Fernsehprogrammen zu bese<strong>iti</strong>gen,<br />
faire Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten<br />
und auch <strong>de</strong>n freien Informationsfluss<br />
und Meinungsaustausch in<br />
<strong>de</strong>r Gemeinschaft zu sichern. Die wichtigsten<br />
Regelungen <strong>de</strong>r Fernsehrichtlinie<br />
sind das Sen<strong>de</strong>staatsprinzip und <strong>de</strong>r<br />
freie Empfang, die Quotenregelung, die<br />
Werbung, <strong>de</strong>r Jugendschutz und das<br />
Recht auf Gegendarstellung.<br />
Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste<br />
Der 1985 gegrün<strong>de</strong>te Fonds Darstellen<strong>de</strong><br />
Künste e.V. för<strong>de</strong>rt seit 1988 herausragen<strong>de</strong><br />
Projekte aller Sparten <strong>de</strong>r<br />
Darstellen<strong>de</strong>n Künste. Seit 2005 ist die<br />
Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s mit einer<br />
jährlichen För<strong>de</strong>rsumme von 1.000.000<br />
EUR alleiniger Zuwendungsgeber <strong>de</strong>s<br />
Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste. Das Kuratorium<br />
(mind. 13 Fachleute aus <strong>de</strong>r Theaterpraxis)<br />
entschei<strong>de</strong>t zweimal im Jahr<br />
über die Vergabe <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rmittel. 2006<br />
veranstaltete <strong>de</strong>r Fonds das Symposium<br />
„FREIES THEATER IN DEUTSCHLAND<br />
- För<strong>de</strong>rstrukturen und Perspektiven“,<br />
hieran knüpfte das Symposium „Europäisch<br />
kooperieren und produzieren“<br />
an. Günter Jeschonnek, Geschäftsführer<br />
<strong>de</strong>s Fonds, eröffnete mit einem Grußwort<br />
das Symposium.<br />
www.fonds-daku.<strong>de</strong><br />
GATS<br />
Das Allgemeine Abkommen über <strong>de</strong>n<br />
Han<strong>de</strong>l mit Dienstleistungen (engl.<br />
General Agreement on Tra<strong>de</strong> in Services;<br />
GATS) ist ein internationales Vertragswerk<br />
<strong>de</strong>r Welthan<strong>de</strong>lsorganisation<br />
(WTO), das <strong>de</strong>n grenzüberschreiten<strong>de</strong>n<br />
Han<strong>de</strong>l mit Dienstleistungen regelt und<br />
<strong>de</strong>ssen fortschreiten<strong>de</strong> Liberalisierung<br />
zum Ziel hat. GATS umfasst alle Dienstleistungen,<br />
mit Ausnahme <strong>de</strong>rjenigen,<br />
die im Rahmen staatlicher Zuständigkeit<br />
erbracht wer<strong>de</strong>n. Auswirkungen auf<br />
Bildungs- und Kulturbereich (stärkere<br />
Kommerzialisierung, Abbau von Subventionen,<br />
damit Verlust von Vielfalt)<br />
sind unvermeidbar, wenn diese nicht<br />
aus <strong>de</strong>n Verhandlungen ausgenommen<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Generaldirektion Bildung und Kultur<br />
Siehe: EU-Kommission<br />
Goethe-Institut<br />
- ist das weltweit tätige Kulturinstitut<br />
<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland. Es för<strong>de</strong>rt<br />
die Kenntnis <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Sprache<br />
im Ausland und pflegt die internationale<br />
kulturelle Zusammenarbeit. Mit<br />
einem Netzwerk aus Goethe-Instituten,<br />
Goethe-Zentren, Kulturgesellschaften,<br />
Lesesälen sowie Prüfungs- und Sprachlernzentren<br />
nimmt es seit über fünfzig<br />
Jahren weltweit zentrale Aufgaben <strong>de</strong>r<br />
auswärtigen Kultur- und Bildungspol<strong>iti</strong>k<br />
wahr.<br />
www.goethe.<strong>de</strong><br />
ICDE<br />
Um die verstreuten Informationen zu europäischer<br />
Gegenwartsdramatik zu bün<strong>de</strong>ln,<br />
Kontakt- und Austauschmöglichkeiten<br />
zwischen Autoren, Übersetzern,<br />
Dramaturgen und Theaterinstitutionen<br />
sowie an<strong>de</strong>ren Theaterschaffen<strong>de</strong>n und<br />
Interessierten zu verstärken, wur<strong>de</strong> das<br />
Information Centre for Drama in Europe<br />
(ICDE) mit <strong>de</strong>m zentralen Internetportal<br />
www.playservice.net in<strong>iti</strong>iert. Regelmäßige<br />
Arbeitstreffen sowie die Betreuung<br />
<strong>de</strong>s Internetportals inklusive <strong>de</strong>r Datenbankaktualisierung<br />
bil<strong>de</strong>n die Kernaufgaben<br />
<strong>de</strong>s ICDE. Gründungspartner<br />
sind Finnland, England, Deutschland,<br />
Frankreich und die Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>.<br />
www.playservice.net<br />
IDEE<br />
- In<strong>iti</strong>atives in Dance through European<br />
Exchange, läuft als EU-Projekt von<br />
Mai 2005 bis Mai 2008, in<strong>iti</strong>iert vom<br />
Tanzquartier Wien. Das Netzwerk unterstützt<br />
Künstler im Tanz- und Performancebereich<br />
bei <strong>de</strong>r Entwicklung ihrer<br />
Arbeiten und sucht nach neuen Wegen<br />
<strong>de</strong>s künstlerischen Austauschs. Mitglie<strong>de</strong>r<br />
sind Centre national <strong>de</strong> la danse<br />
(Paris), Dansens Hus (Oslo), Dansens<br />
Hus (Stockholm), Mercat <strong>de</strong> les Flors<br />
(Barcelona), The Place (London), tanzhaus<br />
nrw (Düsseldorf) und Tanzquartier<br />
Wien. Weiterführend soll das Netzwerk<br />
European Dance House Network (EDN)<br />
entwickelt wer<strong>de</strong>n.<br />
www.i<strong>de</strong>e-eu.com<br />
IETM<br />
- (früher: Informal European Theatre<br />
Meeting, heute: international network<br />
for contemporary performing arts), internationales<br />
Netzwerk mit über 400<br />
Mitgliedsorganisationen und Sitz in<br />
Brüssel. Ziel ist die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Qualität,<br />
<strong>de</strong>r Entwicklung und <strong>de</strong>r Vermittlung<br />
<strong>de</strong>r Darstellen<strong>de</strong>n Künste in einer<br />
globalen Welt. Richtet jährlich zwei<br />
große Meetings (zumeist in Europa)<br />
sowie weitere (Satellite-)Meetings aus.<br />
För<strong>de</strong>rt das Know-How <strong>de</strong>r künstlerischen<br />
Produzenten durch Studien zu<br />
aktuellen Entwicklungen, Produktionsfragen<br />
etc. (publiziert auf <strong>de</strong>r Website)<br />
und die Kommunikation über Beispiele<br />
guter Praxis. Engagiert sich für Europäische<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>ken durch intensives<br />
Networking im Bereich <strong>de</strong>r Darstellen<strong>de</strong>n<br />
Künste.<br />
www.ietm.org<br />
Impediments to Mobility<br />
- ist <strong>de</strong>r Titel einer Studie, die Richard<br />
Polácek im Auftrag von Pearle* und an<strong>de</strong>ren<br />
2006 durchführte. Sie untersucht<br />
umfassend, welche Hin<strong>de</strong>rnisse für die<br />
Mobilität von Kulturschaffen<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r<br />
EU bestehen. Die Studie analysiert in<br />
vier beson<strong>de</strong>rs problemträchtigen Themenbereichen<br />
Hin<strong>de</strong>rnisse für Mobilität<br />
von Kulturschaffen<strong>de</strong>n und schlägt<br />
Lösungen vor. Die Problembereiche<br />
sind: VISA und Arbeitserlaubnisse für<br />
Künstler aus Nicht-EU-Staaten; Sozialversicherung;<br />
Steuern und Umgang<br />
mit geistigem Eigentumsrecht bei einer<br />
Vielzahl von Urhebern.<br />
Ein Artikel zur Studie fin<strong>de</strong>t sich im Anhang<br />
dieser Dokumentation<br />
Institut Français<br />
Die Instituts français sind externe Einrichtungen<br />
<strong>de</strong>s französischen Staates.<br />
Sie vermitteln auf vielfältige Weise Kultur,<br />
Wissenschaft und Sprache Frankreichs.<br />
Sie bieten meist in Zusammenarbeit<br />
mit einer Partnerstruktur vor<br />
Ort ein umfangreiches und vielfältiges<br />
Kulturprogramm. Dazu gehören Konzerte,<br />
Lesungen, Diskussionen, Ausstellungen,<br />
Theaterstücke, aber auch<br />
Sprachkurse für je<strong>de</strong>s Niveau, eine Mediathek<br />
und ein Dokumentationszentrum<br />
über Frankreich.<br />
www.kultur-frankreich.<strong>de</strong><br />
Intermittent-Programm<br />
Viele französische Künstler im Bereich<br />
<strong>de</strong>r Darstellen<strong>de</strong>n Künste besitzen <strong>de</strong>n<br />
sozialen Status „intermittent du spectacle“.<br />
Viele Theater-, Musik-, Filmproduktionen<br />
sind zeitlich begrenzt, die Beteiligten<br />
aber (im Gegensatz zu Honorarverträgen<br />
in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn) sind in<br />
<strong>de</strong>r Regel sozialversicherungspflichtig<br />
angestellt. Um für die Zeit zwischen <strong>de</strong>n<br />
Anstellungsverträgen eine Lösung zu<br />
fin<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong> diese Form <strong>de</strong>r Arbeitslosenversicherung<br />
aufgebaut, die <strong>de</strong>n<br />
Künstlern Bezüge in <strong>de</strong>r Zeit zwischen<br />
ihren künstlerischen Projekten sichert.<br />
Innerhalb eines bestimmten Zeitraums<br />
müssen die Arbeitnehmer allerdings<br />
Anhang<br />
71
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
eine Min<strong>de</strong>stbeschäftigung mit Anstellungsverträgen<br />
(rund 300 Tage innerhalb<br />
von zwei Jahren) nachweisen. Die<br />
Verschärfung dieser Regelung hat 2004<br />
zu großen Protesten und Streiks (z.B.<br />
<strong>de</strong>r Absage <strong>de</strong>s Festivals von Avignon)<br />
geführt.<br />
ITI – Internationales Theaterinstitut<br />
Das <strong>de</strong>utsche Zentrum <strong>de</strong>s ITI ist Teil<br />
<strong>de</strong>s weltumspannen<strong>de</strong>n Netzwerks <strong>de</strong>s<br />
Theaters, das seit fast 60 Jahren unter<br />
<strong>de</strong>m Schirm <strong>de</strong>r UNESCO <strong>de</strong>m internationalen<br />
Austausch <strong>de</strong>r Theaterschaffen<strong>de</strong>n<br />
und <strong>de</strong>r besseren Verständigung<br />
zwischen <strong>de</strong>n Kulturen <strong>de</strong>r Welt dient.<br />
ITI ist in rund 90 Län<strong>de</strong>rn mit nationalen<br />
Zentren vertreten. Das Generalsekretariat<br />
<strong>de</strong>s Internationalen Theaterinstituts<br />
befin<strong>de</strong>t sich in Paris.<br />
In Deutschland sind rund 200 Künstler,<br />
Theaterfachleute und Institutionen<br />
aus allen Bereichen <strong>de</strong>r Darstellen<strong>de</strong>n<br />
Künste Mitglied im Zentrum Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland <strong>de</strong>s ITI e.V.<br />
www.<strong>iti</strong>-<strong>germany</strong>.<strong>de</strong><br />
KMK - Kultusministerkonferenz<br />
Nach <strong>de</strong>m Grundgesetz liegen die Zuständigkeiten<br />
für das Bildungswesen<br />
und die Kultur im Wesentlichen bei <strong>de</strong>n<br />
Län<strong>de</strong>rn (sog. Kulturhoheit <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r).<br />
Die KMK behan<strong>de</strong>lt nach ihrer Geschäftsordnung<br />
„Angelegenheiten <strong>de</strong>r<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k von überregionaler Be<strong>de</strong>utung<br />
mit <strong>de</strong>m Ziel einer gemeinsamen<br />
Meinungs- und Willensbildung und <strong>de</strong>r<br />
Vertretung gemeinsamer Anliegen“. Insofern<br />
sind hier auch Ansprechpartner<br />
für die Belange <strong>de</strong>r Kultur in Bezug auf<br />
Europa. Wenngleich die KMK wesentlich<br />
mehr und aktiver in Bildungsfragen<br />
agiert, ist <strong>de</strong>r Kulturausschuss hier<br />
<strong>de</strong>r wichtigste Ansprechpartner für die<br />
Künstler. Dem Ausschuss gehören die<br />
Leiter <strong>de</strong>r Kultur- bzw. <strong>de</strong>r Kunstabteilungen<br />
<strong>de</strong>r Kultusressorts <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />
an. Beim Symposium wur<strong>de</strong> die KMK<br />
durch Hans Heinrich Bethge, Leiter <strong>de</strong>s<br />
Amtes Kultur <strong>de</strong>r Freien und Hansestadt<br />
Hamburg und Berichterstatter <strong>de</strong>s Kulturausschusses<br />
<strong>de</strong>r KMK, vertreten.<br />
www.kmk.org<br />
Kommunikation <strong>de</strong>r EU-Kommission<br />
Siehe: Mitteilung <strong>de</strong>r EU-Kommission<br />
Konferenz “Menschen bewegen”<br />
„Menschen bewegen – Kultur und Bildung<br />
in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Außenpol<strong>iti</strong>k“:<br />
Unter diesem Titel hat sich auf Einladung<br />
von Bun<strong>de</strong>saußenminister Steinmeier<br />
am 25. und 26. Oktober eine Konferenz<br />
mit rund 500 Teilnehmern im Auswärtigen<br />
Amt mit Zukunftsthemen <strong>de</strong>r<br />
Auswärtigen Kultur- und Bildungspol<strong>iti</strong>k<br />
beschäftigt. „Menschen bewegen“<br />
– formuliert das Auswärtige Amt als Ziel<br />
<strong>de</strong>r Auswärtigen Kulturpol<strong>iti</strong>k.<br />
www.auswaertiges-amt.<strong>de</strong><br />
Konvention zur Kulturellen Vielfalt<br />
Die UNESCO-Generalkonferenz hat am<br />
20. Oktober 2005 das „Übereinkommen<br />
zum Schutz und zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Vielfalt<br />
kultureller Ausdrucksformen“ verabschie<strong>de</strong>t.<br />
Die Konvention trat am 18.<br />
März <strong>2007</strong> in Kraft. Damit entsteht eine<br />
völkerrechtlich verbindliche Grundlage<br />
für das Recht aller Staaten auf eigenständige<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k. Nationale Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
und öffentliche Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
erhalten gegenüber drohen<strong>de</strong>n wettbewerbsrechtlichen<br />
Einschränkungen eine<br />
neue Leg<strong>iti</strong>mität. Kulturpol<strong>iti</strong>sche Ziele<br />
nationaler Pol<strong>iti</strong>k können mit internationalen<br />
Han<strong>de</strong>lsabkommen (zum Beispiel<br />
GATS) in Einklang gebracht wer<strong>de</strong>n.<br />
Kernstück ist das Recht eines je<strong>de</strong>n<br />
Staates, regulatorische und finanzielle<br />
Maßnahmen zu ergreifen, um die Vielfalt<br />
<strong>de</strong>r kulturellen Ausdrucksformen im<br />
eigenen Staatsgebiet zu schützen.<br />
www.unesco.<strong>de</strong><br />
Kultur <strong>2007</strong><br />
Das Rahmenprogramm KULTUR (<strong>2007</strong><br />
- 2013) umfasst drei För<strong>de</strong>rbereiche, in<br />
<strong>de</strong>nen es jährliche Aufrufe zur Einreichung<br />
von Vorschlägen gibt: (1) Europäische<br />
Kooperationsprojekte mehrjährige<br />
Kooperationsprojekte, Literarische<br />
Übersetzungen, Son<strong>de</strong>rmaßnahmen<br />
wie die Kulturhauptstädte Europas,<br />
Preisverleihungen, Jubiläen etc., (2) Betriebskostenzuschüsse<br />
für europaweit<br />
tätige Kulturorganisationen sowie Studien<br />
und (3) Analysen zu kulturrelevanten<br />
Themen von europäischem Interesse.<br />
Das allgemeine Ziel ist die Schaffung<br />
eines gemeinsamen europäischen Kulturraums<br />
unter gleichze<strong>iti</strong>ger Wahrung<br />
<strong>de</strong>r nationalen Unterschie<strong>de</strong>. För<strong>de</strong>rziele<br />
sind (a) transnationale Mobilität<br />
von Künstlerinnen und Künstlern bzw.<br />
Kulturschaffen<strong>de</strong>n, (b) transnationale<br />
Zirkulation von kulturellen und künstlerischen<br />
Werken / Ko-Produktionen /<br />
Objekten sowie (c) <strong>de</strong>r interkulturelle<br />
Dialog. Über das Programm informiert<br />
<strong>de</strong>tailliert <strong>de</strong>r Cultural Contact Point<br />
Germany.<br />
www.ccp-<strong>de</strong>utschland.<strong>de</strong><br />
kultur.macht.europa<br />
Siehe: Kulturpol<strong>iti</strong>scher Bun<strong>de</strong>skongress<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>sche Gesellschaft<br />
Die Kulturpol<strong>iti</strong>sche Gesellschaft ist ein<br />
bun<strong>de</strong>sweiter Zusammenschluss kulturpol<strong>iti</strong>sch<br />
interessierter und engagierter<br />
Menschen aus <strong>de</strong>n Bereichen Kulturarbeit,<br />
Kunst, Pol<strong>iti</strong>k, Wissenschaft, Publizistik<br />
und Kulturverwaltung.<br />
Fachtagungen, Expertengespräche, etc.<br />
zu kulturpol<strong>iti</strong>schen und -praktischen<br />
Fragestellungen dienen Weiterbildung,<br />
Erfahrungsaustausch und Meinungsstreit<br />
<strong>de</strong>r Akteure. Die „kulturpol<strong>iti</strong>schen<br />
Mitteilungen“ sind das Hauptmedium<br />
<strong>de</strong>r KuPoGe. Zu <strong>de</strong>n zentralen Aufgaben<br />
<strong>de</strong>s Instituts für Kulturpol<strong>iti</strong>k <strong>de</strong>r<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>schen Gesellschaft gehört<br />
die Organisation und Durchführung <strong>de</strong>r<br />
kulturpol<strong>iti</strong>schen Bun<strong>de</strong>skongresse, so<br />
auch „kultur.macht.europa – europa.<br />
macht.kultur“.<br />
www.kupoge.<strong>de</strong><br />
Kulturpol<strong>iti</strong>scher Bun<strong>de</strong>skongress<br />
„kultur.macht.europa – europa.macht.<br />
kultur“ war <strong>de</strong>r Titel <strong>de</strong>s Vierten Kulturpol<strong>iti</strong>schen<br />
Bun<strong>de</strong>skongresses, <strong>de</strong>r<br />
am 07./08. Juni <strong>2007</strong> in Berlin stattfand.<br />
Nach <strong>de</strong>n Kongressen in Essen<br />
zur „Kulturellen Vielfalt“ und zur Kulturwirtschaft<br />
in Berlin bil<strong>de</strong>t „kultur.macht.<br />
europa“ <strong>de</strong>n Abschluss eines Kongress-<br />
Reigens, <strong>de</strong>r eine umfassen<strong>de</strong> Themenpalette<br />
aus <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>k <strong>de</strong>battierte<br />
- von Fragen <strong>de</strong>r kulturellen Vielfalt und<br />
<strong>de</strong>r Interkultur über die Kultur-/Kreativwirtschaft<br />
und <strong>de</strong>n Kulturmarkt Europa<br />
bis zu <strong>de</strong>n EU-För<strong>de</strong>rprogrammen, Aspekten<br />
einer europäischen Erinnerungskultur,<br />
<strong>de</strong>r Medienpol<strong>iti</strong>k o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung<br />
einer europäischen und einer<br />
kulturellen EU-Außenpol<strong>iti</strong>k. Der Bun<strong>de</strong>skongress<br />
war mit über 500 Teilnehmern<br />
aus 36 Staaten die bisher größte<br />
Tagung <strong>de</strong>r letzten Jahre zum Thema.<br />
www.kultur-macht-europa.eu<br />
Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<br />
Die Stiftung bürgerlichen Rechts för<strong>de</strong>rt<br />
Kunst und Kultur im Rahmen <strong>de</strong>r<br />
Zuständigkeit <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s. Sie för<strong>de</strong>rt<br />
innovative Programme und Projekte<br />
im internationalen Kontext, weitere<br />
Schwerpunkte sind kultureller Austausch<br />
und grenzüberschreiten<strong>de</strong> Zusammenarbeit.<br />
Die Stiftung in<strong>iti</strong>iert und för<strong>de</strong>rt<br />
dazu Projekte auf Antrag ohne thematische<br />
Eingrenzung in allen Sparten.<br />
Die jährlich aus <strong>de</strong>m Haushalt <strong>de</strong>s<br />
Staatsministers für Kultur bereitgestellten<br />
Mittel betragen 35 Millionen Euro.<br />
www.kulturstiftung-bund.<strong>de</strong><br />
LabforCulture<br />
- ist eine Online Informations- und Wissensplattform<br />
zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r kulturellen<br />
Zusammenarbeit im erweiterten<br />
Europa, ergänzt durch ein breites Offline-Dienstleistungsangebot<br />
und Veranstaltungen.<br />
Die Website bietet eine<br />
beispiellose Fülle von Informationen<br />
zur län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>n kulturellen<br />
Zusammenarbeit im Großraum Europa<br />
und eine Plattform für <strong>de</strong>n län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>n<br />
Kulturaustausch, Diskussionen,<br />
News und Studien. Getragen<br />
wird LabforCulture von <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Kulturstiftung (European Cultural<br />
Foundation).<br />
www.LabforCulture.org<br />
Lissabon-Prozess<br />
Die Lissabon-Strategie (auch Lissabon-<br />
Prozess o<strong>de</strong>r Lissabon-Agenda) ist ein<br />
auf einem Son<strong>de</strong>rgipfel <strong>de</strong>r europä-<br />
72
ischen Staats- und Regierungschefs<br />
im März 2000 in Lissabon verabschie<strong>de</strong>tes<br />
Programm, das zum Ziel hat, die<br />
EU innerhalb von zehn Jahren, also bis<br />
2010, zum wettbewerbsfähigsten und<br />
dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum<br />
<strong>de</strong>r Welt zu machen. Als<br />
Messlatte dienen Japan und die USA.<br />
Schwerpunktbereiche sind: Innovation<br />
als Motor für Wirtschaftswachstum,<br />
die „Wissensgesellschaft“ sowie soziale<br />
Kohäsion (Angleichung) und Umweltbewusstsein.<br />
Weitgehen<strong>de</strong> Reformen<br />
wer<strong>de</strong>n hier z.B. im Bildungsbereich<br />
verwirklicht.<br />
Mitteilung <strong>de</strong>r EU-Kommission<br />
Die „Mitteilung über eine europäische<br />
Kulturagenda im Zeichen <strong>de</strong>r Globalisierung“<br />
wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r EU-Kommission<br />
am 10. Mai <strong>2007</strong> abgegeben. Die<br />
Agenda hat drei Hauptziele:<br />
- För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r kulturellen Vielfalt und<br />
<strong>de</strong>s interkulturellen Dialogs;<br />
- För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kultur als Katalysator<br />
<strong>de</strong>r Kreativität im Rahmen <strong>de</strong>r Strategie<br />
von Lissabon<br />
- För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kultur als wesentliches<br />
Element <strong>de</strong>r internationalen Beziehungen<br />
<strong>de</strong>r Union.<br />
Ein wesentliches Merkmal <strong>de</strong>r Strategie<br />
ist <strong>de</strong>r Vorschlag, die Zusammenarbeit<br />
zwischen <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten und <strong>de</strong>r<br />
Kommission durch die „offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong>“<br />
(OKM) zu strukturieren.<br />
Den <strong>de</strong>utschen Text <strong>de</strong>r Mitteilung<br />
gibt die Dokumentation <strong>de</strong>s Symposiums<br />
im Anhang wie<strong>de</strong>r.<br />
NPN – Nationales Performance Netz<br />
- för<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n Austausch zeitgenössischer<br />
Tanzproduktionen in Deutschland. Bei<br />
<strong>de</strong>r Gastspielför<strong>de</strong>rung können Veranstalter,<br />
die eine Kompanie aus einem<br />
an<strong>de</strong>ren Bun<strong>de</strong>sland einla<strong>de</strong>n, mit 25%,<br />
35% o<strong>de</strong>r 50% <strong>de</strong>r Gastspielkosten unterstützt<br />
wer<strong>de</strong>n. Neu seit 2005 ist die<br />
Koproduktionsför<strong>de</strong>rung. Hier können<br />
Veranstalter, Künstler o<strong>de</strong>r Kompanien<br />
Unterstützung beantragen. Die Unterstützung<br />
einer Koproduktion kann bis<br />
zu 50% <strong>de</strong>s gesamten Produktionsetats<br />
betragen. Die qualitative Auswahl unter<br />
<strong>de</strong>n Anträgen trifft eine Jury.<br />
www.jointadventures.net<br />
Offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong><br />
- auch offene Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Koordinierung<br />
(OMK). Sie ist eine Handlungsform<br />
<strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaft,<br />
mit <strong>de</strong>r die EG außerhalb ihrer vom<br />
EG-Vertrag (EGV) zugebilligten Kompetenzen<br />
zur Rechtsetzung pol<strong>iti</strong>sch tätig<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Instrumente <strong>de</strong>r OMK<br />
sind Gegense<strong>iti</strong>ges Lernen, Statistische<br />
Vergleiche, Leitlinien, Benchmarks und<br />
Empfehlungen <strong>de</strong>r Kommission an die<br />
Mitgliedsstaaten. Der EU wird bei <strong>de</strong>r<br />
OMK allerdings vorgeworfen, mit <strong>de</strong>r<br />
Strategie in Bereiche (Bildung, Kultur)<br />
vordringen zu wollen, in <strong>de</strong>nen sie gemäß<br />
ihrer Konstitution keine Kompetenz<br />
besitzt.<br />
On the move<br />
- ist eine Website, die <strong>de</strong>r Information<br />
für professionelle Mobilität in <strong>de</strong>n Bereichen<br />
Theater, Tanz, Musik und an<strong>de</strong>ren<br />
Disziplinen <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Kunst<br />
gewidmet ist. Manchmal wird <strong>de</strong>r/<br />
die UserIn an einen Link zu einer bestimmten<br />
Organisation o<strong>de</strong>r zu einem<br />
spezifischen Programm verwiesen, ein<br />
an<strong>de</strong>res Mal wird er/sie auf eine Frage<br />
eine allgemeine Auskunft erhalten. Die<br />
Information weist aber immer in eine<br />
bestimmte Richtung. On the move richtet<br />
sich hauptsächlich an professionelle<br />
Akteure im Bereich <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n<br />
Künste aus Europa und <strong>de</strong>r ganzen<br />
Welt.<br />
www.on-the-move.org<br />
Pearle*<br />
- ist <strong>de</strong>r europaweite Verband <strong>de</strong>r Arbeitgeberorganisationen<br />
<strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n<br />
Künste, gegrün<strong>de</strong>t 1991. Pearle*<br />
(Performing Arts Employers Associations<br />
League Europe) repräsentiert<br />
durch seine Mitgliedsgesellschaften<br />
(members associations) nahezu 4.000<br />
Theater, Schauspielensembles (theatre<br />
production companies), Orchester und<br />
musikalische Ensembles, Opernhäuser,<br />
Ballett- und Tanzensembles, Festivals<br />
und vergleichbare Organisationen.<br />
www.pearle.ws<br />
Pet<strong>iti</strong>on zur Grundsicherung <strong>de</strong>r<br />
Künstler<br />
Der Schauspieler Uwe Michael Wiebking<br />
hat beim Deutschen Bun<strong>de</strong>stag eine Pet<strong>iti</strong>on<br />
eingereicht: „Der Deutsche Bun<strong>de</strong>stag<br />
möge beschließen, dass die Auswirkungen<br />
<strong>de</strong>r Einführung <strong>de</strong>r Grundsicherung<br />
für Arbeitssuchen<strong>de</strong> auf Künstler<br />
(Schauspieler, Sänger, Tänzer etc.) überprüft<br />
wer<strong>de</strong>n. Ferner sollen die verschärften<br />
Anspruchsvoraussetzungen für das<br />
Arbeitslosengeld I seit <strong>de</strong>m 01.01.2005<br />
aufgehoben und die alte Rechtslage<br />
wie<strong>de</strong>r in Kraft gesetzt wer<strong>de</strong>n.“ Diese<br />
Pet<strong>iti</strong>on ist offiziell (Stand: 31.10.<strong>2007</strong>)<br />
von 10.639 Unterstützern mitgezeichnet<br />
wor<strong>de</strong>n. Wie <strong>de</strong>r Pet<strong>iti</strong>onsausschuss <strong>de</strong>s<br />
Deutschen Bun<strong>de</strong>stages damit verfährt<br />
ist <strong>de</strong>rzeit unklar.<br />
http://itc.napier.ac.uk/e-Pet<strong>iti</strong>on/Bun<strong>de</strong>stag/view_pet<strong>iti</strong>on.asp?Pet<strong>iti</strong>onID=369<br />
pro Helvetia<br />
Die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia<br />
ist eine Stiftung öffentlichen Rechts<br />
mit <strong>de</strong>m Auftrag, kulturelle Bestrebungen<br />
von gesamtschweizerischem<br />
Interesse zu för<strong>de</strong>rn. Sie wur<strong>de</strong> 1939<br />
gegrün<strong>de</strong>t und wird vollumfänglich<br />
vom schweizerischen Bun<strong>de</strong>sstaat finanziert.<br />
Die Stiftung ist bestrebt, für<br />
Schweizer Kulturschaffen<strong>de</strong> die bestmöglichen<br />
Bedingungen für die Entstehung<br />
und Verbreitung ihrer Werke zu<br />
schaffen. Sie verhilft ihnen im In- und<br />
Ausland zu einem überzeugen<strong>de</strong>n Auftritt<br />
und ermöglicht Begegnungen mit<br />
Kulturschaffen<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rer Län<strong>de</strong>r.<br />
In Schwerpunktbereichen gestaltet Pro<br />
Helvetia auch eigene Programme. Dazu<br />
gehören die Verständigung im Inland,<br />
<strong>de</strong>r Interkulturelle Dialog, die Volkskultur<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Tanz.<br />
www.pro-helvetia.ch<br />
Relais Culture Europe<br />
Relais Culture Europe wur<strong>de</strong> 1998 auf<br />
In<strong>iti</strong>ative <strong>de</strong>r europäischen Kommission<br />
und <strong>de</strong>m Ministerium für Kultur und<br />
Kommunikation als französischer CCP<br />
für das EU-Programm Kultur 2000 errichtet.<br />
Darüber hinaus übernimmt <strong>de</strong>r<br />
Relais Culture Europe einzelne Projekte,<br />
die ihm vom Ministerium für Kultur<br />
und Kommunikation, <strong>de</strong>r europäischen<br />
Kommission o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Institutionen,<br />
die europäische kulturelle Zusammenarbeit<br />
för<strong>de</strong>rn, übertragen wer<strong>de</strong>n.<br />
www.relais-culture-europe.org<br />
Soros Foundation / Open Society Institute<br />
(OSI)<br />
- wur<strong>de</strong> 1993 von <strong>de</strong>m Investor George<br />
Soros ins Leben gerufen, um <strong>de</strong>ssen<br />
Stiftungen in Zentral- und Osteuropa<br />
und <strong>de</strong>r ehem. Sowjetunion zu unterstützen,<br />
welche sich seit 1984 darum<br />
bemühten, Län<strong>de</strong>rn beim Übergang<br />
vom Kommunismus zu einer <strong>de</strong>mokratischen<br />
Ordnung zu helfen. Heute besteht<br />
<strong>de</strong>r erweiterte Auftrag von OSI in<br />
<strong>de</strong>r Hilfe für Län<strong>de</strong>r, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Übergang<br />
zur Demokratie von beson<strong>de</strong>rer<br />
Dringlichkeit ist.<br />
www.soros.org<br />
stability pact<br />
Der Stabilitäts-und Wachstumspakt<br />
(kurz: Euro-Stabilitätspakt) ist eine Vereinbarung,<br />
welche im Rahmen <strong>de</strong>r<br />
Wirtschafts- und Währungsunion für<br />
einen stabilen Euro sorgen soll, in<strong>de</strong>m<br />
vor allem die Neuverschuldung <strong>de</strong>r Mitgliedstaaten<br />
begrenzt wird. Der Pakt<br />
for<strong>de</strong>rt von <strong>de</strong>n Eurolän<strong>de</strong>rn in wirtschaftlich<br />
normalen Zeiten einen annähernd<br />
ausgeglichenen Staatshaushalt,<br />
damit in wirtschaftlich ungünstigen<br />
Zeiten Spielraum besteht, durch eine<br />
Erhöhung <strong>de</strong>r Staatsausgaben die Wirtschaft<br />
zu stabilisieren.<br />
Steering Committee<br />
Gemeint ist das Steering Committee<br />
<strong>de</strong>r Berliner Konferenz. Es berät, unterstützt<br />
und stärkt die In<strong>iti</strong>ative <strong>de</strong>r Berliner<br />
Konferenz auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r aktiven<br />
Pol<strong>iti</strong>k, vornehmlich im Europäischen<br />
Parlament. Hans-Gert Pöttering, Präsi<strong>de</strong>nt<br />
<strong>de</strong>s Europäischen Parlaments, hat<br />
<strong>de</strong>n Vorsitz und die Schirmherrschaft<br />
im Steering Committee, <strong>de</strong>m auch <strong>de</strong>r<br />
Anhang<br />
73
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
EU-Kommissar für Kultur, Jan Figel’, angehört.<br />
Mitglie<strong>de</strong>r sind weitere EU-Parlamentarier.<br />
Strukturfonds<br />
Die EU hat auf Grundlage <strong>de</strong>s EG-Vertrags<br />
Strukturfonds eingerichtet, aus<br />
<strong>de</strong>nen ärmere EU-Län<strong>de</strong>r und Regionen<br />
Hilfen erhalten. Dabei sind die Europäischen<br />
Fonds für regionale Entwicklung<br />
(EFRE) wichtige Strukturfonds, die für<br />
<strong>de</strong>n wirtschaftlichen Aufholprozess<br />
<strong>de</strong>r ärmeren Regionen sorgen sollen.<br />
So wer<strong>de</strong>n u. a. Infrastrukturprojekte<br />
durchgeführt. Eines <strong>de</strong>r EFRE-Ziele lautet<br />
„Europäische territoriale Zusammenarbeit”,<br />
d.h. die grenzüberschreiten<strong>de</strong><br />
wirtschaftliche und soziale Entwicklung<br />
sowie die transnationale Zusammenarbeit.<br />
Dies kann auch <strong>de</strong>n Kulturbereich<br />
betreffen.<br />
Die EU-Strukturfonds wur<strong>de</strong>n für die<br />
kommen<strong>de</strong> För<strong>de</strong>rperio<strong>de</strong> <strong>2007</strong>-2013<br />
neu ausgerichtet.<br />
Subsidiaritätsprinzip<br />
Subsidiarität (lat. zurücktreten, nachrangig<br />
sein) ist eine pol<strong>iti</strong>sche und gesellschaftliche<br />
Maxime und stellt Selbstverantwortung<br />
vor staatliches Han<strong>de</strong>ln.<br />
Demnach sind bei einer staatlich zu lösen<strong>de</strong>n<br />
Aufgabe zuerst und im Zweifel<br />
die untergeordneten, lokalen Glie<strong>de</strong>r<br />
wie Stadt, Gemein<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Kommune<br />
für die Umsetzung zuständig, während<br />
übergeordnete Glie<strong>de</strong>r zurücktreten.<br />
Das Subsidiaritätsprinzip ist eine wichtige<br />
Grundlage <strong>de</strong>r Europäischen Union,<br />
um die Organe <strong>de</strong>r EU in <strong>de</strong>r europäischen<br />
Gesetzgebung zu beschränken.<br />
Weißbuch-Prozess<br />
Das Weißbuch im ursprünglichen Sinn<br />
ist eines <strong>de</strong>r internationalen Bunt- o<strong>de</strong>r<br />
Farbbücher. Darunter versteht man Dokumentensammlungen,<br />
die die Regierung<br />
eines Staates veröffentlicht, um<br />
Orientierung über pol<strong>iti</strong>sche Fragen zu<br />
geben.<br />
Die von <strong>de</strong>r Europäischen Kommission<br />
veröffentlichten Weißbücher enthalten<br />
Vorschläge für ein gemeinschaftliches<br />
Vorgehen in einem bestimmten Bereich.<br />
Sie knüpfen zum Teil an Grünbücher an,<br />
die einen Konsultationsprozess auf europäischer<br />
Ebene in Gang setzen. Wird<br />
ein Weißbuch vom Rat pos<strong>iti</strong>v aufgenommen,<br />
kann aus ihm ein Aktionsprogramm<br />
<strong>de</strong>r Union für <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n<br />
Bereich entstehen.<br />
World Dance Alliance<br />
- ist ein Netzwerk, das 1990 bei <strong>de</strong>r<br />
Hong Kong International Dance Conference<br />
gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, um <strong>de</strong>n Zugang<br />
und das Verständnis von Tanz als<br />
künstlerischen Ausdruck und Mittel <strong>de</strong>r<br />
Verständigung und I<strong>de</strong>ntifikation <strong>de</strong>r<br />
verschie<strong>de</strong>nen Kulturen <strong>de</strong>r Welt zu begreifen.<br />
Ziel ist die Interessenvertretung,<br />
För<strong>de</strong>rung und Unterstützung aller sich<br />
mit Tanz beschäftigen<strong>de</strong>n Menschen.<br />
Sowohl Einzelpersonen als auch Organisationen<br />
können sich in <strong>de</strong>n Zentren<br />
<strong>de</strong>s WDA informieren und beraten lassen.<br />
Diese Zentren bil<strong>de</strong>n gleichze<strong>iti</strong>g<br />
ein Forum für <strong>de</strong>n Austausch von I<strong>de</strong>en<br />
und Erfahrungen in allen Bereichen <strong>de</strong>s<br />
Tanzes.<br />
www.yorku.ca/wda/<br />
MITTEILUNG DER KOMMISSION<br />
AN DAS EUROPÄISCHE<br />
PARLAMENT, DEN RAT, DEN<br />
EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS-<br />
UND SOZIALAUSSCHUSS UND<br />
DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN<br />
über eine europäische<br />
Kulturagenda im Zeichen <strong>de</strong>r<br />
Globalisierung<br />
Kultur ist die Gesamtheit aller<br />
Träume und Mühen, die auf die<br />
volle Entfaltung <strong>de</strong>s Menschen<br />
ausgerichtet sind. Die Kultur braucht<br />
diesen scheinbar wi<strong>de</strong>rsprüchlichen<br />
Pakt: Die Vielfalt zum Grundsatz <strong>de</strong>r<br />
Einheit machen, die Unterschie<strong>de</strong><br />
vertiefen, aber nicht um zu teilen,<br />
son<strong>de</strong>rn um zu bereichern. Europa<br />
ist eine Kultur o<strong>de</strong>r es bleibt<br />
be<strong>de</strong>utungslos.<br />
Denis <strong>de</strong> Rougemont<br />
1. Einleitung<br />
Kultur ist die Seele <strong>de</strong>r menschlichen<br />
Entwicklung und Zivilisation. Die Kultur<br />
lässt uns hoffen und träumen, in<strong>de</strong>m sie<br />
unsere Sinne anregt und neue Sichtweisen<br />
<strong>de</strong>r Wirklichkeit bietet. Sie bringt<br />
die Menschen zusammen, in<strong>de</strong>m sie<br />
<strong>de</strong>n Dialog anfacht und Lei<strong>de</strong>nschaften<br />
weckt, aber auf eine Art, die eint anstatt<br />
entzweit. Kultur sollte verstan<strong>de</strong>n wer-<br />
<strong>de</strong>n als eine bestimmte Anzahl unverwechselbarer<br />
geistiger und materieller<br />
Züge, die eine Gesellschaft und eine<br />
gesellschaftliche Gruppe kennzeichnet.<br />
Darunter fallen die Literatur und die<br />
Künste, aber auch Lebensweisen, Wertesysteme,<br />
Trad<strong>iti</strong>onen und Überzeugungen.<br />
Dario Fo beschrieb dies treffend so:<br />
„Noch bevor Europa wirtschaftlich geeint<br />
war o<strong>de</strong>r aufgrund von Wirtschafts- und<br />
Han<strong>de</strong>lsinteressen Gestalt annahm, war<br />
es eine Kultur, die alle europäischen Län<strong>de</strong>r<br />
einte. Die schönen Künste, Literatur,<br />
Musik, sie sind die Klammer, die Europa<br />
zusammenhält“. Tatsächlich haben die<br />
Europäer ein gemeinsames Kulturerbe,<br />
das Ergebnis mehrerer hun<strong>de</strong>rt Jahre <strong>de</strong>r<br />
Kreativität und <strong>de</strong>s Austauschs durch<br />
Wan<strong>de</strong>rungsbewegungen. Gleichze<strong>iti</strong>g<br />
herrscht eine große kulturelle und<br />
sprachliche Vielfalt, die viele Län<strong>de</strong>r auf<br />
<strong>de</strong>r ganzen Welt inspiriert hat und dies<br />
noch immer tut.<br />
Die Einzigartigkeit und <strong>de</strong>r Erfolg <strong>de</strong>r<br />
Europäischen Union liegen in ihrer Fähigkeit<br />
begrün<strong>de</strong>t, Geschichte, Sprache<br />
und Kultur <strong>de</strong>r Mitgliedstaaten zu respektieren,<br />
die zwar verschie<strong>de</strong>n, aber<br />
doch miteinan<strong>de</strong>r verflochten sind, und<br />
gleichze<strong>iti</strong>g eine Gemeinschaft aufzubauen,<br />
in <strong>de</strong>r Verständnis füreinan<strong>de</strong>r<br />
herrscht und in <strong>de</strong>r Regeln befolgt<br />
wer<strong>de</strong>n, wodurch Frie<strong>de</strong>n, Stabilität,<br />
Wohlstand und Solidarität und somit<br />
ein enormer Reichtum an kulturellem<br />
Erbe und schöpferischem Schaffen, <strong>de</strong>r<br />
durch Erweiterungen noch vergrößert<br />
wird, gewährleistet sind. Aufgrund dieser<br />
Einheit in <strong>de</strong>r Vielfalt sind <strong>de</strong>r Respekt<br />
<strong>de</strong>r kulturellen und sprachlichen Vielfalt<br />
und die För<strong>de</strong>rung eines gemeinsamen<br />
kulturellen Erbes zentrale Anliegen <strong>de</strong>s<br />
europäischen Projekts. Im Angesicht<br />
<strong>de</strong>r Globalisierung kann darauf weniger<br />
<strong>de</strong>nn je verzichtet wer<strong>de</strong>n.<br />
Im Europa von heute ist <strong>de</strong>r kulturelle<br />
Austausch so lebendig und dynamisch<br />
wie nie zuvor. Mit <strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n EG-<br />
Vertrag ermöglichten Freizügigkeit wur<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r kulturelle Austausch und Dialog<br />
über Grenzen hinweg enorm geför<strong>de</strong>rt.<br />
Die kulturelle Betätigung und die Nachfrage<br />
nach Kulturgütern wachsen an,<br />
und die neuen Kommunikationstechnologien<br />
bieten noch nie dagewesene<br />
Zugangsmöglichkeiten. Gleichze<strong>iti</strong>g hat<br />
durch die Globalisierung die Begegnung<br />
mit an<strong>de</strong>ren Kulturen in aller Welt<br />
zugenommen. Dies hat unsere Neugier<br />
erhöht und uns mehr Möglichkeiten<br />
gegeben, <strong>de</strong>n Austausch mit an<strong>de</strong>ren<br />
Kulturen zu suchen und von ihnen zu<br />
lernen, wodurch die Vielfalt unserer Gesellschaften<br />
noch größer gewor<strong>de</strong>n ist;<br />
allerdings wur<strong>de</strong> dadurch auch Europas<br />
I<strong>de</strong>ntität in Frage gestellt und seine Fähigkeit,<br />
interkulturelle und kohäsive Gesellschaften<br />
zu gewährleisten.<br />
Die kulturelle Vielfalt und <strong>de</strong>r interkulturelle<br />
Dialog sind weltweit zu einer<br />
großen Herausfor<strong>de</strong>rung gewor<strong>de</strong>n für<br />
eine globale Ordnung, die auf Frie<strong>de</strong>n,<br />
<strong>de</strong>m gegense<strong>iti</strong>gen Verständnis und<br />
<strong>de</strong>m Respekt gemeinsamer Werte mit<br />
<strong>de</strong>r Wahrung und För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Men-<br />
74
schenrechte und <strong>de</strong>m Schutz <strong>de</strong>r Sprachen<br />
beruht. Ein wesentlicher Schritt in<br />
diesem Zusammenhang ist das Inkrafttreten<br />
<strong>de</strong>s UNESCO-Übereinkommens<br />
über <strong>de</strong>n Schutz und die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />
Vielfalt kultureller Ausdrucksformen am<br />
18. März <strong>2007</strong>, zu <strong>de</strong>m die EU einen<br />
wichtigen Beitrag geleistet hat.<br />
Kultureller Reichtum und Vielfalt Europas<br />
sind eng mit seiner Rolle und seinem<br />
Einfluss in <strong>de</strong>r Welt verbun<strong>de</strong>n. Die<br />
Europäische Union ist nicht einfach ein<br />
wirtschaftlicher Prozess o<strong>de</strong>r eine Han<strong>de</strong>lsmacht,<br />
sie gilt bei vielen – und das<br />
zu Recht – als bisher einmaliges und erfolgreiches<br />
soziales und kulturelles Projekt.<br />
Schon jetzt ist die Europäische Union<br />
ein Beispiel für eine „sanfte Macht“,<br />
eine Rolle, die es zu verstärken gilt.<br />
Diese Rolle stützt sich auf Normen und<br />
Werte wie Menschenwerte, Solidarität,<br />
Toleranz, Meinungsfreiheit, Respekt <strong>de</strong>r<br />
Vielfalt und Dialog zwischen Kulturen<br />
– Werte, die für die ganze Welt als Inspirationsquelle<br />
dienen können, sofern<br />
sie aufrecht erhalten und geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />
Europas auf Vielfalt beruhen<strong>de</strong>r kultureller<br />
Reichtum ist zu<strong>de</strong>m auch immer<br />
mehr ein großer Vorzug in einer virtuellen<br />
und wissensbasierten Welt. Der<br />
Kultursektor in Europa ist bereits jetzt<br />
ein äußerst dynamischer Katalysator für<br />
Wirtschaftswachstum und Arbeitsplatzschaffung<br />
in <strong>de</strong>r gesamten EU. Kulturelle<br />
Tätigkeiten för<strong>de</strong>rn auch eine integrative<br />
Gesellschaft und tragen dazu<br />
bei, Armut und soziale Ausgrenzung zu<br />
verhin<strong>de</strong>rn und zu vermin<strong>de</strong>rn. In seinen<br />
Schlussfolgerungen auf <strong>de</strong>r Frühjahrstagung<br />
<strong>2007</strong> hat <strong>de</strong>r Europäische<br />
Rat anerkannt, dass kreative Unternehmer<br />
und eine lebendige Kulturindustrie<br />
eine einzigartige Innovationsquelle für<br />
die Zukunft darstellen. Dieses Potenzial<br />
muss noch stärker zur Geltung gebracht<br />
und voll genutzt wer<strong>de</strong>n.<br />
Zweck <strong>de</strong>r Mitteilung<br />
Es herrscht ein zunehmen<strong>de</strong>s Bewusstsein<br />
dafür, dass die EU ihren kulturellen<br />
Reichtum und ihre kulturelle Vielfalt zur<br />
Geltung bringen sollte, sowohl innerhalb<br />
als auch außerhalb von Europa.<br />
Zu<strong>de</strong>m wird anerkannt, dass die Kultur<br />
unverzichtbar ist, damit die EU ihre strategischen<br />
Ziele Wohlstand, Solidarität<br />
und Sicherheit erreichen und gleichze<strong>iti</strong>g<br />
ihre Präsenz auf <strong>de</strong>r internationalen<br />
Bühne ausbauen kann.<br />
Auf <strong>de</strong>r Grundlage eingehen<strong>de</strong>r Anhörungen<br />
wird in dieser Mitteilung das<br />
Verhältnis zwischen Kultur und Europa<br />
im Zeichen <strong>de</strong>r Globalisierung erforscht<br />
und wer<strong>de</strong>n Ziele für eine neue EU-Kulturagenda<br />
vorgeschlagen. Diese Agenda<br />
muss Unterstützung bei allen Stakehol<strong>de</strong>rn<br />
(Kommission, Mitgliedstaaten<br />
sowie Zivilgesellschaft und Europäisches<br />
Parlament) fin<strong>de</strong>n können. Die Kommission<br />
wird sich daher auch bemühen,<br />
neue Partnerschaften aufzubauen und<br />
Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Zusammenarbeit zu entwickeln.<br />
2. Beitrag <strong>de</strong>r EU zur Kultur<br />
Gemeinhin ist „Kultur“ ein komplexer<br />
Begriff. Gemeint sein können die schönen<br />
Künste, einschließlich <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nsten<br />
Kunstwerke, Kulturgüter und<br />
-dienstleistungen. „Kultur“ hat auch<br />
eine anthropologische Komponente.<br />
Sie ist die Grundlage für eine symbolische<br />
Welt von Be<strong>de</strong>utungen, Überzeugungen,<br />
Werten und Trad<strong>iti</strong>onen,<br />
die ihren Ausdruck fin<strong>de</strong>n in Sprache,<br />
Kunst, Religion und Mythen. Insofern<br />
spielt sie eine wesentliche Rolle in <strong>de</strong>r<br />
Entwicklung <strong>de</strong>r Menschheit und <strong>de</strong>m<br />
komplexen Geflecht von I<strong>de</strong>ntität und<br />
Gewohnheiten von Individuen und Gemeinschaften.<br />
Für die Zwecke dieser Mitteilung steht<br />
die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Facetten<br />
von Kultur bei <strong>de</strong>r Entwicklung<br />
von Strategien innerhalb und außerhalb<br />
<strong>de</strong>r EU im Mittelpunkt.<br />
Grundlage für das Tätigwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r EU<br />
im Kulturbereich ist <strong>de</strong>r Vertrag. Artikel<br />
151 hat folgen<strong>de</strong>n Wortlaut:<br />
„Die Gemeinschaft leistet einen Beitrag<br />
zur Entfaltung <strong>de</strong>r Kulturen <strong>de</strong>r Mitgliedstaaten<br />
unter Wahrung ihrer nationalen<br />
und regionalen Vielfalt sowie gleichze<strong>iti</strong>ger<br />
Hervorhebung <strong>de</strong>s gemeinsamen<br />
kulturellen Erbes.“<br />
„Die Gemeinschaft för<strong>de</strong>rt durch ihre<br />
Tätigkeit die Zusammenarbeit zwischen<br />
<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten und unterstützt und<br />
ergänzt erfor<strong>de</strong>rlichenfalls <strong>de</strong>ren Tätigkeit…“<br />
„Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten<br />
för<strong>de</strong>rn die Zusammenarbeit mit<br />
dritten Län<strong>de</strong>rn und <strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Kulturbereich<br />
zuständigen internationalen Organisationen,<br />
insbeson<strong>de</strong>re mit <strong>de</strong>m Europarat.“<br />
„Die Gemeinschaft trägt bei ihrer Tätigkeit<br />
aufgrund an<strong>de</strong>rer Bestimmungen dieses<br />
Vertrags <strong>de</strong>n kulturellen Aspekten Rechnung,<br />
insbeson<strong>de</strong>re zur Wahrung und<br />
För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Vielfalt ihrer Kulturen.“<br />
In erster Linie sind für Kultur die Mitgliedstaaten<br />
zuständig und dies wird<br />
daher auch weitgehend so bleiben; in<br />
einigen Län<strong>de</strong>rn ist diese Zuständigkeit<br />
zum größten Teil auf regionaler o<strong>de</strong>r gar<br />
lokaler Ebene angesie<strong>de</strong>lt. Zum Beispiel<br />
ist auf <strong>de</strong>r Grundlage von Artikel 151<br />
keine Harmonisierung <strong>de</strong>r Rechts- und<br />
Verwaltungsvorschriften möglich. Bei<br />
allen Maßnahmen <strong>de</strong>r EU muss also das<br />
Subsidiaritätsprinzip voll berücksichtigt<br />
wer<strong>de</strong>n, wonach die EU Maßnahmen<br />
<strong>de</strong>r Mitgliedstaaten unterstützt und<br />
ergänzt, aber nicht ersetzt, und dabei<br />
<strong>de</strong>ren Vielfalt respektiert und <strong>de</strong>n Austausch,<br />
<strong>de</strong>n Dialog und das gegense<strong>iti</strong>ge<br />
Verständnis för<strong>de</strong>rt.<br />
2.1. Die Rolle EU-interner Maßnahmen<br />
und Programme<br />
Mit ihren Programmen und Maßnahmen<br />
trägt die EU bereits auf vielfältige<br />
Art zur För<strong>de</strong>rung kultureller Tätigkeiten<br />
in Europa bei:<br />
• Die Kulturprogramme <strong>de</strong>r<br />
Gemeinschaft waren sehr erfolgreich.<br />
Im laufen<strong>de</strong>n Kulturprogramm (<strong>2007</strong>-<br />
2013) wird <strong>de</strong>r Weg weitergegangen<br />
durch die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s gegense<strong>iti</strong>gen<br />
Verständnisses, die Stimulierung von<br />
Kreativität und <strong>de</strong>n Beitrag zur gegense<strong>iti</strong>gen<br />
Bereicherung unserer Kulturen.<br />
Mit <strong>de</strong>m Programm wer<strong>de</strong>n Tausen<strong>de</strong><br />
von Kulturorganisationen dabei unterstützt,<br />
kulturelle und künstlerische Projekte<br />
zu gestalten und durchzuführen,<br />
die <strong>de</strong>r besseren und breiteren Kenntnis<br />
<strong>de</strong>s europäischen Kulturerbes sowie <strong>de</strong>r<br />
För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Kulturaustauschs, <strong>de</strong>r<br />
künstlerischen und literarischen Schöpfung<br />
sowie <strong>de</strong>r literarischen Übersetzung<br />
dienen. Unterstützt wer<strong>de</strong>n zu<strong>de</strong>m Einrichtungen,<br />
die auf europäischer Ebene<br />
kulturell tätig sind. Durch europäische<br />
Preise für Architektur, Kulturerbe und<br />
Musik sowie die In<strong>iti</strong>ative „Europäische<br />
Kulturhauptstädte“ wer<strong>de</strong>n große europäische<br />
Kulturerrungenschaften anerkannt.<br />
• Zahlreiche an<strong>de</strong>re Programme<br />
haben eine enorme Auswirkung auf die<br />
Kultur, entwe<strong>de</strong>r durch gezielte Kulturprojekte,<br />
<strong>de</strong>n Einsatz <strong>de</strong>r durch sie geför<strong>de</strong>rten<br />
Fremdsprachen, die enge Verbindung<br />
zwischen Lernen und Kultur<br />
o<strong>de</strong>r die durch sie herbeigeführten Kulturerfahrungen:<br />
Dazu zählen das Programm<br />
„Europa für Bürgerinnen und<br />
Bürger” (<strong>2007</strong>-2013), das ebenfalls auf<br />
<strong>de</strong>n die Kultur betreffen<strong>de</strong>n Artikel <strong>de</strong>s<br />
Vertrags beruht und die aktive europäische<br />
Staatsbürgerschaft för<strong>de</strong>rt sowie<br />
Programme, die lebenslanges Lernen<br />
(auch Erasmus und Erasmus Mundus),<br />
Mehrsprachigkeit und <strong>de</strong>n Austausch<br />
Jugendlicher unterstützen.<br />
• Die Sektoren Film und Audiovisuelles<br />
wer<strong>de</strong>n durch das Programm<br />
MEDIA abge<strong>de</strong>ckt, das seit 1991 läuft<br />
und die Wettbewerbsfähigkeit <strong>de</strong>r audiovisuellen<br />
Industrie in Europa stärkt. Ein<br />
weiteres Ziel ist die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Dialogs<br />
zwischen Kulturen, die Stärkung<br />
<strong>de</strong>s Bewusstseins <strong>de</strong>r europäischen<br />
Kulturen füreinan<strong>de</strong>r und die Entwicklung<br />
<strong>de</strong>s kulturellen Potenzials. Zu<strong>de</strong>m<br />
wur<strong>de</strong> am 16. November 2005 eine<br />
Empfehlung über das Filmerbe und die<br />
Wettbewerbsfähigkeit <strong>de</strong>r damit zusammenhängen<strong>de</strong>n<br />
Tätigkeiten verabschie<strong>de</strong>t,<br />
in <strong>de</strong>r konkrete Maßnahmen in diesem<br />
Bereich aufgezeigt wer<strong>de</strong>n.<br />
• Ein weiterer wichtiger Beitrag<br />
zur Kultur wird durch an<strong>de</strong>re För<strong>de</strong>rprogramme<br />
<strong>de</strong>r Gemeinschaft geleistet.<br />
So kann die Unterstützung durch<br />
die Kohäsionspol<strong>iti</strong>k o<strong>de</strong>r die Pol<strong>iti</strong>k<br />
zur Entwicklung <strong>de</strong>s ländlichen Raums<br />
Anhang<br />
75
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
eine wichtige För<strong>de</strong>rfunktion haben,<br />
beispielsweise durch die Wie<strong>de</strong>rherstellung<br />
<strong>de</strong>s Kulturerbes und die För<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r kunstschaffen<strong>de</strong>n Industrie, um die<br />
Attraktivität von Regionen zu erhöhen<br />
o<strong>de</strong>r die Fortbildung Kulturschaffen<strong>de</strong>r<br />
zu unterstützen. Dies gilt auch für die<br />
Entwicklung <strong>de</strong>r Informationsgesellschaft<br />
(z. B. durch die In<strong>iti</strong>ative „Digitale<br />
Bibliotheken“, die <strong>de</strong>n online-Zugang<br />
zu Europas vielfältigem kulturellen<br />
und wissenschaftlichen Erbe erleichtern<br />
soll) o<strong>de</strong>r die Forschung (durch die Forschungsrahmenprogramme).<br />
Auch zahlreiche Gemeinschaftsmaßnahmen<br />
spielen eine wichtige Rolle dabei,<br />
<strong>de</strong>n Rechtsrahmen für <strong>de</strong>n Kultursektor<br />
abzustecken.<br />
Bei Gemeinschaftsmaßnahmen nach<br />
Artikel 151 Absatz 4 <strong>de</strong>s Vertrags gilt<br />
es oft, das richtige Gleichgewicht zwischen<br />
verschie<strong>de</strong>nen leg<strong>iti</strong>men Zielen<br />
<strong>de</strong>r öffentlichen Pol<strong>iti</strong>k, wie etwa die<br />
För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r kulturellen Vielfalt, zu<br />
fin<strong>de</strong>n.<br />
• Es gibt einen engen Zusammenhang<br />
zwischen <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung von<br />
Kultur und Kreativität und <strong>de</strong>n urheberrechtlichen<br />
und damit zusammenhängen<strong>de</strong>n<br />
Vorschriften <strong>de</strong>r EU. Diese Vorschriften<br />
schützen die Rechte von Autoren,<br />
Produzenten und Künstlern, damit<br />
diese einen angemessenen Ausgleich<br />
für ihr Schaffen erhalten können, und<br />
ermöglichen eine weite Verbreitung von<br />
geschützten Arbeiten und Tonaufzeichnungen,<br />
wodurch mehr Bürger Zugang<br />
zum reichen und vielfältigen europäischen<br />
Kulturerbe erhalten.<br />
• Die 1989 verabschie<strong>de</strong>te<br />
Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“<br />
hat durch die Regelung <strong>de</strong>r grenzüberschreiten<strong>de</strong>n<br />
Ausstrahlung von Sendungen<br />
im europäischen Binnenmarkt<br />
einen Rechtsrahmen für <strong>de</strong>n freien Verkehr<br />
europäischer audiovisueller Inhalte<br />
in <strong>de</strong>r EU geschaffen; dies hat merklich<br />
zur größeren Vielfalt an Medien und<br />
Kulturprodukten beigetragen. Die kulturelle<br />
Vielfalt wird in diesem Zusammenhang<br />
auch durch die Unterstützung<br />
europäischer und unabhängiger<br />
Produktionen geför<strong>de</strong>rt.<br />
• Seit <strong>de</strong>r Einführung von Artikel<br />
87 Absatz 3 Buchstabe d durch <strong>de</strong>n<br />
Vertrag von Maastricht spielen bei <strong>de</strong>n<br />
staatlichen Beihilfen auch kulturelle Erwägungen<br />
eine Rolle. Unter dieser Bestimmung<br />
hat die Kommission in <strong>de</strong>r<br />
Vergangenheit ein breites Spektrum an<br />
Maßnahmen in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten<br />
gebilligt, die so unterschiedlichen Bereichen<br />
wie Museen, nationalen Denkmälern,<br />
Theater- und Musikproduktionen,<br />
gedruckten Kulturmedien sowie<br />
<strong>de</strong>m Sektor Film und Audiovisuelles zugute<br />
kamen.<br />
• In Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m<br />
Europarat wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>s offenen<br />
Denkmals sowie einige Aktionen in <strong>de</strong>n<br />
westlichen Balkanlän<strong>de</strong>rn durchgeführt.<br />
• Die EU hat das Jahr 2008 zum<br />
Europäischen Jahr <strong>de</strong>s interkulturellen<br />
Dialogs erklärt, um damit vorbildlichen<br />
Verfahren und Abläufen <strong>de</strong>s interkulturellen<br />
Dialogs Geltung und Be<strong>de</strong>utung<br />
zu verschaffen. Angestrebt wird damit<br />
eine nachhaltige Strategie für die Zeit<br />
nach 2008. Die Dimension <strong>de</strong>r Mehrsprachigkeit<br />
<strong>de</strong>s Dialogs wird dabei beson<strong>de</strong>re<br />
Berücksichtigung fin<strong>de</strong>n.<br />
• Mit Hilfe <strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n<br />
gemeinschaftlichen För<strong>de</strong>rprogramme<br />
möchte die Kommission schließlich<br />
2009 zum europäischen Jahr von Kreativität<br />
und Innovation durch Bildung und<br />
Kultur erklären, um dadurch die Öffentlichkeit<br />
zu sensibilisieren, die öffentliche<br />
Debatte in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten zu för<strong>de</strong>rn<br />
und zur Unterstützung von Kreativität,<br />
Innovation und interkulturellen<br />
Kompetenzen beizutragen.<br />
In <strong>de</strong>n letzten Jahren haben die Mitgliedstaaten<br />
neue Formen <strong>de</strong>r flexiblen<br />
Zusammenarbeit erforscht, um enger<br />
bei gemeinsamen Zielen kooperieren<br />
zu können. Der Rat hat einen mehrjährigen<br />
Arbeitsplan für <strong>de</strong>n Zeitraum<br />
2005-<strong>2007</strong> beschlossen, und bei einzelnen<br />
Aspekten, wie etwa <strong>de</strong>r Mobilität<br />
von Kunstsammlungen aus Museen,<br />
wur<strong>de</strong>n flexible Formen <strong>de</strong>r Zusammenarbeit<br />
entwickelt. Regelmäßige Ministerkonferenzen<br />
haben ebenfalls zum<br />
Austausch vorbildlicher Verfahren und<br />
zum Dialog über mögliche Maßnahmen<br />
beigetragen.<br />
Das Europäische Parlament hat in seinen<br />
Berichten und Empfehlungen regelmäßig<br />
eine engere Zusammenarbeit<br />
eingefor<strong>de</strong>rt. Der Europäische Wirtschafts-<br />
und Sozialausschuss und <strong>de</strong>r<br />
Ausschuss <strong>de</strong>r Regionen haben auf die<br />
Rolle <strong>de</strong>r organisierten Zivilgesellschaft<br />
und <strong>de</strong>r lokalen und regionalen Behör<strong>de</strong>n<br />
verwiesen.<br />
Aufgrund dieser Erfahrungen und <strong>de</strong>r<br />
Ergebnisse <strong>de</strong>r umfassen<strong>de</strong>n Anhörung<br />
zur Vorbereitung dieser Mitteilung ist<br />
die Kommission zu <strong>de</strong>m Schluss gelangt,<br />
dass es an <strong>de</strong>r Zeit ist, eine gemeinsame<br />
Kulturagenda und neue Partnerschaften<br />
und Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Zusammenarbeit<br />
mit <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten, <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft<br />
und Drittlän<strong>de</strong>rn zu entwickeln.<br />
2.2. Die Außenbeziehungen <strong>de</strong>r EU<br />
Die Kultur ist anerkanntermaßen ein<br />
wichtiger Teil <strong>de</strong>r großen Programme<br />
und Instrumente <strong>de</strong>r EU für Zusammenarbeit<br />
sowie <strong>de</strong>r bilateralen Abkommen<br />
<strong>de</strong>r Union mit Drittlän<strong>de</strong>rn. Sie ist auch<br />
ein Schlüsselelement <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Europarat<br />
entwickelten Zusammenarbeit,<br />
die in <strong>de</strong>r gemeinsamen Durchführung<br />
<strong>de</strong>s „Tags <strong>de</strong>s offenen Denkmals” und<br />
einigen Aktionen in <strong>de</strong>n westlichen<br />
Balkanlän<strong>de</strong>rn mün<strong>de</strong>te.<br />
Viele Jahre wur<strong>de</strong> ein breites Spektrum<br />
an Kulturprojekten und -programmen<br />
als Teil <strong>de</strong>r finanziellen und technischen<br />
Hilfe <strong>de</strong>r Union in allen Entwicklungsregionen<br />
<strong>de</strong>r Welt durchgeführt. Diese<br />
Aktionen zielten auf die Erhaltung und<br />
Restauration <strong>de</strong>s Kulturerbes, die Produktion<br />
und Verbreitung von Kunstwerken,<br />
die Gründung o<strong>de</strong>r Restaurierung<br />
von Museen, <strong>de</strong>n Kompetenzaufbau bei<br />
lokalen Kulturakteuren und Künstlern<br />
sowie die Veranstaltung großer Kulturereignisse.<br />
Die Kommission unterstützt<br />
mit finanziellen Mitteln und In<strong>iti</strong>ativen<br />
neue und bereits etablierte Kulturindustrien<br />
in <strong>de</strong>n Partnerlän<strong>de</strong>rn, vor allem<br />
in <strong>de</strong>n Bereichen Film und Audiovisuelles,<br />
sowie <strong>de</strong>n Zugang zu Kultur und<br />
kultureller Vielfalt in Drittlän<strong>de</strong>rn auf lokaler<br />
Ebene.<br />
Eng verbun<strong>de</strong>n damit ist das zunehmen<strong>de</strong><br />
Engagement <strong>de</strong>r Union zum<br />
Schutz und zur Stärkung <strong>de</strong>r Menschenrechte,<br />
auch <strong>de</strong>r kulturellen Rechte, <strong>de</strong>r<br />
Rechte einheimischer Völker sowie <strong>de</strong>r<br />
Rechte von Min<strong>de</strong>rheiten und sozial<br />
ausgegrenzter Menschen.<br />
Der interkulturelle Dialog als eines <strong>de</strong>r<br />
Hauptinstrumente für Frie<strong>de</strong>n und Konfliktvermeidung<br />
ist offensichtlich eines<br />
<strong>de</strong>r grundlegen<strong>de</strong>n Ziele solcher Aktionen.<br />
Entsprechen<strong>de</strong> Schwerpunktaktionen<br />
in diesem Bereich wur<strong>de</strong>n durch<br />
<strong>de</strong>n Anstoß einer vom Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r<br />
Kommission eingesetzten beraten<strong>de</strong>n<br />
Gruppe eingeleitet und führten unter<br />
an<strong>de</strong>rem zur Gründung <strong>de</strong>r Anna-<br />
Lindh-Stiftung Europa/Mittelmeer für<br />
<strong>de</strong>n Kulturdialog in Alexandria sowie<br />
zur Aufnahme einer gezielten Debatte<br />
in die pol<strong>iti</strong>schen Gespräche mit vielen<br />
Drittlän<strong>de</strong>rn.<br />
Zu<strong>de</strong>m hat die Kommission unlängst<br />
damit begonnen, ihre öffentliche Diplomatie<br />
zu verstärken, auch durch Kulturereignisse,<br />
wobei häufig kulturelle Institutionen<br />
in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten einbezogen<br />
sind, um in Drittlän<strong>de</strong>rn wichtige<br />
Botschaften über Europa, seine I<strong>de</strong>ntität<br />
und die Erfahrungen mit <strong>de</strong>m Brückenschlag<br />
zwischen verschie<strong>de</strong>nen Kulturen<br />
zu vermitteln<br />
Im allgemeineren Rahmen hat die<br />
Kommission unter <strong>de</strong>r Finanziellen Vorausschau<br />
<strong>2007</strong>-2013 mehrjährige thematische<br />
Programme vorgeschlagen,<br />
um Gemeinschaftsinterventionen in<br />
Entwicklungslän<strong>de</strong>rn und -regionen einerseits<br />
und auf internationaler Ebene<br />
an<strong>de</strong>rerseits zu finanzieren. Die thematischen<br />
Programme „In die Menschen<br />
investieren” und „Nichtstaatliche Akteure<br />
und lokale Behör<strong>de</strong>n im Entwicklungsprozess”<br />
sollen die geografische<br />
Zusammenarbeit durch die Län<strong>de</strong>rstrategiepapiere<br />
im Kulturbereich ergänzen.<br />
Aus aktuellen Umfragen geht ein<strong>de</strong>utig<br />
hervor, dass die große Mehrheit<br />
<strong>de</strong>r europäischen Bürgerinnen und Bürger<br />
– angeführt von <strong>de</strong>n Staats-und Regierungschefs<br />
im Juni 2006 – für Europa<br />
unter <strong>de</strong>m Druck <strong>de</strong>r Globalisierung eine<br />
76
stärkere Präsenz auf <strong>de</strong>r Weltbühne und<br />
eine Außenpol<strong>iti</strong>k wünschen, die europäische<br />
Werte <strong>de</strong>utlich zum Ausdruck<br />
bringt. Die Kultur ist selbstverständlich<br />
ein Kernbereich dieses mehrse<strong>iti</strong>gen,<br />
auf Konsens aufbauen<strong>de</strong>n Ansatzes.<br />
Die rasche Umsetzung <strong>de</strong>s UNESCO-<br />
Übereinkommens über <strong>de</strong>n Schutz und<br />
die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Vielfalt kultureller<br />
Ausdrucksformen unterstreicht die neue<br />
Rolle <strong>de</strong>r kulturellen Vielfalt auf internationaler<br />
Ebene: Die Gemeinschaft und<br />
ihre Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet,<br />
eine neue kulturelle Säule <strong>de</strong>s<br />
globalen Regierens und <strong>de</strong>r nachhaltigen<br />
Entwicklung zu stärken, vor allem<br />
durch die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r internationalen<br />
Zusammenarbeit.<br />
3. Ziele einer europäischen Kulturagenda<br />
Die 2006 durchgeführte ausführliche<br />
Konsultation hat <strong>de</strong>r Kommission die<br />
Erkenntnis gebracht, dass ein starker<br />
Konsens für eine neue Kulturagenda<br />
<strong>de</strong>r EU, die auf vergangene Errungenschaften<br />
aufbauen und laufen<strong>de</strong> Aktivitäten<br />
verstärken könnte, besteht. Die<br />
Agenda wür<strong>de</strong> sich an drei miteinan<strong>de</strong>r<br />
zusammenhängen<strong>de</strong>n Zielbereichen<br />
orientieren:<br />
• För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r kulturellen Vielfalt<br />
und <strong>de</strong>s interkulturellen Dialogs;<br />
• För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kultur als Katalysator<br />
für Kreativität im Rahmen <strong>de</strong>r<br />
Strategie von Lissabon für Wachstum<br />
und Beschäftigung;<br />
• För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kultur als wesentlicher<br />
Bestandteil <strong>de</strong>r internationalen<br />
Beziehungen <strong>de</strong>r Union.<br />
An diesen Zielen wür<strong>de</strong>n sich die künftigen<br />
EU-Maßnahmen ausrichten. An<br />
alle Akteure wür<strong>de</strong> ein Appell gehen, bei<br />
voller Berücksichtigung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips<br />
einen Beitrag zu leisten.<br />
• Für die Mitgliedstaaten und<br />
ihre Regionen wür<strong>de</strong> dies be<strong>de</strong>uten,<br />
ihre Maßnahmen in diesen Bereichen<br />
mit Bezug auf gemeinsame Ziele weiterzuentwickeln<br />
und sich darum zu bemühen,<br />
gemeinsame Aktivitäten unter<br />
an<strong>de</strong>rem durch eine offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong><br />
und die Auslotung <strong>de</strong>r<br />
durch EU-Mittel gebotenen Möglichkeiten<br />
zu steuern.<br />
• Für die Stakehol<strong>de</strong>r im Kulturbereich,<br />
beispielsweise Berufsverbän<strong>de</strong>,<br />
kulturelle Einrichtungen, Nichtregierungsorganisationen,<br />
europäische<br />
Netze, Stiftungen, usw. wür<strong>de</strong> dies die<br />
Aufnahme eines intensiven Dialogs mit<br />
<strong>de</strong>n EU-Institutionen, die Unterstützung<br />
bei <strong>de</strong>r Entwicklung neuer Maßnahmen<br />
und Aktionen <strong>de</strong>r EU sowie die Entwicklung<br />
<strong>de</strong>s Dialogs untereineinan<strong>de</strong>r be<strong>de</strong>uten.<br />
• Für die Kommission wür<strong>de</strong> dies<br />
be<strong>de</strong>uten, dass sie ihre Innen- und Außenpol<strong>iti</strong>k<br />
und die gemeinschaftlichen<br />
För<strong>de</strong>rprogramme mobilisiert und ihre<br />
Rolle als In<strong>iti</strong>atorin sowie <strong>de</strong>n Austausch<br />
vorbildlicher Verfahren sowie <strong>de</strong>n Dialog<br />
mit sämtlichen Akteuren neu gestaltet.<br />
• Für alle Akteure wür<strong>de</strong> dies ein<br />
neues Verständnis <strong>de</strong>r Partnerschaft und<br />
<strong>de</strong>r Ownership bei <strong>de</strong>n EU-Aktionen zur<br />
Erreichung dieser Ziele be<strong>de</strong>uten.<br />
Im folgen<strong>de</strong>n Abschnitt sind diese allgemeinen<br />
Ziele ausführlicher erläutert.<br />
3.1. Kulturelle Vielfalt und interkultureller<br />
Dialog<br />
Die Kunst kann die Persönlichkeit junger<br />
Menschen prägen, um ihre Toleranz<br />
zu för<strong>de</strong>rn und in ihnen <strong>de</strong>n Respekt für<br />
an<strong>de</strong>re und <strong>de</strong>n Wunsch nach Frie<strong>de</strong>n zu<br />
wecken. Yehudi Menuhin<br />
Die Entfaltung <strong>de</strong>r Kulturen <strong>de</strong>r Mitgliedstaaten<br />
entsprechend ihrer nationalen<br />
und regionalen Vielfalt ist als<br />
wichtiges Ziel <strong>de</strong>r EU im EG-Vertrag<br />
festgeschrieben. Um gleichze<strong>iti</strong>g unser<br />
gemeinsames Erbe zu betonen und <strong>de</strong>n<br />
Beitrag aller in unseren Gesellschaften<br />
vertretenen Kulturen anzuerkennen,<br />
muss die kulturelle Vielfalt in einem Kontext<br />
<strong>de</strong>r Offenheit und <strong>de</strong>s Austauschs<br />
zwischen verschie<strong>de</strong>nen Kulturen genährt<br />
wer<strong>de</strong>n. Da wir in zunehmend<br />
multikulturellen Gesellschaften leben,<br />
gilt es daher, <strong>de</strong>n interkulturellen Dialog<br />
und die interkulturellen Kompetenzen<br />
zu för<strong>de</strong>rn. Dies ist auch sehr nützlich<br />
in einer globalen Wirtschaft im Hinblick<br />
auf die bessere Beschäftigungsfähigkeit,<br />
Anpassungsfähigkeit und Mobilität <strong>de</strong>r<br />
Künstler und <strong>de</strong>r im kulturellen Bereich<br />
Beschäftigten sowie auf die Mobilität<br />
von Kunstwerken. Da die Bürger großen<br />
Nutzen aus <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r kulturellen<br />
Vielfalt ziehen, müssen wir ihren<br />
Zugang zur Kultur und zu Kulturwerken<br />
för<strong>de</strong>rn.<br />
Folgen<strong>de</strong> spezifische Ziele sind zu setzen:<br />
• För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Mobilität von<br />
Künstlern und Beschäftigten im Kulturbereich<br />
sowie Verbreitung aller künstlerischen<br />
Ausdrucksformen über nationale<br />
Grenzen hinweg:<br />
– Mobilisierung öffentlicher und<br />
privater Geldquellen zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />
Mobilität von Künstlern und Beschäftigten<br />
<strong>de</strong>s Kultursektors innerhalb <strong>de</strong>r<br />
EU;<br />
– För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Mobilität von<br />
Kunstwerken und an<strong>de</strong>ren künstlerischen<br />
Ausdrucksformen;<br />
– Verbesserung <strong>de</strong>r europaweiten<br />
Koordinierung bei Aspekten, welche<br />
die Mobilität von Beschäftigten <strong>de</strong>s Kulturbetriebs<br />
innerhalb <strong>de</strong>r EU betreffen,<br />
um kurzfristigen und häufigen Aufenthalten<br />
in an<strong>de</strong>ren Mitgliedstaaten Rechnung<br />
zu tragen.<br />
• För<strong>de</strong>rung und Stärkung <strong>de</strong>r<br />
interkulturellen Kompetenzen und <strong>de</strong>s<br />
interkulturellen Dialogs, vor allem durch<br />
die Entwicklung von „Kulturbewusstsein<br />
und -ausdruck“, „sozialen und zivilen<br />
Kompetenzen“ und „Kommunikation<br />
in Fremdsprachen“, was alles zu <strong>de</strong>n<br />
Schlüsselkompetenzen für lebenslanges<br />
Lernen zählt, die vom Europäischen Parlament<br />
und vom Rat 2006 aufgelistet<br />
wur<strong>de</strong>n.<br />
3.2. Kultur als Katalysator für Kreativität<br />
im Rahmen <strong>de</strong>r Strategie von Lissabon für<br />
Wachstum und Beschäftigung<br />
Die Intelligenz ist für die Schaffung<br />
von Unterschie<strong>de</strong>n programmiert.<br />
Francesco Alberoni<br />
Die Kulturindustrien und <strong>de</strong>r kreative<br />
Sektor tragen kräftig zu BIP, Wachstum<br />
und Beschäftigung in Europa bei. Einer<br />
jüngst für die Kommission durchgeführten<br />
unabhängigen Studie zufolge<br />
arbeiteten 2004 mehr als 5 Millionen<br />
Personen im Kultursektor, das entspricht<br />
3,1 % <strong>de</strong>r erwerbstätigen Bevölkerung<br />
insgesamt in EU-15. Der Kultursektor<br />
trug 2003 mit etwa 2,6 % zum BIP <strong>de</strong>r<br />
EU bei, wobei sein Wachstum zwischen<br />
1999 und 2003 erheblich stärker war<br />
als das <strong>de</strong>r Wirtschaft im Allgemeinen.<br />
Im Kontext <strong>de</strong>r Globalisierung sind diese<br />
Wirtschaftszweige und die durch sie<br />
geschaffene Kreativität ein erheblicher<br />
Wert für die Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit<br />
Europas.<br />
Die Rolle <strong>de</strong>r Kultur bei <strong>de</strong>r Unterstützung<br />
und För<strong>de</strong>rung von Kreativität und<br />
Innovation muss erforscht und verstärkt<br />
wer<strong>de</strong>n. Kreativität ist die Grundlage<br />
sozialer und technologischer Innovationen<br />
und damit eine wichtige Antriebskraft<br />
für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit<br />
und Arbeitsplätze in <strong>de</strong>r EU.<br />
Folgen<strong>de</strong> spezifische Ziele sind zu setzen:<br />
• För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kreativität in<br />
<strong>de</strong>r allgemeinen Bildung durch die<br />
Einbeziehung <strong>de</strong>s Kultursektors bei <strong>de</strong>r<br />
Nutzung <strong>de</strong>s Potenzials <strong>de</strong>r Kultur als<br />
konkretes Input/Tool für das lebenslange<br />
Lernen und durch die För<strong>de</strong>rung von<br />
Kultur und Künsten in <strong>de</strong>r nichtformalen<br />
und formalen Bildung (auch Fremdsprachenerwerb).<br />
• För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Kapazitätsaufbaus<br />
im Kultursektor durch die Unterstützung<br />
von Ausbildungsmaßnahmen<br />
in <strong>de</strong>n Bereichen Management und Unternehmertum,<br />
die Vermittlung <strong>de</strong>r europäischen<br />
Dimension/Marktaktivitäten<br />
sowie durch die Erschließung innovativer<br />
Geldquellen (auch Sponsorentum)<br />
und <strong>de</strong>n besseren Zugang dazu.<br />
• Aufbau kreativer Partnerschaften<br />
zwischen <strong>de</strong>m Kultursektor<br />
und an<strong>de</strong>ren Sektoren (IKT, Forschung,<br />
Tourismus, Sozialpartner usw.), um die<br />
soziale und wirtschaftliche Wirkung von<br />
Invest<strong>iti</strong>onen in Kultur und Kreativität<br />
zu verstärken, vor allem im Hinblick<br />
auf mehr Wachstum und Arbeitsplätze<br />
sowie die Entwicklung und Attraktivität<br />
von Regionen und Städten.<br />
3.3. Kultur als wichtiges Element <strong>de</strong>r internationalen<br />
Beziehungen<br />
Je<strong>de</strong> Kultur hat ihren Ursprung in <strong>de</strong>r Vermischung,<br />
<strong>de</strong>r Interaktion, <strong>de</strong>r Konfron-<br />
Anhang<br />
77
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
tation. Dies be<strong>de</strong>utet umgekehrt, dass<br />
die Zivilisation in Isolation stirbt. Octavio<br />
Paz<br />
Mit <strong>de</strong>r Unterzeichnung <strong>de</strong>s UNESCO-<br />
Übereinkommens über <strong>de</strong>n Schutz und<br />
die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Vielfalt kultureller<br />
Ausdrucksformen haben die Gemeinschaft<br />
und die Mitgliedstaaten ihr Engagement<br />
bei <strong>de</strong>r Entwicklung einer neuen<br />
und stärker pro-aktiven kulturellen Rolle<br />
Europas im Rahmen <strong>de</strong>r internationalen<br />
Beziehungen und bei <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r kulturellen Dimension als wichtiges<br />
Element in <strong>de</strong>n Beziehungen Europas<br />
mit Partnerlän<strong>de</strong>rn und -regionen bekräftigt.<br />
Dies sollte dazu beitragen, das<br />
Wissen über die europäischen Kulturen<br />
und ihr Verständnis in <strong>de</strong>r Welt zu för<strong>de</strong>rn.<br />
Wesentliche Voraussetzung für diese<br />
Einglie<strong>de</strong>rung ist die Entwicklung <strong>de</strong>s<br />
aktiven interkulturellen Dialogs mit allen<br />
Län<strong>de</strong>rn und Regionen, wobei Europa<br />
beispielsweise die sprachliche Bindung<br />
zu vielen Län<strong>de</strong>rn entgegenkommt. In<br />
diesem Zusammenhang sollten unbedingt<br />
auch <strong>de</strong>r Reichtum <strong>de</strong>r kulturellen<br />
Vielfalt unserer Partner geför<strong>de</strong>rt, die<br />
lokale I<strong>de</strong>ntität berücksichtigt, <strong>de</strong>r Zugang<br />
ländlicher Bevölkerungsgruppen<br />
zur Kultur geför<strong>de</strong>rt und eine wirtschaftliche<br />
Ressource entwickelt wer<strong>de</strong>n, die<br />
direkte Auswirkungen auf die sozio-ökonomische<br />
Entwicklung hat.<br />
Vor diesem Hintergrund wird die EU einen<br />
„zweigleisigen“ Ansatz verfolgen:<br />
• Systematische Einglie<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r kulturellen Dimension und verschie<strong>de</strong>ner<br />
kultureller Komponenten in alle<br />
Massnahmen, Projekte und Programme<br />
<strong>de</strong>r Aussenbeziehungen und <strong>de</strong>r Entwicklungspol<strong>iti</strong>k<br />
als Mittel zur Stärkung<br />
<strong>de</strong>r Qualität <strong>de</strong>r diplomatischen Tätigkeiten<br />
und <strong>de</strong>r Berechtigung und Nachhaltigkeit<br />
aller Kooperationstätigkeiten<br />
<strong>de</strong>r EU;<br />
• Unterstützung spezifischer kultureller<br />
Aktionen und Veranstaltungen<br />
– die Kultur ist eine eigenständige Ressource<br />
und <strong>de</strong>r Zugang dazu sollte bei<br />
entwicklungspol<strong>iti</strong>schen Maßnahmen<br />
einen Schwerpunkt bil<strong>de</strong>n.<br />
Folgen<strong>de</strong> spezifischen Ziele sind zu setzen:<br />
• Weiterer Ausbau <strong>de</strong>s pol<strong>iti</strong>schen<br />
Dialogs mit allen Län<strong>de</strong>rn und<br />
Regionen im Kulturbereich und För<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>s kulturellen Austauschs zwischen<br />
<strong>de</strong>r EU und an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn und<br />
Regionen;<br />
• För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Zugangs zu<br />
europäischen und an<strong>de</strong>ren Märkten<br />
für Kulturgüter und -dienstleistungen<br />
aus Entwicklungslän<strong>de</strong>rn durch gezielte<br />
Aktionen und Abkommen, die eine bevorzugte<br />
Behandlung ermöglichen o<strong>de</strong>r<br />
durch han<strong>de</strong>lsbezogene Hilfsmassnahmen;<br />
• Nutzung <strong>de</strong>r Aussenbeziehungen<br />
und <strong>de</strong>r Entwicklungspol<strong>iti</strong>k<br />
zum Schutz und zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />
kulturellen Vielfalt durch die finanzielle<br />
und technische Unterstützung bei <strong>de</strong>r<br />
Erhaltung <strong>de</strong>s kulturellen Erbes und <strong>de</strong>n<br />
Zugang dazu einerseits sowie die aktive<br />
Belebung und För<strong>de</strong>rung kultureller<br />
Aktivitäten in <strong>de</strong>r ganzen Welt an<strong>de</strong>rerseits;<br />
• Bei allen Kooperationsprogrammen<br />
und -projekten müssen bei<br />
Konzeption und Umsetzung die lokale<br />
Kultur in vollem Umfang berücksichtigt<br />
und <strong>de</strong>m besseren Zugang <strong>de</strong>r<br />
Menschen zu Kultur und zu <strong>de</strong>n unterschiedlichen<br />
kulturellen Ausdrucksformen,<br />
auch durch <strong>de</strong>n direkten persönlichen<br />
Kontakt, Rechnung getragen<br />
wer<strong>de</strong>n. Von vorrangiger Be<strong>de</strong>utung ist<br />
die Bildung, wozu auch das Plädoyer<br />
für die Einbeziehung <strong>de</strong>r Kultur in die<br />
Bildungsinhalte auf allen Ebenen in <strong>de</strong>n<br />
Entwicklungslän<strong>de</strong>rn zählt;<br />
• För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r aktiven Mitarbeit<br />
<strong>de</strong>r EU in internationalen, mit Kultur<br />
befassten Organisationen sowie an<br />
<strong>de</strong>m von <strong>de</strong>n Vereinten Nationen eingeleiteten<br />
Prozess „Allianz <strong>de</strong>r Zivilisationen“.<br />
4. Neue Partnerschaften und Arbeitsmetho<strong>de</strong>n<br />
Um seine Kulturagenda aufstellen zu<br />
können, muss sich Europa auf eine soli<strong>de</strong><br />
Partnerschaft aller Betroffenen verlassen,<br />
die vier wesentliche Elemente<br />
aufweist.<br />
4.1. Ausbau <strong>de</strong>s Dialogs mit <strong>de</strong>m Kultursektor<br />
Die Kommission strebt an, einen strukturierten<br />
Dialog mit <strong>de</strong>m Sektor aufzubauen,<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Rahmen für <strong>de</strong>n regelmäßigen<br />
Austausch von Standpunkten<br />
und vorbildlichen Verfahren, Beiträge<br />
zum pol<strong>iti</strong>schen Gestaltungsprozess,<br />
Follow-up und Bewertung bieten wür<strong>de</strong>.<br />
Der Kultursektor sollte sich aus Grün<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r Leg<strong>iti</strong>mität auch weiterhin selbst organisieren<br />
und geeignete und repräsentative<br />
Partner ermitteln. Die Kommission<br />
begrüßt, dass mit <strong>de</strong>r Gründung<br />
einiger repräsentativer Organisationen<br />
und einiger Kooperationseinrichtungen<br />
wie <strong>de</strong>r Plattform <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft<br />
für <strong>de</strong>n interkulturellen Dialog bereits<br />
einige Strukturen am Entstehen sind.<br />
Gleichze<strong>iti</strong>g stellt die Kommission fest,<br />
dass <strong>de</strong>r Sektor beson<strong>de</strong>re Merkmale<br />
aufweist, vor allem eine gewisse Heterogenität<br />
(Berufsverbän<strong>de</strong>, kulturelle<br />
Institutionen mit unterschiedlichem<br />
Grad <strong>de</strong>r Unabhängigkeit, Nichtregierungsorganisationen,<br />
europäische und<br />
nicht-europäische Netze, Stiftungen<br />
usw.) und die bisherige mangeln<strong>de</strong><br />
Kommunikation zwischen <strong>de</strong>n Kulturindustrien<br />
und an<strong>de</strong>ren im Kulturbereich<br />
Tätigen. Sie sieht eine wichtige Aufgabe<br />
darin, <strong>de</strong>n Sektor stärker zu strukturieren.<br />
Diese beson<strong>de</strong>ren Merkmale haben<br />
dazu geführt, dass <strong>de</strong>r Kultursektor<br />
auf europäischer Ebene bisher nur eine<br />
schwache Stimme hatte.<br />
Zum Aufbau eines konstruktiveren Dialogs<br />
zwischen <strong>de</strong>r Kommission und<br />
<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Akteuren schlägt die<br />
Kommission die folgen<strong>de</strong>n Schritte vor:<br />
• Kartografierung <strong>de</strong>s Sektors<br />
mit <strong>de</strong>m Ziel, die Gesamtheit <strong>de</strong>r Stakehol<strong>de</strong>r<br />
zu ermitteln und besser zu verstehen;<br />
• Einrichtung eines „Kulturforums“<br />
für die Anhörung <strong>de</strong>r Stakehol<strong>de</strong>r<br />
und Unterstützung bei <strong>de</strong>r Gründung<br />
einer Plattform, die sich selbst<br />
organisiert bzw. einer Reihe von Stakehol<strong>de</strong>r-Plattformen;<br />
• Hilfe bei <strong>de</strong>r Schaffung einer<br />
Grundlage, auf <strong>de</strong>r einzelne Künstler<br />
und Intellektuelle auf europäischer<br />
Ebene („Kulturbotschafter“) repräsentative<br />
Ansichten äussern können, unter<br />
an<strong>de</strong>rem durch Prüfung <strong>de</strong>r Eignung<br />
und Machbarkeit eines europäischen<br />
Internet-Forums für <strong>de</strong>n Meinungsaustausch,<br />
<strong>de</strong>n künstlerischen Ausdruck<br />
und <strong>de</strong>n Kontakt zu <strong>de</strong>n Bürgerinnen<br />
und Bürgern;<br />
• Ermutigung <strong>de</strong>r Sozialpartner<br />
in <strong>de</strong>n Kultursektoren, ihren autonomen<br />
Sozialdialog gemäß <strong>de</strong>n Artikeln<br />
138 und 139 <strong>de</strong>s Vertrags weiter zu entwickeln.<br />
Entsprechen<strong>de</strong> Ausschüsse für<br />
<strong>de</strong>n sektoralen sozialen Dialog bestehen<br />
bereits für die darstellen<strong>de</strong>n Künste und<br />
<strong>de</strong>n audiovisuellen Sektor;<br />
• Erweiterung <strong>de</strong>r öffentlichen<br />
Debatten in Europa um eine kulturelle<br />
Dimension unter Nutzung <strong>de</strong>r Vertretungen<br />
<strong>de</strong>r Kommission; wenn die Kultur<br />
ins Rampenlicht geholt wird, wird<br />
dies <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Dialogs dienen<br />
und neue Interessenten gewinnen.<br />
4.2. Einrichtung einer offenen Koordinierungsmetho<strong>de</strong><br />
Wie bereits erwähnt, genehmigten die<br />
Mitgliedstaaten im Rat einen gemeinsamen<br />
Arbeitsplan für 2005-<strong>2007</strong>. Der<br />
Plan muss jetzt erneuert wer<strong>de</strong>n und<br />
nach Ansicht <strong>de</strong>r Kommission wäre es<br />
an <strong>de</strong>r Zeit, dass die Mitgliedstaaten<br />
in ihrer Zusammenarbeit einen Schritt<br />
weitergehen und dafür die offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong><br />
in einem partnerschaftlichen<br />
Verständnis wählen.<br />
Diese Metho<strong>de</strong> bietet einen geeigneten<br />
Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen<br />
<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten im Kulturbereich.<br />
Sie ermöglicht <strong>de</strong>n unverbindlichen<br />
Austausch zwischen Regierungen<br />
über geplante Maßnahmen und gemeinsame<br />
Aktionen, <strong>de</strong>r sich für einen<br />
solchen Bereich eignet, in <strong>de</strong>m die Zuständigkeiten<br />
weitgehend auf Ebene<br />
<strong>de</strong>r Mitgliedstaaten verbleiben. Es geht<br />
darum, gemeinsame Ziele zu vereinbaren,<br />
die Fortschritte bei <strong>de</strong>r Umsetzung<br />
regelmäßig zu prüfen und vorbildliche<br />
Verfahren sowie einschlägige Daten<br />
auszutauschen, um mehr voneinan<strong>de</strong>r<br />
lernen zu können.<br />
78
Die Metho<strong>de</strong> wird in <strong>de</strong>n Bereichen<br />
Beschäftigung, Sozialschutz, Bildung<br />
und Jugend angewandt. Sie hat <strong>de</strong>n<br />
Mitgliedstaaten bei <strong>de</strong>r Konzeption ihrer<br />
Pol<strong>iti</strong>k geholfen, da die regelmäßige<br />
Beteiligung an einem europäischen<br />
Prozess das Profil <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k auf nationaler<br />
Ebene verstärkt und sie bereichert.<br />
Zu<strong>de</strong>m können die Mitgliedstaaten<br />
dadurch voneinan<strong>de</strong>r lernen. Schließlich<br />
gibt die Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Akteuren in<br />
diesen Pol<strong>iti</strong>kbereichen eine Stimme auf<br />
europäischer Ebene, die sie sonst nicht<br />
hätten.<br />
Auf je<strong>de</strong>n Fall aber muss bei <strong>de</strong>r Konzeption<br />
<strong>de</strong>r offenen Koordinierungsmetho<strong>de</strong><br />
für diesen Bereich <strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>ren<br />
Merkmalen <strong>de</strong>s Kultursektors Rechnung<br />
getragen wer<strong>de</strong>n. Dies beinhaltet<br />
eine flexible Vorgehensweise in einem<br />
partnerschaftlichen Verständnis mit <strong>de</strong>n<br />
Mitgliedstaaten für die Berichterstattung<br />
mit allgemeinen Zielen und nur<br />
wenigen Vorgaben.<br />
Die Kommission schlägt vor, dass <strong>de</strong>r<br />
Rat auf <strong>de</strong>r Grundlage dieser Mitteilung<br />
die oben genannten Ziele unterstützt<br />
und Schwerpunkte sowie einen zweijährigen<br />
Rhythmus für die Prüfung <strong>de</strong>r<br />
Ergebnisse festlegt. Dazu wür<strong>de</strong> die<br />
Kommission unter an<strong>de</strong>rem alle zwei<br />
Jahre mit hochrangigen Vertretern <strong>de</strong>r<br />
Mitgliedstaaten einen Bericht verfassen,<br />
in<strong>de</strong>m die wichtigsten Themen und<br />
Ten<strong>de</strong>nzen zusammengefasst und die<br />
Fortschritte bei <strong>de</strong>r Umsetzung <strong>de</strong>r gemeinsamen<br />
Ziele in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten<br />
erörtert wer<strong>de</strong>n.<br />
Den Mitgliedstaaten wür<strong>de</strong> empfohlen,<br />
lokale und regionale Behör<strong>de</strong>n und die<br />
Stakehol<strong>de</strong>r im inländischen Kulturbetrieb<br />
voll einzubeziehen und in ihrem<br />
Bericht darzulegen, wie sie dabei vorgegangen<br />
sind. Auf EU-Ebene wür<strong>de</strong> diese<br />
Einbeziehung über das oben genannte<br />
Kulturforum geschehen. Ein Jahr vor<br />
<strong>de</strong>r Veröffentlichung <strong>de</strong>s Berichts wür<strong>de</strong><br />
die Kommission ein Treffen veranstalten,<br />
um Beiträge <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft zu<br />
sammeln.<br />
Das Europäische Parlament, <strong>de</strong>r Europäische<br />
Wirtschafts- und Sozialausschuss<br />
und <strong>de</strong>r Ausschuss <strong>de</strong>r Regionen sollten<br />
in <strong>de</strong>n Prozess einbezogen wer<strong>de</strong>n.<br />
Für die Ziele <strong>de</strong>r Außenbeziehungen<br />
wür<strong>de</strong> gegebenenfalls <strong>de</strong>r dafür bestehen<strong>de</strong><br />
EU-Rahmen, auch <strong>de</strong>r Rat <strong>de</strong>r<br />
Außenminister, genutzt. Die Kommission<br />
wür<strong>de</strong> zusammen mit <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten<br />
anstreben, die EU-weite Koordinierung<br />
<strong>de</strong>r kulturellen Zusammenarbeit<br />
zu intensivieren. Dazu zählt auch<br />
die Ermittlung vorbildlicher Verfahren<br />
und <strong>de</strong>ren Austausch. Im Mittelpunkt<br />
<strong>de</strong>r verstärkten Bemühungen um Koordinierung<br />
und Harmonisierung wür<strong>de</strong><br />
weiterhin die Ausarbeitung von Län<strong>de</strong>rstrategiepapieren<br />
und gemeinsamen<br />
Hilfsstrategien stehen.<br />
4.3. Unterstützung einer empirischen Pol<strong>iti</strong>kgestaltung<br />
Die Kommission wür<strong>de</strong> bei je<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />
genannten Ziele und <strong>de</strong>r vorgeschlagenen<br />
Koordinierungsmetho<strong>de</strong> für die<br />
Unterstützung und Koordinierung zur<br />
Verfügung stehen.<br />
Um die genannten Ziele erreichen zu<br />
können, muss besser verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n,<br />
welchen Beitrag <strong>de</strong>r Kultursektor<br />
zur Agenda von Lissabon leisten könnte,<br />
um eine empirische Pol<strong>iti</strong>k zu för<strong>de</strong>rn.<br />
Dazu zählt die gemeinsame Nutzung<br />
bereits vorliegen<strong>de</strong>r Daten und Fallstudien<br />
und die Zusammenarbeit bei<br />
<strong>de</strong>r Methodik zur Bewertung und Folgenanalyse.<br />
Voraussetzung sind aber<br />
auch die Prüfung und gegebenenfalls<br />
Verbesserung nationaler Statistiken und<br />
die Gewährleistung einer besseren Vergleichbarkeit<br />
<strong>de</strong>rselben, was von Eurostat<br />
koordiniert wer<strong>de</strong>n könnte.<br />
In diesem Zusammenhang wird die<br />
Kommission eine Reihe von Studien<br />
und internen Aktionen unter Beteiligung<br />
verschie<strong>de</strong>ner Generaldirektionen<br />
auf <strong>de</strong>n Weg bringen, um die vorgeschlagenen<br />
Ziele und empirischen Vorhaben<br />
zu unterstützen. Sie wird zu<strong>de</strong>m<br />
die Vernetzung <strong>de</strong>r Akteure för<strong>de</strong>rn, die<br />
auf europäischer, nationaler, regionaler<br />
o<strong>de</strong>r lokaler Ebene an <strong>de</strong>r Folgenabschätzung<br />
und Bewertung von Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
beteiligt sind.<br />
4.4. Einbeziehung <strong>de</strong>r Kultur in an<strong>de</strong>re<br />
betroffene Pol<strong>iti</strong>kbereiche<br />
Nach Artikel 151 Absatz 4 <strong>de</strong>s EG-Vertrags<br />
ist die Gemeinschaft gehalten, bei<br />
ihrer Tätigkeit aufgrund an<strong>de</strong>rer Bestimmungen<br />
<strong>de</strong>s Vertrags <strong>de</strong>n kulturellen<br />
Aspekten Rechnung zu tragen, insbeson<strong>de</strong>re<br />
zur Wahrung und För<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r Vielfalt ihrer Kulturen.<br />
Um <strong>de</strong>m nachzukommen, wird die<br />
Kommission die Koordinierung zwischen<br />
ihren Dienststellen verstärken und<br />
ihre Analyse <strong>de</strong>r Schnittstelle zwischen<br />
kultureller Vielfalt und an<strong>de</strong>ren Gemeinschaftsmaßnahmen<br />
vertiefen, um bei<br />
Entscheidungen o<strong>de</strong>r Vorschlägen, die<br />
eine Regelung beinhalten o<strong>de</strong>r Folgen<br />
für <strong>de</strong>n Haushalt haben, für Ausgewogenheit<br />
zwischen <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />
leg<strong>iti</strong>men pol<strong>iti</strong>schen Zielen, zu <strong>de</strong>nen<br />
auch die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r kulturellen Vielfalt<br />
zählt, zu sorgen. Zum Beispiel hat<br />
die Kommission vor kurzem zu diesem<br />
Zweck eine dienststellenübergreifen<strong>de</strong><br />
Gruppe eingesetzt.<br />
Im Hinblick auf die externe Dimension<br />
wird vor allem <strong>de</strong>r multi- und interkulturelle<br />
Dialog sowie <strong>de</strong>r Dialog zwischen<br />
<strong>de</strong>n Religionen ins Auge gefasst, um das<br />
Verständnis zwischen <strong>de</strong>r EU und ihren<br />
internationalen Partnern zu verbessern<br />
und mehr Menschen in <strong>de</strong>n Partnerlän<strong>de</strong>rn<br />
direkt anzusprechen. Hier spielt die<br />
Bildung, insbeson<strong>de</strong>re im Bereich <strong>de</strong>r<br />
Menschenrechte, eine beduten<strong>de</strong> Rolle.<br />
Das neue Programm Erasmus Mundus<br />
wird dazu einen Beitrag leisten. Die<br />
Kommission unterstützt <strong>de</strong>n Dialog und<br />
kulturbezogene Tätigkeiten im Rahmen<br />
<strong>de</strong>r Europäischen Nachbarschaftspol<strong>iti</strong>k<br />
(ENP), <strong>de</strong>s Programms „In Menschen<br />
investieren“, von Einrichtungen wie <strong>de</strong>r<br />
Anna-Lindh-Stifung im Mittelmeerraum<br />
sowie <strong>de</strong>r Allianz <strong>de</strong>r Zivilisationen <strong>de</strong>r<br />
UN. Für einige Partnerlän<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r ENP-<br />
Region, in Asien und auch an<strong>de</strong>rswo,<br />
wer<strong>de</strong>n spezifische Programme <strong>de</strong>r kulturellen<br />
Zusammenarbeit eingerichtet<br />
(beispielsweise <strong>de</strong>r Kulturfonds für Indien).<br />
Diese Tätigkeiten sind voneinan<strong>de</strong>r<br />
abhängig.<br />
Die Europäische Kommission schlägt<br />
vor, zu einer wirksamen Unterstützung<br />
gezielter kultureller Aktionen in AKP-<br />
Län<strong>de</strong>rn einen EU-AKP-Kulturfonds einzurichten,<br />
<strong>de</strong>r ein gemeinsamer europäischer<br />
Beitrag zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Vertriebs<br />
und unter Umstän<strong>de</strong>n auch <strong>de</strong>r<br />
Herstellung von Kulturgütern <strong>de</strong>r AKP-<br />
Län<strong>de</strong>r wäre. Dieser Fonds wird neue lokale<br />
Märkte und Industrien för<strong>de</strong>rn und<br />
damit <strong>de</strong>n Zugang von Menschen zur<br />
Kultur und zu <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen kulturellen<br />
Ausdrucksformen in ihrer Umgebung<br />
unterstützen und gleichze<strong>iti</strong>g <strong>de</strong>n<br />
Zugang von Kulturgütern <strong>de</strong>r AKP-Län<strong>de</strong>r<br />
zu europäischen Märkten durch <strong>de</strong>n<br />
leichteren Zugang zu Vertriebsnetzen<br />
und Plattformen in <strong>de</strong>r EU verbessern.<br />
Der 10. Europäische Entwicklungsfonds<br />
wird eine Starthilfe zur Finanzierung <strong>de</strong>s<br />
Fonds leisten, die durch Beiträge <strong>de</strong>r<br />
EU-Mitgliedstaaten ergänzt wird.<br />
5. Schlussfolgerung<br />
Kultur ist kein Luxus, sie ist eine Notwendigkeit.<br />
Gao Xingjian<br />
Nach Ansicht <strong>de</strong>r Kommission ist <strong>de</strong>r<br />
Zeitpunkt für eine neue europäische<br />
Kulturagenda gekommen, die <strong>de</strong>n Realitäten<br />
<strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Welt im Zeichen<br />
<strong>de</strong>r Globalisierung Rechnung trägt.<br />
In dieser Mitteilung wer<strong>de</strong>n konkrete<br />
Vorschläge vorgebracht, die sowohl<br />
eine Reihe gemeinsamer Ziele als auch<br />
neue Metho<strong>de</strong>n zur Intensivierung <strong>de</strong>r<br />
kulturellen Zusammenarbeit in <strong>de</strong>r EU<br />
betreffen.<br />
Das Europäische Parlament, <strong>de</strong>r Rat, <strong>de</strong>r<br />
Ausschuss <strong>de</strong>r Regionen und <strong>de</strong>r Europäische<br />
Wirtschafts-und Sozialauschuss<br />
wer<strong>de</strong>n ersucht, sich zu dieser Mitteilung<br />
zu äussern.<br />
Der Rat wird gebeten, die entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Schritte zu ergreifen, um im<br />
Rahmen <strong>de</strong>r offenen Koordinierungsmetho<strong>de</strong><br />
gemeinsame Ziele zu setzen<br />
und eine geeignete Berichterstattung<br />
beschließen zu können; <strong>de</strong>r Europäische<br />
Rat wird ersucht, dies in seinen Schlussfolgerungen<br />
zu unterstützen.<br />
Anhang<br />
79
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Entschließung <strong>de</strong>s Europäischen<br />
Parlaments vom 7. Juni <strong>2007</strong> zum<br />
Sozialstatut <strong>de</strong>r Künstler und<br />
Künstlerinnen<br />
2006/2249(INI)<br />
Entschließung <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments<br />
vom 7. Juni <strong>2007</strong> zum Sozialstatut<br />
<strong>de</strong>r Künstler und Künstlerinnen<br />
(2006/2249(INI))<br />
Das Europäische Parlament ,<br />
– in Kenntnis <strong>de</strong>s UNESCO-Übereinkommens<br />
zum Schutz und zur För<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r Vielfalt kultureller Ausdrucksformen,<br />
– in Kenntnis <strong>de</strong>r Mitteilung <strong>de</strong>r<br />
Kommission mit <strong>de</strong>m Titel „Nichtdiskriminierung<br />
und Chancengleichheit<br />
für alle – eine Rahmenstrategie“<br />
(KOM(2005)0224),<br />
– in Kenntnis <strong>de</strong>s Grünbuchs <strong>de</strong>r<br />
Kommission mit <strong>de</strong>m Titel „Ein mo<strong>de</strong>rneres<br />
Arbeitsrecht für die Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>de</strong>s 21. Jahrhun<strong>de</strong>rts“<br />
(KOM(2006)0708),<br />
– unter Hinweis auf seine Entschließung<br />
vom 22. Oktober 2002 zu <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung<br />
und <strong>de</strong>r Dynamik <strong>de</strong>s Theaters<br />
und <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste im erweiterten<br />
Europa(1) ,<br />
– unter Hinweis auf seine Entschließung<br />
vom 4. September 2003 zur Kulturwirtschaft(2)<br />
,<br />
– unter Hinweis auf seine Entschließung<br />
vom 13. Oktober 2005 zu neuen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />
für <strong>de</strong>n Zirkus als Teil<br />
<strong>de</strong>r Kultur Europas(3) ,<br />
– unter Hinblick auf die Verordnung<br />
(EWG) Nr. 1408/71 <strong>de</strong>s Rates vom 14.<br />
Juni 1971 zur Anwendung <strong>de</strong>r Systeme<br />
<strong>de</strong>r sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer<br />
und Selbständige sowie <strong>de</strong>ren Familien,<br />
die innerhalb <strong>de</strong>r Gemeinschaft<br />
zu- und abwan<strong>de</strong>rn(4) ,<br />
– unter Hinblick auf die Verordnung<br />
(EG) Nr. 883/2004 <strong>de</strong>s Europäischen<br />
Parlaments und <strong>de</strong>s Rates vom 29. April<br />
2004 zur Koordinierung <strong>de</strong>r Systeme<br />
<strong>de</strong>r sozialen Sicherheit(5) ,<br />
– unter Hinweis auf die Richtlinie<br />
2001/29/EG <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments<br />
und <strong>de</strong>s Rates vom 22. Mai 2001<br />
zur Harmonisierung bestimmter Aspekte<br />
<strong>de</strong>s Urheberrechts und <strong>de</strong>r verwandten<br />
Schutzrechte in <strong>de</strong>r Informationsgesellschaft(6)<br />
,<br />
– unter Hinweis auf seine Entschließung<br />
vom 9. März 1999 zur Lage und Rolle<br />
<strong>de</strong>r Künstler in <strong>de</strong>r Europäischen Union(7)<br />
,<br />
– unter Hinweis auf die Richtlinie<br />
2006/115/EG <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments<br />
und <strong>de</strong>s Rates vom 12. Dezem-<br />
ber 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht<br />
sowie zu bestimmten <strong>de</strong>m Urheberrecht<br />
verwandten Schutzrechten<br />
im Bereich <strong>de</strong>s geistigen Eigentums(8) ,<br />
– unter Hinweis auf die Richtlinie<br />
2006/116/EG <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments<br />
und <strong>de</strong>s Rates vom 12. Dezember<br />
2006 über die Schutzdauer <strong>de</strong>s Urheberrechts<br />
und bestimmter verwandter<br />
Schutzrechte(9) ,<br />
– in Kenntnis <strong>de</strong>s Urteils <strong>de</strong>s Gerichtshofs<br />
vom 30. März 2000 in <strong>de</strong>r Rechtssache<br />
C-178/97, Barry Banks u.a.(10) ,<br />
– in Kenntnis <strong>de</strong>s Urteils <strong>de</strong>s Gerichtshofs<br />
vom 15. Juni 2006 in <strong>de</strong>r Rechtssache<br />
C-255/04, Kommission /Frankreich(11)<br />
,<br />
– gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,<br />
– in Kenntnis <strong>de</strong>s Berichts <strong>de</strong>s Ausschusses<br />
für Kultur und Bildung (A6-<br />
0199/<strong>2007</strong>),<br />
A. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass die Kunst auch<br />
als eine Arbeit und als ein Beruf betrachtet<br />
wer<strong>de</strong>n kann,<br />
B. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass sowohl die<br />
oben genannten Urteile als auch die<br />
Richtlinie 96/71/EG spezifisch für die<br />
darstellen<strong>de</strong>n Künste gelten,<br />
C. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass man sich, um<br />
Kunst auf höchstem Niveau zu betreiben,<br />
von frühester Jugend an für die<br />
Welt <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste und <strong>de</strong>r<br />
Kultur interessieren und die Schlüssel<br />
für <strong>de</strong>n Zugang zu <strong>de</strong>n wichtigsten<br />
Werken unseres kulturellen Erbes besitzen<br />
muss,<br />
D. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass in mehreren<br />
Mitgliedstaaten Personen, die bestimmte<br />
künstlerische Berufe ausüben,<br />
keinen Rechtsstatus besitzen,<br />
E. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass Flexibilität und<br />
Mobilität im Rahmen <strong>de</strong>r Ausübung<br />
künstlerischer Berufe untrennbar miteinan<strong>de</strong>r<br />
verbun<strong>de</strong>n sind,<br />
F. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass kein Künstler<br />
zu keinem Zeitpunkt seiner beruflichen<br />
Laufbahn vollständig vor materieller<br />
Unsicherheit geschützt ist,<br />
G. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass als Ausgleich<br />
für die vom Zufall abhängige und<br />
manchmal ungewisse Natur <strong>de</strong>s Künstlerberufs<br />
die Garantie eines sicheren sozialen<br />
Schutzes erfor<strong>de</strong>rlich ist,<br />
H. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass es für einen<br />
Künstler in Europa auch heute noch<br />
praktisch unmöglich ist, seine berufliche<br />
Laufbahn neu auszurichten,<br />
I. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass <strong>de</strong>r Zugang<br />
von Künstlern zur Information über die<br />
für sie gelten<strong>de</strong>n Bedingungen in Bezug<br />
auf ihre Arbeit, Mobilität, Arbeitslosigkeit,<br />
Gesundheit und Rente erleichtert<br />
wer<strong>de</strong>n muss,<br />
J. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass die künstlerischen<br />
Anlagen, die natürliche Begabung<br />
und das Talent nur selten ausreichen,<br />
<strong>de</strong>n Weg zu einer professionellen<br />
Künstlerkarriere zu ebnen,<br />
K. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass die Lehr- und/<br />
o<strong>de</strong>r Qualifizierungsverträge für eine<br />
künstlerische Ausbildung, die an je<strong>de</strong><br />
Disziplin angepasst sind, noch nicht<br />
ausreichend entwickelt wur<strong>de</strong>n,<br />
L. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass berufliche Umschulungsmöglichkeiten<br />
für Künstler<br />
geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n müssen,<br />
M. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass die Freizügigkeit<br />
von Arbeitnehmern im Allgemeinen,<br />
einschließlich <strong>de</strong>r Künstler, aus<br />
<strong>de</strong>n neuen Mitgliedstaaten immer noch<br />
gewissen Einschränkungen aufgrund<br />
<strong>de</strong>r möglichen Übergangsregelungen,<br />
wie sie in <strong>de</strong>n Beitrittsakten vorgesehen<br />
sind, unterliegen,<br />
N. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass künstlerische<br />
Produktionen häufig Künstler aus Europa<br />
und aus Drittstaaten zusammenführen,<br />
<strong>de</strong>ren Mobilität durch die Schwierigkeit,<br />
mittelfristig Visa zu erhalten,<br />
häufig eingeschränkt wird,<br />
O. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass Aufenthalte<br />
von Künstlern in einem Mitgliedstaat<br />
meistens Kurzaufenthalte (weniger als 3<br />
Monate) sind,<br />
P. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass sämtliche dieser<br />
mit <strong>de</strong>r grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Mobilität<br />
- wichtigstes Merkmal <strong>de</strong>r Künstlerberufe<br />
- verknüpften Probleme, die<br />
Notwendigkeit <strong>de</strong>utlich wer<strong>de</strong>n lassen,<br />
konkrete Maßnahmen in diesem Bereich<br />
ins Auge zu fassen,<br />
Q. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass es vorrangig<br />
ist, künstlerische Amateur-Darbietungen<br />
von professionellen künstlerischen Darbietungen<br />
zu unterschei<strong>de</strong>n,<br />
R. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass die Aufnahme<br />
von Unterricht in verschie<strong>de</strong>nen Kunstsparten<br />
in die Lehrpläne <strong>de</strong>r Schulen<br />
<strong>de</strong>r Mitgliedstaaten auf wirksame Weise<br />
gewährleistet wer<strong>de</strong>n muss,<br />
S. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass das erwähnte<br />
UNESCO-Übereinkommen eine ausgezeichnete<br />
Grundlage darstellt, um<br />
die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Arbeit von professionellen<br />
Kunstschaffen<strong>de</strong>n anzuerkennen,<br />
T. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass die Richtlinie<br />
2001/29/EG von <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten,<br />
die sie noch nicht anwen<strong>de</strong>n, verlangt,<br />
dass sie zugunsten <strong>de</strong>r Urheber einen<br />
gerechten Ausgleich im Fall von Ausnahmen<br />
und Beschränkungen in Bezug<br />
auf das Vervielfältigungsrecht vorsehen<br />
(Reprografie, Privatkopie, …),<br />
U. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass die Richtlinie<br />
2006/115/EG die ausschließlichen<br />
Rechte, <strong>de</strong>ren Inhaber insbeson<strong>de</strong>re die<br />
ausüben<strong>de</strong>n Künstler sind, und <strong>de</strong>ren<br />
Rechte auf eine angemessene Vergütung<br />
festlegt, auf die nicht verzichtet<br />
wer<strong>de</strong>n kann,<br />
V. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass die Urheberrechte<br />
und die Persönlichkeitsrechte von<br />
Urhebern und ausüben<strong>de</strong>n Künstlern in<br />
dieser Hinsicht die Anerkennung ihrer<br />
schöpferischen Arbeit und ihres Beitrags<br />
zur Kultur allgemein darstellen,<br />
W. in <strong>de</strong>r Erwägung, das das künstlerische<br />
Schaffen an <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s<br />
80
kulturellen Erbes teilhat und auf Werken<br />
<strong>de</strong>r Vergangenheit basiert, <strong>de</strong>ren Erhaltung<br />
die Staaten gewährleisten, woraus<br />
es Inspiration und Stoff schöpft,<br />
Verbesserung <strong>de</strong>r Lage <strong>de</strong>r Künstler<br />
in Europa<br />
Das Vertragsverhältnis<br />
1. for<strong>de</strong>rt die Mitgliedstaaten auf, einen<br />
rechtlichen und institutionellen Rahmen<br />
zu entwickeln o<strong>de</strong>r umzusetzen, um das<br />
künstlerische Schaffen durch die Annahme<br />
o<strong>de</strong>r Anwendung eines Bün<strong>de</strong>ls kohärenter<br />
und umfassen<strong>de</strong>r Maßnahmen<br />
zu unterstützen, die das Vertragsverhältnis,<br />
die soziale Sicherheit, die Krankenversicherung,<br />
die direkte und indirekte<br />
Besteuerung und die Übereinstimmung<br />
mit <strong>de</strong>n europäischen Vorschriften beinhalten;<br />
2. betont, dass <strong>de</strong>r atypische Charakter<br />
<strong>de</strong>r Arbeitsmetho<strong>de</strong>n von Künstlern berücksichtigt<br />
wer<strong>de</strong>n muss;<br />
3. unterstreicht ferner, dass <strong>de</strong>r atypische<br />
und prekäre Charakter aller Bühnenberufe<br />
berücksichtigt wer<strong>de</strong>n muss;<br />
4. ermutigt die Mitgliedstaaten, die<br />
Einführung von Lehr- o<strong>de</strong>r Qualifizierungsverträgen<br />
für künstlerische Berufe<br />
voranzutreiben;<br />
5. schlägt daher <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten<br />
vor, die Anerkennung <strong>de</strong>r Berufserfahrung<br />
von Künstlern zu för<strong>de</strong>rn;<br />
Der Schutz <strong>de</strong>r Künstler<br />
6. for<strong>de</strong>rt die Kommission und die Mitgliedstaaten<br />
auf, nach Konsultation <strong>de</strong>r<br />
Künstlerbranche ein „Europäisches Berufsregister“<br />
in <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>s EUROPASS<br />
für Künstler einzurichten, in <strong>de</strong>m ihr<br />
Status, die Art und die jeweilige Dauer<br />
ihrer Verträge sowie Angaben über ihre<br />
Arbeitgeber o<strong>de</strong>r die Dienstleistungserbringer,<br />
die sie engagieren, aufgeführt<br />
wer<strong>de</strong>n könnten;<br />
7. ermutigt die Mitgliedstaaten, die<br />
Koordinierung und <strong>de</strong>n Austausch bewährter<br />
Verfahren und Informationen<br />
zu verbessern;<br />
8. for<strong>de</strong>rt die Kommission nachdrücklich<br />
auf, in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m<br />
betroffenen Sektor einen einheitlichen<br />
und verständlichen praktischen Leitfa<strong>de</strong>n<br />
für die europäischen Künstler wie<br />
auch für die betroffenen Verwaltungseinrichtungen<br />
auszuarbeiten, <strong>de</strong>r alle<br />
Bestimmungen in Bezug auf Krankenversicherung,<br />
Arbeitslosigkeit und Rente,<br />
die sowohl national als auch europaweit<br />
gelten, enthalten wür<strong>de</strong>;<br />
9. for<strong>de</strong>rt die Kommission und die Mitgliedstaaten<br />
auf, nach Maßgabe <strong>de</strong>r<br />
gelten<strong>de</strong>n bilateralen Abkommen die<br />
Möglichkeit von In<strong>iti</strong>ativen zu prüfen,<br />
um die Übertragung von Renten- und<br />
Sozialversicherungsansprüchen von<br />
Künstlern aus Drittlän<strong>de</strong>rn nach ihrer<br />
Rückkehr in ihr Land und die Berücksichtigung<br />
ihrer durch die Arbeit in<br />
einem Mitgliedstaat erworbenen Berufserfahrung<br />
zu gewährleisten;<br />
10. ermutigt die Kommission, ein Pilotprojekt<br />
aufzulegen, um die Einführung<br />
einer spezifisch für europäische Künstler<br />
bestimmten europäischen elektronischen<br />
Sozialversicherungskarte zu<br />
erproben;<br />
11. ist in <strong>de</strong>r Tat <strong>de</strong>r Auffassung, dass<br />
eine solche Karte, die somit sämtliche<br />
Informationen über <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n<br />
Künstler enthält, Abhilfe bei bestimmten<br />
berufsinhärenten Problemen schaffen<br />
könnte;<br />
12. betont die Notwendigkeit, die spezifische<br />
Mobilität <strong>de</strong>r Künstler von <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r Arbeitnehmer <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Union im Allgemeinen genau zu unterschei<strong>de</strong>n;<br />
13. for<strong>de</strong>rt diesbezüglich die Kommission<br />
auf, die Fortschritte, die in Bezug<br />
auf diese spezifische Mobilität erreicht<br />
wur<strong>de</strong>n, zusammenzufassen;<br />
14. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, die kulturellen<br />
Bereiche förmlich zu ermitteln,<br />
in <strong>de</strong>nen die Gefahr <strong>de</strong>s Verlusts von<br />
Kreativität und Talenten offenkundig<br />
ist, und for<strong>de</strong>rt die Mitgliedstaaten auf,<br />
durch Anreize ein günstiges Umfeld zu<br />
schaffen, so dass ihre Künstler in <strong>de</strong>n<br />
Mitgliedstaaten bleiben o<strong>de</strong>r dorthin<br />
zurückkehren;<br />
15. for<strong>de</strong>rt ferner die Mitgliedstaaten<br />
auf, <strong>de</strong>r gemeinschaftsweiten Anerkennung<br />
von Diplomen und an<strong>de</strong>ren<br />
Zeugnissen, die von sämtlichen europäischen<br />
und staatlichen Konservatorien<br />
und Kunstschulen sowie an<strong>de</strong>ren<br />
offiziellen Schulen <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n<br />
Künste für Künstler ausgestellt wer<strong>de</strong>n,<br />
beson<strong>de</strong>res Augenmerk zu widmen,<br />
um ihren Inhabern zu ermöglichen, im<br />
Einklang mit <strong>de</strong>m Bologna-Prozess in allen<br />
Mitgliedstaaten zu arbeiten und zu<br />
studieren; ermutigt in diesem Sinne die<br />
Mitgliedstaaten, künstlerische Regelstudiengänge<br />
zu för<strong>de</strong>rn, die eine gute<br />
persönliche und berufliche Ausbildung<br />
bieten, die es <strong>de</strong>n Studieren<strong>de</strong>n ermöglicht,<br />
ihr künstlerisches Talent zu entwickeln,<br />
ihnen jedoch auch allgemeine<br />
Fähigkeiten vermittelt, um in einem an<strong>de</strong>ren<br />
Berufsfeld bestehen zu können;<br />
betont ferner, wie wichtig es ist, europaweite<br />
In<strong>iti</strong>ativen vorzuschlagen, um<br />
die Anerkennung von Diplomen und<br />
an<strong>de</strong>ren Zeugnissen, die von nationalen<br />
Konservatorien und Schulen für Künstler<br />
aus Drittstaaten ausgestellt wer<strong>de</strong>n,<br />
zugunsten <strong>de</strong>r Mobilität von Künstlern<br />
in Richtung <strong>de</strong>r Mitgliedstaaten zu erleichtern;<br />
16. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, eine<br />
„Europäische Charta für das künstlerische<br />
Schaffen und die Bedingungen<br />
seiner Ausübung“ auf <strong>de</strong>r Grundlage<br />
einer In<strong>iti</strong>ative wie <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r UNESCO zu<br />
verabschie<strong>de</strong>n, um die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r<br />
Tätigkeiten von Angehörigen künstlerischer<br />
Berufe zu bekräftigen und die<br />
europäische Integration zu erleichtern;<br />
17. for<strong>de</strong>rt die Mitgliedstaaten auf, je<strong>de</strong><br />
Art von Einschränkung in Bezug auf <strong>de</strong>n<br />
Zugang zum Arbeitsmarkt für aktiv im<br />
künstlerischen Bereich tätige Personen<br />
aus <strong>de</strong>n neuen Mitgliedstaaten aufzuheben;<br />
18. for<strong>de</strong>rt die Mitgliedstaaten, die sie<br />
noch nicht anwen<strong>de</strong>n, auf, unter Einhaltung<br />
<strong>de</strong>r Richtlinie 92/100/EWG und<br />
<strong>de</strong>r Richtlinie 2001/29/EG tatsächlich<br />
für die Erhebung sämtlicher gerechter<br />
Ausgleichszahlungen für das Vervielfältigungsrecht<br />
und die angemessenen Entgelte,<br />
die <strong>de</strong>n Inhabern von Urheberrechten<br />
und verwandten Schutzrechten<br />
zustehen, wirksam zu sorgen;<br />
19. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, eine<br />
Studie aufzulegen, um die Maßnahmen<br />
<strong>de</strong>r Mitgliedstaaten zu untersuchen, damit<br />
<strong>de</strong>n Inhabern von Urheberrechten<br />
und verwandten Schutzrechten tatsächlich<br />
<strong>de</strong>r gerechte Ausgleich verschafft<br />
wird, <strong>de</strong>r ihnen als Gegenleistung für<br />
die von <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten gemäß<br />
<strong>de</strong>r Richtlinie 2001/29/EG erlassenen<br />
gesetzlichen Ausnahmeregelungen und<br />
als Ausgleich für die legale Nutzung ihrer<br />
von <strong>de</strong>r Richtlinie 2006/115/EG bestätigten<br />
Rechte zusteht;<br />
20. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, eine<br />
Studie aufzulegen, um die Maßnahmen<br />
<strong>de</strong>r Mitgliedstaaten zu untersuchen,<br />
damit ein Teil <strong>de</strong>r durch die Wahrnehmung<br />
<strong>de</strong>s Rechts auf einen gerechten<br />
Ausgleich, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Inhabern von Urheberrechten<br />
und verwandten Schutzrechten<br />
zusteht, erzielten Einnahmen<br />
für die Unterstützung <strong>de</strong>s Schaffens und<br />
<strong>de</strong>s sozialen und finanziellen Schutzes<br />
<strong>de</strong>r Künstler aufgewen<strong>de</strong>t wird, und um<br />
die Rechtsinstrumente und die Mittel<br />
zu analysieren, die eingesetzt wer<strong>de</strong>n<br />
könnten, um zu einer Finanzierung <strong>de</strong>s<br />
Schutzes <strong>de</strong>r leben<strong>de</strong>n europäischen<br />
Künstler beizutragen;<br />
21. hält es für wünschenswert, dass die<br />
Mitgliedstaaten die Möglichkeit prüfen,<br />
<strong>de</strong>n Künstlern zusätzlich zu <strong>de</strong>n bereits<br />
bestehen<strong>de</strong>n Hilfen eine Unterstützung<br />
zu gewähren, in<strong>de</strong>m sie beispielsweise<br />
eine Abgabe auf die kommerzielle Nutzung<br />
<strong>de</strong>r originellen Schöpfungen und<br />
ihrer rechtlich nicht geschützten Darstellungen<br />
ins Auge fassen;<br />
Die Visa-Pol<strong>iti</strong>k: Mobilität und Beschäftigung<br />
von Drittstaatsangehörigen<br />
22. betont die Notwendigkeit, die<br />
Schwierigkeiten, die bestimmte Künstler<br />
aus Europa und aus Drittstaaten haben,<br />
um ein Visum für die Ausstellung<br />
einer Arbeitserlaubnis zu bekommen,<br />
und die daraus folgen<strong>de</strong> Ungewissheit<br />
zu berücksichtigen;<br />
23. verweist auf die Tatsache, dass es<br />
Künstler mit kurzfristigen Arbeitsverträgen<br />
schwer haben, die Bedingungen für<br />
Anhang<br />
81
„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
die Ausstellung von Visa und Arbeitserlaubnissen<br />
zu erfüllen;<br />
24. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, sich<br />
Gedanken über die <strong>de</strong>rze<strong>iti</strong>gen Visaund<br />
Arbeitserlaubnisvergabesysteme<br />
für Künstler zu machen sowie eine Gemeinschaftsregelung<br />
in diesem Bereich<br />
auszuarbeiten, die zur Einführung eines<br />
speziell für Künstler aus Europa und aus<br />
Drittstaaten gelten<strong>de</strong>n befristeten Visums<br />
führen könnte, wie dies in einigen<br />
Mitgliedstaaten bereits besteht;<br />
Lebenslange Weiterbildung und Umschulung<br />
25. for<strong>de</strong>rt die Mitgliedstaaten auf,<br />
spezialisierte Weiterbildungs- und Lehrstrukturen<br />
für die Kulturschaffen<strong>de</strong>n<br />
einzurichten, um eine echte Beschäftigungspol<strong>iti</strong>k<br />
in diesem Bereich zu entwickeln;<br />
26. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, alle<br />
bereits vorhan<strong>de</strong>nen Forschungen und<br />
Veröffentlichungen zusammenzutragen<br />
und in Form einer Studie zu bewerten,<br />
wie in <strong>de</strong>r Europäischen Union für<br />
künstlerische Berufe typische Berufskrankheiten<br />
wie Arthrose <strong>de</strong>rzeit berücksichtigt<br />
wer<strong>de</strong>n;<br />
27. erinnert daran, dass alle Künstler ihre<br />
Tätigkeit ständig ausüben, und sich dies<br />
e nicht auf die Zeiten <strong>de</strong>r künstlerischen<br />
Darbietungen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bühnendarbietungen<br />
beschränkt;<br />
28. erinnert in diesem Zusammenhang<br />
daran, dass die Probezeiten in vollem<br />
Umfang tatsächliche Arbeitszeit darstellen<br />
und dass alle diese Zeiträume in <strong>de</strong>r<br />
Karriereplanung sowohl während <strong>de</strong>r<br />
Zeiten von Arbeitslosigkeit als auch für<br />
die Rente unbedingt angerechnet wer<strong>de</strong>n<br />
müssen;<br />
29. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, das<br />
tatsächliche Ausmaß <strong>de</strong>r europäischen<br />
Zusammenarbeit und <strong>de</strong>s Austauschs<br />
im Bereich <strong>de</strong>s professionellen Erlernens<br />
<strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste zu bewerten<br />
und diese Aspekte im Rahmen<br />
<strong>de</strong>r Programme für lebenslanges Lernen<br />
und Kultur <strong>2007</strong> sowie im Rahmen <strong>de</strong>s<br />
Europäischen Jahres für Erziehung und<br />
Kultur 2009 zu för<strong>de</strong>rn;<br />
Auf <strong>de</strong>m Weg zu einer Neuorientierung<br />
<strong>de</strong>r Amateurdarbietungen<br />
30. beharrt auf <strong>de</strong>r Notwendigkeit,<br />
alle künstlerischen und kulturellen Aktivitäten<br />
zu unterstützen, die insbeson<strong>de</strong>re<br />
zugunsten eines gesellschaftlich<br />
benachteiligten Publikums dargeboten<br />
wer<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>ssen Integration zu verbessern;<br />
31. betont die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s künstlerischen<br />
Amateurwesens als wichtiges<br />
Element <strong>de</strong>s Integrationsvermögens<br />
lokaler Gemeinschaften und für die Entwicklung<br />
einer Bürgergesellschaft;<br />
32. legt beson<strong>de</strong>ren Nachdruck auf die<br />
Tatsache, dass Künstler ohne beson<strong>de</strong>re<br />
formelle Ausbildung, die sich Hoffnungen<br />
auf eine professionelle Künstlerkarriere<br />
machen, über bestimmte<br />
Berufsaspekte gut informiert wer<strong>de</strong>n<br />
müssen;<br />
33. for<strong>de</strong>rt in dieser Hinsicht die Mitgliedstaaten<br />
auf, das Amateurwesen in<br />
ständigem Kontakt zu professionellen<br />
Künstlern zu ermutigen und zu för<strong>de</strong>rn;<br />
Die künstlerische und kulturelle<br />
Ausbildung von frühester Jugend an<br />
gewährleisten<br />
34. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, eine<br />
Studie über die künstlerische Ausbildung<br />
in <strong>de</strong>r Europäischen Union (ihre<br />
Inhalte, die Ausbildungsart – ob geregelt<br />
o<strong>de</strong>r nicht –, die Ergebnisse und die<br />
beruflichen Möglichkeiten) auszuarbeiten<br />
und ihm <strong>de</strong>ren Ergebnisse innerhalb<br />
von zwei Jahren zu übermitteln;<br />
35. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, die Mobilität<br />
<strong>de</strong>r europäischen Studieren<strong>de</strong>n<br />
künstlerischer Fächer durch <strong>de</strong>n Ausbau<br />
von Austauschprogrammen zwischen<br />
Studieren<strong>de</strong>n nationaler Konservatorien<br />
und Schulen für Künstler sowohl in Europa<br />
als auch außerhalb zu ermutigen<br />
und zu begünstigen;<br />
36. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, die Finanzierung<br />
von Pilotmaßnahmen und<br />
-projekten vorzusehen, die es insbeson<strong>de</strong>re<br />
ermöglichen, geeignete Mo<strong>de</strong>lle<br />
<strong>de</strong>r künstlerischen Ausbildung an <strong>de</strong>n<br />
Schulen durch die Einführung eines europäischen<br />
Systems für <strong>de</strong>n Austausch<br />
von Informationen und Erfahrungen<br />
speziell für die mit <strong>de</strong>m Unterricht in<br />
verschie<strong>de</strong>nen Kunstsparten betrauten<br />
Lehrkräfte festzulegen;<br />
37. empfiehlt <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten, die<br />
Ausbildung <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Kunsterziehung<br />
betrauten Lehrkräfte zu verbessern;<br />
38. for<strong>de</strong>rt die Kommission und die Mitgliedstaaten<br />
auf, die Einrichtung eines<br />
Fonds für europäische Mobilität nach<br />
<strong>de</strong>m Beispiel von Erasmus zu untersuchen,<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Austausch von Lehrkräften<br />
und jungen Künstlern dient; erinnert<br />
diesbezüglich an seine For<strong>de</strong>rung nach<br />
einer Aufstockung <strong>de</strong>r europäischen<br />
Haushaltsmittel für Kultur;<br />
39. for<strong>de</strong>rt die Kommission und die Mitgliedstaaten<br />
auf, eine Informationskampagne<br />
aufzulegen, die eine Qualitätsgarantie<br />
für die Kunsterziehung bieten<br />
soll;<br />
40. beauftragt seinen Präsi<strong>de</strong>nten, diese<br />
Entschließung <strong>de</strong>m Rat und <strong>de</strong>r Kommission<br />
sowie <strong>de</strong>n Parlamenten und<br />
Regierungen <strong>de</strong>r Mitgliedstaaten zu<br />
übermitteln.<br />
Quelle: www.europarl.europa.eu<br />
82
Sonntag, 24. Juni<br />
Veranstaltungsort:<br />
Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste (Hanseatenweg 10, Berlin)<br />
19:00<br />
Studio, Kleines Parkett<br />
Begrüßung: Michael Freundt (Internationales Theaterinstitut),<br />
Günter Jeschonnek (Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste)<br />
Erstes Kennen lernen, Aktualisierungen im Programm <strong>de</strong>s Symposiums,<br />
Strategie<br />
21:00 - 22:00 Studio (Parallelveranstaltung)<br />
Aktuelle För<strong>de</strong>rten<strong>de</strong>nzen in <strong>de</strong>r Schweiz – Verstärkte Diffusion als<br />
Chance für Internationale Kooperationen?<br />
Philippe Bischof (Dramaturg und Regisseur, Genf)<br />
21:00 - 22:00 Clubraum (Parallelveranstaltung)<br />
Erfahrungen und Ergebnisse <strong>de</strong>s Programms „Bipolar – <strong>de</strong>utschungarische<br />
Kulturprojekte“ und Perspektiven für das Programm<br />
<strong>de</strong>utsch-tschechischer Kulturprojekte <strong>de</strong>r Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<br />
Flóra Tálasi (Projektmanagerin)<br />
Montag, 25. Juni<br />
Veranstaltungsort:<br />
Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste (Hanseatenweg 10, Berlin)<br />
09:00<br />
Ankunft, Registrierung, Kaffee<br />
09:30 - 09:45<br />
Begrüßung:<br />
Dr. Thomas Engel (Direktor ITI Deutschland), Nele Hertling (Vize-<br />
Präsi<strong>de</strong>ntin Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste), Günter Jeschonnek (Geschäftsführer<br />
Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste)<br />
09:45 – 10:00<br />
Keynote 1:<br />
Gottfried Wagner (Direktor European Cultural Foundation, Amsterdam):<br />
„Go Europe!“<br />
10:00 – 11:30<br />
Panel 1:<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k in Europa / Europäische Einigung, Creative Industries<br />
und das Potenzial <strong>de</strong>r Künstler: Hoch gelobt und gut geför<strong>de</strong>rt?<br />
Frithjof Berger (Referatsleiter „Internationale Zusammenarbeit im<br />
Kulturbereich“ beim Beauftragten <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung für Kultur<br />
und Medien), Ruth Hieronymi (Mitglied <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments),<br />
Nele Hertling (Vize-Präsi<strong>de</strong>ntin Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste,<br />
Mit-In<strong>iti</strong>atorin <strong>de</strong>r Berliner Konferenz „Europa eine Seele geben“),<br />
Steffen Reiche (Mitglied <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stages, Mitglied <strong>de</strong>s Kulturausschusses),<br />
Dr. Nobert Sievers (Geschäftsführer Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />
Gesellschaft / Kongress „kultur.macht.europa“), Xavier Troussard<br />
(Generaldirektion Kultur und Bildung, Brüssel)<br />
Mo<strong>de</strong>ration: Prof. Dr. Wolfgang Schnei<strong>de</strong>r (Direktor <strong>de</strong>s Instituts für<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k, Universität Hil<strong>de</strong>sheim)<br />
11:30 – 12:30<br />
Statements: Künstler in Europa – die Kreativen sind <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k voraus<br />
Rolf Dennemann (Regisseur, Dortmund), Thomas Lehmen (Choreograf,<br />
Berlin), Matthias Lilienthal (Intendant HAU), Jonathan Mack<br />
(Projektkoordinator), Janek Müller (Künstlerischer Leiter Theaterhaus<br />
Weimar), Jochen Sandig (Sasha Waltz & Guests, Berlin)<br />
12:30 – 12:45<br />
Zwischenbemerkung:<br />
Walter Heun (Joint Adventures, München): „Visionen entwickeln,<br />
strategisch han<strong>de</strong>ln, pol<strong>iti</strong>sch einmischen“<br />
12:45 – 13:45<br />
Mittagessen<br />
13:45 – 14:00<br />
Keynote 2:<br />
Kirsten Haß (Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s): „Projekte für Europa“<br />
14:00-15:00<br />
Panel 2:<br />
För<strong>de</strong>rer, Projektin<strong>iti</strong>atoren und Netzwerke – Wer setzt die <strong>Impuls</strong>e?<br />
Martin Berg (Abt. Tanz/ Theater Goethe-Institut), Mary Ann DeVlieg<br />
(International Network for Contemporary Performing Arts – IETM,<br />
Brüssel), Bertram Müller (tanzhaus nrw), Georg Schwarz (Allianz<br />
Kulturstiftung), Flóra Tálasi („Bipolar“ – Projekt <strong>de</strong>r Kulturstiftung<br />
<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s) Mo<strong>de</strong>ration: Bettina Milz (Dramaturgin, Stuttgart)<br />
15:00 – 17:00 Studio (Parallelveranstaltung)<br />
Mit Übersetzung Deutsch-Englisch / Englisch-Deutsch<br />
Mo<strong>de</strong>ration: Kathrin Tie<strong>de</strong>mann<br />
15:00<br />
Best Practice künstlerischer Kooperation: Zoltán Imely (Kulturberater,<br />
Budapest), Petra Roggel (Kaaitheater Brüssel)<br />
15:40<br />
Rechtliche Probleme und Hin<strong>de</strong>rnisse internationaler Zusammenarbeit:<br />
Rolf Bolwin (PEARLE*), Judith Staines (On-the-move Association)<br />
16:20<br />
EU-För<strong>de</strong>rung: Culture <strong>2007</strong> und darüber hinaus – Interreg,<br />
EFRE: Sabine Bornemann (CCP Deutschland), Pascal Brunet (Relais<br />
Culture Europe)<br />
15:00 – 17:00 Club (Parallelveranstaltung)<br />
In Englischer Sprache<br />
Mo<strong>de</strong>ration: Michael Freundt<br />
15:00<br />
Datenbanken und Informationsressourcen: Dries Moreels (ENICPA),<br />
Katherine Watson (LabforCulture.org), Andrea Zagorski (playservice.net)<br />
15:40<br />
Nationaler Support für Internationale Projekte: Henk Scholten<br />
(Theaterinstitut Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>), Riitta Seppälä (Theatre Info Centre<br />
Finland), Caroline Williams (Irish Theatre Institute)<br />
16:20<br />
Netzwerke und kulturpol<strong>iti</strong>sche Plattformen: Mary-Ann DeVlieg<br />
(IETM), Dr. Thomas Engel (ITI), Daphne Tepper (European Forum<br />
for the Arts and Heritage, Brüssel), Gottfried Wagner (ECF)<br />
17:00 – 17:30<br />
Kaffeepause<br />
17:30 – 18:15<br />
Panel 3:<br />
Kreative I<strong>de</strong>en, kulturpol<strong>iti</strong>sche Strategien – neue <strong>Impuls</strong>e für<br />
Künstler und Netzwerke<br />
Dieter Buroch (Mousonturm Frankfurt/Main), Nele Hertling (Aka<strong>de</strong>mie<br />
<strong>de</strong>r Künste), Ralf R. Ollertz (Cie. Toula Limnaios), Prof. Hanns-Dietrich<br />
Schmidt (Essen 2010), Dieter Welke (Regisseur, Frankfurt/Main)<br />
Mo<strong>de</strong>ration: Michael Freundt<br />
18:15 – 19:45<br />
Panel 4:<br />
Hin<strong>de</strong>rnisse abbauen, För<strong>de</strong>rung ausbauen – Anfor<strong>de</strong>rungen an<br />
die Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
Hans Heinrich Bethge (Berichterstatter <strong>de</strong>s Kulturausschusses <strong>de</strong>r<br />
KMK), Rolf Bolwin (PEARLE*, Dt. Bühnenverein), Cord Meier-Klodt<br />
(Auswärtiges Amt, Referatsleiter „Grundsatzfragen Kultur“), Dr. Gerhard<br />
Sabathil (Leiter <strong>de</strong>r Vertretung EU-Kommission in Deutschland),<br />
Daphne Tepper (European Forum for the Arts and Heritage, Brüssel)<br />
Offene Diskussion zu bei<strong>de</strong>n Panels<br />
Mo<strong>de</strong>ration: Walter Heun (Joint Adventures, München)<br />
19:45 – 20:00<br />
Fazit und Ausblick: Dr. Thomas Engel (ITI), Günter Jeschonnek<br />
(Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste)<br />
20:00<br />
Aben<strong>de</strong>ssen<br />
83
Impressum<br />
Team Symposium: Michael Freundt, Ljubinka Petrovic-Ziemer, Sabrina Apitz, Tina Hoffmann (ITI-Deutschland)<br />
Günter Jeschonnek, Dr. Amina Tall, Heike Bagusch (Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste)<br />
Zentrum Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland <strong>de</strong>s Internationalen Theaterinstituts e.V.<br />
Präsi<strong>de</strong>nt: Dr. Manfred Beilharz Herausgeber: Dr. Thomas Engel<br />
Redaktion: Michael Freundt Mitarbeit: Tina Hoffmann, Sabrina Apitz<br />
Fotos: Sabrina Apitz, Marcus Lieberenz, Karsten Nessler,<br />
Redaktionsschluss: 21. November <strong>2007</strong><br />
Internationales Theaterinstitut<br />
PF 41 11 28, 12121 Berlin<br />
Schloßstr. 48, 12165 Berlin<br />
Tel. +49 (0)30 791 17 77<br />
Fax +49 (0)30 791 18 74<br />
info@<strong>iti</strong>-<strong>germany</strong>.<strong>de</strong><br />
www.<strong>iti</strong>-<strong>germany</strong>.<strong>de</strong><br />
Satz: Albrecht Grüß<br />
Druck: Tastomat Druck GmbH<br />
Geför<strong>de</strong>rt durch<br />
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