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<strong>Impuls</strong> <strong>2007</strong><br />

Darstellen<strong>de</strong> Künste in Europa –<br />

Kreatives Potential und Pol<strong>iti</strong>scher Dialog<br />

Dokumentation <strong>de</strong>s Symposiums<br />

„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Berlin 24. / 25. Juni <strong>2007</strong><br />

veranstaltet durch<br />

das Internationale Theaterinstitut (ITI)<br />

und <strong>de</strong>n Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste in Kooperation<br />

mit <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste<br />

Internationales Theaterinstitut Zentrum Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland


Einführung<br />

Die Ergebnisse <strong>de</strong>s Symposiums<br />

Zum Aufbau dieser Dokumentation<br />

Die Hauptthemen <strong>de</strong>r Debatte: Künstlernetzwerke, Kultur- und Kunstför<strong>de</strong>rung, Mobilität, die soziale Lage<br />

<strong>de</strong>r Künstler, Kulturwirtschaft, Dialog mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k, Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>ken<br />

2<br />

Grußworte von Nele Hertling (Vizepräsi<strong>de</strong>ntin Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste), Dr. Thomas Engel (Direktor ITI Deutschland)<br />

und Günter Jeschonnek (Geschäftsführer Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste)<br />

Keynote Gottfried Wagner (Direktor European Culture Foundation, Amsterdam): “Go Europe!”<br />

Teil I – Das Kreative Potential: Künstler, För<strong>de</strong>rer, Netzwerke<br />

Statements „Die Künstler sind <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k voraus“<br />

Matthias Lilienthal (Hebbel-am-Ufer, Berlin), Jonathan Mack (Festivalleiter, Friedrichshafen), Rolf Dennemann<br />

(Regisseur, Dortmund), Thomas Lehmen (Choreograf, Berlin), Janek Müller (Theaterhaus Weimar), Jochen<br />

Sandig (Sasha Waltz & Guests, Berlin)<br />

Anmerkungen Walter Heun (JointAdventures, München)<br />

Keynote Kirsten Haß (Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s) „Projekte für Europa“<br />

Panel: „För<strong>de</strong>rer, Projektin<strong>iti</strong>atoren und Netzwerke – Wer setzt die <strong>Impuls</strong>e?“<br />

Mary Ann DeVlieg (International Network for Contemporary Performing Arts – IETM, Brüssel), Martin Berg<br />

(Abt. Tanz/ Theater Goethe-Institut), Georg Schwarz (Allianz Kulturstiftung), Bertram Müller (tanzhaus nrw)<br />

Flóra Tálasi (Projekt „Bipolar“ <strong>de</strong>r Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s)<br />

Mo<strong>de</strong>ration: Bettina Milz (Dramaturgin, Stuttgart)<br />

Panel: „Kreative I<strong>de</strong>en, kulturpol<strong>iti</strong>sche Strategien – neue <strong>Impuls</strong>e für Künstler und Netzwerke“<br />

Prof. Hanns-Dietrich Schmidt (Essen 2010), Nele Hertling (Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste), Ralf Ollertz (Cie. Toula<br />

Limnaios), Dieter Buroch (Mousonturm Frankfurt/ Main), Dieter Welke (Regisseur, Frankfurt/ Main)<br />

Mo<strong>de</strong>ration: Michael Freundt<br />

12<br />

25<br />

33<br />

Teil II – Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />

Panel: „Kulturpol<strong>iti</strong>k in Europa / Europäische Einigung, Creative Industries und das Potential <strong>de</strong>r Künstler: hoch<br />

gelobt – und gut geför<strong>de</strong>rt?“<br />

Nele Hertling (Vize-Präsi<strong>de</strong>ntin Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste, In<strong>iti</strong>atorin „Europa eine Seele geben“), Dr. Norbert<br />

Sievers (Geschäftsführer Kulturpol<strong>iti</strong>sche Gesellschaft / Kongress „kultur.macht.europa“), Ruth Hieronymi<br />

(MdEP), Xavier Troussard (Generaldirektion Kultur und Bildung, Brüssel), Frithjof Berger (BKM, Referat Internationale<br />

Zusammenarbeit im Kulturbereich), Steffen Reiche (MdB, Mitglied <strong>de</strong>s Kulturausschusses)<br />

Mo<strong>de</strong>ration: Prof. Dr. Wolfgang Schnei<strong>de</strong>r (Direktor <strong>de</strong>s Instituts für Kulturpol<strong>iti</strong>k, Universität Hil<strong>de</strong>sheim)<br />

Panel: „Hin<strong>de</strong>rnisse abbauen, För<strong>de</strong>rung ausbauen - Anfor<strong>de</strong>rungen an die Kulturpol<strong>iti</strong>k“<br />

Daphne Tepper (European Forum for the Arts and Heritage, Brüssel), Rolf Bolwin (Direktor Deutscher Bühnenverein),<br />

Cord Meier-Klodt (Auswärtiges Amt, Referat Grundsatzfragen Kultur), Hans Heinrich Bethge (Berichterstatter<br />

<strong>de</strong>s Kulturausschusses <strong>de</strong>r KMK), Dr. Gerhard Sabathil (Leiter <strong>de</strong>r Vertretung <strong>de</strong>r EU-Kommission in<br />

Deutschland), Mo<strong>de</strong>ration: Walter Heun (Joint Adventures, München)<br />

40<br />

49<br />

Fazit <strong>de</strong>s Symposiums<br />

Dr. Thomas Engel, Günter Jeschonnek<br />

Teil III – Die In<strong>iti</strong>ativen<br />

Aktuelle Entwicklungen bei <strong>de</strong>n Hauptthemen<br />

Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>ken – kultur.macht.europa und die Berliner Konferenz<br />

Kultur- und Kunstför<strong>de</strong>rung – Aktueller Stand KULTUR <strong>2007</strong>-2013<br />

Soziale Lage <strong>de</strong>r Künstler – Studie und Symposium 2009, internationale Vernetzung im ITI<br />

Mobilität – ein neuer Fonds zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Mobilität von Künstlern in Europa<br />

Kulturwirtschaft – pol<strong>iti</strong>sche In<strong>iti</strong>ativen und Implikationen für die Künstler<br />

Künstler- und kulturpol<strong>iti</strong>sche Netzwerke<br />

Dialog mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k – Präsentation <strong>de</strong>r Ergebnisse <strong>de</strong>s Symposiums, In<strong>iti</strong>ative von IETM und EFAH zur Unterstützung<br />

<strong>de</strong>r Mitteilung <strong>de</strong>r Kommission über eine Europäische Kulturagenda<br />

61<br />

63<br />

Anhang<br />

Glossar – 55 Begriffe zu Kultur und Pol<strong>iti</strong>k in Europa<br />

Originaltext Mitteilung <strong>de</strong>r Kommission über eine Europäische Kulturagenda im Zeichen <strong>de</strong>r Globalisierung<br />

Originaltext Europäisches Parlament – Entwurf eines Berichts über die Soziale Lage <strong>de</strong>r Künstler<br />

Programm <strong>de</strong>s Symposiums „Europäisch kooperieren und produzieren“ am 24./25.06.<strong>2007</strong><br />

67<br />

U3


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Ergebnisse <strong>de</strong>s Symposiums<br />

Am Symposium „Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

vom 24./25. Juni <strong>2007</strong> beteiligten sich fast<br />

250 Akteure aus allen Bereichen <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n<br />

Künste sowie Vertreter von Netzwerken, Kulturinstitution<br />

und <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k aus ganz Europa. Erstmalig bezog<br />

sich eine kulturpol<strong>iti</strong>sche Konferenz direkt auf das Agieren<br />

<strong>de</strong>r Künstler in <strong>de</strong>r europäischen Kulturlandschaft.<br />

Ausgangspunkt <strong>de</strong>r Diskussionen war das kreative<br />

Potential <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste in Europa – die Vielfalt<br />

international vernetzter Produktionen, die Chancen<br />

von Kooperationen und Netzwerken, <strong>de</strong>r Dialog mit<br />

För<strong>de</strong>rern und die Grenzen <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rinstrumente.<br />

Europa wird durch die Kunst und Kultur erlebbar. Die<br />

Künstler bil<strong>de</strong>n ein enormes Potential für Europas Entwicklungschance<br />

Nr. 1 –Kreativität und kulturelle Vielfalt.<br />

Begonnen wur<strong>de</strong> die pol<strong>iti</strong>sche Debatte <strong>de</strong>r Akteure<br />

mit <strong>de</strong>n Vertretern aller pol<strong>iti</strong>schen Ebenen – <strong>de</strong>r Legislative<br />

und Administrative auf Län<strong>de</strong>r-, Bun<strong>de</strong>s- und<br />

EU-Ebene.<br />

Dabei wur<strong>de</strong>n die kulturpol<strong>iti</strong>schen Debatten <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschen EU-Ratspräsi<strong>de</strong>ntschaft auf ihre konkrete Be<strong>de</strong>utung<br />

für die künstlerischen Produktionen in Europa<br />

befragt und die Kluft zwischen <strong>de</strong>r pol<strong>iti</strong>schen Würdigung<br />

<strong>de</strong>r Kultur als „Motor in Europa“ und <strong>de</strong>r Realität<br />

ungenügen<strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung und unzureichen<strong>de</strong>r kulturpol<strong>iti</strong>scher<br />

Rahmenbedingungen vermessen.<br />

For<strong>de</strong>rungen, Diskussionspunkte und<br />

Handlungsempfehlungen<br />

Sieben Themenfel<strong>de</strong>r markieren die Debatten innerhalb<br />

<strong>de</strong>s Symposiums. In diesen Bereichen wer<strong>de</strong>n die<br />

For<strong>de</strong>rungen, Diskussionspunkte und Handlungsempfehlungen<br />

zusammengefasst:<br />

Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

Die Teilnehmer begrüßten die „Mitteilung über eine<br />

europäische Kulturagenda im Zeichen <strong>de</strong>r Globalisierung“<br />

<strong>de</strong>r EU-Kommission und wollen diese aktiv unterstützen.<br />

Gefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n eine aktivere Kommunikation<br />

und Kooperation zwischen <strong>de</strong>n pol<strong>iti</strong>schen Ebenen <strong>de</strong>r<br />

Mitgliedsstaaten und <strong>de</strong>r EU sowie die Entwicklung einer<br />

expliziten Kulturpol<strong>iti</strong>k auf europäischer Ebene. Die<br />

vorgeschlagene Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r offenen Koordinierung<br />

wird als Weg <strong>de</strong>r Kommunikation und Koordination<br />

unterstützt.<br />

Für die Entwicklung <strong>de</strong>r europäischen I<strong>de</strong>e, für Vielfalt<br />

<strong>de</strong>r europäischen Kultur und für das kreative Potential<br />

<strong>de</strong>s Kontinent als originäres Entwicklungspotential<br />

muss es Ziel sein, Kulturpol<strong>iti</strong>k in Europa als eine in allen<br />

Pol<strong>iti</strong>kfel<strong>de</strong>rn wirken<strong>de</strong> pol<strong>iti</strong>sche Kultur zu entwickeln.<br />

Im Zeichen <strong>de</strong>r Globalisierung wird die Vielfalt <strong>de</strong>r Kulturen<br />

zum unverzichtbaren Gegengewicht zur Dominanz<br />

<strong>de</strong>s Marktes.<br />

Deutschland muss zum Vorreiter <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>k in<br />

Europa wer<strong>de</strong>n. Die Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r sollten ihre Zurückhaltung<br />

gegenüber <strong>de</strong>n Vorschlägen <strong>de</strong>r EU-Kommission<br />

aufgeben und sich aktiv und konstruktiv in <strong>de</strong>n<br />

Dialog begeben. Die beson<strong>de</strong>re fö<strong>de</strong>rale Struktur in<br />

Deutschland darf kein Hemmnis für die Stärkung europäischer<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k sein. Europa muss sichtbarer<br />

auch Teil <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>k <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r und Kommunen<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Wirtschaftliche und soziale Lage <strong>de</strong>r Künstler<br />

Wenn Kunst und Kultur als Motoren <strong>de</strong>s europäischen<br />

Einigungsprozesses erkannt wer<strong>de</strong>n, dann muss die<br />

wirtschaftliche und soziale Lage <strong>de</strong>r Akteure entsprechend<br />

gestärkt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Teilnehmer unterstützen die Entschließung <strong>de</strong>s<br />

Europäischen Parlaments zum Sozialstatut <strong>de</strong>r Künstlerinnen<br />

und Künstler.<br />

Gefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n:<br />

• die Anerkennung <strong>de</strong>s beson<strong>de</strong>ren sozialen Status <strong>de</strong>r<br />

Künstler<br />

• grenzübergreifen<strong>de</strong> Anpassung <strong>de</strong>r Sozial- und Rentenversicherungssysteme<br />

an die hoch mobilen, temporären,<br />

Aufenthaltsorte und Vertragsverhältnisse wechseln<strong>de</strong>n<br />

Arbeitszusammenhänge von Künstlern<br />

• Übertragbarkeit und Anschlusssicherung von Beiträgen,<br />

Ansprüchen und Leistungen<br />

• grenzübergreifen<strong>de</strong> Anpassung <strong>de</strong>r Steuersysteme,<br />

Abschaffung von Son<strong>de</strong>rsteuern und Doppelbesteuerung<br />

Wenn die beson<strong>de</strong>re Rolle <strong>de</strong>r Künstler im Prozess <strong>de</strong>r<br />

europäischen Einigung und für die Entwicklung <strong>de</strong>s<br />

kreativen Potentials anerkannt wird, dann sind Son<strong>de</strong>rregelungen<br />

für Künstler kein Tabu in <strong>de</strong>r pol<strong>iti</strong>schen<br />

Debatte, son<strong>de</strong>rn ein notwendiger Schritt zur Lösung<br />

<strong>de</strong>r Fragen.<br />

Kultur und Kunstför<strong>de</strong>rung<br />

Budgeterhöhung<br />

Wenn Kunst und Kultur als Motoren <strong>de</strong>r europäischen<br />

Einigung anerkannt wer<strong>de</strong>n, dann müssen die<br />

Akteure und ihre Produktionen signifikant geför<strong>de</strong>rt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Min<strong>de</strong>stens 1% <strong>de</strong>s europäischen Haushalts sollte<br />

für Kulturfragen zur Verfügung gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

Zur För<strong>de</strong>rung internationaler Zusammenarbeit<br />

müssen die Budgets <strong>de</strong>r Kulturinstitute (in Deutschland:<br />

Goethe-Institut), Mittlerorganisationen und Netzwerke<br />

gestärkt wer<strong>de</strong>n.<br />

Bürokratieabbau (im Wesentlichen mit Bezug auf die<br />

EU-För<strong>de</strong>rprogramme)<br />

• Antragsverfahren wesentlich vereinfachen<br />

• Entscheidungsverfahren transparenter gestalten<br />

• in Entwicklung und Realisierung <strong>de</strong>r Programme<br />

Künstler einbeziehen<br />

Symbolisch wur<strong>de</strong> ein europäischer Preis für Kreativität<br />

im Verwaltungshan<strong>de</strong>ln angeregt.


Durchlässigkeit und Komplementarität von Fonds<br />

und För<strong>de</strong>rstrukturen<br />

Gefor<strong>de</strong>rt wird:<br />

• auf allen Ebenen komplementäre und flexible Fonds<br />

für Kooperationen in Europa aufzubauen,<br />

• regionale Fonds und Entscheidungsgremien stärken<br />

• dabei auch das System <strong>de</strong>r Subsidiarität zu befragen,<br />

• generell die Informationslage über För<strong>de</strong>rprogramme<br />

zu verbessern,<br />

• langfristige Projekte durch verschie<strong>de</strong>ne Teilför<strong>de</strong>rungen<br />

aufbauend zu för<strong>de</strong>rn (Recherche, Konzeptionsphase,<br />

Projektentwicklung),<br />

• mehr Projekte mit Jugendlichen und Migranten unter<br />

professioneller künstlerischer Anleitung zu ermöglichen,<br />

• die europäischen Strukturfonds auch für Projekte aus<br />

<strong>de</strong>m Kulturbereich leichter zugänglich zu machen.<br />

Kommunikation zwischen Künstlern, För<strong>de</strong>rern und<br />

Pol<strong>iti</strong>k<br />

Gefor<strong>de</strong>rt wird in diesem Bereich:<br />

• hohe Transparenz <strong>de</strong>s Dialogs, generell besserer Austausch<br />

– wobei auch Künstler und Netzwerke in <strong>de</strong>r<br />

Pflicht sind, eigenin<strong>iti</strong>ativ zu wer<strong>de</strong>n.<br />

• Nähe <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung: För<strong>de</strong>rer sollten mit <strong>de</strong>n künstlerischen<br />

Prozessen und <strong>de</strong>n konkreten Bedürfnissen<br />

<strong>de</strong>r Akteure besser vertraut sein (Bildung von kreativen<br />

Pools).<br />

• Flexibilität: För<strong>de</strong>rung sollte auf künstlerische Entwicklung<br />

und Verän<strong>de</strong>rungen bei Projekten reagieren<br />

können.<br />

Thematische För<strong>de</strong>rschwerpunkte vs.<br />

Freie För<strong>de</strong>rung<br />

Vielfach sprachen sich die Akteure gegen eine Orientierung<br />

ihrer künstlerischen Produktion an För<strong>de</strong>rprogrammen,<br />

För<strong>de</strong>rkriterien und formal vorausgesetzten<br />

Kooperationsbedingungen aus. Kunst muss hier ihre<br />

Eigenständigkeit behaupten.<br />

Themen und Profile wer<strong>de</strong>n zwar als Herausfor<strong>de</strong>rung<br />

und Anregung begriffen – auch diese sollten jedoch<br />

im Dialog mit Künstlern entwickelt wer<strong>de</strong>n.<br />

Projektför<strong>de</strong>rung versus Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />

Elementare For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Teilnehmer <strong>de</strong>s Symposiums<br />

war die Schaffung von Produktionsstrukturen für<br />

die Theaterarbeit als Basis für Koproduktionen und Ausgangspunkt<br />

für Mobilität.<br />

Vorgeschlagen wur<strong>de</strong> die Einrichtung weiterer europäischer<br />

Produktionshäuser, welche Produktionen präsentieren<br />

und ergebnisoffene Prozesse / Freiräumen <strong>de</strong>r<br />

Kreativität ermöglichen.<br />

Kontinuität <strong>de</strong>r Unterstützung: mittel- und langfristigeren<br />

För<strong>de</strong>rmaßnahmen (mehrjährige Konzeptför<strong>de</strong>rung)<br />

ist <strong>de</strong>r Vorzug gegenüber kurzfristiger Projektför<strong>de</strong>rung<br />

zu geben.<br />

Mobilität<br />

Zentral wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Vorschlag eines EU-Mobilitätsprogramms<br />

für Künstler diskutiert, welches als flexibler<br />

Fonds o<strong>de</strong>r/ und als Stärkung bestehen<strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rstrukturen<br />

zu entwickeln wäre.<br />

Gefor<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>:<br />

• die Visa-Pol<strong>iti</strong>k <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Botschaften dahingehend<br />

zu beeinflussen, dass künstlerische Kooperationen<br />

mit Akteuren aus Drittstaaten unterstützt behin<strong>de</strong>rt.<br />

• Einheitliche Regelungen zu Aufenthaltsrecht und Arbeitserlaubnis<br />

für Künstler aus Drittstaaten innerhalb<br />

<strong>de</strong>s Schengen-Raumes schaffen.<br />

Kulturwirtschaft<br />

Wenn Kreativität und kulturelle Vielfalt als originäre<br />

Ressourcen Europas und die Kulturwirtschaft als beson<strong>de</strong>res<br />

Entwicklungspotential anerkannt wer<strong>de</strong>n, wenn<br />

Künstler zugleich als Kerngruppe im kreativen Bereich<br />

erkannt wer<strong>de</strong>n – dann muss die För<strong>de</strong>rung dieses Bereichs<br />

als Invest<strong>iti</strong>on in notwendiger Größenordnung<br />

begriffen wer<strong>de</strong>n.<br />

Gefor<strong>de</strong>rt wird:<br />

• die soziale Absicherung <strong>de</strong>r Akteure (in Deutschland<br />

in <strong>de</strong>r Künstlersozialkasse) als zukunftsfähiges Mo<strong>de</strong>ll<br />

zu sichern,<br />

• das betriebswirtschaftliche Wissen bei <strong>de</strong>n Akteuren<br />

und ihr Agieren als Produzenten durch gezielte Projekte<br />

zu stärken,<br />

• Gewinne durch Kooperation, Einwerben von Sponsoren<br />

etc. durch zusätzliche Mittel zu belohnen und<br />

wirtschaftliches Agieren nicht mit Kürzung <strong>de</strong>r Zuwendung<br />

zu bestrafen,<br />

• ordnungspol<strong>iti</strong>sche Maßnahmen für <strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>r<br />

Kultur zu ergreifen.<br />

Zugleich wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Debatte die Gefahr einer Beurteilung<br />

künstlerischer Werke nach ihrem etwaigen ökonomischen<br />

Nutzen und ihren Verwertungsmöglichkeiten<br />

sehr kr<strong>iti</strong>sch beschrieben und die Eigenständigkeit <strong>de</strong>r<br />

Kunst, ihr eigenständiger Wert angemahnt.<br />

Künstlernetzwerke und Kulturpol<strong>iti</strong>sche Netzwerke<br />

Erkannt wird die beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung und Verantwortung<br />

<strong>de</strong>r Netzwerke im Dialog mit För<strong>de</strong>rn und<br />

Pol<strong>iti</strong>k. Für die Entwicklung temporärer künstlerischer<br />

(Produktions-)Netzwerke sind Flexibilität, Dynamik und<br />

Fokussierung auf die künstlerischen Produktionsprozesse<br />

unverzichtbar.<br />

An<strong>de</strong>rerseits können kulturpol<strong>iti</strong>sche Netzwerke nur<br />

durch ein hohes Maß an Strukturierung, Beständigkeit<br />

und Kohärenz <strong>de</strong>r Pos<strong>iti</strong>onen effektiv und nachhaltig<br />

auf <strong>de</strong>r pol<strong>iti</strong>schen Bühne agieren. Für ihre Entwicklung<br />

sind För<strong>de</strong>rung und i<strong>de</strong>elle Unterstützung auf nationaler<br />

und europäischer Ebene essentiell.<br />

Die Künstler for<strong>de</strong>rn die Netzwerke und Verbän<strong>de</strong><br />

im Bereich <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste (und weiter gefasst<br />

im Kulturbereich) in Deutschland und Europa auf:<br />

• Informationen und For<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Netzwerkpartner<br />

und Mitglie<strong>de</strong>r zu bün<strong>de</strong>ln, kohärente Pos<strong>iti</strong>onen<br />

zu artikulieren und auf <strong>de</strong>n pol<strong>iti</strong>schen Ebenen zu präsentieren.<br />

Ergebnisse


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Als aktuell wichtigste Aufgaben wer<strong>de</strong>n erachtet:<br />

• die Kommunikation über die Mitteilung <strong>de</strong>r EU-Kommission,<br />

• die Erarbeitung von Fakten, Argumentationen und<br />

For<strong>de</strong>rungen zur Stärkung <strong>de</strong>r wirtschaftlichen und sozialen<br />

Lage <strong>de</strong>r Künstler.<br />

Die wichtigsten Akteure in diesem Sinne sind:<br />

• in Deutschland: Deutscher Kulturrat, Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />

Gesellschaft, Bun<strong>de</strong>sverband und Lan<strong>de</strong>sverbän<strong>de</strong> Freier<br />

Theater, Deutscher Bühnenverein, Fonds Darstellen<strong>de</strong><br />

Künste, ITI Deutschland<br />

• in Europa: European Forum for the Arts and Heritage<br />

(EFAH), International Network for Contemporary Performing<br />

Arts (IETM), European Forum of the ITI, In<strong>iti</strong>ative<br />

Berliner Konferenz “Europa eine Seele geben”<br />

Dialog zwischen Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />

Die künstlerischen Akteure begreifen sich als Botschafter<br />

<strong>de</strong>r europäischen I<strong>de</strong>e und selbstbewussten<br />

Teil <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft. Sie unterstreichen ihren Willen<br />

zum intensiven Dialog mit <strong>de</strong>n pol<strong>iti</strong>schen Ebenen. Sie<br />

erkennen ihren Anteil an <strong>de</strong>r Gestaltung und Strukturierung<br />

dieses Dialogs.<br />

Sie for<strong>de</strong>rn, als wirkliche Partner im Entwurf und <strong>de</strong>r<br />

Gestaltung dieses Dialogs anerkannt zu wer<strong>de</strong>n. Auch<br />

im Kulturbereich muss sich Pol<strong>iti</strong>k stärker in <strong>de</strong>n Dialog<br />

mit <strong>de</strong>n Betroffenen begeben.<br />

Als notwendig wird die klare Erkennbarkeit von Ansprechpartnern<br />

auf Seiten <strong>de</strong>r Kultur wie in <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k.<br />

Der Dialog über Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k beginnt<br />

in <strong>de</strong>n Mitgliedslän<strong>de</strong>rn – in Deutschland auf <strong>de</strong>r Ebene<br />

<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stages und <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Mitglie<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>s Europäischen Parlaments.<br />

Kommunikation <strong>de</strong>r Ergebnisse <strong>de</strong>s Symposiums<br />

Basis <strong>de</strong>s weiteren Agierens im Sinne <strong>de</strong>r Verbreitung<br />

und Diskussion <strong>de</strong>r Symposiumsergebnisse ist die<br />

Dokumentation <strong>de</strong>s Symposiums, welche im Internet<br />

(unter www.<strong>iti</strong>-<strong>germany</strong>.<strong>de</strong> und www.fonds-daku.<strong>de</strong>)<br />

veröffentlicht wird und auch als Druckfassung (über<br />

das ITI Deutschland) erhältlich ist.<br />

Erste Veröffentlichungen <strong>de</strong>r Ergebnisse <strong>de</strong>s Symposiums<br />

erfolgten in „Kulturpol<strong>iti</strong>sche Mitteilungen“ (Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />

Gesellschaft), „Spiel und Bühne“ (Bund<br />

<strong>de</strong>utscher Amateurtheater), „impuls/ impulse“ (ITI) und<br />

„off-informationen“ (Bun<strong>de</strong>sverband Freier Theater).<br />

Die bei<strong>de</strong>n Veranstalter <strong>de</strong>s europäischen Symposiums,<br />

<strong>de</strong>r Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste und das ITI Deutschland,<br />

entwickeln <strong>de</strong>rzeit eine Kommunikationsstrategie,<br />

die von strategischen, beraten<strong>de</strong>n Gesprächen mit Pol<strong>iti</strong>kern<br />

ausgeht und als weiteren Schritt die Ergebnispräsentation<br />

<strong>de</strong>s Symposiums bei einer Anhörung am 10.<br />

Dezember <strong>2007</strong> beim Unterausschuss „Auswärtige Kultur-<br />

und Bildungspol<strong>iti</strong>k“ <strong>de</strong>s Deutschen Bun<strong>de</strong>stages<br />

beinhaltet. (Siehe „Teil III – Die In<strong>iti</strong>ativen“.)<br />

Die Debatten <strong>de</strong>s Symposiums wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n europäischen<br />

Netzwerken in <strong>de</strong>n Diskurs aufgenommen und<br />

weiter geführt:<br />

• im Rahmen <strong>de</strong>s Joint Meetings <strong>de</strong>s European Forum<br />

of the ITI und <strong>de</strong>s European Network of Information<br />

Centres for the Performing Arts (ENICPA) am 26./27.<br />

Juni <strong>2007</strong> in Berlin,<br />

• im Rahmen <strong>de</strong>r Plenary Meetings von IETM<br />

(04.-07. Oktober <strong>2007</strong> in Ghent),<br />

• im Rahmen <strong>de</strong>r Annual Conference von EFAH<br />

(08.-11. November <strong>2007</strong> in Warschau).<br />

Wesentliche In<strong>iti</strong>ativen<br />

Als wesentliche In<strong>iti</strong>ative haben <strong>de</strong>r Fonds Darstellen<strong>de</strong><br />

Künste und das ITI Deutschland ein komplexes Mo<strong>de</strong>llprojekt<br />

geplant: eine repräsentative und bun<strong>de</strong>sweite<br />

Studie, welche die Grundlage bil<strong>de</strong>t für ein Symposium<br />

und Handlungsempfehlungen zur wirtschaftlichen, sozialen<br />

und arbeitsrechtlichen Lage <strong>de</strong>r Künstler im Bereich<br />

<strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste. Das Symposium ist für<br />

Januar 2009 geplant.<br />

Mit einer ersten Koordinierungsrun<strong>de</strong> für dieses Projekt<br />

wur<strong>de</strong> im Oktober <strong>2007</strong> auch eine Plattform für <strong>de</strong>n<br />

gemeinsamen Dialog mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k etabliert:<br />

Den Kern bil<strong>de</strong>n hier – neben <strong>de</strong>m Fonds Darstellen<strong>de</strong><br />

Künste und ITI Deutschland – <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sverband Freier<br />

Theater, <strong>de</strong>r Deutsche Kulturrat und <strong>de</strong>r Deutsche Bühnenverein.<br />

Weiterhin sind Institutionen <strong>de</strong>r Arbeits- und<br />

Sozialsysteme, Verbän<strong>de</strong> und Gewerkschaften <strong>de</strong>r Arbeitnehmer,<br />

Vertreter <strong>de</strong>r Arbeitgeber, Bun<strong>de</strong>sministerien,<br />

Bun<strong>de</strong>stagsabgeordnete, För<strong>de</strong>rinstitutionen und<br />

Wissenschaftler aktiv einbezogen.


Aufbau <strong>de</strong>r Dokumentation<br />

Ergebnisse<br />

Diese Dokumentation erscheint in <strong>de</strong>r Reihe „impuls“<br />

<strong>de</strong>s Zentrum Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland <strong>de</strong>s<br />

ITI e.V. (ITI Deutschland). Das Heft dokumentiert das<br />

Symposium „Europäisch kooperieren und produzieren“,<br />

welches von ITI Deutschland und <strong>de</strong>m Fonds<br />

Darstellen<strong>de</strong> Künste am 24./25. Juni <strong>2007</strong> in Berlin in<br />

Kooperation mit <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste veranstaltet<br />

wur<strong>de</strong>.<br />

Glie<strong>de</strong>rung<br />

Den Ablauf <strong>de</strong>s Symposiums fin<strong>de</strong>n Sie am Schluss<br />

dieses Heftes. Die Dokumentation haben wir in drei<br />

Teile geglie<strong>de</strong>rt und <strong>de</strong>mentsprechend die Wi<strong>de</strong>rgabe<br />

<strong>de</strong>r Beiträge und Diskussionen strukturiert.<br />

In <strong>de</strong>r „Einführung“ fin<strong>de</strong>n Sie die Grußworte, welche<br />

<strong>de</strong>n Ausgangspunkt <strong>de</strong>r Konferenz markieren, und die<br />

erste Keynote, in welcher das Thema in einen großen<br />

Kultur- und Europapol<strong>iti</strong>schen Zusammenhang gestellt<br />

wird.<br />

„Teil I – Das kreative Potential“ zeigt vor allem <strong>de</strong>n<br />

Diskussionstand auf Seiten <strong>de</strong>r Akteure, <strong>de</strong>n Dialog<br />

zwischen Künstlern und För<strong>de</strong>rern und die Strukturierung<br />

<strong>de</strong>s Dialogs zwischen Kultur und Pol<strong>iti</strong>k durch die<br />

künstlerischen und kulturpol<strong>iti</strong>schen Netzwerke.<br />

„Teil II – Die pol<strong>iti</strong>sche Debatte“ dokumentiert <strong>de</strong>n<br />

Beginn <strong>de</strong>r Debatte mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k anhand <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />

kulturpol<strong>iti</strong>schen Panels am Beginn und am Schluss <strong>de</strong>s<br />

Symposiums<br />

„Teil III – Die In<strong>iti</strong>ativen“ versucht vor <strong>de</strong>m Hintergrund<br />

<strong>de</strong>r aufgeworfenen Fragen und For<strong>de</strong>rungen – beispielhaft<br />

und sicherlich keinesfalls vollständig – erste Schritte<br />

für die Umsetzung <strong>de</strong>r Ergebnisse <strong>de</strong>s Symposiums aufzuzeigen.<br />

Im Anhang führen wir noch einmal die Originaltexte<br />

<strong>de</strong>r Mitteilung <strong>de</strong>r EU-Kommission und <strong>de</strong>r Entschließung<br />

<strong>de</strong>s Europäischen Parlamentes, auf die im Symposium<br />

vielfach Bezug genommen wur<strong>de</strong>, an. Zusätzlich<br />

wer<strong>de</strong>n in einem Glossar 50 Begriffe zur Kulturpol<strong>iti</strong>k in<br />

Europa erläutert.<br />

Die Infogruppen, welche innerhalb <strong>de</strong>s Symposiums einen<br />

größeren Rahmen einnahmen, wer<strong>de</strong>n hier nicht<br />

in ihrem Wortlauf dokumentiert – die Informationen,<br />

auf welche in <strong>de</strong>n Veranstaltungen verwiesen wur<strong>de</strong>,<br />

haben wir in das Glossar (im Anhang) und in die erweiterte<br />

Dokumentation im Internet aufgenommen.<br />

www.<strong>iti</strong>-<strong>germany</strong>.<strong>de</strong><br />

Strukturierung<br />

In fast allen Beiträgen wur<strong>de</strong>n mehrere Themenfel<strong>de</strong>r<br />

gestreift, wur<strong>de</strong>n Anmerkungen auch zu an<strong>de</strong>ren Bereichen<br />

unternommen, Repliken auch jenseits <strong>de</strong>s eigenen<br />

Themas gegeben. Wir haben versucht, mit Markierungen<br />

am Seitenrand immer wie<strong>de</strong>r auf die angesprochenen<br />

Hauptthemen zu verweisen und aufzuzeigen,<br />

wie sich diese Hauptthemen durch die gesamte Debatte<br />

zogen.<br />

Zusätzlich sind Leitgedanken, wesentliche Stichworte<br />

und For<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r einzelnen Beiträge halbfett markiert.<br />

Auf Erklärungen von Begriffen im Glossar verweist<br />

ein hochgestelltes „Gl“.<br />

Die Hauptthemen <strong>de</strong>r Debatte<br />

• Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

• Wirtschaftliche und soziale Lage <strong>de</strong>r Künstler<br />

• Kultur und Kunstför<strong>de</strong>rung<br />

- EU-För<strong>de</strong>rung<br />

- Bürokratieabbau<br />

- Durchlässigkeit von Fonds und För<strong>de</strong>rstrukturen<br />

- Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />

- Kulturinstitute; Stiftungen<br />

- Kommunikation zwischen Künstlern und För<strong>de</strong>rer<br />

- Thematische För<strong>de</strong>rschwerpunkte vs.<br />

Freie För<strong>de</strong>rung<br />

- Projektför<strong>de</strong>rung vs. Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />

• Mobilität<br />

• Kulturwirtschaft<br />

• Künstlernetzwerke und Kulturpol<strong>iti</strong>sche Netzwerke<br />

• Dialog zwischen Kultur und Pol<strong>iti</strong>k


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Grußwort Nele Hertling<br />

Vizepräsi<strong>de</strong>ntin <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste GL , Berlin<br />

Liebe Gäste, Kollegen und Freun<strong>de</strong>,<br />

als Vizepräsi<strong>de</strong>ntin <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste GL begrüße<br />

ich Sie zunächst sehr herzlich in unserem trad<strong>iti</strong>onellen<br />

Haus im Tiergarten – ein Haus, das im Lauf seiner<br />

Geschichte, seit <strong>de</strong>r Eröffnung im Jahr 1960, zahlreiche<br />

europäische Kunstprojekte beherbergt hat. Ich erinnere<br />

vor allem an die fast schon legendäre Reihe „Pantomime<br />

- Musik - Tanz-Theater” (PMTT), die <strong>de</strong>m Publikum hier<br />

oft erste Begegnungen mit zeitgenössischem Tanz, Theater<br />

und mit Musik aus Europa und aller Welt bescherte.<br />

Mit ihrem neuen Haus am trad<strong>iti</strong>onellen Ort ist die Aka<strong>de</strong>mie<br />

nun auch in das Zentrum, an <strong>de</strong>n Pariser Platz,<br />

zurückgekehrt und damit in eine neue herausfor<strong>de</strong>rn<strong>de</strong><br />

europäische Realität mitten zwischen die Botschaften<br />

und Banken und die zahllosen „events” am Bran<strong>de</strong>nburger<br />

Tor mit <strong>de</strong>n ungezählten europäischen Touristen.<br />

Ich spreche aber auch als Vertreterin <strong>de</strong>r In<strong>iti</strong>ative „Europa<br />

eine Seele geben” GL zu Ihnen. Entstan<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m<br />

Engagement einzelner Personen, aus <strong>de</strong>m Bedürfnis,<br />

sich für ein geeintes Europa über die Mitgliedstaaten<br />

<strong>de</strong>r EU hinaus einzusetzen, ist sie bis heute ein zivilgesellschaftliches<br />

Projekt geblieben, getragen in ihrer<br />

beschei<strong>de</strong>nen Infrastruktur von einigen privaten europäischen<br />

Stiftungen. „Europa eine Seele geben” GL , ein<br />

Zitat nach Jaques Delors - wobei wir natürlich wissen,<br />

dass Europa eine Seele hat – ist keine Lobbygruppe<br />

für die Besserstellung von Kunst und Kultur. Es ist eine<br />

Lobbygruppe für <strong>de</strong>n europäischen Einigungsprozess<br />

mit <strong>de</strong>m Versuch, die pol<strong>iti</strong>schen Entscheidungsträger<br />

– lokal , regional, national und europäisch - davon zu<br />

überzeugen, dass ‚Europa’ nur gelingen wird, wenn das<br />

kreative Potential <strong>de</strong>r Kultur in alle pol<strong>iti</strong>schen Aktionsfel<strong>de</strong>r,<br />

auch in die Außen -, Sicherheits-, und Wirtschaftspol<strong>iti</strong>k<br />

integriert und dort dann auch genutzt wird.<br />

Europa ist ein kultureller Prozess, damit sind nicht<br />

nur die zuständigen Pol<strong>iti</strong>ker in <strong>de</strong>r Verantwortung,<br />

son<strong>de</strong>rn genauso die Zivilgesellschaft - wir alle und<br />

ganz beson<strong>de</strong>rs wir als Vertreter von Kunst und Kultur.<br />

Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k muss mehr sein als Pol<strong>iti</strong>k<br />

für die europäische Kultur, sie muss vor allem<br />

<strong>de</strong>r Kultivierung <strong>de</strong>r europäischen Pol<strong>iti</strong>k dienen.<br />

Hier ist unser Engagement gefor<strong>de</strong>rt. Die europäische<br />

Pol<strong>iti</strong>k darf nicht allein gelassen wer<strong>de</strong>n. Wir sollten<br />

nicht als Bittsteller, als Bettler vor die Vertreter <strong>de</strong>r nationalen<br />

und europäischen Pol<strong>iti</strong>k treten, son<strong>de</strong>rn als<br />

erfahrene, selbstbewusste Partner, die etwas Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s<br />

anzubieten haben - Kreativität und lange Erfahrung.<br />

Es sind doch vor allem die Künstler, für die es<br />

schon lange selbstverständlich gewor<strong>de</strong>n ist, in ihren<br />

vielfältigen Projekten in vielen neuen Formen, Strukturen<br />

und Netzwerken über Grenzen hinweg zu kooperieren<br />

und zu produzieren. Dies ist ein Mo<strong>de</strong>ll für ein<br />

offenes Europa. Mit <strong>de</strong>r wachsen<strong>de</strong>n Erkenntnis von<br />

<strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Kultur wird sich auch die Lage <strong>de</strong>r<br />

Künstler bessern.<br />

Nach vielen Jahren oft engstirniger Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen<br />

scheint sich auch in <strong>de</strong>r EU ein Wan<strong>de</strong>l<br />

anzubahnen. In Jan Figels „Communications”- Papier<br />

zu einer „europäischen Agenda für Kultur in einer Welt<br />

<strong>de</strong>r Globalisierung” wird erstmals formuliert, dass auf<br />

pol<strong>iti</strong>scher Ebene Kultur als Dimension vieler pol<strong>iti</strong>scher<br />

Bereiche und <strong>de</strong>r Europäischen Pol<strong>iti</strong>k im Ganzen gesehen<br />

wer<strong>de</strong>n muss. Die große gemeinsame Aufgabe<br />

für uns alle ist die Implementierung dieses Anspruchs.<br />

Hierfür müssen auch wir neue Instrumentarien entwickeln<br />

und mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k in einen Dialog auf Augenhöhe<br />

treten - vor allem auch mit unseren eigenen<br />

nationalen Vertretern. In <strong>de</strong>n nationalen Regierungen<br />

regt sich zum Teil noch mehr Abwehr und Wi<strong>de</strong>rstand<br />

als in Brüssel. Geht es doch darum, im besten Sinn etwas<br />

zu teilen. Die Reaktion darauf ist aber häufig <strong>de</strong>r<br />

Versuch, ängstlich etwas fest zu halten. Der polnische<br />

Europäer Bronisław Geremek sagt, das allgemein verteidigte<br />

Prinzip <strong>de</strong>r Subsidiarität GL muss entschie<strong>de</strong>n<br />

hinterfragt wer<strong>de</strong>n. Es ist gefährlich, da es nationalistische<br />

Entwicklungen unterstützt. Dafür muss mehr<br />

gemeinsame europäische Verantwortung und Kompetenz<br />

in Brüssel erreicht wer<strong>de</strong>n – <strong>de</strong>r Artikel 151<br />

von Maastricht wür<strong>de</strong> dies schon heute ermöglichen.<br />

Eine Fülle von Themen tut sich hierzu auf – alle haben<br />

sehr direkt mit <strong>de</strong>n Möglichkeiten von „Europäisch kooperieren<br />

und produzieren“ zu tun. Wir wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n<br />

Diskussionen sicher vielfach darauf zurückkommen.<br />

Zum Schluss möchte ich noch <strong>de</strong>n berühmt gewor<strong>de</strong>nen<br />

Satz <strong>de</strong>s EU-Präsi<strong>de</strong>nten Manuel Barroso auf <strong>de</strong>r<br />

ersten „Berliner Konferenz” GL 2004 z<strong>iti</strong>eren: Die EU hat<br />

ein Stadium ihrer Geschichte erreicht, in <strong>de</strong>m ihre<br />

kulturelle Dimension nicht länger ignoriert wer<strong>de</strong>n<br />

kann.


Grußwort Thomas Engel<br />

Direktor <strong>de</strong>s Zentrum Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />

<strong>de</strong>s Internationalen Theaterinstituts (ITI) e.V. GL ,<br />

Berlin<br />

Einführung<br />

Liebe Frau Hertling, lieber Herr Jeschonnek,<br />

liebe Teilnehmer und Gäste dieser Begegnung.<br />

Braucht dieses halbe Jahr <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen EU-Ratspräsi<strong>de</strong>ntschaft<br />

noch eine internationale Veranstaltung<br />

übers Kulturelle in Europa? So fragt sich sicher mancher<br />

in diesen an Symposien, Konferenzen und Tagungen<br />

nicht armen Monaten. Seien Sie gewiss, dass wir uns<br />

diese Frage auch gestellt haben und sie erst mit einem<br />

klaren „Ja“ beantwortet haben, als wir einer Konstellation<br />

ansichtig wur<strong>de</strong>n, von <strong>de</strong>r wir uns einen sehr beson<strong>de</strong>ren<br />

<strong>Impuls</strong> erhoffen.<br />

Ich danke <strong>de</strong>shalb zunächst Ihnen, Günter Jeschonnek,<br />

für Ihre Anregung, ein Treffen mehrerer europäischer<br />

Netzwerke, die das ITI GL mit Unterstützung <strong>de</strong>s<br />

BKM GL zu einem Meeting nach Berlin eingela<strong>de</strong>n hat,<br />

zu nutzen, um gemeinsam mit <strong>de</strong>m Fonds Darstellen<strong>de</strong><br />

Künste GL ein Symposium über das künstlerische Produzieren<br />

in Europa zu veranstalten. Und ich danke Ihnen<br />

und meinem Stellvertreter, Michael Freundt, für die<br />

kompetente Konzeption zu dieser Veranstaltung sowie<br />

<strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste GL für die Unterstützung und<br />

ihre bewährte Gastfreundschaft und nicht zuletzt allen<br />

unseren Helfern und Mitarbeitern für die umfassen<strong>de</strong><br />

Vorbereitung und Organisation.<br />

Wir wissen: Produzieren in Europa ist immer weniger<br />

auf ein Land beschränkt, internationale Projekte<br />

sind fester Bestandteil <strong>de</strong>s kulturellen Arbeitens.<br />

Dies generiert Netzwerke, die ihrerseits neue Projekte<br />

entwickeln. Die daraus erwachsen<strong>de</strong> Kompetenz ist<br />

eine Basis für die Zukunftsfähigkeit dieser Strukturen für<br />

vernetztes Produzieren. Diese Kompetenzen stärker in<br />

einen breiteren Erfahrungsaustausch einzubin<strong>de</strong>n und<br />

so für dieses Wissen eine breitere Teilhabe herzustellen,<br />

ist ein wesentliches Ziel dieses Symposiums. Die zahlreiche<br />

Beteiligung – wir haben Kollegen aus über 22<br />

Län<strong>de</strong>rn hier – und Ihr großes Interesse bestätigen, dass<br />

wir uns damit etwas Wichtiges vorgenommen haben.<br />

Das <strong>de</strong>utsche Zentrum <strong>de</strong>s Internationalen Theaterinstituts<br />

GL ist in verschie<strong>de</strong>nen europäischen Netzwerken<br />

aktiv. Das europäische Netzwerk <strong>de</strong>r Informationszentren<br />

für darstellen<strong>de</strong> Künste ENICPA GL , das Informationszentrum<br />

für <strong>de</strong>n Austausch zeitgenössischer Theaterstücke<br />

in Europa ICDE GL , das Forum <strong>de</strong>r europäischen<br />

ITI-Zentren und das Kommunikationskomitee <strong>de</strong>s ITI GL<br />

haben morgen und übermorgen ihre Arbeitstreffen<br />

und gemeinsame Synergie-Brainstormings (wenn Sie<br />

mir diesen flach<strong>de</strong>utschen Begriff verzeihen).<br />

Viele sind bereits heute in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Informationsveranstaltungen<br />

und Panels. Das Symposium<br />

wird von <strong>de</strong>r Anwesenheit <strong>de</strong>r internationalen Netzwerker<br />

prof<strong>iti</strong>eren und gleichze<strong>iti</strong>g Erfahrungen, Bedürfnisse<br />

und For<strong>de</strong>rungen von Theatermachern thematisieren.<br />

Wir erhoffen uns einen lebhaften Austausch<br />

zwischen Künstlern und Netzwerkern, produktive <strong>Impuls</strong>e<br />

in bei<strong>de</strong> Richtungen und darüber hinaus an die<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k.<br />

Und ganz sicher, das sei gleich angedroht, wer<strong>de</strong>n<br />

wir uns nicht auf das bekanntermaßen kapriziöse Europäische<br />

Kulturför<strong>de</strong>rprogramm mit seinen trotz<strong>de</strong>m nur<br />

0,03 % vom EU-Haushalt beschränken. Vielmehr hoffe<br />

ich, dass wir hier auch über die künftigen Produktionsbedingungen<br />

für Kunst und Kultur in Deutschland<br />

und Europa und über die Weichenstellungen <strong>de</strong>r<br />

Globalisierungspol<strong>iti</strong>k miteinan<strong>de</strong>r ins Gespräch kommen.<br />

Es ist unumgänglich, dass dazu viel mehr als bisher<br />

Künstler und Netzwerke gemeinsam ihre Erfahrungen<br />

bün<strong>de</strong>ln und ihre Pos<strong>iti</strong>onen in <strong>de</strong>r zivilgesellschaftlichen<br />

Diskussion <strong>de</strong>utlich hörbar machen.<br />

Meine Damen und Herren: Herzlich willkommen<br />

zum Symposium „Europäisch kooperieren und produzieren“!<br />

Grußwort Günter Jeschonnek<br />

Geschäftsführer <strong>de</strong>s Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste<br />

e.V. GL , Bonn<br />

Sehr verehrte Gäste<br />

unseres Europäischen Symposiums,<br />

<strong>de</strong>n persönlichen Begrüßungen durch Nele Hertling<br />

und Thomas Engel schließe ich mich im Namen<br />

<strong>de</strong>s Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste GL sehr gern an. Und wir<br />

freuen uns natürlich, dass Sie unserer Einladung gefolgt<br />

sind, um zum Gelingen eines lei<strong>de</strong>nschaftlichen Symposiums<br />

beizutragen. Danken will ich vor allem <strong>de</strong>m<br />

Internationalen Theaterinstitut GL – Zentrum Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland für die In<strong>iti</strong>ative, gemeinsam mit<br />

<strong>de</strong>m Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste GL dieses Symposium zu<br />

konzipieren und durchzuführen. Dank geht ebenfalls<br />

an unseren gemeinsamen Kooperationspartner Aka-


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste GL , dafür, dass wir hier im Haus, <strong>de</strong>r<br />

„alten Aka<strong>de</strong>mie Berlin West“, in <strong>de</strong>r so manche heiße<br />

kulturpol<strong>iti</strong>sche Debatte stattfand, ohne Mietkosten tagen<br />

dürfen. Alle drei Institutionen erhalten ihre Zuwendungen<br />

vom Bund – also auch gebühren<strong>de</strong>r Dank an<br />

<strong>de</strong>n Bund.<br />

Im Kontext zum Fall <strong>de</strong>s Eisernen Vorhangs, zur<br />

Erweiterung <strong>de</strong>r Europäischen Union und zu <strong>de</strong>n fortschreiten<strong>de</strong>n<br />

Globalisierungsprozessen haben selbstverständlich<br />

die internationalen Kooperationen und Vernetzungen<br />

von Kunst und Kultur stark zugenommen.<br />

Beson<strong>de</strong>rs spürbar ist das bei <strong>de</strong>r freien Szene aller Sparten<br />

<strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste. Sichtbar wird es an <strong>de</strong>n<br />

zunehmen<strong>de</strong>n internationale Gastspielen, Festivals und<br />

Koproduktionen. Deutsche Künstlerinnen und Künstler<br />

sind weltweit präsent. Vor allem aber sind es die mobilen<br />

und flexiblen Freien, mit ihren enormen i<strong>de</strong>ellen<br />

und auch finanziellen Vor- und Eigenleistungen, oftmals<br />

an <strong>de</strong>r Grenze zur Selbstausbeutung. Angesichts<br />

dieser Entwicklung stellt sich die erste Frage: Halten<br />

die aktuellen För<strong>de</strong>rinstrumente, die inhaltlichen<br />

Konzepte und die Budgets seitens <strong>de</strong>r EU und <strong>de</strong>r<br />

einzelnen europäischen Län<strong>de</strong>r dieser Entwicklung<br />

stand? Die vielen Vorgespräche zu diesem Symposium<br />

haben ganz klar gezeigt: sie reichen nicht aus. Auch aus<br />

diesem Grun<strong>de</strong> legte <strong>de</strong>r Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste GL<br />

2005 und 2006 außerhalb seiner regulären Projektför<strong>de</strong>rungen<br />

zwei Son<strong>de</strong>rprojekte „Osteuropa“ auf, um<br />

auf ganz unbürokratische Weise und ohne langwierigen<br />

Antragsaufwand kleinere europäische Projekte <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n<br />

Künste möglich zu machen. Wir för<strong>de</strong>rten<br />

16 Projekte mit insgesamt 400.000 Euro.<br />

Trotz aller beschei<strong>de</strong>nen pos<strong>iti</strong>ven Entwicklungen<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>r europäischen Kulturpol<strong>iti</strong>k – auch in<br />

Deutschland – ist die Lücke zwischen <strong>de</strong>n Absichtserklärungen<br />

<strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k, dass Kunst und Kultur für <strong>de</strong>n<br />

europäischen Einigungsprozess so entschei<strong>de</strong>nd sind,<br />

und <strong>de</strong>r realen künstlerischen Praxis immer noch sehr<br />

groß. Das kann man nicht oft genug betonen. Beson<strong>de</strong>rs<br />

betrifft das die Finanzausstattung und die tatsächliche<br />

Teilhabe von Künstlern.<br />

Aber warum ist das immer noch so? Und was kann<br />

von wem dagegen unternommen wer<strong>de</strong>n? Das sollen<br />

zentrale Fragen unserer heutigen Diskussionen sein.<br />

Ganz in diesem Sinne empfiehlt <strong>de</strong>r Ausschuss für<br />

Kultur und Bildung <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments in seinem<br />

Entwurf eines Berichtes vom März <strong>2007</strong>: „Die Herausfor<strong>de</strong>rung<br />

einer europäischen Kulturpol<strong>iti</strong>k liegt darin,<br />

ein kulturelles Umfeld zu schaffen, das in allen künstlerischen<br />

Bereichen dynamisch und <strong>de</strong>m Schöpferischen sowie<br />

<strong>de</strong>r Innovation för<strong>de</strong>rlich ist. Dies kann nicht geschehen,<br />

ohne dass wir unseren Künstlern soziale Garantien<br />

bieten, die wir allen an<strong>de</strong>ren europäischen Arbeitnehmern<br />

gewähren, zum Ausgleich einer Garantie <strong>de</strong>r künstlerischen<br />

Freiheit, die für sie unverzichtbar ist.“<br />

Wenn man sich aber dann <strong>de</strong>n Haushalt <strong>de</strong>r EU ansieht,<br />

<strong>de</strong>r mit 115,5 Milliar<strong>de</strong>n beziffert wird und 55<br />

Milliar<strong>de</strong>n für Subventionen <strong>de</strong>r europäischen Landwirtschaft<br />

und 45 Milliar<strong>de</strong>n für die Wettbewerbsfähigkeit<br />

für Wachstum einstellt, für das neue Kulturprogramm<br />

<strong>2007</strong> bis 2013 (ohne Medienprogramme und<br />

die Kulturhauptstadtprogramme) aber nur 400 Mio.<br />

Euro einplant, fragt man sich, wie unrealistisch einzelne<br />

For<strong>de</strong>rungen von Kulturpol<strong>iti</strong>kern eigentlich sind. Unser<br />

Kulturstaatsminister Bernd Neumann hob Anfang Juni,<br />

beim Bun<strong>de</strong>skongress <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>schen Gesellschaft<br />

die – ich z<strong>iti</strong>ere – „fundamentale Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Kultur<br />

für ein gemeinsames Europa“ hervor und nannte „die Sicherung<br />

<strong>de</strong>s kulturellen Austausches, die Gewährung von<br />

Transfer und freier Kommunikation und die Anerkennung<br />

von Kreativität auch in wirtschaftlicher Hinsicht“ als zukünftige<br />

Bausteine.<br />

Der Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r EU-Kommission José Barroso verkün<strong>de</strong>te<br />

vor fast drei Jahren anlässlich <strong>de</strong>r Eröffnung <strong>de</strong>r<br />

Berliner Konferenz „Europa eine Seele geben“ GL : „Die<br />

EU hat ein Stadium ihrer Geschichte erreicht, in <strong>de</strong>m ihre<br />

kulturelle Dimension nicht länger ignoriert wer<strong>de</strong>n kann.<br />

In <strong>de</strong>r Hierarchie unserer Werte sind kulturelle Werte höher<br />

einzustufen als ökonomische“. Und im November 2006<br />

setzte er in Berlin fort: „Kultur ist <strong>de</strong>r Schlüssel für das<br />

Gefühl von Zusammengehörigkeit, das Europa braucht.“<br />

Aber die Mittel <strong>de</strong>r EU für die Kunst und die<br />

Kultur sind viel zu minimal, um diesen Absichtserklärungen<br />

Taten folgen zu lassen. Kunst und Kultur<br />

müssen einen höheren Stellenwert bekommen, über<br />

Absichtserklärungen hinaus. Und die Künstler, Produzenten<br />

und Theaterhausleiter müssen mit ihren vielfältigen<br />

Erfahrungen aktiver Teil <strong>de</strong>r Programme sein.<br />

Ich bin fest davon überzeugt, dass gera<strong>de</strong> die Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland als Gründungsmitglied <strong>de</strong>r<br />

Europäischen Union, als eines <strong>de</strong>r reichsten Län<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Welt (auch was die Kunst und Kultur anbetrifft)<br />

und auch angesichts <strong>de</strong>r noch nicht so lange zurückliegen<strong>de</strong>n<br />

systematischen Vernichtung europäischer<br />

Kunst und Kultur sich ihrer beson<strong>de</strong>ren Verantwortung<br />

bewusst sein und <strong>de</strong>shalb eine Art Vorreiterrolle übernehmen<br />

muss. Auch <strong>de</strong>shalb sind nationale In<strong>iti</strong>ativen<br />

für die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s kulturellen Austausches in Europa<br />

so unverzichtbar. Und da gibt es in unserem Land trotz<br />

Bun<strong>de</strong>skulturstiftung GL und Goethe-Institut GL noch enorm<br />

viel zu tun. Abschließend z<strong>iti</strong>ere ich <strong>de</strong>shalb gern<br />

Steffen Reiche, <strong>de</strong>r als Mitglied <strong>de</strong>s Kulturausschusses<br />

<strong>de</strong>s Deutschen Bun<strong>de</strong>stages im ersten Panel diskutieren<br />

wird. Er schrieb vor einem halben Jahr: „Kultur ist die<br />

zentrale Frage <strong>de</strong>r Zukunft, im Übergang von <strong>de</strong>r Industrie-<br />

zur Wissensgesellschaft, in <strong>de</strong>r Arbeit eine neue Rolle<br />

spielen wird.“<br />

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

10


Keynote Gottfried Wagner<br />

Direktor <strong>de</strong>r European<br />

Cultural Foundation GL , Amsterdam<br />

Im Programm trägt meine Keynote <strong>de</strong>n Titel „Go<br />

Europe!“, aber ich möchte Sie auch mit unseren Zweifeln<br />

und ein paar vorsichtigen Vorschlägen vertraut machen.<br />

Da steht auf <strong>de</strong>r einen Seite die Frage: Warum<br />

soll Europa für Kulturschaffen<strong>de</strong>, genauer gesagt für<br />

Künstler, ein Thema sein? Ein österreichischer Künstler<br />

nimmt sich auch nicht die Republik Österreich zum Thema,<br />

o<strong>de</strong>r nur höchst indirekt. Es ist keineswegs selbstverständlich,<br />

dass Europa Thema für die Produzenten<br />

wird. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite aber steht die Praxis: Sie<br />

produzieren ständig voller Engagement über Grenzen<br />

hinweg.<br />

Aber was Europa und Kultur wirklich miteinan<strong>de</strong>r zu<br />

tun haben, wie genau diese Begriffe zusammengehören,<br />

da sind wir uns doch alle nicht so sicher. Wir wissen, da<br />

liegt etwas in <strong>de</strong>r Luft und es hat mit Pol<strong>iti</strong>k zu tun,<br />

aber es fehlt uns dafür die Sprache. Und manchmal ist<br />

es zum Verzweifeln, wie man selbst diese Sprache gebetsmühlenartig<br />

verwen<strong>de</strong>t: Pol<strong>iti</strong>sche Kultur, Transnationalität,<br />

Subsidiarität GL , Än<strong>de</strong>rungsvertrag…<br />

Es mangelt uns aber nicht nur an einer frischen<br />

Sprache, um diese neue post-nationale Konstellation<br />

zu verstehen, son<strong>de</strong>rn es mangelt uns auch an einer<br />

scharfen Analyse <strong>de</strong>ssen, was pol<strong>iti</strong>sch eigentlich ansteht.<br />

Es gibt viel I<strong>de</strong>alismus, viel guten Willen, viel „Europäisch<br />

kooperieren und produzieren“ – aber Europa<br />

als pol<strong>iti</strong>sche Herausfor<strong>de</strong>rung für Kunst und Kultur,<br />

das haben wir noch nicht wirklich verstan<strong>de</strong>n.<br />

Der Gründungsmythos Europas ist verblasst, <strong>de</strong>r<br />

Anti-Kriegsmythos funktioniert nicht mehr. Eine an<strong>de</strong>re<br />

Leitmetapher, die sich gegenwärtig einschleicht, ist die<br />

<strong>de</strong>r „Fusionen“. In <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n ist die heimische<br />

Fluggesellschaft KLM gera<strong>de</strong> Air France angeschlossen<br />

wor<strong>de</strong>n, und die trad<strong>iti</strong>onsreichste und größte nie<strong>de</strong>rländische<br />

Bank ABN AMRO wird gera<strong>de</strong> verkauft und<br />

filetiert. Das schafft viel Unsicherheit, aber gleichze<strong>iti</strong>g<br />

wissen die Leute, dass dieser merger-Prozess <strong>de</strong>r Fusionen,<br />

<strong>de</strong>r immer weiteren Größenbildung unaufhaltbar<br />

ist. Und man meint, das wäre mit Europa ähnlich:<br />

Wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen, dann müssen<br />

wir alle eben größer wer<strong>de</strong>n. Das heißt Fusion, Ost-Erweiterung,<br />

pol<strong>iti</strong>scher merger.<br />

Ein fundamentaler Denkfehler dabei ist aber, dass<br />

wir es bei Europa nicht einfach mit sharehol<strong>de</strong>r values<br />

zu tun haben, son<strong>de</strong>rn mit tausendfach differenzierten<br />

Interessen – von Armen wie von Reichen, von Polen<br />

und Deutschen, von Hollän<strong>de</strong>rn und Maltesen usw. Die<br />

Metapher <strong>de</strong>s Ökonomischen taugt für Europa als<br />

Projekt ganz und gar nicht.<br />

Aber umgekehrt liegt die Schlussfolgerung nahe:<br />

Wenn Marktmechanismen so gewaltig gewor<strong>de</strong>n sind,<br />

dann braucht es auch eine gewaltige öffentliche ‚Gegenmacht’.<br />

Und die muss sich transnational organisieren.<br />

Europäisch.<br />

Europa muss ausreichend mächtig wer<strong>de</strong>n. Aber<br />

hier haben wir <strong>de</strong>n Kern <strong>de</strong>r Ambivalenz.<br />

Wir wollen, dass Europa stärker wird, auch und vor<br />

allem auf <strong>de</strong>r Weltbühne, aber wir haben auch Angst<br />

davor. Denn was heißt Stärke? Geht es um ein Europa<br />

<strong>de</strong>s ‚Kapitalismus’ pur? O<strong>de</strong>r um ein wettbewerbsstarkes<br />

Europa <strong>de</strong>r Fairness und <strong>de</strong>s sozialen Ausgleichs?<br />

Es braucht zum Markt auch die Balance, es braucht <strong>de</strong>mokratische<br />

Gegenmacht. Damit hat sich das uralte<br />

Spannungsfeld zwischen Pol<strong>iti</strong>k und ‚Kultur’ auf eine<br />

neue Ebene verlagert; und dafür sind wir noch nicht<br />

wirklich gerüstet. O<strong>de</strong>r genauer: Kunst und Pol<strong>iti</strong>k sind<br />

in ein neues Spannungsverhältnis getreten und da geht<br />

es, wie Nele Hertling gesagt hat, um pol<strong>iti</strong>sche Kultur.<br />

Dieser Komplex <strong>de</strong>r Ambivalenz ist in <strong>de</strong>r Tat ein<br />

Thema für alle, aber beson<strong>de</strong>rs für die Kreativen, für<br />

die Künstler und die Intellektuellen mit ihrem Kr<strong>iti</strong>kpotential<br />

– <strong>de</strong>nn die Alternative wäre, <strong>de</strong>ssen müssen wir<br />

uns bewusst sein, reine Machtstrukturen und reine Bürokratie.<br />

Ob wir es wollen o<strong>de</strong>r nicht: Wir müssen ‚gute<br />

Europäer’ wer<strong>de</strong>n.<br />

Mitte Juni tagte <strong>de</strong>r Europäische Rat in Brüssel zum<br />

Thema <strong>de</strong>r EU-Verfassung. Für Theaterleute muss das<br />

ein beson<strong>de</strong>res Erlebnis gewesen sein. Performing Arts<br />

in Reinkultur, ein Drama, eine Komödie auch, besser<br />

eine Groteske. Gera<strong>de</strong> weil es um wahnsinnig viel<br />

geht, nämlich um die Frage <strong>de</strong>r Machtverhältnisse in<br />

Zukunft, kommen plötzlich an<strong>de</strong>re Faktoren ins Spiel:<br />

die Geschichte, Größe und Kleinheit, <strong>de</strong>r verletzbare<br />

Narzissmus <strong>de</strong>r Nationen... Wir erleben das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

nationalen Prinzips, die freiwillige Übergabe von Macht<br />

an transnationale Organisationen. Die Hymne und die<br />

Fahne, an sich belanglose Insignien <strong>de</strong>r Macht, wer<strong>de</strong>n<br />

auf einmal ungemein be<strong>de</strong>utsam („raus aus <strong>de</strong>m<br />

Vertrag!“). Dreißig Stun<strong>de</strong>n haben nun die Pol<strong>iti</strong>ker in<br />

Brüssel verhan<strong>de</strong>lt, davor dreißig Tage, dreißig Monate<br />

– ein ungeheurer Kraftakt, ein welthistorisches Projekt,<br />

ein nie da gewesener Flächenversuch, freiwillig Macht<br />

an ein Zentrum abzugeben. Das alles spielt sich vor <strong>de</strong>n<br />

Augen eines großen Publikums ab – es gab dafür ein<br />

großes Publikum im Fernsehen – und es geht um etwas:<br />

es geht um das gute Leben in <strong>de</strong>r Zukunft.<br />

Heute, En<strong>de</strong> Juni, sind dieses Ereignis und <strong>de</strong>r ausgehan<strong>de</strong>lte<br />

Vertrag schon an zweite Stelle gerückt.<br />

Ein eigentlich historisches Ereignis – wenn dieser Vertrag<br />

gelingt, ist es ein historisches Ereignis <strong>de</strong>r Neu<strong>de</strong>fin<strong>iti</strong>on<br />

von Macht, Ausgleich und Demokratie<br />

– beschäftigt uns für einen Moment und rutscht dann<br />

wie<strong>de</strong>r ins Alltagsverständnis ab. Wir verstehen wahrscheinlich<br />

nicht, dass gera<strong>de</strong> jetzt eine strukturelle<br />

Umwälzung stattfin<strong>de</strong>t. Wir haben es verstan<strong>de</strong>n, als<br />

in <strong>de</strong>n Referen<strong>de</strong>n in Frankreich und <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n<br />

die EU-Verfassung mit „Nein“ verworfen wur<strong>de</strong>n.<br />

Eine Performance von Vanessa Beecroft bei <strong>de</strong>r heurigen<br />

Biennale in Venedig nennt sich „Sudan Performance“.<br />

Sie lässt in <strong>de</strong>r Mitte dieses Szenarios dreißig<br />

Frauen aus <strong>de</strong>m Sudan sich nackt auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n legen,<br />

in einer Orgie von Rot. Und die Botschaft: Sudan ist<br />

Venedig, Sudan ist in Europa.<br />

Einführung<br />

11


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Das 21. Jahrhun<strong>de</strong>rt wird hoffentlich das europäische<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, wie Mark Leonard das ausgedrückt<br />

hat. Nach <strong>de</strong>m Irakkrieg, nach dieser Katastrophe, wird<br />

es nicht mehr darum gehen, dass bestimmte Administrationen<br />

diese o<strong>de</strong>r jene Pol<strong>iti</strong>k formulieren, son<strong>de</strong>rn<br />

es wird darum gehen, dass wir ein langfristiges Mo<strong>de</strong>ll<br />

<strong>de</strong>s Interessenausgleichs auf kosmopol<strong>iti</strong>scher Grundlage<br />

fin<strong>de</strong>n. Und hier hat Europa die Kernaufgabe. Es<br />

geht um die Balance, die Welt nicht einer Superpower<br />

zu überlassen; um Mo<strong>de</strong>lle <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns in <strong>de</strong>r Globalisierung,<br />

einer fairen Entwicklung und <strong>de</strong>s ökologischen<br />

Bewahrens. Auch hier, das ist meine zweite These, muss<br />

Europa stärker wer<strong>de</strong>n. Aber wie<strong>de</strong>r stellt sich die Frage:<br />

Auf welchen Werten basiert diese Stärke? Wie verhin<strong>de</strong>rt<br />

man, dass Europa ein un<strong>de</strong>mokratisches Empire<br />

wird und wie macht man es gleichze<strong>iti</strong>g stark? Denn die<br />

Alternative zur Stärke wäre, z.B. ein Museum zu wer<strong>de</strong>n,<br />

ein Museum <strong>de</strong>r Welt, ein Museum <strong>de</strong>r Vielfalt.<br />

Diese zwei ambivalenten Umkreisungen <strong>de</strong>s Verhältnisses<br />

von Stärke und Fairness/Demokratie werfen im<br />

Detail Fragen <strong>de</strong>r Effizienz <strong>de</strong>r europäischen Institutionen<br />

auf, Fragen <strong>de</strong>r Demokratie <strong>de</strong>r europäischen Institutionen<br />

und vor allem <strong>de</strong>r pol<strong>iti</strong>schen Kultur. Es geht um<br />

Kr<strong>iti</strong>k und Partizipation, Sich Einlassen und Mitgestalten.<br />

Wenn es aber um das Verstehen und Mitgestalten einer<br />

Sprache für diese neuen pol<strong>iti</strong>schen Konstellationen um<br />

uns herum geht – dann bekommt das Wort „Kulturschaffen<strong>de</strong>“<br />

eine völlig neue Be<strong>de</strong>utung. Dieser Ausdruck<br />

meint dann, dass die Kreativen eine völlig neue<br />

pol<strong>iti</strong>sche Kultur mit schaffen wer<strong>de</strong>n. Die Künstler wer<strong>de</strong>n<br />

zu Partisanen <strong>de</strong>r Übersetzung dieser Dilemmata, zu<br />

Partisanen <strong>de</strong>r Kr<strong>iti</strong>k – wie schon von alters her.<br />

Für mich persönlich zeigte die aktuelle documenta<br />

in Kassel, kuratiert von Roger-Martin Buergel, wie sich<br />

in einem kosmopol<strong>iti</strong>schen Kontext vermeintliche Sicherheiten<br />

auflösen und viele Fragen stellen. Die Ausstellung<br />

gab wun<strong>de</strong>rbare Belege, dass Kunst und Kultur<br />

selbst nicht unschuldig sind, son<strong>de</strong>rn sich immer<br />

auch selbst schuldig gemacht haben. Dieses Wissen um<br />

Verletzbarkeit und Verführbarkeit wird für die Neugestaltung<br />

<strong>de</strong>s Verhältnisses von Kunst und Europa ausschlaggebend<br />

sein.<br />

Ich möchte noch eine beson<strong>de</strong>re Herausfor<strong>de</strong>rung benennen:<br />

Der Begriff „Vielfalt“ – auch so ein Mantra-Wort<br />

– verweist auf ein weiteres Problem mit zwei Facetten:<br />

einerseits die Angst, Vielfalt zu verlieren, und an<strong>de</strong>rerseits<br />

die Angst vor zu viel Vielfalt. Wer gehört in Europa<br />

dazu, wer wird eingeschlossen, wer wird ausgeschlossen?<br />

Wenn aber Europa ein kosmopol<strong>iti</strong>sches Projekt ist, wenn<br />

es nicht nur als Projekt auf sich selbst, son<strong>de</strong>rn über sich<br />

hinaus verweist, dann ist die Nation als Einschluss- o<strong>de</strong>r<br />

Ausschlusskriterium<br />

Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k natürlich nicht mehr<br />

die einzige Kategorie,<br />

Ethnizität schon gar nicht. Dann ist die Frage <strong>de</strong>r Erweiterung<br />

ein kerneuropäisches Thema – Stichwort Balkan,<br />

Stichwort Türkei. Dann ist auch die Frage <strong>de</strong>r Migration<br />

ein kerneuropäisches Thema. Auch hier müssen Kunst und<br />

Kultur <strong>de</strong>n Raum offen halten – mit all <strong>de</strong>n Spannungen,<br />

die das möglicherweise produziert.<br />

Zum Abschluss: Europa kann man nicht ohne eine<br />

explizite Kulturpol<strong>iti</strong>k auf europäischer Ebene <strong>de</strong>nken.<br />

Denn sonst gibt es Kulturpol<strong>iti</strong>k, aber sie wird von<br />

an<strong>de</strong>ren etabliert, by <strong>de</strong>fault, wie Mary-Ann <strong>de</strong> Vlieg<br />

das genannt hat. Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k muss aus<br />

<strong>de</strong>m unbewussten und vorpol<strong>iti</strong>schen Raum herausgeholt<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn sonst sind es allein die Märkte, die<br />

bestimmen.<br />

Sie muss in <strong>de</strong>n öffentlichen Raum zurückgeholt<br />

wer<strong>de</strong>n, so schmerzhaft das auch für einen fö<strong>de</strong>ralen<br />

Staat wie Deutschland sein mag. Kulturpol<strong>iti</strong>k als Diversitätspol<strong>iti</strong>k<br />

in Europa muss explizit wer<strong>de</strong>n. Daher geht<br />

es natürlich nicht nur um die För<strong>de</strong>rprogramme <strong>de</strong>r EU<br />

und ihrer Mitgliedsstaaten, son<strong>de</strong>rn es geht in <strong>de</strong>r Tat<br />

um eine Strategie. Daher begrüßen wir in <strong>de</strong>r ECF GL die<br />

Mitteilung <strong>de</strong>r Europäischen Kommission GL , weil sie seit<br />

ganz langer Zeit <strong>de</strong>r erste strategische Text ist, weil sie<br />

aufruft zur Einmischung, weil sie in dieser strategischen<br />

Entwicklung <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft einen be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n<br />

Platz einräumt und weil sie drei wichtige Fel<strong>de</strong>r benennt:<br />

erstens Diversität, also die Frage von I<strong>de</strong>ntität<br />

und Vielfalt, zweitens Wirtschaft, Wettbewerbsfähigkeit<br />

und Kultur, und drittens Europa in <strong>de</strong>r Welt.<br />

Wenn es <strong>de</strong>n Pol<strong>iti</strong>kern in Brüssel und in <strong>de</strong>n Hauptstädten<br />

gelingt, und wenn es uns gelingt, diese Agenda<br />

zum Leben zu erwecken, dann schaut Europa in zehn,<br />

fünfzehn Jahren an<strong>de</strong>rs aus. Das geht aber nicht, wenn<br />

wir diesen Prozess wie<strong>de</strong>r nur <strong>de</strong>n Eliten in <strong>de</strong>n Hauptstädten<br />

und Staatskanzleien überlassen.<br />

Eine <strong>de</strong>r wesentlichen Schlussfolgerungen aus diesem<br />

Text <strong>de</strong>r EU-Kommission ist: Wenn wir uns nicht<br />

einmischen, kann dieses Projekt nicht gelingen. Deshalb<br />

bin ich froh, dass die Veranstalter hier in Berlin<br />

diese Fragen so zentral stellen; natürlich aus Anlass <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschen Ratspräsi<strong>de</strong>ntschaft, aber auch darüber hinausgehend.<br />

Und gera<strong>de</strong> Deutschland ist ja für die Formulierung<br />

einer zukünftigen europäischen Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

ein beson<strong>de</strong>rs sensibles Land.<br />

Neben diesem sehr langwierigen Prozess wer<strong>de</strong>n wir<br />

auch kurzfristige Erfolge brauchen. Daher möchte ich<br />

einen konkreten Appell formulieren. Das ist ein Appell<br />

an die europäischen Institutionen, konkrete Maßnahmen<br />

2008 zu lancieren, und das ist auch ein Appell an<br />

die Teilnehmer dieses Symposiums, diese Maßnahmen<br />

zu unterstützen.<br />

Das einfachste wäre, etwas zu schaffen, was vergleichbar<br />

im Bildungsbereich schon seit 15 Jahren<br />

Mobilität<br />

existiert, nämlich ein gutes Mobilitätsprogramm<br />

für junge Kulturschaffen<strong>de</strong><br />

und Künstler in Europa. Das Bildungsprogramm<br />

ERASMUS hat im Hochschulbereich<br />

rund 1,5 Millionen Menschen bewegt. Es hat mindsets<br />

geän<strong>de</strong>rt. Lasst uns ein Pilotprojekt auflegen, für ein<br />

Mobilitätsprogramm für junge Kulturschaffen<strong>de</strong> und<br />

Künstler. Lasst uns damit 2008 beginnen – im Jahr <strong>de</strong>s<br />

interkulturellen Dialogs. Und lasst uns zeigen, was diese<br />

Invest<strong>iti</strong>on in Kunst und Kultur leisten kann – zu unser<br />

aller Wohl.<br />

Vielen Dank.<br />

12


Teil I – Das Kreative Potential<br />

Künstler, För<strong>de</strong>rer, Netzwerke<br />

Bürokratieabbau, Europäisches Performance Netzwerk<br />

und ein Preis für <strong>de</strong>n kreativsten Verwaltungsbeamten<br />

in Europa – das waren nur einige <strong>de</strong>r Themen<br />

und Vorschläge <strong>de</strong>r Künstler. Dieser Abschnitt fasst die<br />

Beiträge und Diskussionen zusammen, in <strong>de</strong>nen sich<br />

das enorme kreative Potential <strong>de</strong>s Bereichs zeigt. Eingeleitet<br />

wird er mit Statements von sieben Akteuren<br />

auf <strong>de</strong>m Feld europäischer Kooperationen – Künstlern<br />

und Produzenten: die Unmittelbarkeit kultureller Begegnungen,<br />

Vielfalt <strong>de</strong>r Sprachen und die Erlebbarkeit<br />

Europas im künstlerischen Austausch.<br />

Sehr konkret kr<strong>iti</strong>sieren sie bestehen<strong>de</strong> För<strong>de</strong>rprogramme<br />

– <strong>de</strong>n enormen Antragsaufwand, die Sinnlosigkeit<br />

formaler Kriterien (wie einer Min<strong>de</strong>stzahl von<br />

Kooperationspartnern) und die Kurzlebigkeit thematischer<br />

Vorgaben.<br />

Gleichze<strong>iti</strong>g formulieren Vertreter von Stiftungen,<br />

Kulturinstituten, Produktionshäusern und Netzwerken<br />

das Interesse an einer profilierten För<strong>de</strong>rung, an einem<br />

System korrespondieren<strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rprogramme – auf<br />

nationaler und auf europäischer Ebene.<br />

War <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r Kulturwirtschaft – <strong>de</strong>rzeit en vogue<br />

in <strong>de</strong>r pol<strong>iti</strong>schen Debatte – eine neuer Ansatz für<br />

die Künstler? Ist dies die Chance, als Kern <strong>de</strong>r creative<br />

class Ziel pol<strong>iti</strong>scher und finanzieller Invest<strong>iti</strong>onen zu<br />

wer<strong>de</strong>n? Hier überwog die Skepsis, wur<strong>de</strong> das Eigenwertige,<br />

nicht Verwertbare künstlerischer Prozesse betont.<br />

Eine wesentliche Frage zog sich durch alle Beiträge<br />

<strong>de</strong>r Künstler – die Sicherung ihrer sozialen, rechtlichen<br />

und wirtschaftlichen Situation.<br />

13


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Matthias Lilienthal<br />

Künstlerische Leitung/Geschäftsführung<br />

Hebbel-am-Ufer, Berlin<br />

Nele Hertling hat das Hebbel-Theater En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 80er<br />

Jahre neu begrün<strong>de</strong>t als eine internationale Austauschund<br />

Produktionsstätte. Wenn man sich die Geschichte<br />

<strong>de</strong>s Hebbel-Theaters und heute <strong>de</strong>s Hebbel-am-Ufer anschaut,<br />

dann hat es mit <strong>de</strong>m Wechsel von Nele Hertling<br />

zu mir auch einen Verlust an internationalen Koproduktionsmöglichkeiten<br />

und europäischer Zusammenarbeit<br />

gegeben. Und das nicht, weil man das Mo<strong>de</strong>ll nicht<br />

attraktiv genug fand, son<strong>de</strong>rn aus <strong>de</strong>r ökonomischen<br />

Notsituation <strong>de</strong>r Stadt und aus <strong>de</strong>m Versuch heraus, mit<br />

<strong>de</strong>m Budget eines Theaters drei Theater zu betreiben.<br />

Das hat sich künstlerisch-inhaltlich als richtig erwiesen.<br />

Im Vergleich zur damaligen Arbeit<br />

von Nele Hertling haben wir<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

jedoch überhaupt nicht mehr<br />

die Möglichkeit, im europäischen Sektor z.B. Arbeiten<br />

in Osteuropa zu entwickeln und so stark auf Koproduktionen<br />

zu setzen.<br />

Wenn man die letzten 20 Jahre <strong>de</strong>s Hebbel-Theaters<br />

betrachtet, dann hat in <strong>de</strong>n letzten Jahren ein <strong>de</strong>utlicher<br />

Verlust von Europa, ein Roll back, stattgefun<strong>de</strong>n.<br />

Damals hat das Hebbel-Theater zusammen mit Kaaitheater,<br />

mit Felix Mer<strong>iti</strong>s große<br />

EU-För<strong>de</strong>rung europäische Koproduktionen<br />

gemacht, die dann getourt<br />

sind. Dieses System <strong>de</strong>r Koproduktionen auf <strong>de</strong>m Level<br />

von Häusern mit 500 Plätzen existiert im Moment nicht<br />

mehr. Es hat eine Wie<strong>de</strong>rbelebung <strong>de</strong>s Systems auf <strong>de</strong>r<br />

Ebene von Häusern mit 200 bis 300 Plätzen gegeben<br />

– bei uns das HAU ZWEI und HAU DREI. Dort gibt es ein<br />

gut funktionieren<strong>de</strong>s System <strong>de</strong>r Zusammenarbeit mit<br />

<strong>de</strong>m Theatre <strong>de</strong> Bastille, mit Kaaitheater, mit kleineren<br />

Bühnen überall in Europa, mit einer Praxis, die sich neu<br />

ausgebil<strong>de</strong>t hat. Aber diese Praxis ist nicht mehr in <strong>de</strong>r<br />

Lage, von Deutschland aus eine finanzielle Absicherung<br />

zu erbringen, wenn diese in <strong>de</strong>n Heimatstädten<br />

<strong>de</strong>r künstlerischen Produktionen nicht geleistet wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Aus dieser Perspektive heraus wür<strong>de</strong> ich sagen,<br />

im Moment ist die Pol<strong>iti</strong>k in Europa uns Künstlern einen<br />

Schritt voraus.<br />

Es gibt natürlich die Netzwerke. Auch das HAU arbeitet<br />

in Netzwerken wie THEOREM, einem Balkan-Netzwerk<br />

und mit europäischen Partnern par excellence.<br />

In <strong>de</strong>n letzten Jahren hat es als Gegenbewegung zum<br />

institutionellen Verlust eine Inflation von Festivals, eine<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />

Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />

Inflation von Begegnungen<br />

gegeben. Das war zunächst<br />

wun<strong>de</strong>rbar, weil hier persönliche<br />

Verbindungen entstan<strong>de</strong>n<br />

sind, nur stellt sich jetzt die Frage, wie können wir<br />

dieses System weiterentwickeln.<br />

Ich habe als Bürger das Gefühl, ich lebe gar nicht<br />

mehr in Deutschland, son<strong>de</strong>rn im Wesentlichen<br />

wer<strong>de</strong>n die Bedingungen meines Lebens in Brüssel<br />

entschie<strong>de</strong>n. Dort wer<strong>de</strong>n erhebliche Summen umgesetzt.<br />

Es gab jedoch in <strong>de</strong>n letzten Jahren auch eine<br />

Gegenreaktion auf die Globalisierung und auf einen<br />

sich entwickeln<strong>de</strong>n europäischen Nationalstaat – das<br />

Interesse an <strong>de</strong>n regionalen Kulturen als Rückzug in die<br />

eigenen Nischen.<br />

Aber für die nächsten zehn Jahre sollten uns eher<br />

die Fragen interessieren, wie entwickeln sich kulturelle<br />

Szenen in Europa, wie bezieht sich eine Berliner Szene<br />

auf eine Szene in Riga, in London o<strong>de</strong>r in Paris und welche<br />

Projekte entwickeln sich daraus. Es wäre wichtig,<br />

dass diese Prozesse mit finanzieller För<strong>de</strong>rung begleitet<br />

wer<strong>de</strong>n. Künstler sind immer so gut wie die Strukturen,<br />

in <strong>de</strong>nen sie arbeiten. Man hat das in <strong>de</strong>n letzten<br />

Jahren in Berlin gesehen. Die Freie Szene <strong>de</strong>r Stadt<br />

gehört sicherlich zu <strong>de</strong>n aufregendsten im europäischen<br />

Vergleich. Das hat aber auch damit zu tun, das<br />

zwei große Fonds, <strong>de</strong>r Hauptstadtkulturfonds und die<br />

Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL , sehr viel Geld in die Hand<br />

genommen haben, um diese Szene zu entwickeln, mit<br />

<strong>de</strong>m Ergebnis, dass sie jetzt ein qualitativ sehr hohes<br />

Niveau hat. Ich glaube, wenn wir auf europäischer Ebene<br />

die Kunst- und Kulturszene weiterentwickeln wollen,<br />

dann muss es dazu auch solche<br />

Fonds geben. Es muss in<br />

Europa eine an<strong>de</strong>re Durchlässigkeit<br />

europäischer<br />

Antragsverfahren, eine<br />

an<strong>de</strong>re Bekanntheit dieser<br />

EU-För<strong>de</strong>rung<br />

Bürokratieabbau<br />

Durchlässigkeit von Fonds<br />

und För<strong>de</strong>rstrukturen<br />

Fonds geben. Aus Deutschland wer<strong>de</strong>n so gut wie keine<br />

EU-Anträge gestellt. Bei <strong>de</strong>r EU-För<strong>de</strong>rung kommt<br />

Deutschland nur marginal vor. Das hat mit komplizierten<br />

Verfahren und mit Schwierigkeiten bei <strong>de</strong>r Gegenfinanzierung<br />

zu tun.<br />

Ebenfalls ein wichtiger Punkt wäre die Schaffung<br />

eines Cultural Contact Point GL in Berlin. Was soll ein<br />

Cultural Contact Point GL in Bonn, wenn die Kultur in<br />

<strong>de</strong>n großen Metropolen gemacht wird? Der gehört<br />

nach Berlin, Hamburg o<strong>de</strong>r München.<br />

Ein zweiter Punkt: Wir müssen lernen, für die I<strong>de</strong>en,<br />

die wir längst haben, die wir längst in Kooperation<br />

mit an<strong>de</strong>ren entwickeln, auch in gleichem Maße För<strong>de</strong>rmöglichkeiten<br />

zu nutzen und um För<strong>de</strong>rung zu<br />

kämpfen. Dann haben wir auch die Chance zu sagen,<br />

es gibt keine <strong>de</strong>utsche o<strong>de</strong>r lettische Kultur mehr, son<strong>de</strong>rn<br />

es gibt einen künstlerischen Prozess, wo die Arbeit<br />

von Alvis Hermanis von Rimini-Protokoll angeregt wird<br />

und umgekehrt, wo ein Dialog künstlerisch entsteht.<br />

Dann können wir auch künstlerisch Themen setzen.<br />

Ein an<strong>de</strong>res Thema, das mir im Zusammenhang mit<br />

Europa enorm wichtig ist und das hier bereits von Gottfried<br />

Wagner angesprochen wur<strong>de</strong>: Über europäische<br />

Kultur ist nicht nur als eine Kultur <strong>de</strong>r Nationalstaaten<br />

nachzu<strong>de</strong>nken, son<strong>de</strong>rn als auch als eine Kultur <strong>de</strong>s<br />

Austauschs und <strong>de</strong>r Vielfalt – angefangen bei <strong>de</strong>n<br />

Commun<strong>iti</strong>es. Es war in <strong>de</strong>n letzten zwei Jahren eine<br />

<strong>de</strong>r wichtigsten In<strong>iti</strong>ativen <strong>de</strong>s HAU, die verschie<strong>de</strong>nen<br />

Commun<strong>iti</strong>es in unsere Arbeit mit einzubeziehen. Wir<br />

sind ein Theater in einem von Migranten geprägten<br />

Stadtteil; 40% <strong>de</strong>r Schüler in Berlin sind Migranten,<br />

25% <strong>de</strong>r Gesamtbevölkerung sind Migranten. Und<br />

wenn man, wie das HAU, 4,1 Millionen Euro von dieser<br />

Stadt bekommt, dann hat man gegenüber <strong>de</strong>n Bürgern<br />

dieser Stadt auch die Pflicht, diese Gruppen zu integrieren.<br />

Was daraus entstan<strong>de</strong>n ist, war eine künstlerische<br />

14


Explosion und einer <strong>de</strong>r aufregendsten Versuche unserer<br />

Arbeit. Ich glaube, dass man Kulturarbeit in Europa nur<br />

vor diesem Hintergrund machen kann, und ich freue<br />

mich über die Entscheidung <strong>de</strong>r Europäischen Union,<br />

ihre Kulturhauptstadt 2010 nach Istanbul zu verlegen.<br />

Jonathan Mack<br />

Projektleiter Internationales Amateurtheaterfestival<br />

„Theatertage am See“, Friedrichshafen<br />

Mein Name ist Jonathan Mack. Ich bin Projektleiter<br />

beim Internationalen Amateurtheaterfestival „Theatertage<br />

am See“ sowie <strong>de</strong>utscher Jugend<strong>de</strong>legierter<br />

<strong>2007</strong> zur Generalversammlung<br />

<strong>de</strong>r<br />

Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />

Bsp. Kulturin<strong>iti</strong>ative „A European<br />

Vereinten Nationen.<br />

Theatre Adventure“<br />

Vor drei Jahren rief<br />

ich die Kulturin<strong>iti</strong>ative „A European Theatre Adventure“<br />

ins Leben. Junge Menschen aus West- und Osteuropa,<br />

zur Hälfte jeweils junge Sinti und Roma, arbeiteten gemeinsam<br />

mit professionellen Künstlern. Während <strong>de</strong>n<br />

10tägigen internationalen Begegnungen ent<strong>de</strong>ckten<br />

sie mit Theater, Tanz und Musik ihre eigenen Visionen<br />

zur europäischen Vielfalt, zur Frage nach „Heimat“ und<br />

in diesem Jahr zu ihren eigenen „Wurzeln“.<br />

Unser zentraler Anspruch strebt eine prozessorientierte<br />

Theaterarbeit auf gleicher Augenhöhe aller Beteiligten<br />

an. Nach einem ersten Jahr <strong>de</strong>r Zusammenarbeit<br />

im sozio-kulturellen Bereich, insbeson<strong>de</strong>re mit Ungarn,<br />

Rumänien, Bulgarien und Spanien, ent<strong>de</strong>ckten wir im<br />

Folgejahr die Kooperation mit Partnern aus <strong>de</strong>n Westbalkanlän<strong>de</strong>rn<br />

und Roma- Selbstorganisationen. Im<br />

dritten Jahr bewegten wir uns von <strong>de</strong>r sozio-kulturellen<br />

auf eine tiefere, künstlerische Ebene, ohne die Beteiligung<br />

von jungen Menschen, insbeson<strong>de</strong>re jungen Sinti<br />

und Roma aus <strong>de</strong>m Auge zu verlieren. Das Projekt<br />

wur<strong>de</strong> vom Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste GL sowie von „Jugend<br />

für Europa“, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Nationalagentur <strong>de</strong>s<br />

europäischen Jugendprogramms geför<strong>de</strong>rt. Die Bilanz<br />

<strong>de</strong>s Projektes: eine beeindruckte Öffentlichkeit und sehr<br />

nachhaltige Folgen bei <strong>de</strong>n Teilnehmern verbun<strong>de</strong>n<br />

mit einer großen Eigendynamik zur Fortsetzung und<br />

Weiterentwicklung. Theater hat sich als universelle Verständigungsform<br />

dabei beson<strong>de</strong>rs bewährt.<br />

Eine gewisse Frustration über die europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

lässt sich jedoch nicht verschleiern:<br />

1.) Wieso wird eine europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k ganz<br />

Europäische<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

offensichtlich von <strong>de</strong>r Visapol<strong>iti</strong>k<br />

<strong>de</strong>utscher Botschaften untergraben?<br />

Die bewusst geför<strong>de</strong>rte Integration<br />

von sozial benachteiligten Jugendlichen und<br />

Sinti und Roma aus Albanien, Serbien und Mazedonien<br />

wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Botschaften gestoppt.<br />

2.) Warum sind junge Menschen und Min<strong>de</strong>rheiten,<br />

insbeson<strong>de</strong>re Sinti und Roma, immer wie<strong>de</strong>r Opfer einer<br />

sie missbrauchen<strong>de</strong>n Kulturarbeit? Es gibt wohl keine<br />

Bevölkerungsgruppe wie die Jugend, die <strong>de</strong>rart mo-<br />

bil Grenzen überschreitet, Sprachen lernt und die interkulturelle<br />

Verständigung för<strong>de</strong>rt. Es wird gemunkelt,<br />

die Jugend sei die Zukunft Europas. Das Bun<strong>de</strong>skanzleramt<br />

organisiert Gartenpartys, bei <strong>de</strong>nen junge Menschen<br />

Opfer künstlerischer Partizipationsmaßnahmen<br />

wer<strong>de</strong>n. Als junger Bürger dieses Europas for<strong>de</strong>re ich,<br />

nicht länger bevormun<strong>de</strong>t zu wer<strong>de</strong>n. Wir wollen nicht<br />

nur Theaterprojekte für Jugendliche, son<strong>de</strong>rn mehr<br />

Theaterprojekte von und mit Jugendlichen. Wenn<br />

die Jugend die viel beschworene Zukunft Europas sein<br />

soll, kann sie nicht Objekt pol<strong>iti</strong>scher o<strong>de</strong>r kultureller<br />

Projekte sein, son<strong>de</strong>rn muss als gleichberechtigter Partner<br />

in diesem Europa <strong>de</strong>r Vielfalt beteiligt sein. Es reicht<br />

nicht, dass Pol<strong>iti</strong>k und Verwaltung zu wissen meinen,<br />

was „gut“ ist für die Jugend. Wir jungen Menschen haben<br />

längst verstan<strong>de</strong>n, dass wir die Fähigkeiten haben,<br />

unseren eigenen kulturellen und pol<strong>iti</strong>schen Beitrag zu<br />

einem Europa <strong>de</strong>r Vielfalt zu leisten. Dies betrifft insbeson<strong>de</strong>re<br />

die Kulturpol<strong>iti</strong>k. För<strong>de</strong>rungsprogramme<br />

und inhaltliche Schwerpunkte dürfen nicht ohne Jugendliche<br />

und Min<strong>de</strong>rheiten gemacht wer<strong>de</strong>n und<br />

sie nicht in ihren Bedürfnissen und ihrem kreativen<br />

Potential einschränken und vorbestimmen.<br />

3.) Wenn Profis im Sport junge Menschen för<strong>de</strong>rn<br />

können, warum nicht auch in<br />

<strong>de</strong>r Kunst und Kultur? Junge Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

Menschen, ebenso wie Min<strong>de</strong>rheiten<br />

brauchen „empowerment“. Wir arbeiten<br />

<strong>de</strong>shalb mit Profis aus ganz Europa. Diese Form <strong>de</strong>r<br />

europäischen Zusammenarbeit wird bisher nicht anerkannt.<br />

Jugendliche dürfen nicht selbst zu Künstlern<br />

und Kulturschaffen<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Viele künstlerische In<strong>iti</strong>ativen<br />

junger Menschen scheitern an einem Spagat<br />

zwischen außerschulischer Bildungsarbeit und professionalisierter<br />

Erwachsenenkunst. Für das nicht-formale<br />

Bildungsprogramm „Jugend in Aktion“ hat eine<br />

intensive künstlerische Arbeit einen zu professionellen<br />

Charakter. Die Einbeziehung von professionellen Referenten<br />

wird nicht geför<strong>de</strong>rt. Ein in Deutschland hoch<br />

gelobtes Projekt wird in Ungarn abgelehnt<br />

mit <strong>de</strong>r Begründung, eine <strong>de</strong>rart<br />

professionelle Theaterarbeit entspricht<br />

Mobilität<br />

nicht <strong>de</strong>n Kriterien <strong>de</strong>r nicht-formalen Bildungsarbeit.<br />

Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite wird das künstlerische Schaffen<br />

junger Menschen nur begrenzt <strong>de</strong>m professionellen<br />

Charakter <strong>de</strong>r Kulturprogramme gerecht. Diese Lücke<br />

muss überwun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Zukunft Europas liegt in <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>k. Diese<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k muss mit jungen Menschen und auch<br />

Europas Min<strong>de</strong>rheiten gemacht wer<strong>de</strong>n. Ich habe die<br />

Vision, dass viele junge Menschen unterschiedlicher<br />

Herkunft in gemeinsamen, teilweise von Profis angeleiteten,<br />

kulturellen Projekten zusammen arbeiten. Und<br />

in diesem Sinne möchte ich mich Herrn Gottfried Wagner<br />

anschließen, ein Mobilitätsprogramm für junge<br />

Menschen im Kulturbereich zu for<strong>de</strong>rn.<br />

Vielen Dank.<br />

Das Kreative Potential<br />

15


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Rolf Dennemann<br />

Regisseur, Dortmund<br />

Reisen, schauen und re<strong>de</strong>n – das sind die Schlüssel<br />

zur Verhin<strong>de</strong>rung von Arroganz, auch in <strong>de</strong>r Kunst.<br />

Schwer zu sagen, ob die Künstler auf diesem Gebiet <strong>de</strong>r<br />

Pol<strong>iti</strong>k voraus sind.<br />

Trotz aller Projekte und Mobilität wissen wir in Europa<br />

immer noch sehr wenig über die jeweils an<strong>de</strong>ren.<br />

Meine Reisen zu Festivals, Kongressen, wie <strong>de</strong>n IETM GL<br />

-Meetings, und an<strong>de</strong>ren Gelegenheiten in <strong>de</strong>n letzten<br />

zwanzig Jahren haben sicherlich dazu beigetragen,<br />

mein Welt- und Menschenbild zu formen. Über Theaterarbeit,<br />

ob schauen o<strong>de</strong>r selbst gestalten, weitet<br />

sich das Feld <strong>de</strong>r Kreativität. Trotz<strong>de</strong>m sind all diese<br />

Begegnungen nur kleine Teile, die sich in <strong>de</strong>m europäischen<br />

Mosaik verlieren. Das abgenutzte Wort „Vielfalt“<br />

gewinnt an Be<strong>de</strong>utung, wenn man die zahlreichen<br />

gleichförmigen Produktionen sieht, die man europäisch<br />

nennen könnte. Begegnet man <strong>de</strong>n Arbeiten und Menschen<br />

in <strong>de</strong>n Regionen, <strong>de</strong>n kleineren Zusammenhängen,<br />

kann das zu so etwas wie Beschei<strong>de</strong>nheit beitragen<br />

o<strong>de</strong>r Achtung.<br />

Nationale<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

Mit diesem Teil-Wissen übereinan<strong>de</strong>r geht man zurück<br />

in die eigene Region, um neu über die Welt o<strong>de</strong>r<br />

Europa nachzu<strong>de</strong>nken. Die Konzepte<br />

europäischer Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

Europäische<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

sind auf diesem Weg. Das unterschei<strong>de</strong>t<br />

sich <strong>de</strong>utlich von nationaler und kommunaler<br />

Pol<strong>iti</strong>k. Dort liegt <strong>de</strong>r eigentliche Schwachpunkt. Dort,<br />

wo man seine Arbeit ansetzt, umsetzt, zeigt, <strong>de</strong>r<br />

Heimatort o<strong>de</strong>r Ort <strong>de</strong>r Realisation seiner künstlerischen<br />

Konzepte, wo man sein Publikum hat, dort<br />

braucht <strong>de</strong>r Künstler die Unterstützung, sei er noch<br />

so europäisch. Denn dort zählt <strong>de</strong>r oft klein karierte<br />

Egoismus, dort wer<strong>de</strong>n Stadtgrenzen zur Zwangszone.<br />

Die Pol<strong>iti</strong>ker vor Ort wollen ihre Kommune beglücken,<br />

nicht die in <strong>de</strong>r Nachbarschaft und erst recht<br />

nicht die, die drei ICE-Stun<strong>de</strong>n entfernt liegt. Es gibt allerdings<br />

auch die Retourkutschen.<br />

Der Künstler zieht hinaus in die<br />

Welt, o<strong>de</strong>r sagen wir in die europä-<br />

ische Welt, wird in Land X o<strong>de</strong>r Ort Y gefeiert, geliebt.<br />

Plötzlich ist <strong>de</strong>r Sohn, die Gruppe, die Tochter <strong>de</strong>r Stadt<br />

– das hat man ja schon immer gewusst – willkommen.<br />

Zurzeit bereitet sich das Ruhrgebiet auf das Jahr<br />

2010 vor. Das ist das Kulturhauptstadt-Jahr und die 52<br />

(!) Gemein<strong>de</strong>n und Kommunen <strong>de</strong>r Region fin<strong>de</strong>n zueinan<strong>de</strong>r<br />

(wer alles plötzlich zum Ruhrgebiet gezählt wer<strong>de</strong>n<br />

will!). Es wird Kompromisse geben müssen. Man<br />

wird sich zusammenraufen müssen, und zwar zunächst<br />

mal nicht aus wirtschaftlichen Grün<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn aus<br />

kulturellen! Hoffen wir, dass das Programm kein Kompromiss<br />

sein wird, <strong>de</strong>r es allen recht machen will. Hoffen<br />

wir, dass es europäische Strahlung hat, auch und<br />

vor allem durch eigene Kreationen und Künstler. Aber<br />

ich schweife ab…<br />

Kommunikation!<br />

Wenn man sich entschei<strong>de</strong>t, international o<strong>de</strong>r europäisch<br />

zu arbeiten, muss man kommunizieren. Wie<br />

will man das schaffen, wenn man mit kleinen Teams<br />

arbeitet? Das braucht viel Energie. Wo lerne ich wen<br />

Künstler-<br />

Netzwerke<br />

kennen? Wer gibt mir Geld? Man<br />

braucht Produzenten und Manager.<br />

Es ist ein <strong>de</strong>utsches Dilemma,<br />

dass dies noch immer nicht sehr verbreitet ist. Der<br />

Tanz macht da weiter gute Fortschritte.<br />

Warum will ich eine Koproduktion mit <strong>de</strong>m Ausland?<br />

Was ist <strong>de</strong>r künstlerische Hintergrund und Sinn?<br />

Weil es Geldgeber gerne sehen? Weil es überall nach<br />

Vernetzung schreit? Haben Sie sich heute schon vernetzt?<br />

Weil Gent o<strong>de</strong>r Prag schöne Städte sind?<br />

Ein <strong>de</strong>ftiger, guter Grund ist: Da haben sich zwei<br />

MacherInnen kennen gelernt und spüren, dass es gut<br />

wäre, etwas zusammen zu gestalten. O<strong>de</strong>r sie machen<br />

was zusammen, weil es die Freundschaft hergibt. Diese<br />

Geschichten entstehen in erster Linie über Festivals<br />

o<strong>de</strong>r ähnliche Anlässe.<br />

Ein an<strong>de</strong>rer Weg ist, man beschließt von vorn herein,<br />

international zu arbeiten und setzt seine Produktionsgruppen<br />

entsprechend zusammen. In <strong>de</strong>n Metropolen<br />

fin<strong>de</strong>t man Künstler aus zahlreichen Län<strong>de</strong>rn,<br />

o<strong>de</strong>r man wechselt <strong>de</strong>n Wohnort. Krepsko aus Prag ist<br />

eine internationale Gruppe mit Sitz eben dort. Im Tanz<br />

ist das normaler Alltag.<br />

Ich habe auch einige gescheiterte Projekte gesehen,<br />

die durch Geld<br />

zustan<strong>de</strong> gekommen<br />

sind. „Wir machen<br />

das nächste Jahr was<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

Thematische För<strong>de</strong>rschwerpunkte<br />

vs. Freie För<strong>de</strong>rung<br />

mit <strong>de</strong>r Schweiz. Könnt ihr da nicht was koproduzieren?“<br />

Dafür gibt es Geld. Das wird gemacht und heraus<br />

kam eine Art Auftragsproduktion, die Käse war. Auch<br />

für die Macher.<br />

Die Kulturhauptstadt grast nun die Stadt Pecs nach<br />

Künstlern ab, die eine Zusammenarbeit mit Essen/<br />

Ruhrgebiet machen könnten. Da gibt es gar nicht so<br />

viele… wahrscheinlich. Wahrscheinlich wer<strong>de</strong>n dort<br />

Resi<strong>de</strong>nzen eingerichtet, damit es zu zahlreichen Austauschen<br />

kommt.<br />

Es herrscht ein Koproduktionswahn, <strong>de</strong>r pol<strong>iti</strong>sch<br />

und von För<strong>de</strong>rerseite gesteuert und gewollt<br />

ist. Immer mehr wer<strong>de</strong>n Vorgaben gemacht und Themen<br />

gesetzt. Mir scheint, <strong>de</strong>r Künstler, speziell <strong>de</strong>r<br />

Theaterkünstler, wird zu einem Gehilfen, zu einem Instrument,<br />

gesellschaftliche Fehlentwicklungen zu korrigieren.<br />

Inhaltlich sollten die Theatermacher <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k<br />

voraus sein, meint man. Viele sind es auch. Es wer<strong>de</strong>n<br />

vor allem von freien, unabhängigen Kreativen Themen<br />

behan<strong>de</strong>lt, die bei <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k erst ankommen, wenn das<br />

Feuer brennt.<br />

Aber Gel<strong>de</strong>r gibt es über Kuratoren, Ratsbeschlüsse<br />

und Landtagsbeschlüsse. Machen Sie was mit kultureller<br />

Bildung! Migration, Jugend, Kin<strong>de</strong>r, am besten alles<br />

zusammen.<br />

Europa spricht über Kultur. Besser gesagt, in<br />

Deutschland spricht man viel von Europa und seiner<br />

Kultur. Ich habe das Gefühl, es wur<strong>de</strong> noch nie so viel<br />

auf pol<strong>iti</strong>scher Ebene über Kultur gesprochen und <strong>de</strong>-<br />

16


attiert wie in <strong>de</strong>n letzten Monaten. Man stellt plötzlich<br />

fest, dass Kultur ein Wirtschaftsfaktor ist, ein Standortfaktor,<br />

dass Kultur zur Lebensqualität<br />

gehört. Besser wäre es, von<br />

Kulturwirtschaft<br />

<strong>de</strong>r Kunst zu sprechen. Wenn<br />

man einen Blick in die – vor allem regionalen Feuilletons<br />

wirft, erfährt man, was heutzutage alles darunter<br />

zu verstehen ist. Das ist ein so <strong>de</strong>rmaßen erweiterter<br />

Kulturbegriff, dass es wirklich angebracht ist, von Kunst<br />

zu sprechen. Aber dass es diese Debatten und Kongresse<br />

gibt, ist natürlich erst einmal gut. Warum tut<br />

man dies? Weil es ein Feld ist, das man pol<strong>iti</strong>sch noch<br />

steuern kann. Bei <strong>de</strong>r Wirtschaft klappt das ja schon länger<br />

nicht mehr. Jetzt sind die Künstler dran. Jetzt muss<br />

hier pol<strong>iti</strong>sch korrekt gehan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Und die meisten<br />

machen mit. Man sagt <strong>de</strong>n Künstlern, vor allem<br />

<strong>de</strong>njenigen, die von För<strong>de</strong>rgel<strong>de</strong>rn abhängig sind, was<br />

zu tun ist – nicht umgekehrt, das ist schon komisch.<br />

Pol<strong>iti</strong>cal correctness all überall!<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

Thematische För<strong>de</strong>rschwerpunkte<br />

vs. Freie För<strong>de</strong>rung<br />

Ich schlage vor:<br />

Haltet Euch da raus!<br />

Bewerbt Euch nicht<br />

auf Themenvorgaben!<br />

Macht was ihr wollt, wenn ihr wisst, was ihr wollt<br />

und stellt Anträge auf För<strong>de</strong>rung! Ich sehe einen Mangel<br />

an „schmutzigen“ Projekten! Alles blitzt und blinkt<br />

so vor sich hin! Aber bleiben wir im weichen Bereich!<br />

Austausch, Begegnung, Erfahrung sind unbezahlbar!<br />

IETM GL -Meetings – wie immer man zu Netzwerken stehen<br />

mag – sind ein Versammlungsort, <strong>de</strong>r vieles möglich<br />

macht. Das hat mit Pol<strong>iti</strong>k zunächst nichts zu tun.<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />

Netzwerke<br />

Sie kommen mir oft so vor wie<br />

organisierte Single-Treffen: „Haifisch<br />

sucht…“ Interessensgleiche<br />

haben die Chance, sich zu treffen. Spätere Heirat nicht<br />

ausgeschlossen. Die Kreativen sind da <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k schon<br />

lange voraus.<br />

Was die Gestaltung europäischer Kulturarbeit betrifft,<br />

gibt es sicher einige Player, die schon seit langem<br />

europäische Akzente setzen, Austauschprogramme vorantreiben<br />

und europäische Künstler in ihren Institutionen<br />

zeigen, die Unterschie<strong>de</strong> und Gemeinsamkeiten<br />

auf die Bühne bringen, für die die Pol<strong>iti</strong>k nicht bereit<br />

zu sein schien.<br />

Ich <strong>de</strong>nke, dass die Pol<strong>iti</strong>k auf Europaebene da<br />

Mobilität<br />

mittlerweile etwas angestoßen<br />

hat, was vorher an vielen Stellen<br />

bereits praktiziert wur<strong>de</strong>: Austausch<br />

und Begegnung, Mobilität. Aber muss man<br />

mobil sein wie ein nomadisieren<strong>de</strong>r Arbeitsuchen<strong>de</strong>r?<br />

Die Unterstützung fin<strong>de</strong>t in Deutschland für solche Aktivitäten<br />

kaum statt. Es fehlt hier vor allem an Orten, die<br />

regelmäßig ausländische Gastspiele zeigen o<strong>de</strong>r diese<br />

koproduzieren, abgesehen von <strong>de</strong>n Metropolen und einigen<br />

seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet arbeiten<strong>de</strong>n<br />

Produktionsorten wie <strong>de</strong>m Frankfurter Mousonturm. Im<br />

Ballungsraum Ruhrgebiet gibt es ein solches Koproduktionshaus<br />

nicht, abgesehen vom Choreographischen<br />

Zentrum PACT in Essen. Nur auf Festivals wie <strong>de</strong>r Fi<strong>de</strong>na,<br />

off limits o<strong>de</strong>r mit Abstrichen <strong>de</strong>r RuhrTriennale<br />

und mit großen Abstrichen, <strong>de</strong>n Ruhrfestspielen, hat<br />

das Publikum die Chance, europäische Entwicklungen<br />

zu erleben. Umgekehrt gibt es kaum Unterstützung.<br />

An<strong>de</strong>re Län<strong>de</strong>r haben patriotische Institute wie z.B.<br />

das Institut Français GL , Br<strong>iti</strong>sh Council GL , engagierte Außenministerien<br />

und pro Helvetia GL . Wir haben so etwas<br />

nicht. Das Goethe-Institut GL ist<br />

dafür nicht da, hat auch wenig<br />

Mittel.<br />

Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />

Kulturinstitute<br />

Die freien <strong>de</strong>utschen Produzenten außerhalb <strong>de</strong>r<br />

Institutionen brauchen bessere Produktionsbedingungen.<br />

Da reichen die paar großen Zentren nicht<br />

aus. Das <strong>de</strong>utsche Theatersystem verhin<strong>de</strong>rt Europarelevante<br />

Produktionen. Naturgemäß ist das im Tanz<br />

an<strong>de</strong>rs, aber auch nur in Ausnahmefällen.<br />

Wie reagiert das Publikum in Belgien auf mein<br />

Stück? Sind die Probleme in Schwe<strong>de</strong>n ähnlich? Welche<br />

Fragen tauchen auf? Das sind für Theaterschaffen<strong>de</strong><br />

spannen<strong>de</strong> Fragen, die sie weiterbringen, alles<br />

persönliche Dinge, die <strong>de</strong>n Menschen betreffen, <strong>de</strong>n<br />

Mittelpunkt <strong>de</strong>r künstlerischen Arbeit, nicht die Nation<br />

o<strong>de</strong>r Europa.<br />

Das Interesse <strong>de</strong>s Publikums hier war En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 80er<br />

ungleich größer, vor allem was osteuropäische Gastspiele<br />

betraf. Das Beson<strong>de</strong>re ist inzwischen nicht mehr<br />

an Län<strong>de</strong>rn fest zu machen, es bezieht sich vielmehr<br />

auf die entsprechen<strong>de</strong> Produktion. Ist das ein Stück<br />

Fortschritt Europas? Die Zeit <strong>de</strong>r multi-language Stücke<br />

scheint auch vorbei. Man will verstehen, was man<br />

hört.<br />

Persönlich habe ich einige Male europäisch<br />

kooperiert, aber alle diese Ge-<br />

Künstler-<br />

Netzwerke<br />

legenheiten kamen über Kommunikation und Festivals<br />

zustan<strong>de</strong>, zu <strong>de</strong>nen man eingela<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>.<br />

Novi Sad ist die Partnerstadt Dortmunds in Serbiens<br />

Voivodina. Vor <strong>de</strong>m 2. Nato Bombar<strong>de</strong>ment haben<br />

wir beim Festival „Infant“ in <strong>de</strong>r dortigen Synagoge<br />

das Tanz-Performance-Stück „Ren<strong>de</strong>zvous Sacral“ inszeniert.<br />

Ein <strong>de</strong>utscher Regisseur, eine amerikanische<br />

Tänzerin zusammen mit dortigen Künstlern und Laien<br />

- Kroaten, Serben und Bosniern. Das war einmalig, wur<strong>de</strong><br />

aber von <strong>de</strong>utscher Seite finanziell nicht unterstützt,<br />

eher seitens <strong>de</strong>r Stadt Novi Sad. Vor <strong>de</strong>r Abreise wur<strong>de</strong><br />

ein Safe geöffnet und die harte D-Mark ausgezahlt,<br />

Geld, das sicher über <strong>de</strong>n Schwarzmarkt zusammenkam.<br />

Das war ein wun<strong>de</strong>rbares „Balkanerlebnis“.<br />

Ein an<strong>de</strong>res Beispiel aus <strong>de</strong>m Jahr 1991: Ohne pol<strong>iti</strong>sche<br />

Unterstützung ist in Gelsenkirchen eine Produktion<br />

mit 18 Künstlern aus aller Welt entstan<strong>de</strong>n,<br />

die angereist sind, um zusammen eine inhaltliche und<br />

künstlerische Vereinbarung umzusetzen – durch private<br />

In<strong>iti</strong>ative mit damals massivem Gegenwind <strong>de</strong>r Grünen<br />

und vereinzelten SPDlern: Man solle sich doch gefälligst<br />

um die Auslän<strong>de</strong>r kümmern, die hier vor Ort seien.<br />

Beispiel Prag, Festival „4-days-in-motion“: Mehr aus<br />

einer Bierlaune heraus haben Pavel Storek und ich <strong>de</strong>n<br />

sicherlich europäisch relevanten Gedanken entwickelt,<br />

einmal das komplette Festival auszutauschen, die Prager<br />

crew macht‘s in Dortmund, wir machen‘s in Prag.<br />

Das wäre intensivstes Kennenlernen von Strukturen!<br />

Aber die europäischen För<strong>de</strong>rprogramme wer<strong>de</strong>n<br />

scheinbar nicht unkomplizierter,<br />

sie wer<strong>de</strong>n gera<strong>de</strong>zu<br />

undurchdringbar. Für Anträge<br />

EU-För<strong>de</strong>rung<br />

Bürokratieabbau<br />

benötigt man einen full time Arbeitsplatz. Man kann<br />

hoffen, dass das Proce<strong>de</strong>re, vor allem auch, was <strong>de</strong>n<br />

Das Kreative Potential<br />

17


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

so genannten Cash-Flow betrifft, einfacher wird. Kultur<br />

<strong>2007</strong> GL – för<strong>de</strong>rt zwar wie manch an<strong>de</strong>rer die Mobilität<br />

<strong>de</strong>r Künstler, was sicher gut ist, aber die nationalen und<br />

kommunalen För<strong>de</strong>rungen schließen Reisen gera<strong>de</strong>zu<br />

aus.<br />

Ich war für zwei Jahre Mitte <strong>de</strong>r 90er Mitglied in<br />

einem kleinen EU-Komitee unter griechischem Vorsitz,<br />

das die Aufgabe hatte, Vorschläge zur Vereinfachung<br />

<strong>de</strong>r Antragsverfahren zu machen. Es gab gute Ergebnisse,<br />

aber die Griechen wur<strong>de</strong>n ersetzt und das Papier<br />

verschwand in <strong>de</strong>r Schubla<strong>de</strong>. Wir haben auch Anträge<br />

gesichtet und entschie<strong>de</strong>n. Da saßen Leute, die zum<br />

Thomas Lehmen<br />

Choreograf, Berlin<br />

Zunächst mal ein Lob an das Europäische Netzwerk.<br />

Vor ca. 10 Jahren begann ich meine internationale<br />

Arbeit mit <strong>de</strong>r Hilfe <strong>de</strong>s Netzwerkes Aerowaves und<br />

Künstler-<br />

Netzwerke<br />

konnte so frühe Soli in Aarhus,<br />

London, Tallinn und Bergen<br />

zeigen. Dann ging alles ganz<br />

schnell und durch die Tanzplattform Deutschland und<br />

weitere internationale Festivals war meine Arbeit im Nu<br />

über einige Kontinente verteilt. Maßgeblich waren an<br />

dieser rapi<strong>de</strong>n Entwicklung bei <strong>de</strong>r „Aufbauarbeit“ zum<br />

einen die engagierten Produzenten Petra Roggel, Dirk<br />

Schlüter, André Theriault und Ulrike Becker vor Ort hier<br />

in Berlin beteiligt, zum an<strong>de</strong>ren einige internationale<br />

Produzenten wie Simon Dove, <strong>de</strong>r bis vor kurzem das<br />

Springdance Festival in Utrecht leitete. Die gut ausgebaute<br />

europäische Festivalstruktur, die es schon gab,<br />

ließ keine künstlerisch relevante Arbeit unent<strong>de</strong>ckt. Das<br />

überall vertretene Goethe-Institut GL unterstützte seit<strong>de</strong>m<br />

annähernd 100% meiner Auftritte im Ausland.<br />

Ich erlaube mir an dieser Stelle ein Dankeschön für<br />

Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />

Bsp. Goethe-Institut<br />

diese Unterstützung bei<br />

<strong>de</strong>r Entwicklung meiner<br />

Kunst und die Hilfe bei<br />

<strong>de</strong>r Präsentation, ohne die diese Arbeit gar nicht möglich<br />

wäre.<br />

Neben <strong>de</strong>n Stücken, in <strong>de</strong>nen ich selber auf <strong>de</strong>r<br />

Bühne stehe, wur<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>re Teile meiner Arbeit gera<strong>de</strong><br />

auch durch die Möglichkeit <strong>de</strong>s Reisens und <strong>de</strong>s<br />

Austauschs mit an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn inspiriert, in<strong>de</strong>m diese<br />

Differenzen bewusst genutzt wur<strong>de</strong>n, wie z.B. bei<br />

„Baustelle - Einfahrt freihalten“ in Tallinn o<strong>de</strong>r „Schreibstück“<br />

das Buch mit <strong>de</strong>r Partitur, das jeweils 3 Choreographen<br />

aus verschie<strong>de</strong>nen Kontexten auf einer Bühne<br />

realisieren. Mittlerweile gibt es, glaube ich, 21 Versionen<br />

aus 11 verschie<strong>de</strong>nen Län<strong>de</strong>rn und in diesem und<br />

im nächsten Jahr wollen sich Choreographen aus Brasilien,<br />

<strong>de</strong>n USA und Australien in <strong>de</strong>n austauschbaren<br />

Reigen einreihen.<br />

Teil relativ ahnungslos waren. Der Portugiese sprach<br />

fast nur Portugiesisch und er war <strong>de</strong>r einzige, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

in Portugiesisch eingereichten Antrag verstehen konnte.<br />

Er konnte uns dies aber nicht vermitteln. Das mag<br />

heute an<strong>de</strong>rs sein.<br />

En<strong>de</strong><br />

Hoffen wir, das es weniger unglücklich Ba<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

im europäischen Netzwerkhaifischteich gibt, son<strong>de</strong>rn<br />

mehr glücklich Plätschern<strong>de</strong> im Kunsthaus Europa.<br />

Später dann mit „Funktionen“ legte ich <strong>de</strong>n Fokus<br />

auf autopoetische, emergente Systeme, die sich in verschie<strong>de</strong>nen<br />

Projekten und Stücken auch an<strong>de</strong>rer Künstler<br />

weiterentwickeln. Im Ausland entstan<strong>de</strong>n auch<br />

weitere Auftragsarbeiten, die teilweise die Notwendigkeiten<br />

<strong>de</strong>s örtlichen Kontextes bearbeiten und diesen<br />

durch die Arbeit entwickeln lassen. Tallinn war ein solcher<br />

Ort und zuletzt auch Montevi<strong>de</strong>o in Uruguay, wo<br />

<strong>de</strong>r Staat erstmals in diesem Post-Diktatur gebeutelten<br />

Land ein Tanzstück mit Geld ausgestattet hat, um es<br />

in mehreren Städten aufzuführen. Auch hier war maßgeblich<br />

das Goethe-Institut GL an <strong>de</strong>r Realisation <strong>de</strong>s<br />

Projektes beteiligt.<br />

Aber mittlerweile ist man geneigt, sich und seine<br />

Kunst als europäisches bzw. globales Warengut zu<br />

verstehen.<br />

Wie bei einer komplizierten Maschine, die in Deutschland<br />

entwickelt wird, einige Einzelteile aus Tschechien<br />

geliefert wer<strong>de</strong>n, die in Portugal vormontiert wer<strong>de</strong>n,<br />

dann das Ganze wie<strong>de</strong>r nach Italien geschickt wird um<br />

es zu lackieren, in Frankreich mit <strong>de</strong>r kostbaren Elektronik<br />

bestückt wird und letztendlich wird es in alle Welt<br />

verkauft, in China kopiert und billiger hergestellt und<br />

schon funktioniert <strong>de</strong>r Markt zu Hause nicht mehr.<br />

Was ist geschehen?<br />

Die lokalen Strukturen kämpfen mit enormen finanziellen<br />

Schwierigkeiten und richten ihre Arbeit immer<br />

mehr nach <strong>de</strong>n thematischen Vorgaben und Koproduktionsmöglichkeiten<br />

aus. Für die lokale künstlerische<br />

Tätigkeit bleibt we<strong>de</strong>r Geld, Raum noch Zeit. Das<br />

Gleichgewicht von lokaler<br />

und internationaler<br />

Finanzierung hat<br />

sich eklatant zu einem<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

Thematische För<strong>de</strong>rschwerpunkte<br />

vs. Freie För<strong>de</strong>rung<br />

Muss von Kooperationen entwickelt. Zunächst ist ja<br />

nichts dagegen einzuwen<strong>de</strong>n, wenn man sich Kosten<br />

teilt und gleich bei dieser Gelegenheit Gastspiele vereinbart.<br />

Lei<strong>de</strong>r führt <strong>de</strong>r Zwang von Kooperation auch<br />

zu thematischer Einengung, führt <strong>de</strong>r Wettlauf um junge<br />

Talente und I<strong>de</strong>en zu einer Benachteiligung lokaler<br />

Künstler bei gleichze<strong>iti</strong>ger inflationärer Ausdünnung<br />

<strong>de</strong>r Qualität. Wie beim wirtschaftlichen Phänomen besteht<br />

auch im choreographischen Sektor ein Warenü-<br />

18


Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />

Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />

berschuss. In unserer jetzigen Situation gibt es wenig<br />

stabilisieren<strong>de</strong> Struktur, mit <strong>de</strong>r die Kunst reifen kann.<br />

Die überbetonte Fluktuation, das europäische<br />

Postulat <strong>de</strong>s mobilen flexiblen europäischen Künstlers<br />

mag ein in <strong>de</strong>r heutigen pol<strong>iti</strong>schen Situation erstrebenswerter<br />

Gedanke sein, wenn man ein gesamt-europäisches<br />

Bewusstsein als Priorität setzt. Die realen<br />

Effekte dieser Kulturpol<strong>iti</strong>k benötigen jedoch eine genauere<br />

Betrachtung.<br />

Lokal und Deutschlandweit trete ich schätzungsweise<br />

etwa nur zu 5 - 10% auf. 70% <strong>de</strong>r Auftritte fin<strong>de</strong>n im<br />

ausländischen Europa, 20 bis 25% in Übersee statt.<br />

Allerdings ist es mir als Künstler nicht möglich, direkt<br />

europäische Finanzen zu beantragen. Um europäisch<br />

funktionieren zu können und auf europäischer Ebene<br />

wahrgenommen zu wer<strong>de</strong>n, brauche ich aber auch einen<br />

Ort, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Lage ist, meine Arbeit in qualitativer<br />

Adäquatheit zu stützen.<br />

So muss ich z.B. meine Kunst lokal in Aufführungsund<br />

Besucherzahlen rechtfertigen, um lokal för<strong>de</strong>rungswürdig<br />

zu sein. Kein lokales Theater kann aber<br />

mehr als 3 - 6 Aufführungen buchen, bei einer Bezahlung,<br />

die gegen Null tendiert,<br />

versteht sich, weil die<br />

Theater zu viele Stücke verschie<strong>de</strong>ner<br />

Künstler zeigen<br />

müssen, unter an<strong>de</strong>rem auch <strong>de</strong>shalb, weil sie durch<br />

för<strong>de</strong>rungsrichtlinientaugliche Koproduktionen überhaupt<br />

ihren Etat zusammenbekommen.<br />

Für mich als lokalen Künstler heißt das, dass ich im<br />

Prinzip mit <strong>de</strong>m Geld, z.B. aus <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung vom Senat<br />

Berlin, das ich bekam, um mein Stück zu produzieren,<br />

die Struktur <strong>de</strong>s Theaters stützen muss, um dort<br />

auftreten zu können. Vorschläge, ob ich für weitere<br />

minimale Produktionshilfen eines Theaters auch noch<br />

zahlen wür<strong>de</strong>, schockieren mich <strong>de</strong>rmaßen, dass mein<br />

mit nie<strong>de</strong>rgeschlagenen Augen peinlich berührtes<br />

Schweigen dann auch als negative Antwort richtig verstan<strong>de</strong>n<br />

wird.<br />

Letztendlich kommt es dann doch wie<strong>de</strong>r auf die<br />

persönlichen Kontakte an, um überhaupt eine Kontinuität<br />

<strong>de</strong>r Unterstützung zu erreichen. Solche direkten<br />

Kontakte zu EU- Vertretern bleiben aber <strong>de</strong>m<br />

Künstler, meist sogar <strong>de</strong>n Produzenten unzugänglich.<br />

Auf internationaler Ebene sucht man sich die Produzenten<br />

zusammen, mit <strong>de</strong>nen man arbeiten will,<br />

Produzenten, die Arbeiten nicht nur kurzfristig zeigen,<br />

son<strong>de</strong>rn auch langfristig dazu stehen. Manchmal ergibt<br />

sich dann auch die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung.<br />

Die Menge an Kommunikation und die Menge<br />

an Menschen, die man in die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

und I<strong>de</strong>enfindung mit einbeziehen muss, überschreitet<br />

natürlich das normale menschliche Vermögen und ist<br />

bei paralleler künstlerischer Arbeit eigentlich nicht zu<br />

bewältigen.<br />

Sinn macht es durchaus, in einer an<strong>de</strong>ren Umgebung<br />

zu arbeiten, um vor <strong>de</strong>m Alltag Ruhe zu haben, um<br />

sich konzentrieren zu können. Der Austausch von I<strong>de</strong>en<br />

kann natürlich sehr inspirierend sein. Das internationale<br />

Touren und die damit einhergehen<strong>de</strong> Informations-Distribution<br />

führt aber lei<strong>de</strong>r auch dazu, dass überall die<br />

gleichen Fragen gestellt wer<strong>de</strong>n. Das Europrodukt Tanz<br />

gleicht sich. Anstatt sich thematisch-künstlerisch aus-<br />

einan<strong>de</strong>r zu setzen, wer<strong>de</strong>n Konzepte und Ästhetiken<br />

kopiert, im günstigen Fall leicht variiert. Man versucht<br />

<strong>de</strong>n Vorgaben <strong>de</strong>r internationalen Zusammenarbeit gerecht<br />

zu wer<strong>de</strong>n, doch ist <strong>de</strong>r Anspruch an hochwertige<br />

Kunst bei <strong>de</strong>r Suche nach eurotauglichen I<strong>de</strong>en bisher<br />

nicht eingelöst wor<strong>de</strong>n. Ich frage mich, ob bei all <strong>de</strong>n<br />

Funktionalisierungsversuchen<br />

<strong>de</strong>r Kunst<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

eine eigenständige<br />

Thematische För<strong>de</strong>rschwerpunkte<br />

Kunst überhaupt noch<br />

vs. Freie För<strong>de</strong>rung<br />

erwünscht ist. Will man dies, dann muss <strong>de</strong>r Kunst ein<br />

gewisser Freiraum zugestan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r nicht<br />

kontrollierbar ist. Thematische Vorgaben und pol<strong>iti</strong>sch-geographische,<br />

wirtschaftliche Interessen als Orientierungsmarken<br />

sind keine <strong>de</strong>r europäischen Kultur<br />

adäquate Herangehensweise.<br />

Im Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s europäischen Warentransfers wird<br />

die Kunst <strong>de</strong>rzeit verfeuert.<br />

Das Gute an <strong>de</strong>r Kunst aber ist, dass man kein Konzept<br />

vorgeben kann, ohne die Kunst <strong>de</strong>ssen zu berauben,<br />

was sie ausmacht. Diesem kunstinhärenten Faktor<br />

nämlich ist es zu verdanken, dass sich die Kunst immer<br />

wie<strong>de</strong>r eine Nische, einen Freiraum sucht, um ein unvorhergesehenes<br />

Produkt hervor zu bringen, auf das<br />

eigentlich auch alle warten. Da es kein Konzept gibt,<br />

wie man Kunst machen muss, kann es folglich auch<br />

kein Konzept geben, die Kunst zu lenken, zu instrumentalisieren.<br />

Damit die Kunst die Kunst ist, die außerhalb<br />

<strong>de</strong>r Regeln eine eigenständige, diskursive, kr<strong>iti</strong>sche,<br />

ihre eigene gesellschaftliche Aufgabe ernst nehmen<strong>de</strong><br />

Funktion erfüllt, sollte auf pol<strong>iti</strong>scher Ebene verstan<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n, dass die interessanten Projekte aus <strong>de</strong>r Friktion<br />

mit <strong>de</strong>r Struktur, aus <strong>de</strong>r unerhofften Begegnung<br />

mit <strong>de</strong>r Differenz, aus einem beschützten Freiraum und<br />

einem immer weiter hinterfragen<strong>de</strong>n Geist <strong>de</strong>s Künstlers<br />

hervorgehen. Alles Faktoren, die man we<strong>de</strong>r messen<br />

noch zählen, in <strong>de</strong>n meisten Fällen sogar nicht beschreiben<br />

kann, da es bei <strong>de</strong>m sich schnell wan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n<br />

Phänomen Kunst keine fixen Kriterien geben kann.<br />

Nur wenn die Kunst ihre Aufgabe in <strong>de</strong>r Natur ihrer<br />

Funktionsweise ausführt, können auch an<strong>de</strong>re Bereiche<br />

wie die <strong>de</strong>r Wirtschaft, <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Erziehungssystems<br />

im Wechselspiel mit <strong>de</strong>r Kunst von dieser prof<strong>iti</strong>eren.<br />

Nicht, wenn ihr artfrem<strong>de</strong> Funktionsweisen<br />

aufgezwängt wer<strong>de</strong>n.<br />

Man möge mich bitte nicht falsch verstehen: Große<br />

Teile meiner Arbeit beinhalten die Absicht ein komplettes,<br />

intelligentes, selbst bestimmtes und nicht zuletzt<br />

auch kommunikatives und <strong>de</strong>mokratisches Menschenbild<br />

auf <strong>de</strong>r Bühne zu zeigen. Einen Menschen,<br />

<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Lage ist, die Welt zu reflektieren und sich so<br />

zu gestalten, wie es nach einigen tausend Jahren europäischer<br />

Philosophie eigentlich angebracht ist. Und für<br />

diese I<strong>de</strong>e bin ich auch gerne im Staatsauftrag unterwegs,<br />

habe ich doch selbst noch einen Vater gehabt,<br />

<strong>de</strong>r in vielen Län<strong>de</strong>rn Europas im Staatsauftrag an<strong>de</strong>ren<br />

Menschen <strong>de</strong>n Schä<strong>de</strong>l einschlagen sollte. Allerdings,<br />

eventuell auch gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb, lasse ich mich nicht<br />

gerne als Bin<strong>de</strong>glied, Vorhut o<strong>de</strong>r Lückenbüßer für Wirtschaftsinteressen<br />

o<strong>de</strong>r Expansionspol<strong>iti</strong>k missbrauchen.<br />

Das Kreative Potential<br />

19


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Von <strong>de</strong>r EU wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gedanke formuliert, ein gesamteuropäisches<br />

Bewusstsein durch <strong>de</strong>n mobilen<br />

flexiblen Künstler hervorzurufen. Sprich, man bekommt<br />

Geld, wenn man diesen Leitgedanken mit seiner<br />

Kunst transportiert.<br />

Einerseits ist dies eine pol<strong>iti</strong>sche For<strong>de</strong>rung, die eigentlich<br />

nicht mit <strong>de</strong>n Grundlagen einer freien künstlerischen<br />

und kulturellen Ausübung einhergeht. An<strong>de</strong>rerseits<br />

geht diese For<strong>de</strong>rung nicht weit genug, <strong>de</strong>nn was<br />

sind <strong>de</strong>nn eigentlich die Stärken <strong>de</strong>r Kunst, <strong>de</strong>s Kunstaustausches?<br />

Was kann <strong>de</strong>nn die Kunst leisten, was die<br />

Wirtschaft, die Erziehung o<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>s an<strong>de</strong>re soziale System<br />

nicht leisten kann?<br />

Und, tut die Kunst das Verlangte nicht schon immer?<br />

Ist es nicht das kunsteigene Interesse in Differenz<br />

zu treten, von <strong>de</strong>r Verschie<strong>de</strong>nheit zu lernen, um immer<br />

wie<strong>de</strong>r eine neue Differenz zu kreieren? Waren es<br />

nicht Künstler und Produzenten, die als erste in <strong>de</strong>r<br />

Lage waren menschlich miteinan<strong>de</strong>r zu kommunizieren,<br />

während es in <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k noch um Besitz, Macht<br />

und höchstenfalls i<strong>de</strong>ologische Auseinan<strong>de</strong>rsetzung,<br />

allerdings mit kriegerischen Mitteln, ging?<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />

Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />

Produzenten und Künstler<br />

praktizieren lange schon diesen<br />

gefor<strong>de</strong>rten Austausch, das<br />

Touren und die Kooperation,<br />

aus einem künstlerischen Interesse heraus. Es braucht<br />

keine weiteren Zwänge dies zu tun.<br />

Woran es fehlt, sind Strukturen und Menschen, die<br />

unkompliziert und direkt über Räumlichkeiten und Mit-<br />

tel verfügen, um sie <strong>de</strong>r Kunstpraxis zur Verfügung zu<br />

stellen, ohne sofortige, zählbare, vorzeigbare, in <strong>de</strong>n<br />

pol<strong>iti</strong>schen Kontext einzubin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>, benutzbare Ergebnisse<br />

zu erwarten. Europa ist überall. Nicht nur in Bukarest,<br />

Warschau, Tallinn und vielen weiteren Orten <strong>de</strong>r<br />

neuen Beitrittslän<strong>de</strong>r, son<strong>de</strong>rn Europa ist auch Berlin,<br />

Hamburg, Essen, Gelsenkirchen,<br />

Saarbrücken, Cottbus<br />

und Finsterwal<strong>de</strong>.<br />

Dialog zwischen<br />

Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />

In allen Orten und Einrichtungen arbeiten bereits<br />

Menschen, die von <strong>de</strong>r lokalen Szene und <strong>de</strong>m dort<br />

Benötigten am meisten verstehen. Ein direkter Dialog<br />

mit diesen Produzenten und nicht zuletzt auch mit<br />

<strong>de</strong>n Künstlern selbst wäre hier seitens <strong>de</strong>r EU von<br />

Nöten. Fällt die lokale Struktur <strong>de</strong>n wirtschaftlichen<br />

Zwängen und Themen zum Opfer, wird man bald keinen<br />

konstruktiven Beitrag zum europäischen Gedanken<br />

mehr machen können und dies führt zu einer qualitativen<br />

Schwächung <strong>de</strong>s Gesamten.<br />

Wirtschaftliche Strategien sind nur begrenzt o<strong>de</strong>r<br />

gar nicht für <strong>de</strong>n Betrieb <strong>de</strong>r Kunst tauglich.<br />

Ich möchte eine Auseinan<strong>de</strong>rsetzung über die I<strong>de</strong>en<br />

anregen, nach <strong>de</strong>nen wir unsere Mo<strong>de</strong>lle einer europäischen<br />

För<strong>de</strong>rung und eines Europäischen Netzwerkgedankens<br />

praktikabel auf die realen unterschiedlichen<br />

Notwendigkeiten <strong>de</strong>r Künstler und <strong>de</strong>r Gesellschaft neu<br />

ausrichten können.<br />

Janek Müller<br />

Künstlerischer Leiter Theaterhaus Weimar<br />

Die In<strong>iti</strong>ative Theaterhaus Weimar ist eine ohne<br />

Immobilie seit 1999 existieren<strong>de</strong> Künstlergruppe in<br />

Weimar, <strong>de</strong>ren Inhalte und Formen sich immer wie<strong>de</strong>r<br />

gewan<strong>de</strong>lt haben und wan<strong>de</strong>ln und die sich von <strong>de</strong>r<br />

dünn besie<strong>de</strong>lten Freien Theaterlandschaft im Osten<br />

seit einigen Jahren immer wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Weg macht,<br />

um vornehmlich mit Künstlern in Polen und Lettland<br />

zusammen zu arbeiten. Mein Name ist Janek Müller.<br />

Zunächst möchte ich ein Projekt vorstellen, das meine<br />

Weimarer Mitkünstler und ich in <strong>de</strong>r letzten Zeit im<br />

Sinne <strong>de</strong>r europäischen Zusammenarbeit beschäftigt<br />

hat. Eben komme ich aus Riga, <strong>de</strong>r lettischen Hauptstadt,<br />

wo im Mai diesen Jahres eine Aufführung <strong>de</strong>r<br />

„Räuber“ stattfand. Zwar auf Friedrich Schillers Erstling<br />

basierend, aber quasi in einer Uraufführung <strong>de</strong>r bisher<br />

links liegen gelassenen Übersetzung eines jungen<br />

Letten aus <strong>de</strong>m Jahre 1818. Dieser junge Mann, Janis<br />

Peitans, hatte seinen Gutsherren in ein Theater begleitet<br />

und war von <strong>de</strong>m, was er dort zu sehen und zu<br />

hören bekam, <strong>de</strong>r pol<strong>iti</strong>schen Brisanz <strong>de</strong>r „Räuber“ <strong>de</strong>rart<br />

begeistert, dass er sich daran machte, das Drama<br />

zu übersetzen und es nach 3jähriger Arbeit mit seinen<br />

Kumpels in einer Scheune aufzuführen. Wir haben hier<br />

nicht nur ein schönes Beispiel für <strong>de</strong>n Kultur- und I<strong>de</strong>en-<br />

transfer zu Beginn <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts, son<strong>de</strong>rn auch<br />

einen Stichpunkt in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s Freien Theaters:<br />

Jemand hat eine I<strong>de</strong>e, fragt seine Kumpels, ob sie mitmachen<br />

und an einem abse<strong>iti</strong>g gelegenen Ort wie einer<br />

Scheune wird die Sache dann aufgeführt. Übrigens floh<br />

Janis Peitans wenig später, um <strong>de</strong>r Leibeigenschaft zu<br />

entkommen.<br />

Ebenso lange wie Peitans Übersetzung, fast 3 Jahre<br />

also, dauerte nun die Vorbereitung <strong>de</strong>r Produktion<br />

<strong>de</strong>r lettischen „Räuber“<br />

gemeinsam mit <strong>de</strong>r Rigaer<br />

Gruppe „United Intimacy“<br />

und freundlicherweise hat<br />

hier das Goethe-Institut GL<br />

München im Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />

Bsp. Goethe Institut<br />

München und<br />

Kultur Kapital Fonds Riga<br />

Nachwuchsför<strong>de</strong>rung neben <strong>de</strong>m Kultur Kapital Fonds<br />

Riga Gel<strong>de</strong>r bereitgestellt. 2005 entstand im Rahmen<br />

<strong>de</strong>s Schillerfestivals „Räuber und Gendarmen“ in Weimar<br />

die I<strong>de</strong>e zur Aufführung, es brauchte die Zeit, die<br />

Textvorlage aus <strong>de</strong>n Originalaufzeichnungen im Archiv<br />

zu transkribieren, eine Fassung zu erstellen, Darsteller<br />

und ein Produktionsteam zu fin<strong>de</strong>n. Aufgeführt wur<strong>de</strong><br />

in lettischer Sprache.<br />

Meine Erfahrungen mit <strong>de</strong>m Projekt formulieren<br />

sich schließlich in zwei Fragen:<br />

Erstens, wie gelingt es, innerhalb von Projekten, die<br />

auf Sprache basieren, die Vielfalt <strong>de</strong>s europäischen<br />

Sprachraums zu entwickeln? Was be<strong>de</strong>utet z.B. das<br />

20


simultane Übersetzen für diese Projekte und für <strong>de</strong>ren<br />

Ästhetik <strong>de</strong>r Vermittlung? Denn natürlich hätte man<br />

sich auch gemeinsam auf Englisch einigen können.<br />

Zweitens: In welcher<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung Weise ist uns heute schon<br />

bewusst, dass <strong>de</strong>r vorausgesetzte<br />

pol<strong>iti</strong>sche Wille, europäische Zusammenarbeit zu<br />

beför<strong>de</strong>rn, in <strong>de</strong>r Konsequenz be<strong>de</strong>utet, dass Projekte<br />

längerfristig angelegte Unternehmen sind und also<br />

auch längerfristiger Kosten verursachen als an<strong>de</strong>re<br />

Projekte? Was am Beispiel <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rpraxis in Deutschland,<br />

in Kommunen und Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>n meistens<br />

auf ein Jahr begrenzten Haushalten regelmäßig<br />

kollidiert.<br />

Der Kultur Kapital Fonds in Lettland bietet hier,<br />

wenn auch auf geringem finanziellen Niveau, die Möglichkeit,<br />

Projekte nach und nach, also anhand <strong>de</strong>r notwendigen<br />

Arbeitsschritte aufzubauen. Wenn ich das<br />

ganz richtig verstan<strong>de</strong>n habe, beantragten unsere Partner<br />

die notwendigen Gel<strong>de</strong>r in aufeinan<strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n<br />

Schritten. Zunächst also für einen Workshop, <strong>de</strong>r die<br />

potenziellen Partner in Riga versammelte, nächstens für<br />

die gemeinsame Arbeit am Script und <strong>de</strong>m Bühnenbild<br />

und schließlich für die eigentliche Produktion und die<br />

späteren Aufführungen. Dieses För<strong>de</strong>rsystem scheint<br />

mir angelehnt an die Film- und Medienför<strong>de</strong>rung.<br />

Mein Hinweis wäre daher, sich diese weit entwickelten<br />

Instrumente <strong>de</strong>r Film- und Medienför<strong>de</strong>rung in Europa<br />

einmal im Vergleich zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Freien Theaters<br />

anzuschauen. Genau so, wie heute Projekte mit europäischer<br />

Ausrichtung im Freien Theater entstehen, sollte<br />

man I<strong>de</strong>e, Drehbuch, Projektentwicklung, Produktion<br />

und Distribution aufbauend för<strong>de</strong>rn. Es geht nicht darum,<br />

dass man dabei von Seiten <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rgeber das<br />

Risiko <strong>de</strong>s Scheiterns von Projekten minimiert, in<strong>de</strong>m<br />

man Kontrollmechanismen in die Entwicklungsschritte<br />

eines Projekts einbaut. Es geht darum, dass die verschie<strong>de</strong>nen<br />

Schritte <strong>de</strong>r Projektentstehung immer auch<br />

neue Schritte, damit neue Erfahrungen und neue Partner<br />

be<strong>de</strong>uten. Es geht dabei um die Erweiterung und<br />

Entwicklung <strong>de</strong>r Wirksamkeit von Projekten.<br />

Das Beispiel <strong>de</strong>s „Räuber“- Projekts bringt mich auch<br />

darauf, was wir uns von <strong>de</strong>m neuen Programm „Kultur<br />

<strong>2007</strong>“ GL <strong>de</strong>r EU in gewisser Weise versprochen hatten.<br />

Europäische<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

Zum einen rechneten wir damit,<br />

dass das Programm auch<br />

einen Akzent in <strong>de</strong>r internationalen<br />

Zusammenarbeit mit an<strong>de</strong>ren Weltregionen setzen<br />

wür<strong>de</strong>. Das ist offenbar nicht <strong>de</strong>r Fall und ist insofern<br />

scha<strong>de</strong>, weil hier europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k auch<br />

Vorreiter einer europäischen Außenpol<strong>iti</strong>k hätte sein<br />

können. Was man natürlich unter <strong>de</strong>n Mitgliedsstaaten<br />

<strong>de</strong>r EU auch wollen muss. Ich weiß nicht, ob die EU hier<br />

bereits aktiv ist, aber das wird vielleicht eine Diskussion<br />

zeigen.<br />

Damit hängt auch zusammen, dass beispielsweise<br />

unsere Weimarer Partner in Lettland und Polen mit<br />

uns gemeinsam neue Erfahrungen machen wollen,<br />

anstatt auf längere Sicht immer, ich nenne es einmal<br />

so, europäische Binnenthemen zu bearbeiten, in <strong>de</strong>nen<br />

wir uns nur dauerhaft immer wie<strong>de</strong>r neu kennen lernen<br />

und begegnen dürfen.<br />

Nun noch ein paar abschießen<strong>de</strong> Sätze zum Standort<br />

<strong>de</strong>r In<strong>iti</strong>ative Theaterhaus Weimar und <strong>de</strong>n Möglichkeiten,<br />

Kommune und Bun<strong>de</strong>sland im Rahmen europäischer<br />

Zusammenarbeit, in einer Zusammenarbeit<br />

<strong>de</strong>r Freien Theater <strong>de</strong>r Regionen zu motivieren. Kommune<br />

und Bun<strong>de</strong>sland bil<strong>de</strong>n die Basis <strong>de</strong>s Aufbaus <strong>de</strong>r<br />

finanziellen Projektbudgets. Kommune und Land sind<br />

also im besten Fall die ersten Partner. Nun ist allgemein<br />

bekannt, dass die Kulturetats in <strong>de</strong>n Kommunen für<br />

jegliche Art freier Projekte ausgesprochen gering sind,<br />

ebenso verhält es sich, je<strong>de</strong>nfalls nach unserer Erfahrung,<br />

bei <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn. Sie haben ausreichend<br />

zu tun, im sozialen, infrastrukturellen und arbeitsmarktpol<strong>iti</strong>schen<br />

Feld tätig zu sein und sehen oft die Beför<strong>de</strong>rung<br />

freier, sich selbst entwickeln<strong>de</strong>r kultureller Strukturen<br />

mit Misstrauen.<br />

Dabei setzt beispielsweise <strong>de</strong>r Europäische Sozialfonds<br />

GL in seiner beabsichtigten Wirkung auch einen<br />

kulturellen Akzent, <strong>de</strong>r sich selbstverständlich auf die<br />

Breite kultureller Prozesse bezieht. Immer wie<strong>de</strong>r sprechen<br />

hier Pol<strong>iti</strong>ker (meistens die <strong>de</strong>r Oppos<strong>iti</strong>on) davon,<br />

dass dieser kulturelle Akzent in <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn<br />

nur absolut unzureichend verwirklicht wird. Es wäre insofern<br />

auch eine Angriffsfläche. Das müsste einmal von<br />

Gremien untersucht wer<strong>de</strong>n. Mit <strong>de</strong>m Europäischen<br />

Sozialfonds GL sollte gera<strong>de</strong> die Entwicklung <strong>de</strong>r Regionen<br />

in Europa beför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, und warum<br />

sollte dazu nicht auch das Freie Theater gehören.<br />

Das Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r Städtepartnerschaften ist eine an<strong>de</strong>re<br />

Möglichkeit, europäisch zusammen zu arbeiten,<br />

wenn man von <strong>de</strong>r Kommune ausgeht. Dieses Mo<strong>de</strong>ll<br />

führt aber oft nicht weit genug. Die Verbindungen, die<br />

nur teilweise auf <strong>de</strong>m Wunsch einer gemeinsamen,<br />

künstlerischen Produktion basieren, sind meistens zu<br />

ungelenk. So stellt sich natürlich die Frage, in wessen<br />

Interesse – Kommune o<strong>de</strong>r Land – die Beför<strong>de</strong>rung europäischer<br />

Koproduktionen nun eigentlich ist. Bei <strong>de</strong>n<br />

Produzenten solcher Projekte ist die Frage längst beantwortet.<br />

Uns, <strong>de</strong>r In<strong>iti</strong>ative Theaterhaus Weimar, die ich hier<br />

vertrete, ist es bisher lei<strong>de</strong>r nicht gelungen, europäische<br />

freie Kulturarbeit bei <strong>de</strong>n Kommunen und<br />

Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>n Fokus zu bringen.<br />

Das Kreative Potential<br />

21


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Jochen Sandig<br />

Direktor Sasha Waltz & Guests,<br />

künstlerischer Leiter Radialsystem V, Berlin<br />

Ich möchte noch einmal mit einer Metapher beginnen,<br />

die hier bereits strapaziert wur<strong>de</strong>: Wenn die Kultur<br />

<strong>de</strong>r Motor für Europa sein soll, dann stellt sich die Frage:<br />

Was ist das Vehikel? Woher kommt <strong>de</strong>r Treibstoff und<br />

wohin geht die Fahrt? Wenn wir uns bewegen wollen,<br />

brauchen wir auch ein Ziel. Ich habe jedoch das Gefühl,<br />

dass viele Mittel verausgabt wer<strong>de</strong>n, um einen Motor in<br />

Gang zu setzen, <strong>de</strong>r viel Treibstoff verbraucht, dass es<br />

aber <strong>de</strong>n Ort, wo man hin möchte, nicht wirklich gibt,<br />

auch <strong>de</strong>shalb, weil wir ein merkwürdiges Verständnis<br />

von Europa haben. Ruth Hieronymi sagte vorhin, dass<br />

wir zwar Deutsche seien, gleichze<strong>iti</strong>g aber auch Europäer.<br />

Das wird häufig übersehen. Pol<strong>iti</strong>ker re<strong>de</strong>n oft so,<br />

als seien das zwei verschie<strong>de</strong>ne Dinge, aber in <strong>de</strong>r praktischen<br />

Erfahrung von Künstlern und Kulturschaffen<strong>de</strong>n<br />

gehört das tatsächlich zusammen.<br />

Mit an<strong>de</strong>ren Worten: Wenn wir in Europa investieren<br />

und dabei auch unsere Nationen damit meinen, dann<br />

ist dies kein verlorenes Geld. Womit ich zum Treibstoff<br />

zurückkomme. Investive Mittel sind nur dann investive<br />

Mittel, wenn wir davon überzeugt sind, dass sie nicht<br />

verbrannt wer<strong>de</strong>n, wenn sie nicht einen leer laufen<strong>de</strong>n<br />

Motor anheizen, son<strong>de</strong>rn wenn sie auf ökonomischunternehmerische<br />

Weise eingesetzt wer<strong>de</strong>n, um einen<br />

Effekt hervorzurufen, einen return of investment, um einen<br />

Gewinn zu erzeugen. Damit<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

komme ich auf Thomas Lehmen<br />

Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />

zurück, <strong>de</strong>r zu Recht for<strong>de</strong>rt, dass<br />

Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />

dieser messbare Erfolg in <strong>de</strong>r Kultur<br />

nicht wirtschaftlichen Prinzipien allein unterworfen<br />

sein darf, <strong>de</strong>nn das wäre zu kurzfristig gedacht, zu kurzsichtig.<br />

D.h. auf <strong>de</strong>r einen Seite muss die Freiheit <strong>de</strong>s<br />

Künstlers erhalten bleiben, auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite<br />

muss in Strukturen investiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Ich hatte einmal das Vergnügen, habe es dann aber<br />

lei<strong>de</strong>r als eine Last empfun<strong>de</strong>n, bei einer Antragsrun<strong>de</strong><br />

von Kaleidoskop o<strong>de</strong>r Kultur 2000 GL eine Woche in<br />

Brüssel zu verbringen. Es war kafkaesk. Verschie<strong>de</strong>ne<br />

Län<strong>de</strong>rvertreter durften die Anträge sichten und in vielen<br />

Anträgen fand ich genau das, was Rolf Dennemann<br />

beschrieb: kurzfristig, mit heißer Na<strong>de</strong>l gestrickte Anträge,<br />

bei <strong>de</strong>nen sich kurz vor Abgabeschluss ein paar<br />

Leute zusammentelefoniert haben, um ein Projekt auf<br />

<strong>de</strong>n Weg zu bringen. Wirklich spannend erschienen uns<br />

aber gera<strong>de</strong> die Projekte, die am wenigsten stichhaltig<br />

formuliert waren. Man hatte das Gefühl, dass diejenigen,<br />

die die Gel<strong>de</strong>r beantragen und diejenigen, die<br />

über die Gel<strong>de</strong>r zu entschei<strong>de</strong>n haben, viel zu wenig<br />

zusammen arbeiten. Wenn wir davon ausgehen, dass<br />

Europa sozusagen die Hardware ist, dann sind wir – die<br />

Künstler, die Pol<strong>iti</strong>ker und Verwalter (es wird oft von <strong>de</strong>n<br />

Pol<strong>iti</strong>kern, aber viel zu wenig von<br />

EU-För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>n Verwaltern, <strong>de</strong>n Bürokraten,<br />

gesprochen), und schließlich die<br />

Programmmacher in <strong>de</strong>n Häusern – die Softwareentwickler.<br />

Diese drei Elemente müssen viel enger zusammen<br />

arbeiten. Wenn wir betriebwirtschaftlich „Marke<br />

Europa“, „Firma Europa“ sagen, dann müssen wir viel<br />

mehr in die Kommunikation <strong>de</strong>r einzelnen „Firmenbereiche“<br />

investieren und diesen Prozess gemeinschaftlich<br />

bewegen. Das kann nur gelingen, wenn wir Anreize<br />

schaffen, diese pol<strong>iti</strong>schen Tätigkeiten zu verbessern.<br />

Pol<strong>iti</strong>ker wie Frank-Walter Steinmeier haben dieses Feld<br />

längst für sich erkannt. Er hat als Außenminister die<br />

Kultur zur Chefsache erklärt, hat eine neue Dynamik in<br />

diesem Bereich geschaffen, wovon er jetzt prof<strong>iti</strong>ert. Er<br />

hat sich über die Kultur noch einmal einen Stellenwert<br />

geschaffen. Auch auf an<strong>de</strong>ren pol<strong>iti</strong>schen und bürokratischen<br />

Ebenen müssten Anreize geschaffen wer<strong>de</strong>n, so<br />

zu han<strong>de</strong>ln. Ich schlage daher vor, einen Preis für <strong>de</strong>n<br />

kreativsten europäischen Verwaltungsbeamten/in<br />

auszuloben. Warum nicht 50.000 Euro für einen Europäischen<br />

Verwaltungskreativpreis ausloben? Das wür<strong>de</strong><br />

einen ungeheuer kreativen Prozess in Gang setzen.<br />

Dass wir alle kreativ sind,<br />

darin brauchen wir uns nicht<br />

zu bestätigen, aber kreative<br />

Pol<strong>iti</strong>ker, kreative Verwal-<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

EU- und nationale Ebene<br />

tungsleute – das ist es, was wir brauchen. Genau da ist<br />

eine Verstärkung und Intensivierung nötig.<br />

Eine an<strong>de</strong>re For<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Anregung: Warum<br />

grün<strong>de</strong>n wir nicht in allen europäischen Län<strong>de</strong>rn europäische<br />

Produktionshäuser, die Mittel bekommen,<br />

um sie direkt an Künstler o<strong>de</strong>r Projekte national, regional<br />

o<strong>de</strong>r lokal zu vergeben. Ich bin davon überzeugt,<br />

dass dies <strong>de</strong>r richtigere Wege wäre, <strong>de</strong>nn das Wissen<br />

über die Künstler, die konkret an <strong>de</strong>r Basis die spannendsten<br />

Projekte entwickeln, sitzt nicht in Brüssel.<br />

Wir müssen viel besser analysieren, was <strong>de</strong>r Effekt<br />

von Invest<strong>iti</strong>onen im Kulturbereich ist. Denn sobald<br />

man sieht, dass eine Invest<strong>iti</strong>on im Kulturbereich sich<br />

rechnet – nicht nur ökonomisch gesehen, son<strong>de</strong>rn auch<br />

als Schaffung kultureller Werte – wird die Bereitschaft,<br />

mehr Geld auszugeben, enorm wachsen.<br />

Wir müssen alles daran setzen, dass sich Kreativität<br />

weiter entwickeln kann. Mobilität<br />

ist da ein Thema, das sich auch auf Mobilität<br />

die Mobilität im digitalen Raum<br />

ausweiten lässt. Die Schaffung zugänglicher W-LAN-<br />

Netze wäre hier als Beispiel zu nennen.<br />

Wir brauchen einen geschützten Raum, wo auch<br />

länger Zeit ist, um nachzu<strong>de</strong>nken; wo finanzielle Ressourcen<br />

für die Entwicklung von I<strong>de</strong>en bereitgestellt<br />

wer<strong>de</strong>n. Ich nenne das Inkubatoren, Räume, in <strong>de</strong>nen<br />

I<strong>de</strong>en geboren wer<strong>de</strong>n können, Brutkästen <strong>de</strong>r weiteren<br />

Entwicklungen. Im Vergleich zur Projektför<strong>de</strong>rung als<br />

Produktfinanzierung – wir wollen Aufführungen sehen,<br />

Festivals erleben – wäre dies die För<strong>de</strong>rung von I<strong>de</strong>en,<br />

die zunächst kein Ergebnis hervorbringen. Es müssten<br />

substantielle Mittel zur Verfügung gestellt wer<strong>de</strong>n, damit<br />

Künstler, Verwalter und Pol<strong>iti</strong>ker über diese Prozesse<br />

nach<strong>de</strong>nken können. Sperren wir alle eine Woche lang<br />

in einen Raum ein. Ich bin überzeugt davon, dass wir<br />

ein besseres Ergebnis bekommen wer<strong>de</strong>n als wir es bei<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rze<strong>iti</strong>gen Trennung von kreativen Antragstellern<br />

und zur kafkaesken Bearbeitung <strong>de</strong>r Anträge verurteilten<br />

Bürokraten haben.<br />

Noch ein letztes Wort zum Thema Koproduktion.<br />

Das ist eben nicht die I<strong>de</strong>e eines Einzelnen, <strong>de</strong>r mög-<br />

22


lichst viele Verbün<strong>de</strong>te sucht, die diese I<strong>de</strong>e mitfinanzieren.<br />

Eine Koproduktion, wie wir sie verstehen, ist<br />

Künstler-<br />

Netzwerke<br />

eine gemeinsam entwickelte<br />

I<strong>de</strong>e. Und m. E. hat diese I<strong>de</strong>e<br />

in ihrer Substanz viel mehr<br />

Chancen, wenn in <strong>de</strong>n Entwicklungsprozess auch diejenigen<br />

eingebun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, die über die Mittel verfügen.<br />

Das Kreative Potential<br />

Anmerkungen Walter Heun<br />

Produzent Joint Adventures, München<br />

Da schon einiges gesagt wur<strong>de</strong>, möchte ich an dieser<br />

Stelle einfach noch ein paar Begriffspaare in die<br />

Run<strong>de</strong> werfen und dann versuchen, die zentralen Gedanken<br />

noch einmal zusammen zu fassen.<br />

Ich erinnere mich an ein Begriffspaar, das bei einem<br />

Kongress in Montreal als sehr wichtig verhan<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong>.<br />

Da ging es um das Verhältnis zwischen Kultur und<br />

Han<strong>de</strong>l. Bei<strong>de</strong> Begriffe bezeichnen Kulturmächte, die<br />

dazu beitragen, dass eine Gesellschaft<br />

sich an<strong>de</strong>ren gegenüber öff-<br />

Kulturwirtschaft<br />

net. Man braucht nicht erst zu <strong>de</strong>n<br />

alten Griechen zurück zu gehen, um sich die Inter<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nz<br />

dieser bei<strong>de</strong>n Begriffe vor Augen zu halten. Im<br />

Zusammenhang <strong>de</strong>r Ökonomisierung fast aller Lebensbereiche<br />

ist jedoch <strong>de</strong>r Han<strong>de</strong>l ganz <strong>de</strong>utlich in <strong>de</strong>n<br />

Vor<strong>de</strong>rgrund getreten. Ich <strong>de</strong>nke, es ist ganz wichtig,<br />

auch im Rahmen einer solchen Gesprächsrun<strong>de</strong> darauf<br />

hinzuweisen, dass sich dieses Verhältnis auch wie<strong>de</strong>r<br />

umkehren kann. Ein ganz entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Punkt war<br />

in <strong>de</strong>m Zusammenhang auch <strong>de</strong>r eingangs geäußerte<br />

Gedanke von Herrn Wagner, dass die Kultur wie<strong>de</strong>r zu<br />

einer Gegenmacht gegen die Marktmechanismen<br />

wer<strong>de</strong>n muss. Gedanklich an Thomas Lehmens Beitrag<br />

anschließend, möchte ich an dieser Stelle ein br<strong>iti</strong>sches<br />

Netzwerk erwähnen, das sich „The Guardians of Doubt“,<br />

in Kurzform GOD, nennt. (Die Briten hatten schon<br />

immer wesentlich bessere Wortspiele als wir.) Das<br />

bringt mich zu einem Gedanken, <strong>de</strong>r m.E. für die Diskussion<br />

auch sehr wichtig ist, ich habe ihn auf Englisch<br />

formuliert: Give space for doubt and error. Ein künstlerischer<br />

Prozess hat immer damit zu tun, dass man sich<br />

auf Neuland begibt, und das beinhaltet auch immer<br />

das mögliche Scheitern dieses Prozesses. Im Kontext<br />

<strong>de</strong>r Ökonomisierung aller Lebensbereiche wird jedoch<br />

auch in <strong>de</strong>r Kultur immer wie<strong>de</strong>r versucht, dieses Scheitern<br />

durch Effizienzsteigerung zu verunmöglichen.<br />

Aber es muss allen klar sein, dass das Scheitern ein Teil<br />

<strong>de</strong>s Prozesses ist. In <strong>de</strong>m Zusammenhang möchte ich<br />

die Aussage von Thomas Lehmen, dass er am Anfang<br />

seiner künstlerischen Entwicklung sehr stark durch die<br />

europäischen Netzwerke geför<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>, auch noch<br />

einmal in <strong>de</strong>n Kontext stellen, dass je<strong>de</strong> Kürzung von<br />

Mitteln bei Festivals und europäischen Produktionszentren<br />

auch automatisch be<strong>de</strong>utet, dass eben genau das<br />

künstlerische Wagnis als erstes gekürzt wird, nämlich<br />

die Produktionsmittel. Das ist das einzige, worauf man<br />

als Produzent noch reagieren kann.<br />

Dann hatte ich noch so einen Gedanken, auch <strong>de</strong>n<br />

hatte Thomas Lehmen schon angesprochen. Wenn wir<br />

aufhören, in <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k nur darüber nachzu<strong>de</strong>nken,<br />

wie wir die Welt am besten ausbeuten können, um die<br />

Gewinnsteigerung zu maximieren, dann brauchen wir<br />

vielleicht nicht mehr die Kultur als Schutzschild o<strong>de</strong>r<br />

Feigenblatt für unser schlechtes Gewissen.<br />

Ein weiterer Begriff, <strong>de</strong>n ich hier in die Run<strong>de</strong> werfen<br />

will, ist die Umwegrentabilität. Dieser Begriff war v.a.<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

EU- und nationale Ebene<br />

in <strong>de</strong>n 80er und 90er Jahren<br />

wahnsinnig spannend.<br />

Er diente dazu, die Notwendigkeit<br />

von Kulturför<strong>de</strong>rung,<br />

gera<strong>de</strong> auch auf kommunaler Ebene, mit <strong>de</strong>n<br />

so genannten weichen Standortfaktoren für wichtig zu<br />

erklären. Ich <strong>de</strong>nke, ein ganz wichtiger Punkt ist, dass<br />

wir aufhören, Kultur und Kunst über irgendwelche<br />

Formen von Umwegrentabilitäten zu leg<strong>iti</strong>mieren.<br />

Es wur<strong>de</strong> heute bereits eingangs gesagt, dass es wichtig<br />

ist, Kultur und Kunst als zu för<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Wert an sich<br />

zu unterstützen. Dass sie auch soziale, gesellschaftliche,<br />

sozialpol<strong>iti</strong>sche o<strong>de</strong>r edukative Nebeneffekte hat, ist sicher<br />

wun<strong>de</strong>rbar, aber dies darf nicht zur Voraussetzung<br />

für die För<strong>de</strong>rung von Kunst und Kultur wer<strong>de</strong>n.<br />

Jetzt möchte ich noch einmal ganz kurz versuchen,<br />

zu rekapitulieren, was an diesem reichhaltigen Vormittag<br />

alles formuliert wur<strong>de</strong>.<br />

Der Eingangsgedanke, <strong>de</strong>n Herr Wagner formulierte,<br />

Kultur als Gegenmacht zu <strong>de</strong>n Marktmechanismen zu<br />

etablieren, war sicher eine hervorragen<strong>de</strong><br />

Steilvorlage, wie man das<br />

in <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k nennt. Es geht hier<br />

um die pol<strong>iti</strong>sche Kultur in Europa.<br />

Europäische<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k soll dabei nicht als reine Kulturför<strong>de</strong>rungspol<strong>iti</strong>k<br />

verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Es geht vielmehr darum,<br />

Kunst und Kultur als Wesenskraft für eine pol<strong>iti</strong>sche<br />

Kultur in Europa zu entwickeln. In diesem Zusammenhang<br />

hat Herrn Wagner gesagt, dass <strong>de</strong>r Begriff Kulturschaffen<strong>de</strong>,<br />

und da hat er einen sehr schönen Ausdruck<br />

benutzt, als Partisanen <strong>de</strong>r Begriffsbesetzung <strong>de</strong>s<br />

Begriffs Europa eine ganz neue Be<strong>de</strong>utung bekommt,<br />

d.h., dass die Kulturschaffen<strong>de</strong>n eben nicht nur kulturelle<br />

Werke erschaffen, son<strong>de</strong>rn auch tatsächlich diesen<br />

23


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Begriff eines kulturell <strong>de</strong>finierten Europas mit vorantreiben.<br />

In diesem Zusammenhang fällt mir als Kernthema<br />

<strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>k auch die Migration ein - Europa als<br />

ein kosmopol<strong>iti</strong>sches Projekt und die Kulturpol<strong>iti</strong>k dann<br />

als Diversitätspol<strong>iti</strong>k. Genau die nationalen Grenzziehungen,<br />

auch im Rahmen <strong>de</strong>r europäischen Pol<strong>iti</strong>k, wie<br />

wir gera<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r aktuell in <strong>de</strong>r Tagespol<strong>iti</strong>k erfahren<br />

haben, sind eigentlich obsolet. Und da die Migration<br />

tatsächlich ein alles beherrschen<strong>de</strong>s Thema ist, jenseits<br />

davon, was die Pol<strong>iti</strong>k will o<strong>de</strong>r nicht, kann Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

nur Diversitätspol<strong>iti</strong>k sein.<br />

Dann wur<strong>de</strong> weiterhin das schöne Argument gebracht,<br />

dass <strong>de</strong>r Rohstoff Europas die Kultur sei. In diesem<br />

Zusammenhang ein kleiner Exkurs: Nele Hertling<br />

und ich waren letzten November zusammen in China,<br />

in Shanghai beim China Shanghai International Arts<br />

Festival. Da ging es um die Entwicklung Chinas als Kulturstaat.<br />

Man beschäftigte sich dort mit <strong>de</strong>r Frage, wie<br />

schaffen wir es, von einem Volk <strong>de</strong>r Produzenten und<br />

Kopisten zu einem Volk <strong>de</strong>r Kreateure zu wer<strong>de</strong>n. Interessanterweise<br />

gibt es z.B. in Shanghai eine gut funktionieren<strong>de</strong><br />

U-Bahn. Das ist die Linie 1, die von Siemens<br />

gebaut wur<strong>de</strong>. Die restlichen U-Bahnen in Shanghai<br />

sind allesamt kopiert und fallen ständig aus. Und warum<br />

ist das so? Weil es eben nicht reicht, das, was an<strong>de</strong>re<br />

erdacht haben, zu kopieren. Denn dann kommt<br />

man nicht darauf, wie es wirklich funktioniert. In diesem<br />

Sinne sollte man sich in Europa vielleicht darauf<br />

konzentrieren, wie wir unser kreatives Potential erhalten<br />

können und wie wir unser kreatives Potential, auch<br />

kosmopol<strong>iti</strong>sch gesehen, dazu einbringen, eine Gesellschaft<br />

mitzukreieren, die jenseits rein ökonomischer<br />

und machtstrategischer Überlegung auch wie<strong>de</strong>r so<br />

etwas wie ein Ethos hat. Vielleicht ist es unpopulär, so<br />

etwas zu for<strong>de</strong>rn, aber ich möchte es einfach einmal in<br />

die Run<strong>de</strong> werfen.<br />

Es wur<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ne Strategien aufgezeigt,<br />

es wur<strong>de</strong> gefor<strong>de</strong>rt, ein EU- Mobilitätsprogramm für<br />

Künstler einzurichten. Ein Vorschlag war, flexible Fonds<br />

zu etablieren. Eine ganz zentrale For<strong>de</strong>rung war auch,<br />

die EU-Kulturför<strong>de</strong>rung effektiver zu gestalten, <strong>de</strong>nn in<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

EU- und nationale Ebene<br />

<strong>de</strong>r Art und Weise, wie sie im<br />

Moment funktioniert, schließt<br />

sie eigentlich die kleinen, par-<br />

tisanenartigen Organisationen aus. Es wur<strong>de</strong> weiterhin<br />

<strong>de</strong>r Vorschlag gemacht, Kulturför<strong>de</strong>rungspol<strong>iti</strong>k nicht<br />

isoliert zu sehen, son<strong>de</strong>rn auch eine Kulturordnungspol<strong>iti</strong>k<br />

mitzu<strong>de</strong>nken. Einzelne Projekte, wie z.B. die<br />

Gründung einer europäischen Kunstaka<strong>de</strong>mie o<strong>de</strong>r die<br />

Erschaffung eines europäischen Kulturrates wur<strong>de</strong>n formuliert.<br />

Dies alles zielt sehr auf die europäische Union<br />

ab. Wir sollten aber auch be<strong>de</strong>nken, dass in Deutschland<br />

auf allen Ebenen <strong>de</strong>r öffentlichen För<strong>de</strong>rung<br />

Fonds o<strong>de</strong>r Projektetats für so genannte Joint Projects,<br />

also für Gemeinschaftsprojekte, etabliert wer<strong>de</strong>n<br />

müssten, die nicht zwangsläufig europäisch sein müssen.<br />

Das Land Thüringen hat z.B. einen kleinen Topf für<br />

internationale Kooperationen entwickelt. Warum soll<br />

das nicht auch auf Lan<strong>de</strong>sebene o<strong>de</strong>r auf kommunaler<br />

Ebene möglich sein? Da wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />

immer nur daran gedacht, Projekte mit <strong>de</strong>n Partnerstädten<br />

zu machen, aber, warum kann man solche Programme<br />

nicht offener formulieren?<br />

Und jetzt kommt <strong>de</strong>r letzte, vielleicht auch schwierigste<br />

Punkt: die pol<strong>iti</strong>sche Einmischung. Wir haben<br />

das Thema Kulturwirtschaft einerseits als eine Chance<br />

gesehen, die Kulturför<strong>de</strong>rung auch im Wirtschaftsbereich<br />

anzusie<strong>de</strong>ln. An<strong>de</strong>rerseits besteht in diesem<br />

Kontext auch die Gefahr <strong>de</strong>r Instrumentalisierung<br />

von Kultur bzw. <strong>de</strong>s Kulturwirtschaft<br />

Mainstreaming in <strong>de</strong>r Kultur. Auch<br />

in diesem Zusammenhang ist es <strong>de</strong>shalb wichtig, daran<br />

zu <strong>de</strong>nken, dass wir in <strong>de</strong>r Kultur auch so eine Art<br />

Gegenbewegung zur Ökonomisierung aller Lebensbereiche<br />

entwickeln. Wenn ich da <strong>de</strong>n Titel <strong>de</strong>s Tanzkongresses<br />

Deutschland <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>skulturstiftung GL , „Tanz<br />

als Wissenskultur“, ein bisschen abwan<strong>de</strong>ln darf, und<br />

wir dann Kunst und Kultur als „Wesenskultur“ einer<br />

europäischen Seele verstehen, dann wird uns vielleicht<br />

auch in <strong>de</strong>r täglichen Praxis klarer, dass die Kunst- und<br />

Kulturschaffen<strong>de</strong>n schon längst so etwas wie die Vorreiter<br />

<strong>de</strong>r europäischen Seele sind, dass sie auch jenseits<br />

<strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rmechanismen, die bestehen o<strong>de</strong>r noch im<br />

Wachstum begriffen sind, schon längst diese Pionierrolle<br />

übernommen haben.<br />

Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite möchte ich vielleicht noch<br />

ganz kurz zum Schluss <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips<br />

GL einführen, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Pol<strong>iti</strong>k und<br />

Verwaltung ganz wichtig ist und in Zeiten knapper<br />

Kassen regelmäßig als Totschlagargument verwen<strong>de</strong>t<br />

wird, um so etwas wie<br />

eine kontinuierliche För<strong>de</strong>rung<br />

zu verhin<strong>de</strong>rn. Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

Ich möchte <strong>de</strong>shalb an Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />

dieser Stelle noch einmal<br />

darauf aufmerksam<br />

EU- und nationale Ebene<br />

machen, dass man sowohl in Deutschland als auch in<br />

Europa immer mehr zu Projektför<strong>de</strong>rung übergeht. Immer<br />

weniger Ebenen <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k sind dazu bereit, auch<br />

kontinuierlich und strukturell zu för<strong>de</strong>rn. Das fin<strong>de</strong> ich<br />

einen ganz wichtigen Punkt, <strong>de</strong>n wir weiter diskutieren<br />

sollten.<br />

24


Keynote Kirsten Haß<br />

Leiterin Allgemeine Projektför<strong>de</strong>rung, Kulturstiftung<br />

<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL , Halle (Saale)<br />

Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />

Bsp. Bun<strong>de</strong>skulturstiftung<br />

Seit ihrer Gründung im Jahr 2002 hat die Stiftung<br />

rund 50 Millionen Euro För<strong>de</strong>rmittel für <strong>de</strong>n Austausch<br />

<strong>de</strong>utscher Künstler mit Akteuren im europäischen Ausland<br />

bereitgestellt.<br />

Dennoch, o<strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>swegen muss ich <strong>de</strong>n Titel<br />

korrigieren, unter <strong>de</strong>m ich<br />

hier spreche: „Projekte für<br />

Europa“ hat <strong>de</strong>n Klang eines<br />

Kampfrufes im Dienste eines pol<strong>iti</strong>schen Programms,<br />

„Brot und Spiele“ für Europa, man hört förmlich das<br />

Ausrufezeichen am Satzen<strong>de</strong>! Dabei ist Kultur in Europa<br />

nicht Mittel zum Zweck, wie es Richard Kühnel mit<br />

<strong>de</strong>m Begriff „Soft-Power“ im pol<strong>iti</strong>schen Einigungsprozess<br />

neulich in Berlin auf <strong>de</strong>m Kongress <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>schen<br />

Gesellschaft GL formulierte.<br />

Kultur in Europa ist im besten Fall vielmehr Seismograph<br />

und Motor gesellschaftlicher Entwicklungen: Sie<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

reflektiert sie, pos<strong>iti</strong>oniert sich<br />

zu ihnen und setzt neue <strong>Impuls</strong>e.<br />

Kunst und Kultur auf eine Funktion zu reduzieren,<br />

ist we<strong>de</strong>r Ausgangspunkt noch Ziel <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>r<br />

Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL . Ihre unterschiedlichen<br />

Funktionen dagegen zu beschreiben, ist natürlich nützlich,<br />

um im kulturpol<strong>iti</strong>schen Kontext ihren Stellenwert<br />

zu manifestieren.<br />

Auch wenn die För<strong>de</strong>rzuständigkeit <strong>de</strong>r Stiftung<br />

<strong>de</strong>finiert ist – ich z<strong>iti</strong>ere aus unseren För<strong>de</strong>rrichtlinien<br />

– für „große innovative Projekte im internationalen<br />

Kontext“, versieht sie die von ihr geför<strong>de</strong>rten Projekte<br />

nicht mit einem kulturpol<strong>iti</strong>schen Auftrag, we<strong>de</strong>r im<br />

europäischen noch im außereuropäischen Raum. Statt<strong>de</strong>ssen<br />

folgen wir mit unserer För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>m <strong>Impuls</strong><br />

<strong>de</strong>r Künstlerinnen und Künstler, sich über ihre eigenen<br />

Grenzen <strong>de</strong>r Ästhetik, <strong>de</strong>r Sparte, aber auch <strong>de</strong>r Örtlichkeit<br />

hinaus zu öffnen. Wir folgen ihrem <strong>Impuls</strong>, Gleich-,<br />

vor allem aber An<strong>de</strong>rsgesinnte zu suchen, um in einem<br />

inspirieren<strong>de</strong>n Austausch die eigene künstlerische Arbeit<br />

zu erweitern.<br />

Zum an<strong>de</strong>ren aber sind wir als Bun<strong>de</strong>sstiftung natürlich<br />

<strong>de</strong>m europäischen Einigungsgedanken verpflichtet<br />

und verbun<strong>de</strong>n. Wir begreifen unsere För<strong>de</strong>rung als<br />

nationale Stiftungspol<strong>iti</strong>k, die internationale Verantwortung<br />

übernimmt. Nicht zuletzt daraus resultiert<br />

unser zweiter Ansatz, nicht ausschließlich auf Anträge<br />

<strong>de</strong>r Künstler auswählend in <strong>de</strong>r Offenen Projektför<strong>de</strong>rung<br />

zu reagieren. Mit eigenen Programmen und In<strong>iti</strong>ativprojekten<br />

richten wir <strong>de</strong>n Fokus auf Themen, die<br />

aufgrund ihrer Relevanz und Brisanz neue Erkenntnisse<br />

durch künstlerische Praxis versprechen.<br />

Wie wir das machen, möchte ich Ihnen gerne an<br />

drei Beispielen ver<strong>de</strong>utlichen.<br />

Zum Beispiel Tschechien.<br />

Nach Polen und Ungarn ist Tschechien nun das dritte<br />

osteuropäische Land in <strong>de</strong>r Reihe bilateraler Kultur-<br />

begegnungen, welche die Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL<br />

im Zuge <strong>de</strong>r EU-Erweiterung mit <strong>de</strong>n neuen Beitrittslän<strong>de</strong>rn<br />

för<strong>de</strong>rt. Künstler verschie<strong>de</strong>ner Sparten, Wissenschaftler<br />

und Kuratoren setzen sich mit ihren lokalen<br />

Kontexten auseinan<strong>de</strong>r und entwickeln innovative<br />

Formen <strong>de</strong>r Vermittlung ihrer Pos<strong>iti</strong>onen.<br />

Auch das Programm „<strong>de</strong>utsch-tschechische Kulturbegegnungen“<br />

ist auf drei Jahre angelegt.<br />

Einer <strong>de</strong>r Schwerpunkte wird 2008 zu seinem 40.<br />

Jahrestag <strong>de</strong>r Prager Frühling und seine Be<strong>de</strong>utung für<br />

die Entwicklung im geteilten Europa bis zum Fall <strong>de</strong>r<br />

Mauer in Berlin 1989 sein. Aber auch theatrale Untersuchungen<br />

<strong>de</strong>s Alltags- und <strong>de</strong>s Heimatbegriffs und die<br />

Frage nach realisierten Utopien, die sich im architektonischen<br />

Erbe <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne in bei<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn nie<strong>de</strong>rgeschlagen<br />

haben, wer<strong>de</strong>n die Künstler beschäftigen.<br />

Wie entsteht so ein eigenes Programm <strong>de</strong>r Kulturstiftung<br />

GL ?<br />

Es gibt antragsoffene Programme wie Bipolar, Programme,<br />

die mit Scouts arbeiten, wie Büro Kopernikus,<br />

und Programme, die mit einem Kuratorium Projekte<br />

realisieren wie die <strong>de</strong>utsch-tschechischen Kulturbe-<br />

gegnungen. Es wird<br />

in zahlreichen Gesprächen<br />

mit Künstlern<br />

und Kulturschaffen<strong>de</strong>n<br />

aus allen<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

Thematische För<strong>de</strong>rungsschwerpunkte<br />

vs. Freie För<strong>de</strong>rung<br />

künstlerischen Sparten und be<strong>de</strong>utsamen Institutionen<br />

<strong>de</strong>r Partnerlän<strong>de</strong>r entwickelt. Ein Kuratorium arbeitet<br />

gemeinsam mit <strong>de</strong>r Kulturstiftung die gefun<strong>de</strong>nen<br />

Themen zu konkreten Vorhaben mit <strong>de</strong>n beteiligten<br />

Künstlern aus. Dabei geht es nicht um das Präsentieren<br />

einmaliger, repräsentativer Veranstaltungen, son<strong>de</strong>rn<br />

um die För<strong>de</strong>rung einer mehrjährigen Zusammenarbeit<br />

<strong>de</strong>utscher und – nach Polen und Ungarn - tschechischer<br />

Kulturschaffen<strong>de</strong>r. Gemeinsam entwickeln sie<br />

Projekte zu gesellschaftspol<strong>iti</strong>schen Themen und zeigen<br />

sie im Partnerland und in Deutschland.<br />

Welche Brisanz künstlerische Projekte entwickeln<br />

können, die in diesen Programmen entstehen, zeigte<br />

En<strong>de</strong> letzten Jahres das vom Warschauer Regisseur<br />

Jan Klata entwickelte <strong>de</strong>utsch-polnische Theaterstück<br />

„Transfer“, das in Wroclaw/Breslau und in Berlin zu<br />

sehen war. In dieser Erinnerungsmontage berichten<br />

Zeitzeugen bei<strong>de</strong>r Nationalitäten von ihrer Vertreibung<br />

und <strong>de</strong>m Verlust ihrer Heimat nach <strong>de</strong>m Zweiten Weltkrieg.<br />

Dass dies kein allein <strong>de</strong>utsches Thema ist, war<br />

für einige <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Zuschauer augenscheinlich<br />

kaum aushaltbar. Gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Stücks verliest eine<br />

<strong>de</strong>r polnischen Zeitzeuginnen eine sehr lange Liste von<br />

Namen. Es sind die Namen <strong>de</strong>r ukrainisch-polnischen<br />

Bewohner ihres Dorfes, die mit ihr vertrieben und umgesie<strong>de</strong>lt<br />

wur<strong>de</strong>n. Schon nach wenigen Namen entstand<br />

Unruhe im Zuschauerraum, erst Husten, dann<br />

Unmutsäußerungen:<br />

Die Liste war einigen <strong>de</strong>utschen Zuschauern offenbar<br />

unerträglich zu lang.<br />

Das Stück zeigt <strong>de</strong>n Sprengstoff, <strong>de</strong>r jenseits pol<strong>iti</strong>scher<br />

Län<strong>de</strong>rbeziehungen in <strong>de</strong>r Erinnerungsarbeit<br />

liegt – und es beschreitet die Zukunft, die im Dialog<br />

<strong>de</strong>r Akteure liegt.<br />

Das Kreative Potential<br />

25


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Ein weiteres Beispiel: Theaterpartnerschaften.<br />

Die Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL stellt von 2009 bis<br />

2012 fünf Millionen Euro zur Verfügung, um einen<br />

Fonds für Internationale Theaterpartnerschaften einzurichten.<br />

In Gesprächen mit Intendanten und Dramaturgen<br />

wur<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>rholt die Notwendigkeit <strong>de</strong>utlich, die internationale<br />

Zusammenarbeit <strong>de</strong>utscher Theater zu<br />

verstärken. Rund 30 Partnerschaften zwischen einem<br />

<strong>de</strong>utschen und einem ausländischen Theater sollen im<br />

Laufe <strong>de</strong>s Programms geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n - auch hier mit<br />

<strong>de</strong>m Ziel, durch eine längerfristige Zusammenarbeit<br />

über ein Einzelprojekt hinaus wechselse<strong>iti</strong>ge Gastspiele,<br />

aber auch gemeinsame Produktionen zu ermöglichen.<br />

Nur wenige Theater in Deutschland kooperieren<br />

regelmäßig mit ausländischen Theatern, ihnen fehlen<br />

schlicht die zeitlichen und finanziellen Ressourcen. Jenseits<br />

<strong>de</strong>s Festivalbetriebs gibt es kaum Begegnung und<br />

Möglichkeiten, über neue Kooperationen die eigenen<br />

Strukturen, Arbeitsweisen und Stoffe durch <strong>de</strong>n frem<strong>de</strong>n<br />

Blick zu reflektieren.<br />

Die Möglichkeit, sich über projektübergreifen<strong>de</strong> Zusammenarbeit<br />

nicht nur im Ausland zu präsentieren,<br />

son<strong>de</strong>rn auch vom Partner zu lernen, schafft gedankliche<br />

Freiräume und damit vielleicht auch neue Einsichten<br />

nicht nur in die künstlerische Arbeit, son<strong>de</strong>rn<br />

auch in Produktionsweisen.<br />

Wichtig sind dafür sowohl ein genügend langer<br />

Vorlauf, <strong>de</strong>r es <strong>de</strong>n Theatern erlaubt, neue Kontakte zu<br />

knüpfen und Kooperationen auszuloten, als auch eine<br />

Programmdauer, die über zwei bis drei Spielzeiten andauert.<br />

Gefragt sind keine kurzlebigen Projekte, son<strong>de</strong>rn<br />

eine fundierte und tragfähige Kooperation <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschen und internationalen Partnertheater.<br />

Als drittes und letztes Beispiel unserer Stiftungs-<br />

För<strong>de</strong>rpol<strong>iti</strong>k internationaler/europäischer Kunst und<br />

Kultur möchte ich nach <strong>de</strong>n von uns im Dialog entwickelten<br />

Programmen ein Projekt aus <strong>de</strong>r antragsoffenen<br />

Projektför<strong>de</strong>rung vorstellen.<br />

Es reflektiert selbst die Frage nach nationaler I<strong>de</strong>ntität<br />

und ihrem Einfluss auf die Kunst: Die Ausstellung<br />

„Ma<strong>de</strong> in Germany“, die <strong>de</strong>rzeit in Hannover an drei<br />

Häusern zu sehen ist. Die Frage „Was eigentlich ist<br />

<strong>de</strong>utsche Kunst?“ wird in Hannover so beantwortet:<br />

Nationale I<strong>de</strong>ntität ist in einer globalisierten Kunstwelt<br />

eine fragwürdige Kategorie.<br />

Konsequent zeigt daher die Ausstellung auch nicht<br />

„<strong>de</strong>utsche Kunst“ geschaffen von <strong>de</strong>utschen Künstlerinnen<br />

und Künstlern. Vielmehr halten die Kuratoren<br />

<strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>r Nationalität <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Produktionsortes<br />

entgegen und zeigen Arbeiten internationaler<br />

Künstler, die in Deutschland (zeitweise) leben: Ma<strong>de</strong> in<br />

Germany. Ulrike Groos verweist quasi als Fazit aus diesem<br />

Ansatz in ihrem Katalogbeitrag darauf, dass weniger<br />

die Künstler selbst zum internationalen Austausch<br />

„aufgefor<strong>de</strong>rt“/geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n müssen. Vielmehr bestehe<br />

ein För<strong>de</strong>rbedarf zu internationalen Vernetzung<br />

und Austausch bei <strong>de</strong>n Institutionen, die Kunst präsentieren<br />

sowie bei <strong>de</strong>nen, die Künstler ausbil<strong>de</strong>n.<br />

Am Beispiel „Ma<strong>de</strong> in Germany“ wird <strong>de</strong>utlich, dass<br />

europäischer und internationaler Austausch nicht dazu<br />

taugen, nationale Eigenheiten und Charakteristika in<br />

<strong>de</strong>r Kunst zu bestimmen. Der Kunstbetrieb ist international.<br />

Wie also pos<strong>iti</strong>oniert man sich als För<strong>de</strong>rer im europäischen<br />

Kontext?<br />

Der Notwendigkeit, Strukturen zu schaffen, steht<br />

die weit verbreitete Form <strong>de</strong>r Einzelprojektför<strong>de</strong>rung<br />

gegenüber. Damit diese nicht gleichbe<strong>de</strong>utend ist mit<br />

vereinzelten Ereignissen und Diskontinuität, muss sie<br />

eingebettet sein in ein Gesamtkonzept,<br />

das man auch Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />

das Profil <strong>de</strong>s För<strong>de</strong>rers nennen<br />

kann. Im Profil muss sichtbar wer<strong>de</strong>n, welche<br />

Kulturlandschaft <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer ermöglichen und<br />

schaffen will. Und es muss <strong>de</strong>utlich sein, welchen Weg<br />

er dafür wählt. Da er nicht alleine steht, sollte das Profil<br />

<strong>de</strong>s För<strong>de</strong>rers darüber hinaus nicht nur unterscheidbar,<br />

son<strong>de</strong>rn auch kompatibel mit <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>rer För<strong>de</strong>rer<br />

sein. Nur in einer sich ergänzen<strong>de</strong>n För<strong>de</strong>rlandschaft<br />

können Nischen erhalten, aber auch große Würfe realisiert<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL bil<strong>de</strong>t mit ihren För<strong>de</strong>rinstrumenten<br />

von Offener Projektför<strong>de</strong>rung, mehrjährigen<br />

Programmen und aufspüren<strong>de</strong>n In<strong>iti</strong>ativprojekten<br />

nicht nur <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen, son<strong>de</strong>rn auch einen<br />

internationalen För<strong>de</strong>rbedarf ab.<br />

Sie braucht dabei nationale und internationale Partner<br />

in <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn, vor Ort, damit Kompetenzen und<br />

finanzielle Ressourcen fruchtbringend Kunst ermöglichen.<br />

Was treibt uns um, wenn wir auf Europa schauen?<br />

Letztlich sind wir möglicherweise auf <strong>de</strong>r Suche<br />

nach <strong>de</strong>m Eigenen, das erst im Kontakt mit <strong>de</strong>m Frem<strong>de</strong>n<br />

spürbar wird. Die viel beschworene Vielfalt und<br />

Unverwechselbarkeit <strong>de</strong>r Nationalitäten, die es im geeinten<br />

Europa zu bewahren gilt, ist eine Hypothese, die<br />

wir jenseits von Folklore im künstlerischen Austausch,<br />

in Kooperationen und Projekten geprüft sehen wollen.<br />

Die Neugier und <strong>de</strong>n Ent<strong>de</strong>ckermut <strong>de</strong>r Künstler,<br />

Wissenschaftler und Kunstvermittler gilt es zu för<strong>de</strong>rn,<br />

<strong>de</strong>nn sie sind es, die mit neuen Einsichten nach Hause<br />

kommen, um uns davon zu erzählen.<br />

Und vielleicht können wir als För<strong>de</strong>rer dann mit diesem<br />

Ent<strong>de</strong>ckermut <strong>de</strong>r Künstler auch besser mit ihrer<br />

Antragstellung leben, als es viele unserer Regularien<br />

<strong>de</strong>rzeit erlauben.<br />

Gregor Schnei<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong> anlässlich seiner Installation<br />

<strong>de</strong>s schwarzen Kubus‘ kürzlich in Hamburg gefragt,<br />

was <strong>de</strong>r Kubus für ihn <strong>de</strong>nn sei. Seine Antwort lautete:<br />

„Wür<strong>de</strong> ich wissen, was mich beschäftigt, müsste ich<br />

ihn gar nicht erst bauen. Ich kann doch nicht schneller<br />

sein, als die Arbeit“.<br />

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

26


Panel:<br />

„För<strong>de</strong>rer, Projektin<strong>iti</strong>atoren und Netzwerke –<br />

Wer setzt die <strong>Impuls</strong>e?“<br />

Mary Ann DeVlieg (General Secretary IETM GL , Brüssel),<br />

Martin Berg (Leiter Abteilung Tanz / Theater Goethe-<br />

Institut GL ), Georg Schwarz (Projektmanager Allianz<br />

Kulturstiftung GL , München), Bertram Müller (Künstlerischer<br />

Leiter tanzhaus nrw, Düsseldorf),<br />

Flóra Tálasi (Projektleiterin „Bipolar“ <strong>de</strong>r Kulturstiftung<br />

<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL , Berlin)<br />

Mo<strong>de</strong>ration: Bettina Milz (Dramaturgin, Stuttgart)<br />

Milz:<br />

In dieser Diskussionsrun<strong>de</strong> sollen nun die Kunstermöglicher<br />

zu Wort kommen,<br />

Kommunikation<br />

die in ihren sehr unterschiedlichen<br />

Kulturinstitutionen in <strong>de</strong>r<br />

zwischen Künstlern<br />

und För<strong>de</strong>rern<br />

Verantwortung sind, Künstler<br />

auszuwählen, künstlerische Projekte zu ermöglichen<br />

und als Produzenten und Veranstalter eine Verantwortung<br />

für diese Produktionen übernehmen. Wir wollen<br />

uns hier mit <strong>de</strong>r Frage beschäftigen, wie heute Koproduktionen<br />

entstehen können, welche Bedingungen<br />

sie brauchen und welche Formen von Netzwerken<br />

in dieser großen Flut sinnvoll sind.<br />

Ein weiteres, wichtiges Thema, das wir hier besprechen<br />

sollten, ist die Kommunikation, und ich <strong>de</strong>nke,<br />

dass auch die hier am Tisch vertretenen Institutionen<br />

Defizite und Möglichkeiten dazu<br />

Mobilität auftun können. Ein an<strong>de</strong>res großes<br />

Thema ist für mich die Frage <strong>de</strong>r<br />

Mobilität und <strong>de</strong>r Voraussetzung von Mobilität im<br />

Sinne einer künstlerischen Heimat und eines Ortes, an<br />

<strong>de</strong>m Gedanken, die unsicher sind, erst einmal einen sicheren<br />

Ort fin<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>r ganzen Mobilitäts<strong>de</strong>batte,<br />

das betrifft die Museen genauso wie die Theater, wird<br />

im Moment oft außer Acht gelassen, dass die stabile<br />

Gestaltung von Produktionsorten genauso wichtig<br />

ist, aber lei<strong>de</strong>r oft nicht stattfin<strong>de</strong>t. Das muss unbedingt<br />

weiter ausgebaut wer<strong>de</strong>n. Denn ich glaube, dass sowohl<br />

das Abfahren als auch das Ankommen, also die<br />

Tatsache, dass man einen Ort für Produktionen hat,<br />

eminent wichtig ist.<br />

Die erste Frage möchte ich gern an Mary Ann De-Vlieg<br />

richten, weil das IETM GL 1981 in meinen Augen ein ganz<br />

großer Hoffnungsträger war. In diesen Jahren hatten Produktionen<br />

wie Wooster Group, Needcompany, Rosas, all<br />

diese großartigen internationalen Künstler, die man zum<br />

ersten Mal gesehen hat, eine Möglichkeit in Deutschland<br />

aufzutreten. Deutschland wur<strong>de</strong> zu einem Produktionsort<br />

für internationale Kunst. Können Sie etwas über die Motivation<br />

zur Gründung von IETM GL sagen?<br />

DeVlieg:<br />

Ja, sicher, aber ich bin etwas verlegen, da eines <strong>de</strong>r<br />

frühen Gründungsmitglie<strong>de</strong>r von IETM GL , Nele Hertling,<br />

auch hier sitzt. Ich kam erst etwas später dazu.<br />

Aber soweit ich es verstan<strong>de</strong>n habe, kam <strong>de</strong>r <strong>Impuls</strong> für<br />

IETM GL von Leuten, die die Mittel und das Interesse hatten,<br />

junge aufstreben<strong>de</strong> Künstler in ihren Län<strong>de</strong>rn weiterzubringen;<br />

die davon überzeugt waren, dass diese<br />

Künstler eine pos<strong>iti</strong>ve Konfrontation<br />

mit Menschen aus an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn<br />

verdient hätten.<br />

Koproduktionen fan<strong>de</strong>n zu <strong>de</strong>r Zeit vor allem im audiovisuellen<br />

Bereich und in <strong>de</strong>n richtig großen Theatern<br />

– vor allem in Opernhäusern – statt. Mittelgroße<br />

o<strong>de</strong>r kleine Koproduktionen konnten nicht so einfach<br />

umgesetzt wer<strong>de</strong>n. Ich habe über dieses Phänomen<br />

1992 meine Masters Thesis geschrieben, und so wie<br />

ich es verstehe, waren diese Leute tatsächlich Pioniere.<br />

Sie haben, glaube ich, auch <strong>de</strong>n Begriff „Netzwerk“ als<br />

erste verwen<strong>de</strong>t, und zwar mit <strong>de</strong>r festen Absicht, ihr<br />

Netzwerk von jenen Nachkriegsinstitutionen abzugrenzen,<br />

in <strong>de</strong>nen die Leute als Vertreter ihrer Län<strong>de</strong>r auftraten.<br />

IETM GL waren vielleicht die ersten, die sagten:<br />

Nein, je<strong>de</strong>r im kulturellen Bereich, ob Schauspieler,<br />

ob Produzent etc., repräsentiert sich und seine Arbeit<br />

selbst. Sie repräsentieren nicht ihr Land, ihre Stadt<br />

o<strong>de</strong>r ihre Region. Das war in großem Maße eine Bewegung<br />

hin zu Individualität und Unabhängigkeit in <strong>de</strong>r<br />

Kunst. Denn zu Anfang stand IETM GL für unabhängige<br />

Strukturen. Natürlich stellen wir uns jetzt 26 Jahre später<br />

grundlegen<strong>de</strong> Fragen: Was ist darstellen<strong>de</strong> Kunst?<br />

Was be<strong>de</strong>utet unabhängig? Was be<strong>de</strong>utet Theater?<br />

Aber in jenen frühen Tagen han<strong>de</strong>lte es sich um eine<br />

Pionierbewegung.<br />

Ich habe lange darüber nachgedacht, was ich in diesem<br />

Panel sagen soll, und es geht mir wie <strong>de</strong>n meisten<br />

Rednern hier: Wir streichen Dinge von unserer Liste,<br />

<strong>de</strong>nn vor uns wur<strong>de</strong>n bereits viele Aspekte angeschnitten.<br />

Pol<strong>iti</strong>ker haben über Projekte gesprochen, Künstler<br />

haben über Pol<strong>iti</strong>k und Projekte gesprochen. Ich wer<strong>de</strong><br />

versuchen, zwischen <strong>de</strong>m Aspekt <strong>de</strong>s pol<strong>iti</strong>schen Han<strong>de</strong>lns<br />

und <strong>de</strong>n Projekten eine Verbindung herzustellen.<br />

Der erste Punkt dazu fiel mir ein, als Herr Reiche sprach.<br />

Ich glaube, er sagte so etwas wie: Europa braucht Kultur,<br />

um Ziele wie die <strong>de</strong>r Agenda von Lissabon GL zu erreichen.<br />

Ich bin immer misstrauisch in Bezug auf das<br />

Wort „brauchen“, <strong>de</strong>nn ich bin<br />

nicht sicher, dass etwas o<strong>de</strong>r jemand<br />

irgen<strong>de</strong>twas o<strong>de</strong>r irgend-<br />

Künstler-<br />

Netzwerke<br />

Europäische<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

jeman<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>res braucht. Aber in <strong>de</strong>r Zwischenzeit,<br />

während sich hier unterschiedliche pol<strong>iti</strong>sche Rhetoriken<br />

entwickelten, hat <strong>de</strong>r Kulturbereich – wenigstens<br />

aus <strong>de</strong>r Perspektive von IETM GL – langsam und<br />

leise Europa erreicht.<br />

Wie viele von Ihnen waren an einem europäischen<br />

Projekt beteiligt? [Handzeichen aus <strong>de</strong>m Publikum]<br />

– Mehr als die Hälfte. Und wie viele von Ihnen wür<strong>de</strong>n<br />

sich wie<strong>de</strong>r engagieren o<strong>de</strong>r gern auf dieser Ebene weiterarbeiten?<br />

[…] Vielleicht hätte ich die Frage an<strong>de</strong>rs<br />

stellen sollen: Wie viele von Ihnen möchten das nicht?<br />

Es sind offenbar Leute hier, die auf das Thema sensibel<br />

reagieren.<br />

Das Kreative Potential<br />

27


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Als ich im Publikum saß, hatte ich <strong>de</strong>n Eindruck,<br />

dass das Blatt sich wen<strong>de</strong>t. Es hat sich noch nicht ganz<br />

gewen<strong>de</strong>t, aber die Einsätze wur<strong>de</strong>n erhöht und das<br />

Klima hat sich gewissermaßen verschärft. In <strong>de</strong>r zweiten<br />

Hälfte <strong>de</strong>r Neunziger haben wir uns stark für die<br />

Anerkennung von kulturellen Netzwerken eingesetzt.<br />

Und ohne hier Namen zu nennen, ich erinnere mich<br />

an einen Funktionär <strong>de</strong>r Generaldirektion X, wie sie genannt<br />

wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Kultur-Generaldirektion, <strong>de</strong>r liebte es,<br />

bei je<strong>de</strong>r Konferenz zu erwähnen: „Networking is not<br />

working.“<br />

Das hat sich völlig verän<strong>de</strong>rt. Jetzt gibt es nicht nur<br />

ein Budget für Netzwerke in <strong>de</strong>r Generaldirektion für<br />

Bildung und Kultur GL . Netzwerke wer<strong>de</strong>n inzwischen<br />

sogar als einer <strong>de</strong>r Motoren für Europa anerkannt. Ich<br />

erinnere mich, wie mich in <strong>de</strong>n späten Neunzigern eine<br />

Frau anrief und <strong>de</strong>n Tränen nah sagte: „Mary Ann, wie<br />

lange müssen wir noch immer wie<strong>de</strong>r dieselben Argumente<br />

bringen?“ Und ich dachte, vielleicht für immer,<br />

<strong>de</strong>nn die Leute wechseln, die Pol<strong>iti</strong>ker wechseln. Jetzt<br />

aber kann ich sagen, dass es nicht nötig ist, immer wie<strong>de</strong>r<br />

dieselben Argumente zu bringen. Wir haben neue<br />

Argumente, die wir bringen müssen. Ich glaube, dass<br />

<strong>de</strong>r Kulturbereich unbedingt In<strong>iti</strong>ativen wie die, die in<br />

<strong>de</strong>r Mitteilung <strong>de</strong>r EU-Kommission GL vorgeschlagen<br />

wer<strong>de</strong>n, unterstützen sollte. O<strong>de</strong>r auch die I<strong>de</strong>e eines<br />

EU-weiten Mobilitätsfonds.<br />

Aber das be<strong>de</strong>utet nicht, dass wir uns zurücklehnen<br />

und sagen können: Ja, gute I<strong>de</strong>e. Es be<strong>de</strong>utet vielmehr,<br />

dass wir in <strong>de</strong>m beginnen<strong>de</strong>n Dialog und <strong>de</strong>r Diskussion<br />

eine beson<strong>de</strong>re Verantwortung dafür tragen, dass die<br />

Grundlagen, auf <strong>de</strong>nen diese In<strong>iti</strong>ativen gewachsen sind,<br />

beibehalten wer<strong>de</strong>n. Denn natürlich wissen wir alle, dass<br />

im pol<strong>iti</strong>schen Prozess pol<strong>iti</strong>sche und technische Kompromisse<br />

gemacht wer<strong>de</strong>n, und oft passiert am En<strong>de</strong><br />

nicht unbedingt das, was wir zu Anfang gewollt haben.<br />

Wir müssen uns die Resultate ansehen. Was sind die Folgen<br />

<strong>de</strong>r Richtlinien? Wie wirken die Programme?<br />

Ich möchte auch etwas zur Mobilität sagen, was<br />

sich auf <strong>de</strong>n Wechsel <strong>de</strong>s IETM GL von einem europäischen<br />

zu einem internationalen Netzwerk bezieht. Natürlich<br />

ist es im Wesentlichen weiterhin ein europäisches<br />

Netzwerk; 85% seiner Mitglie<strong>de</strong>r kommen aus Europa.<br />

Stellt sich die Frage, warum wir uns 2002 erweitert<br />

Mobilität<br />

haben? Es war klar, dass unsere Mitglie<strong>de</strong>r<br />

international arbeiten, es wäre<br />

daher absurd gewesen, zu sagen, dass<br />

wir uns nur für Europa interessieren. Die Welt wächst<br />

zusammen, wir sind alle miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n. Ich<br />

möchte mich daher entschie<strong>de</strong>n dafür einsetzen, dass<br />

je<strong>de</strong>s Mobilitätsprojekt und je<strong>de</strong>r Mobilitätsfonds auch<br />

Menschen för<strong>de</strong>rt, die von außerhalb <strong>de</strong>r EU nach Europa<br />

kommen wollen. Ich möchte Sie auch bitten, ein<br />

Exemplar unserer Studie „Impediments to Mobility“ GL<br />

mitzunehmen. Lei<strong>de</strong>r haben wir sie nur auf Englisch. Im<br />

letzten Jahr hat Pearle* - die Performing Arts Employers<br />

League of Europe GL - mit vielen Netzwerken zusammengearbeitet<br />

- ITI GL , EFAH GL , IETM GL , ENICPA GL etc. - und<br />

acht Monate lang recherchiert. Wir haben hun<strong>de</strong>rte<br />

von Interviews durchgeführt, persönliche Interviews,<br />

und daraus ist ein Buch entstan<strong>de</strong>n, das die außeror<strong>de</strong>ntlichen<br />

Hin<strong>de</strong>rnisse für Mobilität darlegt. Es geht<br />

nicht nur um die Reiseerlaubnis. Es geht auch um Visa-<br />

Probleme, Probleme geistigen Eigentums, um Steuern<br />

und Sozialversicherung. Die Studie empfiehlt kurz-,<br />

mittel- und langfristige Lösungen. Für mich ist dieses<br />

Buch <strong>de</strong>r Beginn eines Arbeitsprogramms für uns alle.<br />

Viele <strong>de</strong>r Empfehlungen fallen auf die Mitgliedsstaaten<br />

zurück. Aber ist es dann auch ein europäisches Projekt?<br />

Ja. Denn ich stimme mit Xavier Troussard darin überein,<br />

dass sich die Dinge in Europa nur än<strong>de</strong>rn können, wenn<br />

es das gibt, was er „offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong> GL “<br />

nennt, wenn die Mitgliedsstaaten, <strong>de</strong>r Kulturbereich,<br />

die EU, die Pol<strong>iti</strong>ker und die Verwaltung alle<br />

zusammenarbeiten, um ein komplementäres System<br />

zu schaffen, das funktioniert und nicht erstarrt.<br />

Mein vierter Punkt ist Vielfalt. Es ist gut zu hören,<br />

dass immer mehr Argumente für Vielfalt gemacht wer<strong>de</strong>n,<br />

aber ich <strong>de</strong>nke, dass wir dieses Wort in all seinen<br />

Be<strong>de</strong>utungen abstecken sollten. Das be<strong>de</strong>utet auch,<br />

dafür Sorge zu tragen, dass wir vielfältige Arten von<br />

För<strong>de</strong>rung bewahren. Es muss auf vielen Ebenen För<strong>de</strong>rungen<br />

geben: kleine Fonds, große, lokale, nationale,<br />

europäische; private Stiftungen<br />

etc. Ich habe das Gefühl, dass Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

es eine Ten<strong>de</strong>nz zu etwas gibt,<br />

das manchmal Größenvorteil genannt wird. Das bringt<br />

so etwas wie <strong>de</strong>n Microsoft-Effekt mit sich. Statt einer<br />

Vielfalt <strong>de</strong>r Quellen gibt es immer mehr Quellen mit<br />

<strong>de</strong>n gleichen Prioritäten, die von <strong>de</strong>nselben Leuten ausgewählt<br />

wer<strong>de</strong>n. Ich <strong>de</strong>nke, dass wir eine Differenzierung<br />

verschie<strong>de</strong>ner Arten von För<strong>de</strong>rung für unsere<br />

Projekte haben sollten. Thomas Lehmen hat vorhin<br />

schon ein bisschen darüber gere<strong>de</strong>t: Es gibt verschie<strong>de</strong>ne<br />

Größenordnungen von Projekten für verschie<strong>de</strong>ne<br />

Größenordnungen von Organisationen.<br />

IETM GL als Netzwerk wür<strong>de</strong> nie ein Projekt durchführen,<br />

das im Wettbewerb mit seinen Mitglie<strong>de</strong>rn stün<strong>de</strong>.<br />

Das wür<strong>de</strong> das Netzwerk vernichten. „Impediments to<br />

Mobility GL “ war eine Art groß angelegtes Projekt von<br />

uns, das hoffentlich allen Mitglie<strong>de</strong>rn und <strong>de</strong>m kulturellen<br />

Sektor selbst nützlich sein wird. Es muss also<br />

verschie<strong>de</strong>ne Arten von Projekten und Differenzierung<br />

zwischen ihnen geben.<br />

Ich bin auch sehr an etwas interessiert, das ich „Nähe<br />

<strong>de</strong>r Auswahl“ nenne. Das be<strong>de</strong>utet, wenn es Fonds gibt,<br />

die mit hohem Aufwand För<strong>de</strong>rung betreiben, dann<br />

sollte genauso viel Aufwand bei <strong>de</strong>r Wahl <strong>de</strong>r Auswählen<strong>de</strong>n<br />

betrieben wer<strong>de</strong>n. Wer trifft letzten En<strong>de</strong>s die<br />

Entscheidung? Wer sitzt in <strong>de</strong>n Auswahlgremien?<br />

Ich <strong>de</strong>nke auch, dass wir über Flexibilität nach<strong>de</strong>nken<br />

müssen. Ich gebe Ihnen heute viele Schlagworte,<br />

die für mich wichtig sind.<br />

Flexibilität: In <strong>de</strong>n Jahren, in <strong>de</strong>nen ich jetzt hier<br />

bin, habe ich gesehen, dass je<strong>de</strong> Generation an<strong>de</strong>re<br />

Bedürfnisse hat. Ich bin sicher, dass viele von Ihnen<br />

die gleichen Verän<strong>de</strong>rungen beobachtet haben. Der<br />

Kultursektor verän<strong>de</strong>rt sich, die nächste Generation<br />

kommt nach, hat an<strong>de</strong>re Bedürfnisse, ist natürlich an<br />

an<strong>de</strong>ren Dingen interessiert. Dies müssen wir in allem,<br />

was wir unternehmen, schützen. Dazu<br />

gehören auch die Unterschie<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

Kulturen, und zwar nicht nur <strong>de</strong>rjenigen<br />

Kulturen, die sehr weit weg von uns zu sein scheinen,<br />

son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>r Kulturen innerhalb unserer eigenen<br />

Grenzen und innerhalb <strong>de</strong>r EU-Grenzen.<br />

28


Komplexität ist ein weiteres Schlagwort, das mir<br />

sehr am Herzen liegt. Ich wür<strong>de</strong> es gern sehen, dass<br />

einige <strong>de</strong>r neuen pol<strong>iti</strong>schen Diskurse Kultur nicht nur<br />

als etwas verstehen, das pol<strong>iti</strong>sche, wirtschaftliche, außenpol<strong>iti</strong>sche<br />

und kompet<strong>iti</strong>ve Zwecke haben kann,<br />

son<strong>de</strong>rn auch als etwas, das die Bürger schulen kann.<br />

Kunst kann eine Art Bildung sein, mit <strong>de</strong>ren Hilfe die<br />

Menschen die komplexen Botschaften <strong>de</strong>r heutigen<br />

Gesellschaft verstehen können. Mir hat sehr gefallen,<br />

was Gottfried Wagner über die momentane komplexe<br />

Ambivalenz in <strong>de</strong>r EU gesagt hat. Wir müssen in <strong>de</strong>r<br />

Lage sein, diese Dinge zu durchschauen. Unsere Kin<strong>de</strong>r<br />

müssen in <strong>de</strong>r Lage sein, diese Ambivalenzen zu<br />

durchschauen. Ich <strong>de</strong>nke nicht, dass wir Kunst instrumentalisieren,<br />

wenn wir sie für diese Zwecke nutzen.<br />

Zum Schluss möchte ich eine Reihe von Schlüsselqualitäten<br />

aufzählen, die meiner Ansicht nach zu<br />

einer erfolgreichen Koproduktion gehören, die aber<br />

auch von pol<strong>iti</strong>schen Rahmenbedingungen abhängen.<br />

Soziale Lage<br />

<strong>de</strong>r Künstler<br />

Für ein gutes kulturelles Projekt<br />

braucht man Partner, <strong>de</strong>nen man<br />

vertraut. Wir brauchen Partner mit<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />

Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />

bestimmten Kompetenzen. Einige von uns haben auf<br />

dieser Konferenz über Arbeitsbedingungen gesprochen.<br />

Ich möchte ein Papier von Judith Staines – die<br />

auch auf <strong>de</strong>r Konferenz ist – hervorheben: „From pillar<br />

to post“, [„Von Pontius zu Pilatus“] das einen Blick auf<br />

die heikle Lage <strong>de</strong>r unabhängigen Künstler in allen EU-<br />

Län<strong>de</strong>rn wirft. Aber wir dürfen nicht naiv sein, wenn wir<br />

auf EU-Ebene die Lage <strong>de</strong>r Künstler untersuchen wollen.<br />

In Deutschland wird viel an sozialer Sicherheit verloren<br />

gehen, in Frankreich ist das durch das Intermittent-Programm<br />

GL bereits geschehen. Was in einigen Län<strong>de</strong>rn<br />

etabliert wur<strong>de</strong>, kann in an<strong>de</strong>ren, die eine geringere<br />

wirtschaftliche Stärke besitzen, nicht aufrecht erhalten<br />

wer<strong>de</strong>n. Innerhalb <strong>de</strong>r EU die Bedingungen für Künstler<br />

anzugleichen, wird viele Kompromisse erfor<strong>de</strong>rn und<br />

nicht leicht sein.<br />

Kommunikation ist ebenfalls sehr wichtig. Ich spreche<br />

zu Ihnen auf Englisch,<br />

weil sich das Deutsche, das<br />

ich 1969 gelernt habe, aus<br />

meinem Kopf verflüchtigt hat.<br />

Über Mobilität haben wir gere<strong>de</strong>t; Kontinuität und<br />

Nachhaltigkeit sollten noch erwähnt wer<strong>de</strong>n. Die Ten<strong>de</strong>nz<br />

geht dahin, Projekte zu för<strong>de</strong>rn. Warum? Es ist<br />

normal, dass För<strong>de</strong>rer nicht in eine Situation geraten<br />

wollen, in <strong>de</strong>r sie fortlaufend die gleiche Institution unterstützen.<br />

Das macht die Dinge statisch und fa<strong>de</strong>. Wir<br />

wer<strong>de</strong>n einen Kompromiss zwischen För<strong>de</strong>rung und<br />

Nachhaltigkeit, also beständiger finanzieller Unterstützung,<br />

fin<strong>de</strong>n müssen.<br />

Als letztes möchte ich für Flexibilität eintreten. Eine<br />

Art von Flexibilität in <strong>de</strong>r Evaluation von Projekten,<br />

die Fehler und Lernprozesse toleriert. Wenn ich ein Projekt<br />

von drei o<strong>de</strong>r fünf Jahren vorschlage und innerhalb<br />

<strong>de</strong>s ersten Jahres o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r ersten 18 Monate merke, das<br />

etwas schief geht, dann ist es für mich viel besser, das<br />

Projekt än<strong>de</strong>rn zu können, das Gelernte zu nutzen. Vielleicht<br />

mache ich noch mehr Fehler, aber vielleicht lerne<br />

ich auch mehr, als wenn ich das Projekt unverän<strong>de</strong>rt zu<br />

En<strong>de</strong> geführt hätte.<br />

Vielen Dank.<br />

Milz:<br />

Vielen Dank, Mary Ann. Es gab in diesem sehr grundsätzlichen<br />

Statement viele Dinge, die uns wahrscheinlich<br />

alle betreffen. Ich wür<strong>de</strong> gerne von <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r<br />

Fehler und Möglichkeiten zu Bertram Müller wechseln,<br />

da ich glaube, dass er mit seiner langen Erfahrung im<br />

Moment vielleicht einen Punkt erreicht hat, wo er unter<br />

an<strong>de</strong>rem über die Kooperation Tanzplan mit <strong>de</strong>m Projekt<br />

„Take off: Junger Tanz“ <strong>de</strong>n Lohn für seine Hartnäckigkeit<br />

und die Mühen <strong>de</strong>r letzten dreißig Jahre erntet.<br />

Ich wür<strong>de</strong> gerne von Dir etwas zur Rolle <strong>de</strong>s Produzenten<br />

und zur Einbindung von Künstlern in die unterschiedlichen<br />

Netzwerk- und Koproduktionsstrukturen<br />

und Entscheidungsprozesse hören. Du bist jemand, <strong>de</strong>r<br />

sich immer wie<strong>de</strong>r auch für die Zusammenarbeit mit<br />

sehr jungen Künstlern entschie<strong>de</strong>n hat. Wie siehst Du<br />

Deine Rolle als Produzent in diesen unterschiedlichen<br />

Netzwerken und spielt Europa wirklich eine Rolle in diesen<br />

Strukturen?<br />

Müller:<br />

Ich sehe meine Rolle gewissermaßen als Hebamme<br />

und mehr kann ich gar nicht sein, das heißt, ich versuche,<br />

künstlerische Prozesse möglich zu machen. Es<br />

gibt natürlich Geburten, da brauchen die Künstler keine<br />

Hebamme, aber es gibt auch kompliziertere<br />

Prozesse, da brauchen sie für<br />

Dinge, mit <strong>de</strong>nen Sie sich selber nicht<br />

Künstler-<br />

Netzwerke<br />

direkt beschäftigen, Unterstützung. Und die Projekte,<br />

die das berücksichtigt haben, waren die spannendsten.<br />

Ich stimme da mit Mary Ann DeVlieg völlig überein.<br />

Inzwischen wissen wir längst, was für ein kreatives,<br />

funktionales Netzwerk notwendig ist: Dynamik, Flexibilität<br />

und vor allem engagierte Personen. Als wir<br />

vor 15, 20 Jahren begonnen haben, mit Netzwerken<br />

auf europäischer Ebene zu arbeiten, ging es noch um<br />

eine ganz an<strong>de</strong>re Vision von Netzwerken. Die sollten<br />

nicht nur funktional sein, das sind sie heute auch nicht,<br />

aber sie wer<strong>de</strong>n immer funktionaler, effektiver, organisierter.<br />

Es sollten keine Netzwerke sein, wo ein Zentrum<br />

bestimmte, son<strong>de</strong>rn das Netzwerk selbst sollte eine Art<br />

Kunstwerk im Sinne <strong>de</strong>s sozialen Leibs von Beuys sein,<br />

d.h. es gab kein Zentrum an sich, son<strong>de</strong>rn je<strong>de</strong> einzelne<br />

Person war das Zentrum mit <strong>de</strong>r vollen Verantwortung<br />

<strong>de</strong>r Teilhabe. Wir hatten einfach ein an<strong>de</strong>res Verständnis<br />

von Demokratie, ein an<strong>de</strong>res Verständnis davon,<br />

wie Dinge in einer herrschaftsfreien Struktur erreicht<br />

wer<strong>de</strong>n können. Diese Struktur basierte auf Kreativität,<br />

auf Verantwortung, auf I<strong>de</strong>en, die ausgetauscht wur<strong>de</strong>n<br />

und die irgendwie, irgendwann zu irgen<strong>de</strong>inem Werk<br />

o<strong>de</strong>r einer Zusammenarbeit führten, die aber nicht das<br />

vorher <strong>de</strong>finierte Ziel war. Ich habe vor gar nicht allzu<br />

langer Zeit eine ziemliche Idiotie begangen. Ich habe<br />

bei einem Netzwerk mitgewirkt, das völlig in die Hose<br />

gegangen ist, bei „World Dance Alliance“ GL . Obwohl ich<br />

bereits einige Erfahrung hatte, habe ich gegen all mein<br />

besseres Wissen dieses Netzwerk unterstützt. Es hat in<br />

Asien wun<strong>de</strong>rbar funktioniert, in Amerika war es ebenfalls<br />

erfolgreich, aber in Europa hat es lei<strong>de</strong>r völlig versagt,<br />

und zwar ganz einfach <strong>de</strong>shalb, weil die falschen<br />

Leute zum falschen Zeitpunkt in <strong>de</strong>r falschen Struktur<br />

versucht haben, in Europa ein Netzwerk mit irgendwelchen<br />

globalen pol<strong>iti</strong>schen Zielen zu schaffen. Die<br />

Das Kreative Potential<br />

29


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Projekte, die wir gemacht haben, waren übrigens nicht<br />

schlecht, aber als Netzwerki<strong>de</strong>e war es falsch angelegt.<br />

Als pos<strong>iti</strong>ves Gegenstück ist da zum Beispiel das europäische<br />

Projekt „COLINA“ GL , das letztlich von Rui Horta<br />

in<strong>iti</strong>iert wur<strong>de</strong>, zu nennen. Es ging schlicht und einfach<br />

darum, Künstler aus ganz unterschiedlichen Sparten,<br />

die sich vorher nicht kannten, zusammen zu bringen.<br />

In einem Zeitraum von 14 Tagen hatten sie Zeit, miteinan<strong>de</strong>r<br />

zu kommunizieren und sich kennen zu lernen,<br />

und das an ganz verschie<strong>de</strong>nen Orten, so dass sie auch<br />

die Möglichkeit hatten, unterschiedliche Produktionsräume<br />

und die Bedingungen in <strong>de</strong>n jeweiligen Län<strong>de</strong>rn<br />

kennen zu lernen. Allein aus <strong>de</strong>r Erfahrung dieser 14<br />

Tage heraus, Veranstaltungsort war u.a. auch Düsseldorf,<br />

haben sich später bei mehr als <strong>de</strong>r Hälfte <strong>de</strong>r<br />

Künstler Projekte entwickelt. Wir brauchen Netzwerke<br />

und die Unterstützung auf verschie<strong>de</strong>nen Ebenen, was<br />

aber auf je<strong>de</strong>n Fall fehlt, ist diese Plattform, wo Künstler<br />

und auch Produzenten sich treffen können, um Projekte<br />

auszuhecken. In Deutschland fasst man das vielleicht<br />

unter <strong>de</strong>m Resi<strong>de</strong>nzbegriff zusammen, also praktisch<br />

das Nichtproduktive. Es wird viel zu viel, viel zu schnell<br />

produziert. Daraus entstehen halb ausgereifte Projekte.<br />

Ich beziehe mich hier auf <strong>de</strong>n Tanz, <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>re<br />

Bedingungen braucht. Tanz kann nicht irgen<strong>de</strong>twas<br />

produzieren, das man dann in eine Schubla<strong>de</strong> packt<br />

o<strong>de</strong>r in eine Galerie hängt. Tanz entsteht unter völlig<br />

eigenständigen Bedingungen. Das braucht Räume, das<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

EU- und nationale Ebene<br />

muss sich darstellen. Deswegen<br />

gibt es die Ten<strong>de</strong>nz, alles<br />

schnell auf die Bühne zu<br />

bringen, und das birgt eine große Gefahr. Das braucht<br />

viel mehr Zeit, um zu reifen. Es beruhigt mich aber, von<br />

<strong>de</strong>r Kunststiftung und <strong>de</strong>r Europäischen Union, manchmal<br />

vielleicht auch von <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn, zu hören, dass sie<br />

in Zukunft über sehr viel längere Zeiträume sehr viel<br />

mehr Geld für die Vorbereitung von Projekten geben<br />

wollen. Denn oft ist die Recherche, abgetrennt von <strong>de</strong>r<br />

Produktion, viel zu schnell gestrickt und viel zu wenig<br />

vorbereitet, als dass dann etwas Sinnvolles dabei heraus<br />

kommen könnte.<br />

Milz:<br />

Ich <strong>de</strong>nke, dass die Möglichkeit sehr wichtig ist, wie<br />

zum Beispiel bei „COLINA“ GL , an bestimmte Orte <strong>de</strong>r<br />

Produktion wie<strong>de</strong>r zurückkehren zu können. Diese Dialektik<br />

von einerseits unterwegs sein, an<strong>de</strong>rerseits aber<br />

wirklich an einem Ort eine künstlerische Heimat haben.<br />

Auch die Resi<strong>de</strong>nz, <strong>de</strong>nke ich, sollte die Möglichkeit bieten,<br />

zum Beispiel ganz an<strong>de</strong>re Kontakte zum Publikum<br />

herzustellen, so dass Künstler weniger im Verborgenen<br />

arbeiten, son<strong>de</strong>rn, wie das ja bei Euch <strong>de</strong>r Fall ist, wenn<br />

Künstler länger im Haus sind, auch unterschiedliche<br />

Formate bei <strong>de</strong>r Begegnung mit <strong>de</strong>m Publikum ausprobieren<br />

können.<br />

Müller:<br />

Wir haben jetzt die Netzwerke aufgebaut, die auf<br />

verschie<strong>de</strong>nen Ebenen helfen, z.B. bei <strong>de</strong>r Recherche.<br />

Künstler-<br />

Netzwerke<br />

Wir haben im Tanzhaus Räume für Resi<strong>de</strong>nzen<br />

geschaffen, aber gleichze<strong>iti</strong>g<br />

auch Netzwerke, zum Beispiel IDEE GL ,<br />

ein Netzwerk europäischer Tanzhäuser, die von <strong>de</strong>n<br />

Strukturen her nicht gleich sind und sich jeweils mit<br />

ihren unterschiedlichen Mitteln einbringen, in<strong>de</strong>m sie<br />

Resi<strong>de</strong>nzen anbieten o<strong>de</strong>r die Möglichkeit zu präsentieren.<br />

Es ist nicht ganz einfach, auf europäischer Ebene<br />

die verschie<strong>de</strong>nen Ebenen, die ein Künstler braucht,<br />

zu entwickeln. Das Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> aber ist, dass man<br />

nicht an starren Strukturen festhält. Je<strong>de</strong>r einzelne<br />

Künstler, je<strong>de</strong> Gruppe braucht<br />

an<strong>de</strong>re Bedingungen, an<strong>de</strong>re<br />

Möglichkeiten, die man in<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

EU- und nationale Ebene<br />

langen Gesprächen und in Recherchearbeit herausfin<strong>de</strong>n<br />

und dann bestmöglich realisieren muss. Aber dafür<br />

gibt es auf Län<strong>de</strong>rebene und auf städtischer Ebene nahezu<br />

kein Geld. Das muss <strong>de</strong>r Bund und das sollte auch<br />

die Europäische Union kapieren. Aber vielleicht haben<br />

sie es jetzt kapiert.<br />

Milz:<br />

Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt, <strong>de</strong>r jetzt<br />

auch mehrfach genannt wur<strong>de</strong>. Was die Kommunikation<br />

mit <strong>de</strong>r Verwaltung anbelangt, stehen wir noch<br />

ganz am Anfang. Ich fand <strong>de</strong>n Vorschlag von Jochen<br />

Sandig, einen Preis für <strong>de</strong>n kreativsten Verwaltungsbeamten<br />

auszuloben, eine sehr gute I<strong>de</strong>e, weil ich glaube,<br />

dass auch wir oft arrogant sind und die Möglichkeiten<br />

<strong>de</strong>r Kommunikation nicht nutzen.<br />

Ich <strong>de</strong>nke, ein sehr gutes Instrument, das die von<br />

Kirsten Haß gefor<strong>de</strong>rte Landschaft ganz unterschiedlicher<br />

För<strong>de</strong>rformate für Deutschland sehr bereichert,<br />

ist das Goethe-Institut GL , das in zahlreichen Projekten<br />

In<strong>iti</strong>ator o<strong>de</strong>r auch Begleiter ist, wie zum Beispiel bei<br />

<strong>de</strong>r Tanzplattform Deutschland, wo es internationalen<br />

Gästen die Möglichkeit bietet, zu kommen, um sich diese<br />

Produktionen anzuschauen. Martin Berg, spielt <strong>de</strong>r<br />

europäische Gedanke eine Rolle in Ihrer Arbeit o<strong>de</strong>r ist<br />

das etwas, das nie wirklich eine Be<strong>de</strong>utung hatte?<br />

Rolle <strong>de</strong>r Kulturinstitute<br />

Bsp. Goethe Institut<br />

Berg:<br />

Es schwingt natürlich mit, weil man sich davon nicht<br />

lösen kann, man kann das ja nicht trennen. Wogegen<br />

ich mich immer wehre, ist die Behauptung, dass das<br />

Goethe-Institut GL <strong>de</strong>utsche Kultur exportiere. Das ist eigentlich<br />

eine Beleidigung gegenüber allen Künstlern,<br />

die man ins Ausland schickt, so, als bekämen sie ein<br />

Label: Repräsentant <strong>de</strong>utscher Kultur. Natürlich sind sie<br />

Deutsche, sie haben eine I<strong>de</strong>ntität als Deutsche und genauso<br />

haben sie eine I<strong>de</strong>ntität als Europäer. Ich <strong>de</strong>nke,<br />

das ist das Wichtige. Das Goethe-Institut GL hat <strong>de</strong>n Auftrag,<br />

<strong>de</strong>n internationalen Kulturaustausch zu för<strong>de</strong>rn.<br />

Und <strong>de</strong>r Zuständigkeitsbereich <strong>de</strong>s Instituts ist Kultur<br />

aus Deutschland und Kultur aus Deutschland ist etwas<br />

an<strong>de</strong>res als „Deutsche Kultur“. Zumin<strong>de</strong>st sollte es so<br />

unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Kultur aus Deutschland heißt<br />

auch, dass internationale Künstler in Deutschland arbeiten<br />

und von uns dann auch ins Ausland vermittelt<br />

wer<strong>de</strong>n, um Kontakte herzustellen. Und natürlich gibt<br />

es europäische Projekte und europäische Zusammenarbeit<br />

nicht nur zwischen <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn Europas, son<strong>de</strong>rn<br />

es gibt auch viele Projekte <strong>de</strong>r europäischen Zusammenarbeit<br />

innerhalb <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r und insofern spielt<br />

<strong>de</strong>r Gedanke Europa eine große Rolle. Er spielt übri-<br />

30


Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />

Bsp. Goethe Institut<br />

gens eine größere Rolle, je weiter weg man von Europa<br />

kommt. Der Blick von Südamerika o<strong>de</strong>r Südostasien auf<br />

Deutschland ist eher ein europäischer. Man wird dort<br />

eher mit <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>r europäischen Kultur konfrontiert.<br />

Es ist auch sehr charakteristisch, dass gera<strong>de</strong> im<br />

außereuropäischen Ausland sehr viele europäische Kooperationen<br />

zwischen <strong>de</strong>n Kulturinstituten stattfin<strong>de</strong>n.<br />

In Chile beispielsweise haben die europäischen Kulturinstitute<br />

gemeinsam ein Festival <strong>de</strong>r zeitgenössischen<br />

europäischen Dramatik ins Leben gerufen, an <strong>de</strong>m sich<br />

auf einmal ganz viele europäische Län<strong>de</strong>r beteiligen.<br />

Und die Chilenen sind sehr froh, dass sie so nicht nur ein<br />

Land, son<strong>de</strong>rn die vielen teilnehmen<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>r kennen<br />

lernen können. Ich <strong>de</strong>nke, das Charakteristische beim<br />

Goethe-Institut GL ist die Arbeitsweise, und das ist vielleicht<br />

ein Unterschied zu vielen Stiftungen in Deutschland,<br />

die <strong>de</strong>n internationalen Kulturaustausch för<strong>de</strong>rn.<br />

Das Goethe-Institut GL nimmt immer einen Blick aus<br />

<strong>de</strong>m Ausland ein. Wir haben in sehr, sehr vielen Län<strong>de</strong>rn<br />

Goethe-Institute GL und unser Augenmerk gilt zunächst<br />

immer <strong>de</strong>r Erwartungshaltung dieser Län<strong>de</strong>r. Was wird<br />

in diesen Län<strong>de</strong>rn von Deutschland erwartet? Was wollen<br />

sie an <strong>de</strong>utscher Kunst sehen, was ist es, was sie<br />

interessiert, mit wem wollen sie zusammen kommen?<br />

Welche Ten<strong>de</strong>nzen wollen sie kennen lernen, welche<br />

Kooperationen wollen sie danach eingehen? Und da<br />

übernimmt das Goethe-Institut GL immer wie<strong>de</strong>r eine<br />

Art Stellvertreterrolle, diese Mittlerrolle. Wir diskutieren<br />

mit unseren Partnern in <strong>de</strong>n jeweiligen Län<strong>de</strong>rn – mit<br />

Künstlern o<strong>de</strong>r Veranstaltern - über die Frage, was für<br />

das Land spannend wäre, welche Künstler interessant<br />

wären, welche Produktionen gezeigt wer<strong>de</strong>n sollten<br />

und auf welchen Gebieten man zusammen arbeiten<br />

könnte. Diese Rolle ist m.E. ganz wichtig. Deutsche<br />

Künstler können sich auch nicht direkt beim Goethe-Institut<br />

GL um internationale Unterstützung bewerben. Das<br />

läuft immer über <strong>de</strong>n Umweg <strong>de</strong>s Auslan<strong>de</strong>s, weil wir<br />

eingesehen haben, dass es eine sehr große Einengung<br />

wäre, wenn es nur darum ginge, die bereits bestehen<strong>de</strong>n<br />

Kontakte <strong>de</strong>utscher Künstler ins Ausland finanziell<br />

mitzuför<strong>de</strong>rn. Dann wür<strong>de</strong> sich das auf sehr, sehr wenige<br />

Län<strong>de</strong>r konzentrieren. Aber<br />

es ist ja viel spannen<strong>de</strong>r, auch zu<br />

fragen, was wäre an Zusammen-<br />

arbeiten mit Afghanistan o<strong>de</strong>r mit Indien möglich, mit<br />

Län<strong>de</strong>rn also, zu <strong>de</strong>nen zunächst kein Kontakt bestand.<br />

Und da entstehen dann auch spannen<strong>de</strong> Projekte, bei<br />

<strong>de</strong>nen die Künstler auch wie<strong>de</strong>r viel mit nach Hause<br />

nehmen. Das ist <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Aspekt <strong>de</strong>s Exports. Es sieht<br />

immer so aus, als ginge nur etwas ins Ausland. Aber die<br />

Künstler, die durch Vermittlung <strong>de</strong>s Goethe-Instituts GL<br />

im Ausland arbeiten, kommen ja auch ganz an<strong>de</strong>rs zurück.<br />

Selbst wenn es Gastspiele sind, gehört dazu immer<br />

eine Begegnung mit <strong>de</strong>n einheimischen Künstlern,<br />

die prägend sein und bei <strong>de</strong>r man etwas Neues lernen<br />

kann. Wenn sie offen sind, kommen sie sehr bereichert<br />

zurück. Wenn Dea Loher z.B einen Dramatiker-Workshop<br />

in Kabul leitet, dann kommt sie von dort verän<strong>de</strong>rt<br />

zurück. Das beschäftigt sie natürlich weiter und wird<br />

auch in ihre Kunst einfließen. Und so ist es ein Geben<br />

und Nehmen. Ich <strong>de</strong>nke, wenn die Kulturinstitutionen<br />

mit mehr Geld ausgestattet wären, hätten sie<br />

eine sehr gute Chance, künstlerische Projekte auch<br />

sehr flexibel, sehr schnell und sehr effektiv auf <strong>de</strong>n<br />

Weg zu bringen, Künstler zu inspirieren o<strong>de</strong>r einfach<br />

die Dinge, die ohnehin bereits im Entstehen begriffen<br />

sind, durch finanzielle Unterstützung voran zu bringen.<br />

Die <strong>Impuls</strong>e kommen von allen Seiten, sie kommen von<br />

Künstlern, von Veranstaltern, von <strong>de</strong>n Partnern aus <strong>de</strong>m<br />

Ausland, sie kommen aber auch von <strong>de</strong>n Goethe-Instituten<br />

GL . Und da muss man einfach sagen, in <strong>de</strong>n letzten<br />

Jahren sind die Projektmittel so radikal gekürzt wor<strong>de</strong>n,<br />

dass wir wirklich sehr viele spannen<strong>de</strong> Projekte nicht<br />

för<strong>de</strong>rn konnten. Jetzt gibt es aber einen leichten Hoffnungsschimmer.<br />

Außenminister Steinmeier hat sich ja<br />

sehr dafür ausgesprochen, dieses Arbeitsfeld wie<strong>de</strong>r zu<br />

stärken und wir hoffen, dass dann auch wie<strong>de</strong>r mehr<br />

Projektmittel zur Verfügung stehen.<br />

Milz:<br />

In einem <strong>de</strong>r ersten offensiven Artikel, die ich zu<br />

<strong>de</strong>m Thema gelesen habe, hat Herr Steinmeier die<br />

Menge <strong>de</strong>r Invest<strong>iti</strong>onen <strong>de</strong>s Goethe-Instituts GL mit, ich<br />

weiß nicht mehr genau, 3 o<strong>de</strong>r 15 laufen<strong>de</strong>n Metern<br />

Autobahn verglichen. Er hat also Vergleiche gebracht,<br />

die die Relationen mal in ein klareres Licht gerückt und<br />

gezeigt haben, wie gering diese Invest<strong>iti</strong>on eigentlich<br />

ist. Und gera<strong>de</strong> habe ich mit einer Kollegin aus Brüssel<br />

gesprochen, die beschreibt, was für einen riesigen Verlust<br />

es be<strong>de</strong>utet, dass die Deutsche Bibliothek <strong>de</strong>s Goethe-Instituts<br />

GL abgebaut wur<strong>de</strong>. Sie ist in irgen<strong>de</strong>iner<br />

an<strong>de</strong>ren Bibliothek verschwun<strong>de</strong>n und da erst einmal<br />

nicht auffindbar. Viele machen sich das gar nicht klar,<br />

wie viele konkrete Nutzer an diesen Strukturen hängen.<br />

Es be<strong>de</strong>utet ja auch für euch eine sehr umfangreiche<br />

Recherchearbeit vor Ort, um die Situation genau zu<br />

kennen, die Künstler zu kennen und zu wissen, wie<br />

man welche Bausteine zusammenfügt.<br />

Berg:<br />

Ja, man muss sich nur vorstellen, dass vielen Goethe-<br />

Instituten GL im Ausland für alle<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

Sparten das Jahresbudget von<br />

Bürokratieabbau<br />

vielleicht 30 bis 40.000 EURO<br />

zur Verfügung steht. Und das sind nicht die niedrigsten,<br />

es gibt noch viel geringere Budgets. Dann ist natürlich<br />

klar, dass man damit nicht mehr viel bewegen kann. Man<br />

kann viel inspirieren, man kann Künstler zusammenbringen,<br />

aber für große Projekte ist dann schon wie<strong>de</strong>r die<br />

Akquirierung von Drittmitteln erfor<strong>de</strong>rlich, und dann wird<br />

die Sache sehr kompliziert. Ich glaube, <strong>de</strong>r internationale<br />

Austausch hapert im Moment sehr daran, dass die För<strong>de</strong>rmöglichkeiten<br />

so schwierig sind. Die Beschaffung<br />

von Geld ist sehr kompliziert und mit einem so hohen<br />

Verwaltungsaufwand verbun<strong>de</strong>n, dass darunter auch<br />

die Kreativität lei<strong>de</strong>t. Ich glaube, da muss wirklich eine<br />

Umkehr stattfin<strong>de</strong>n. Auch die<br />

Produzenten innerhalb <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />

müssen gestärkt wer<strong>de</strong>n,<br />

Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />

Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />

weil sie die Basis dafür sind, dass Künstler auch dauerhaft<br />

produzieren können. Wir können nicht immer nur Projekte<br />

för<strong>de</strong>rn, son<strong>de</strong>rn müssen auch die Produktionsstätten<br />

unterstützen, damit nicht wie<strong>de</strong>r alle an <strong>de</strong>m Projekt<br />

Beteiligten nur damit beschäftigt sind, die Mittel bei an<strong>de</strong>ren<br />

zu beantragen und danach dort abzurechnen. Das<br />

ist einfach ein Riesenaufwand, <strong>de</strong>r unnötig ist.<br />

Das Kreative Potential<br />

31


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Milz:<br />

Es ist ja auch nicht nur die Kreativität, die darunter<br />

lei<strong>de</strong>t, es ist vor allen Dingen auch das Verhältnis <strong>de</strong>s<br />

Publikums zu seiner Kultur. Das sehen wir in <strong>de</strong>n Spar<strong>de</strong>batten<br />

<strong>de</strong>r kleineren Stadt- und Staatstheater genauso<br />

wie in <strong>de</strong>n Schließungsdiskussionen. Klaus Zehelein,<br />

Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s Deutschen Bühnenvereins, hat gera<strong>de</strong> in<br />

einem unterstützen<strong>de</strong>n Interview für das Theaterhaus<br />

Stuttgart, das auch sehr stark unter Geldmangel lei<strong>de</strong>t,<br />

gesagt, die ersten Äußerungen <strong>de</strong>s Menschen waren<br />

die Höhlenmalereien von Lascaux und nicht die Erfindung<br />

<strong>de</strong>r Buchhaltung. Kultur muss einfach fest verankert<br />

wer<strong>de</strong>n, wir brauchen ein ganz an<strong>de</strong>res Selbstverständnis,<br />

was die Notwendigkeit <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung<br />

von Kunst und Kultur angeht. Das erfor<strong>de</strong>rt auch eine<br />

an<strong>de</strong>re Kommunikation mit <strong>de</strong>n Verantwortlichen <strong>de</strong>r<br />

Pol<strong>iti</strong>k, die heute wahrscheinlich oft eine bestimmte Sozialisation<br />

nicht mehr selbstverständlich erlebt haben.<br />

Georg Schwarz, ich wür<strong>de</strong> gern zu Ihnen übergehen,<br />

möchte dabei jedoch die Frage von Gut und Böse und<br />

ob es richtig ist, dass ein unternehmerisches Engagement<br />

inhaltliche Vorgaben macht, ausklammern. Ich<br />

möchte fragen, wie es Ihnen gelingt, über Instrumente<br />

wie <strong>de</strong>n Beirat und das Kuratorium am Puls <strong>de</strong>r Zeit zu<br />

bleiben. Wie schaffen Sie es, aktuelle Trends aufzuspüren<br />

und in Kontakt mit <strong>de</strong>r Szene zu kommen?<br />

Schwarz:<br />

Die Gremienstruktur wur<strong>de</strong> zur Gründung <strong>de</strong>r Stiftung<br />

von <strong>de</strong>n verantwortlichen Herren, <strong>de</strong>n Vorstän<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Allianz, festgelegt. Das Kuratorium berät <strong>de</strong>n Stif-<br />

Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />

Bsp. Allianz Kulturstiftung<br />

tungsrat und empfiehlt diesem<br />

Projekte ein, wie ich fin<strong>de</strong>,<br />

sehr intelligentes System.<br />

Seit Gründung <strong>de</strong>r Stiftung haben sich die Organe, die<br />

Gremien verän<strong>de</strong>rt. Wir haben immer versucht, das<br />

Kuratorium so lebendig, so europäisch, so interdisziplinär<br />

wie möglich zu halten, da uns das die Möglichkeit<br />

bietet, durch ausgewählte Persönlichkeiten aus <strong>de</strong>n<br />

verschie<strong>de</strong>nen kulturellen Sparten <strong>de</strong>n Kontakt direkt<br />

zum Publikum und zu <strong>de</strong>n Kulturschaffen<strong>de</strong>n zu<br />

halten. Ich möchte jetzt nicht explizit Namen nennen,<br />

aber es sind teilweise wirklich hochkarätige Leute, die<br />

für uns die Antennen darstellen und uns ein kontinuierliches<br />

Feedback über aktuelle Entwicklungen, Freiräume<br />

und Vakuen geben. Das könnten wir in München mit<br />

einem so kleinen personellen Aufgebot natürlich nicht<br />

allein leisten. Durch das Zusammenspiel <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />

Organe, also Kuratorium und Stiftungsrat, entsteht ein<br />

think tank, <strong>de</strong>r sehr konstruktive I<strong>de</strong>en und Konzepte<br />

auf <strong>de</strong>n Weg bringt. Unser Prinzip ist es, kulturelle Begegnungen,<br />

Momente in einem kulturellen Europa<br />

zu schaffen, zu ermöglichen und zu för<strong>de</strong>rn. Wir sprechen<br />

wirklich von einem kulturellen Europa, für das wir<br />

offen sind. Daher sind wir auch an <strong>de</strong>n Grenzbereichen<br />

aktiv. Wir haben ein großes Projekt, „European Bor<strong>de</strong>rlands“,<br />

in das wir auf Literaturebene zum Beispiel<br />

die Ukraine und die Republik Moldau mit einbeziehen,<br />

weil wir festgestellt haben, dass nach <strong>de</strong>n pol<strong>iti</strong>schen<br />

Ereignissen von 1989 die Ost-Ost-Verbindungen immer<br />

mehr auseinan<strong>de</strong>r gebrochen sind. Wir fin<strong>de</strong>n, dass es<br />

gera<strong>de</strong> da ein großes Potenzial gibt, und es ist eine<br />

wichtige Aufgabe, diese Verbindungen neu aufleben zu<br />

lassen, weiter zu befruchten und im I<strong>de</strong>alfall dann über<br />

an<strong>de</strong>re internationale Kontakte auszubauen.<br />

Für mich ist es wirklich spannend, hier zu sein. Ich<br />

habe mit großem Interesse Ihre praktischen Fallbeispiele,<br />

I<strong>de</strong>en und Einwän<strong>de</strong> zur Kenntnis genommen.<br />

Und ich appelliere an Sie,<br />

um das mal von <strong>de</strong>r Seite<br />

zu spiegeln, die die Anträge<br />

von Ihnen erhält, pflegen<br />

Kommunikation<br />

zwischen Künstlern<br />

und För<strong>de</strong>rern<br />

Sie einen transparenten Kommunikationsmodus, gehen<br />

Sie auf För<strong>de</strong>rer, Stifter und potenzielle Unterstützer<br />

zu. Ich spreche jetzt für uns, für die Allianz Kulturstiftung<br />

GL , aber ich <strong>de</strong>nke, dass viele an<strong>de</strong>re Kollegen,<br />

sei es in <strong>de</strong>r Verwaltung, in <strong>de</strong>r öffentlichen Hand, da<br />

ebenfalls grundsätzlich aufgeschlossen sind. Man muss<br />

<strong>de</strong>nen einfach in einem gesun<strong>de</strong>n zeitlichen Vorlauf<br />

von 2 o<strong>de</strong>r 3 Jahren die Sachlage schil<strong>de</strong>rn und <strong>de</strong>n<br />

Sachstand für ein Projekt XY beschreiben. Ich habe bei<br />

uns immer feststellen können, dass es eine grundsätzliche<br />

Offenheit gibt. Natürlich muss man auch Regularien<br />

beachten, manchmal funktioniert es nicht ganz<br />

so, aber grundsätzlich besteht eine Offenheit, alles zu<br />

besprechen und oft fin<strong>de</strong>t sich auch eine Lösung. Ich<br />

<strong>de</strong>nke, dass sich bestimmte Fragestellungen, die Ihnen<br />

als Kulturschaffen<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Planung, in <strong>de</strong>r Konzeption,<br />

Angst machen, auf diese Art beiseite schieben lassen,<br />

so dass Sie sich auf <strong>de</strong>n kreativen Prozess konzentrieren<br />

können.<br />

Und noch ein Appell: Unterschätzen Sie nicht die<br />

Verwaltungsbeamten. Es ist nicht so, dass wir, ich<br />

spreche jetzt in <strong>de</strong>r Wir-Form, unbedingt Ergebnisse<br />

einfor<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r kontrollieren wollen, wie das Projekt<br />

verlaufen ist. Es interessiert uns einfach, was in <strong>de</strong>m<br />

Projektzeitraum geschehen ist, wie viele Leute gekommen<br />

sind, ob es ein pos<strong>iti</strong>ves o<strong>de</strong>r negatives Feedback<br />

gab. Gab es Fehler, gab es ungewöhnliche Ereignisse?<br />

Das soll überhaupt nicht als Kontrolle o<strong>de</strong>r grundsätzliche<br />

Zwangsevaluation dargestellt wer<strong>de</strong>n, obwohl es<br />

manchmal so ankommt, das gebe ich auch zu. Es ist<br />

vielmehr ein grundsätzliches Interesse an Ihren Projekten,<br />

I<strong>de</strong>en und Konzepten. Trauen Sie <strong>de</strong>n Leuten<br />

auch zu, dass sie sich damit auseinan<strong>de</strong>rsetzen. Ich<br />

<strong>de</strong>nke, auf dieser Ebene lässt sich viel mehr bewegen,<br />

als man manchmal meint.<br />

Milz:<br />

Sie betreuen bei <strong>de</strong>r Stiftung die jungen Künstler<br />

und Forscher über die För<strong>de</strong>rung hinaus, in<strong>de</strong>m Sie<br />

unter an<strong>de</strong>rem durch die Alumni-Struktur bei <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Aka<strong>de</strong>mie weiterhin einen Input zur Arbeit<br />

geben. Ich fin<strong>de</strong> das einen sehr interessanten Aspekt,<br />

da es so eine Kontinuität in <strong>de</strong>r Weiterarbeit mit jungen<br />

Künstlern gibt, die in Projekte eingebun<strong>de</strong>n waren.<br />

Schwarz:<br />

Korrekt. Zu Beginn <strong>de</strong>r Stiftungsgründung hatten<br />

wir uns die Prämisse gesetzt, ein grundsätzliches<br />

Alumni-Netzwerk zu grün<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m wir alle herausragen<strong>de</strong>n<br />

Akteure, alle geför<strong>de</strong>rten Künstler etc. in einem<br />

Netzwerk zusammenfassen wollten. Wir mussten das<br />

mittlerweile ein bisschen revidieren, weil es einfach<br />

zu schwierig ist, die verschie<strong>de</strong>nen Interessenslagen<br />

und Fragestellungen miteinan<strong>de</strong>r zu vereinbaren. Im<br />

32


Moment stehen wir <strong>de</strong>shalb gera<strong>de</strong> an einem Schei<strong>de</strong>weg,<br />

Wir versuchen jetzt eine spartenbezogene Betreuung<br />

<strong>de</strong>r Alumni und haben einen Testlauf im Bildungsbereich<br />

gestartet. So haben wir ein Netzwerk<br />

von Stu<strong>de</strong>nten gegrün<strong>de</strong>t, die an einem unserer Elite-<br />

Bildungsprogrammen teilgenommen haben. In diesem<br />

Jahr hat die erste Sitzung in Brüssel stattgefun<strong>de</strong>n,<br />

zeitgleich zur <strong>de</strong>utschen EU-Ratspräsi<strong>de</strong>ntschaft. Es war<br />

höchst spannend, zu sehen, was passiert, wenn man<br />

verschie<strong>de</strong>ne Jahrgänge aus verschie<strong>de</strong>nen Sparten zusammenbringt,<br />

was die für ein Feedback bringen. Genauso<br />

interessant war es zu sehen, was manche Leute<br />

erreicht haben, in welchen entlegenen Orten <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong><br />

sie die verschie<strong>de</strong>nsten Projekte gestaltet haben. Das<br />

sind für uns wie<strong>de</strong>rum Antennen. Auch wenn es gera<strong>de</strong><br />

nicht unbedingt zu unserem generellen För<strong>de</strong>rprojekt<br />

bzw. unserer Ausrichtung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Schwerpunkt Osteuropa/Südosteuropa<br />

passt, ist es <strong>de</strong>nnoch ein Input.<br />

Das sehen wir wirklich als Investment, das sich nicht<br />

sofort evaluieren o<strong>de</strong>r bewerten lässt. Es ist eine Invest<strong>iti</strong>on,<br />

es ist eine Interessenseinbringung, ein Austausch,<br />

<strong>de</strong>r irgendwann Früchte trägt. Darauf legen wir<br />

großen Wert.<br />

Milz:<br />

Ich übergebe an Flóra Tálasi. Ich wür<strong>de</strong> Sie gern zu<br />

„Bipolar“, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utsch-ungarischen Kulturprojekten<br />

Dialog<br />

zwischen Künstler und<br />

För<strong>de</strong>rer<br />

befragen. An diesen Projekten<br />

fasziniert mich immer, dass<br />

hier sehr pol<strong>iti</strong>sche Arbeit mit<br />

einem doch relativ großen<br />

Freiraum für die einzelnen Projekt-Verwirklicher von<br />

<strong>de</strong>r Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL finanziert wird. Bei „Bipolar“<br />

ist <strong>de</strong>r heute schon mehrfach gefor<strong>de</strong>rte Raum<br />

und die Invest<strong>iti</strong>on in Zeiten <strong>de</strong>s Brainstormings, <strong>de</strong>r<br />

Konzeptphase in <strong>de</strong>n Projekten ganz klar ausformuliert.<br />

Es ist eine wichtige For<strong>de</strong>rung, dass bereits die erste<br />

Projektskizze von <strong>de</strong>utschen und ungarischen Kulturinstitutionen<br />

gemeinsam entwickelt wird. Diese Begegnung,<br />

die künstlerische Begegnung, die menschliche<br />

Begegnung zwischen <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn ist genau das, was<br />

gesucht wird, wo man auch darauf vertraut, dass etwas<br />

weiterlebt. Dazu auch meine Frage: Wie wird in dieses<br />

Weiterleben investiert, und gibt es dafür eine Struktur?<br />

Tálasi:<br />

„Bipolar – <strong>de</strong>utsch-ungarische Kulturprojekte“ ist<br />

das zweite bilaterale Projekt im Schwerpunktprogramm<br />

Mittel- und Osteuropa <strong>de</strong>r Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL .<br />

Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />

Bun<strong>de</strong>skulturstiftung<br />

„Bipolar“<br />

Es han<strong>de</strong>lt sich um ein In<strong>iti</strong>ativprojekt,<br />

das sehr großzügig<br />

mit 3 Millionen Euro von<br />

<strong>de</strong>r Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun-<br />

<strong>de</strong>s GL ausgestattet wur<strong>de</strong>, mit 3 Millionen Euro wie die<br />

an<strong>de</strong>ren In<strong>iti</strong>ativprojekte in diesem Schwerpunktprogramm<br />

auch. Das Programm ist auf 3 Jahre befristet.<br />

Es wur<strong>de</strong> heute von vielen Seiten, aus verschie<strong>de</strong>nen<br />

Perspektiven gefor<strong>de</strong>rt, dass <strong>de</strong>r internationalen Arbeit<br />

auf europäischer Ebene viel mehr Geld und Aufmerksamkeit<br />

gewidmet wer<strong>de</strong>n sollte. Ich möchte kurz eine<br />

osteuropäische Perspektive einbringen und sozusagen<br />

von dieser Warte aus darauf aufmerksam machen, dass<br />

in Deutschland auch unterhalb <strong>de</strong>r europäischen Ebene,<br />

also auf <strong>de</strong>r nationalen, auf <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sebene, auf<br />

<strong>de</strong>r regionalen Ebene sehr viele verschie<strong>de</strong>ne Möglichkeiten<br />

<strong>de</strong>r internationalen Arbeit vorhan<strong>de</strong>n sind, und<br />

dass wir alle, die wir hier in Deutschland arbeiten, das<br />

für eine Selbstverständlichkeit halten. Das ist in an<strong>de</strong>ren<br />

Län<strong>de</strong>rn Europas nicht so. Internationale Kulturarbeit<br />

wird in Osteuropa sehr oft mit <strong>de</strong>r Repräsentation<br />

nationaler Kultur im Ausland gleichgesetzt, also sprich<br />

Export. Deswegen, um noch einmal aus <strong>de</strong>r Perspektive<br />

von Ost- und Mitteleuropa darauf hinzuweisen, ist<br />

genau diese In<strong>iti</strong>ative <strong>de</strong>r Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL<br />

eine für Osteuropa sehr spannen<strong>de</strong> In<strong>iti</strong>ative. Nach <strong>de</strong>r<br />

Wen<strong>de</strong> 1989/90 sind in vielen <strong>de</strong>r neuen EU-Län<strong>de</strong>r<br />

Strukturen entstan<strong>de</strong>n, die ohne die kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />

Aufmerksamkeit aus Westeuropa nicht möglich gewesen<br />

wären o<strong>de</strong>r die sich gar nicht erst hätten entfalten<br />

können. Viele Kulturinstitute wie Br<strong>iti</strong>sh Council GL ,<br />

das Goethe-Institut GL o<strong>de</strong>r die Soros Foundation GL haben<br />

dazu beigetragen, dass sehr vielse<strong>iti</strong>ge Strukturen<br />

dort entstan<strong>de</strong>n sind. Diese Zeiten sind vorbei. Herr<br />

Berg hat darauf hingewiesen, mit welchen Etats das<br />

Goethe-Institut GL inzwischen in diesen Regionen arbeitet,<br />

und auch an<strong>de</strong>re westeuropäische Län<strong>de</strong>r haben<br />

ihr Engagement sehr stark zurückgefahren. Die Soros<br />

Foundation GL existiert fast nicht mehr o<strong>de</strong>r för<strong>de</strong>rt nicht<br />

mehr im Kulturbereich. Deswegen <strong>de</strong>nke ich, dass diese<br />

Reihe <strong>de</strong>r In<strong>iti</strong>ativprojekte <strong>de</strong>r Kulturstiftung <strong>de</strong>s<br />

Bun<strong>de</strong>s GL in Ost- und Mitteleuropa gera<strong>de</strong> mit diesem<br />

antizyklischem Verhalten eine sehr spannen<strong>de</strong> und von<br />

Ungarn aus gesehen eine wichtige In<strong>iti</strong>ative darstellt.<br />

Es han<strong>de</strong>lt sich um ein zeitlich befristetes Projekt und<br />

die Stiftung erhebt trotz<strong>de</strong>m <strong>de</strong>n Anspruch, etwas in<br />

Bewegung zu setzen, das nachhaltig wirken soll.<br />

Das war dann auch die erste Herausfor<strong>de</strong>rung, <strong>de</strong>r wir<br />

uns stellen mussten, als wir die Arbeitsmetho<strong>de</strong> entwickelt<br />

haben. Die Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL erarbeitet<br />

für je<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r bilateralen Projekte ein eigenes Konzept,<br />

das mit <strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>nen Arbeitsbeziehungen <strong>de</strong>r kulturellen<br />

Kontakte mit diesen Län<strong>de</strong>rn bzw. <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rlandschaft<br />

für die bi-nationale Zusammenarbeit, die<br />

man in <strong>de</strong>n jeweiligen Län<strong>de</strong>rn vorfin<strong>de</strong>t, abgestimmt<br />

wird. Für <strong>de</strong>utsch-ungarische Projekte gab es so etwas<br />

bislang nicht. In <strong>de</strong>n letzten 15, 17 Jahren war zwar<br />

ein recht starkes kulturpol<strong>iti</strong>sches Interesse an Ungarn<br />

spürbar, auch wegen Ungarns aktiver Rolle in <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong>zeit.<br />

Deshalb gab es in <strong>de</strong>n letzten Jahren auch viele<br />

kuratierte Projekte. Aber wir haben uns gesagt, wenn<br />

die Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL so viel Geld in die Hand<br />

nimmt und das zu diesem Zeitpunkt antizyklisch investiert,<br />

dann sollte das in einer möglichst offenen Form<br />

geschehen, so dass möglichst viele Künstler partizipieren<br />

und ihre I<strong>de</strong>en einbringen können. Deshalb haben<br />

wir uns für ein offenes Ausschreibungsverfahren entschie<strong>de</strong>n.<br />

Zugleich haben wir <strong>de</strong>n Anspruch erhoben,<br />

diesem Programm ein Profil zu geben, das sozusagen<br />

das Hier und Jetzt <strong>de</strong>r Jahre 2006, <strong>2007</strong> beschreibt, einen<br />

bestimmten Zustand <strong>de</strong>r kulturellen Beziehungen<br />

zu einem bestimmten Zeitpunkt. Deswegen haben wir<br />

für die Ausschreibung drei Themenfel<strong>de</strong>r empfehlend<br />

<strong>de</strong>finiert, auf die wir die beson<strong>de</strong>re Aufmerksamkeit<br />

lenken wollten. Um die Kreativität nicht zu sehr einzugrenzen,<br />

waren diese Themenfel<strong>de</strong>r jedoch sehr weit<br />

formuliert. Ich nenne sie hier ganz kurz: Es ging um die<br />

Das Kreative Potential<br />

33


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Zukunft <strong>de</strong>r Utopie nach <strong>de</strong>r gescheiterten, auch sozialistischen<br />

Utopie, <strong>de</strong>r realen verwirklichten Utopie. Ein<br />

weiteres Themenfeld, auch ein europäisches Leitthema,<br />

war die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r Vergangenheit, die<br />

in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn sehr unterschiedlich verläuft. In<br />

Ungarn bekommt diese Auseinan<strong>de</strong>rsetzung eine ganz<br />

starke pol<strong>iti</strong>sche Note, egal, ob wir über Vertreibung,<br />

über Holocaust o<strong>de</strong>r über Repressalien zur sozialistischen<br />

Zeit sprechen. Und als drittes weites Themenfeld<br />

haben wir eine kr<strong>iti</strong>sche Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit<br />

<strong>de</strong>n so genannten Normalitäten angeregt. Wir haben<br />

aber auch eine Öffnungsklausel eingebracht, das heißt,<br />

es konnten auch Projekte vorgeschlagen wer<strong>de</strong>n, die<br />

keinen thematischen Bezug auf die von uns vorgeschlagenen<br />

Themen genommen haben bzw. neue I<strong>de</strong>en<br />

einbrachten. Im Mittelpunkt <strong>de</strong>r In<strong>iti</strong>ativprojekte <strong>de</strong>r<br />

Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s GL stand für uns die Aufgabe,<br />

Künstler-<br />

Netzwerke<br />

Kooperationsprojekte zu in<strong>iti</strong>ieren<br />

und zu för<strong>de</strong>rn, wenn Partner von<br />

<strong>de</strong>r I<strong>de</strong>enentwicklung an zusammen<br />

arbeiteten und ihre Arbeitsweisen entwickelten. Sie kennen<br />

das sicherlich aus ihrer praktischen Erfahrung, dass<br />

die Netzwerke in <strong>de</strong>n mittel- und osteuropäischen Län<strong>de</strong>rn<br />

bei weitem nicht so aktiv sind wie die Netzwerke<br />

innerhalb Westeuropas, so dass viele Koproduktionen<br />

ohne osteuropäische Partner entstehen. Deswegen<br />

sehe ich, auch wenn wir jetzt tatsächlich überwiegend<br />

bi-nationale Projekte angeregt haben, solche Projekte<br />

mit <strong>de</strong>utscher und ungarischer Beteiligung, an <strong>de</strong>nen<br />

keine Drittlän<strong>de</strong>r beteiligt waren, als einen Beitrag zu<br />

einer europäischen Netzwerkbildung an.<br />

Milz:<br />

Können Sie das Gesagte an einem Beispiel untermauern<br />

und konkreter machen?<br />

Tálasi:<br />

Lassen Sie mich ein Beispiel wählen, wo viele Partner<br />

auf <strong>de</strong>r Suche nach geeigneten Kooperationspartnern<br />

waren, unter an<strong>de</strong>rem die Internationale Heiner Müller<br />

Gesellschaft mit „Hamlet in Budapest. Hamlet in Berlin“,<br />

einem Projekt, das von <strong>de</strong>r Beschäftigung Heiner<br />

Müllers mit <strong>de</strong>r Hamlet-Figur, ausgelöst durch die Erfahrung<br />

<strong>de</strong>s Ungarn-Aufstan<strong>de</strong>s 1956, ausging. Es gab<br />

damit einen Ungarn-Bezug. An<strong>de</strong>re Partner waren in<br />

dieser Phase <strong>de</strong>r Projektentwicklung mit verschie<strong>de</strong>nen<br />

I<strong>de</strong>en unterwegs. Das Maxim-Gorki-Theater arbeitete<br />

seit längerem mit <strong>de</strong>m Regisseur David Marton zusammen,<br />

war an Heiner Müller interessiert und suchte einen<br />

Partner für das Projekt. In Ungarn versuchte das<br />

Trafó eine Kooperation mit einer Gruppe aus Amsterdam,<br />

mit SPACE, zusammen zu bekommen, und die<br />

hatten wie<strong>de</strong>rum schon länger eine Kooperation mit<br />

ANDCOMPANY&CO. aus Düsseldorf geplant. Und so<br />

ist aus diesen drei verschie<strong>de</strong>nen Ansätzen ein sehr<br />

spannen<strong>de</strong>s Projekt entstan<strong>de</strong>n: Hamlet in Budapest.<br />

Hamlet in Berlin, das sich Heiner Müller und Heiner<br />

Müllers Beschäftigung mit <strong>de</strong>r Hamlet-Figur und <strong>de</strong>m<br />

Ungarn-Aufstand zum Ausgangspunkt nahm und verschie<strong>de</strong>ne<br />

junge Regisseure mit unterschiedlichen theatralen<br />

Mitteln und Theaterkonzepten zusammen gebracht<br />

hat. Die Zusammenarbeit begann erst einmal<br />

germanistisch, in<strong>de</strong>m man Quellenforschung betrieb<br />

und das Fragment aus <strong>de</strong>m Konvolut <strong>de</strong>r Manuskripte<br />

von Heiner Müller herausarbeitete. Dann hat das je<strong>de</strong>r<br />

in seiner eigenen Art und Weise mit <strong>de</strong>r historischen<br />

Erfahrung von 1956, mit <strong>de</strong>r Erfahrung <strong>de</strong>r pol<strong>iti</strong>schen<br />

Unruhen anlässlich <strong>de</strong>r Erinnerung an 1956 in Ungarn<br />

zu einem sehr spannen<strong>de</strong>n<br />

Projekt verarbeitet. Das wur<strong>de</strong> Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />

dann im Maxim-Gorki-Theater<br />

präsentiert. Für uns war es sehr interessant und wichtig<br />

zu beobachten, wie nach und nach zwischen „Bipolar“<br />

und <strong>de</strong>m Goethe-Institut GL eine sehr fruchtbare Kommunikation<br />

entstand, gera<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>r Notwendigkeit<br />

heraus, vor Ort immer mehr als Vermittler zu agieren<br />

und nicht mit eigenem Geld in Produktionen hineingehen<br />

zu können. Bei diesem Projekt hat das Goethe-Institut<br />

GL das Forum für die Auswertung und Vorstellung<br />

<strong>de</strong>r Ergebnisse <strong>de</strong>r Heiner-Müller-Werkstatt in Budapest<br />

gegeben. Und ich gehe davon aus, dass diese inhaltliche<br />

Arbeit weitergehen wird.<br />

Lassen Sie mich noch einen Punkt zur kulturpol<strong>iti</strong>schen<br />

Arbeit sagen. Ich glaube, dass diese Dimension<br />

<strong>de</strong>r In<strong>iti</strong>ativprojekte, wo<br />

wir europäisch agieren können,<br />

auch sehr wichtig ist. Wir waren<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

nationale Ebene<br />

uns natürlich bewusst, dass das, was wir tun, befristet<br />

und <strong>de</strong>swegen in <strong>de</strong>r potenziellen Nachhaltigkeit von<br />

vornherein eingeschränkt ist. Deshalb haben wir von<br />

Anfang an versucht, auch in Ungarn Partner zu suchen,<br />

die später diese In<strong>iti</strong>ativen weiter tragen können. Und<br />

so haben wir gleich zu Beginn eine Partnerschaft mit<br />

<strong>de</strong>m Nationalen Kulturfonds aufgebaut. Eine erste Zusammenarbeit<br />

bestand darin, dass <strong>de</strong>r Nationale Kulturfonds<br />

bei <strong>de</strong>n kleineren Projekten, bei <strong>de</strong>n kleineren<br />

Institutionen <strong>de</strong>n Eigenanteil <strong>de</strong>r ungarischen Seite<br />

durch eine Son<strong>de</strong>rför<strong>de</strong>rung übernommen hat. Wir<br />

sind mit <strong>de</strong>m Kulturfonds im Gespräch, diese Zusammenarbeit<br />

fortzuführen und in Ungarn internationale<br />

Projekte zu för<strong>de</strong>rn.<br />

Milz:<br />

Ich <strong>de</strong>nke, die Tatsache, dass sich zu Beginn <strong>de</strong>r<br />

80er Jahre sehr viele Theaterschaffen<strong>de</strong> jenseits <strong>de</strong>r<br />

Stadt- und Staatstheater in Kollektivstrukturen <strong>de</strong>finiert<br />

haben, führte sehr stark zur Gründung von effektiven<br />

Netzwerken. Schließen wir mit diesem, wie ich fin<strong>de</strong>,<br />

sehr gelungenen Beispiel für europäische Zusammenarbeit<br />

von „Hamlet in Budapest. Hamlet in Berlin“,<br />

welches wi<strong>de</strong>rspiegelt, dass eine ganz junge Generation<br />

von Kollektiven im Moment aktiv ist. Ganz herzlichen<br />

Dank an die Run<strong>de</strong>.<br />

34


Panel:<br />

„Kreative I<strong>de</strong>en, kulturpol<strong>iti</strong>sche Strategien – neue <strong>Impuls</strong>e für<br />

Künstler und Netzwerke“<br />

Prof. Hanns-Dietrich Schmidt (Commissioner for<br />

International Relations, Ruhr 2010), Nele Hertling<br />

(Vizepräsi<strong>de</strong>ntin Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste GL , Berlin), Ralf<br />

R. Ollertz (Künstlerischer Leiter Cie. Toula Limnaios,<br />

Berlin), Dieter Buroch (Intendant Mousonturm Frankfurt/Main),<br />

Dieter Welke (Regisseur, Frankfurt/Main)<br />

Mo<strong>de</strong>ration: Michael Freundt<br />

Freundt:<br />

In <strong>de</strong>n bisherigen Beiträgen wur<strong>de</strong>n bereits die<br />

Themen Mobilität, rechtliche Situation – speziell in <strong>de</strong>r<br />

Visa-Problematik – angesprochen. Wir haben über För<strong>de</strong>rinstrumente<br />

und För<strong>de</strong>rpol<strong>iti</strong>k, die Programme und<br />

die Themen, die dort gesetzt wer<strong>de</strong>n, gesprochen. Es<br />

wur<strong>de</strong> gefor<strong>de</strong>rt, diese Strukturen zu entbürokratisieren,<br />

sie zu flexibilisieren; es solle mehr um künstlerische<br />

Prozesse gehen und die För<strong>de</strong>rung - sowohl auf <strong>de</strong>r europäischen<br />

wie auch auf <strong>de</strong>r nationalen Ebene - müsse<br />

aufbauend strukturiert sein. Es wur<strong>de</strong> gefor<strong>de</strong>rt, dass<br />

För<strong>de</strong>rprogramme für Grenzbereiche <strong>de</strong>r Professionalität<br />

geöffnet wer<strong>de</strong>n und dass die Strukturfonds GL auch<br />

für Kulturprojekte zugänglich gemacht wer<strong>de</strong>n müssen.<br />

Diese Punkte wollen wir im Panel noch einmal schärfen.<br />

Und wir vertiefen ein wichtiges Thema: die soziale<br />

Lage <strong>de</strong>r Künstler in Europa.<br />

Wenn wir immer drüber gesprochen haben, dass es<br />

um Teilhabe, um einen Dialog geht, um das Gleichgewicht<br />

zwischen Kunst und Pol<strong>iti</strong>k, Kultur und Pol<strong>iti</strong>k,<br />

dann ist natürlich die Frage, wie wir diesen Dialog<br />

strukturieren und weiter voran bringen können. Dazu<br />

braucht es Instrumente auch auf Seiten <strong>de</strong>r Künstler.<br />

Aber wie können Künstler, die auch zurückgehen wollen<br />

in <strong>de</strong>n künstlerischen Prozess, dies leisten? Wie kann<br />

mit ihnen und für sie eine starke Vertretung aufgebaut<br />

wer<strong>de</strong>n und Wissen in diesem Bereich gebün<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n?<br />

Ich möchte Ralf R. Ollertz bitten, aus <strong>de</strong>r künstlerischen<br />

Perspektive heraus zu unterstreichen, was als<br />

wichtigster Punkt an die Pol<strong>iti</strong>k heranzutragen wäre.<br />

und dabei im Hinterkopf behalten, dass die Arbeitsbedingungen<br />

für das Ensemble akzeptabel sind, dass sich<br />

die Mitglie<strong>de</strong>r finanzieren und auch gegen Unwägbarkeiten<br />

absichern können. Von daher ist <strong>de</strong>r erste Punkt,<br />

<strong>de</strong>r mir persönlich sehr unter <strong>de</strong>n Nägeln brennt, wirklich<br />

die Einheitlichkeit <strong>de</strong>r Sozial- und Rentenversicherung<br />

von Künstlern unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r<br />

spezifischen Arbeitsbedingungen in Europa. Das ist<br />

ein sehr dringliches Thema. Speziell in Deutschland<br />

bekommt man mehr Steine in <strong>de</strong>n Weg gelegt, wenn<br />

man Leuten längerfristig Arbeit bietet - das wird dann<br />

auf Scheinselbstständigkeit überprüft – ein ganz „erfreulicher“<br />

Nebeneffekt.<br />

Vorschläge und Wünsche: Es gibt in Deutschland<br />

eine Institution, die für uns eine sehr gute und wirklich<br />

auch unterstützenswerte Arbeit leistet: das Nationale<br />

Performance Netz GL . Das ist eine Organisation, die<br />

sehr unbürokratisch, einfach<br />

und schnell han<strong>de</strong>lt, die sowohl<br />

<strong>de</strong>n Künstlern als auch<br />

<strong>de</strong>n Veranstaltern direkt hilft.<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

Bsp. Nationales<br />

Performance Netz<br />

Ich weiß nicht, ob es allen so geht, aber in unserem Ensemble<br />

machen die Einnahmen aus Gastspielen ca. 40<br />

Prozent <strong>de</strong>s Gesamtetats aus. Je mehr man also spielt,<br />

umso besser kann man existieren.<br />

Die Einführung eines europäischen Performancenetzes,<br />

das ähnlich einfach strukturiert und aufgebaut<br />

sein müsste, wäre für uns ein großer Gewinn, eine<br />

große Hilfe.<br />

Es gibt keine Tournee im Ausland ohne das Goethe-<br />

Institut GL , ob in Europa o<strong>de</strong>r Südamerika, wo wir häufig<br />

sind. In <strong>de</strong>n vergangenen Jahren wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Etat jedoch<br />

so immens gestrichen, dass man eigentlich nur noch auf<br />

die Organisation durch das Goethe-Institut GL zurückgreifen,<br />

nicht aber mehr auf<br />

weitere Unterstützung hoffen<br />

kann. Die Goethe-Institute GL<br />

Rolle <strong>de</strong>r Kulturinstitute<br />

Bsp. Goethe Institut<br />

vor Ort, gera<strong>de</strong> wenn man es mit südamerikanischen<br />

Partnern zu tun hat, sind aber sehr, sehr hilfreich, und<br />

ohne diese Unterstützung ginge es gar nicht. Die Stärkung<br />

<strong>de</strong>s Goethe-Instituts GL und eine ganz <strong>de</strong>utliche<br />

Erhöhung seines Kulturetats wären daher unbedingt<br />

von Nöten. Das wäre im Sinne aller.<br />

Das Kreative Potential<br />

Soziale Lage<br />

<strong>de</strong>r Künstler<br />

Ollertz:<br />

Alle Probleme, die hier heute angesprochen wur<strong>de</strong>n,<br />

sind für uns Alltag. Wir sind ein festes Ensemble,<br />

das seit elf Jahren zusammen arbeitet. Festes Ensemble<br />

heißt: 15 Mitarbeiter mit einem eigenen Spielort. Wir<br />

sind mit circa 90 Vorstellungen im Jahr recht gut ausgelastet;<br />

sind sehr viel auf Tournee, machen<br />

sehr viele Gastspiele und haben<br />

natürlich all diese Probleme mit Visa,<br />

mit Arbeitsrecht, mit Sozialversicherung, Rentenversicherung<br />

etc. Wir müssen immer improvisieren und Lösungen<br />

fin<strong>de</strong>n, die lei<strong>de</strong>r nicht immer ganz legal sind,<br />

Was die För<strong>de</strong>rung betrifft, gibt es generell ein Problem,<br />

das nicht nur ein europäisches ist. Mir fällt auf,<br />

dass es immer um eine Steuerung von inhaltlichen<br />

Konzepten geht und dadurch von Inhalten <strong>de</strong>r<br />

künstlerischen Arbeit. Das brauchen wir nun wirklich<br />

nicht. Was wir brauchen, ist unbürokratische, di-<br />

rekte Hilfe, die auch wirklich<br />

bei <strong>de</strong>n Künstlern lan<strong>de</strong>t<br />

und nicht in <strong>de</strong>r Bürokratie.<br />

Die Inhalte brennen uns<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

För<strong>de</strong>rrichtlinien vs.<br />

Freie För<strong>de</strong>rung<br />

schon selber unter <strong>de</strong>n Nägeln. Themenschwerpunkte<br />

bei För<strong>de</strong>rkriterien halte ich für vollkommen unsinnig.<br />

35


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Entschuldigung, aber das muss ich so <strong>de</strong>utlich sagen.<br />

Auslän<strong>de</strong>rsteuer ist immer wie<strong>de</strong>r ein Thema, das<br />

man gern anmerkt, aber keiner reagiert – ich sag’s aber<br />

trotz<strong>de</strong>m wie<strong>de</strong>r.<br />

Die Stärkung und <strong>de</strong>r Aufbau von Produktionshäusern<br />

ist eine Selbstverständlichkeit, weil das allen<br />

Künstlern hilft. Das hat Thomas Lehmen heute sehr<br />

<strong>de</strong>utlich gesagt und ich kann das aus unserer Sicht nur<br />

unterstützen. Es hat nicht je<strong>de</strong>r die Möglichkeit, die<br />

Kraft und die Energie, so etwas selber aufzubauen, so<br />

wie wir das gemacht haben, und ich bin froh, dass wir<br />

das überhaupt noch tun können.<br />

Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />

Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />

Häuser aus finanzieller Sicht<br />

nicht generell wichtig. Es ist ein Zusammentreffen von<br />

Partnern. So etwas begrün<strong>de</strong>t sich darauf, dass man<br />

gemeinsame Interessen verfolgt, die nicht nur in finanzieller<br />

Hinsicht bestehen. Man muss auch wirklich an<br />

<strong>de</strong>m Künstler, <strong>de</strong>m Ensemble und <strong>de</strong>r künstlerischen<br />

Arbeit interessiert sein. Aus Sicht <strong>de</strong>r Künstler muss<br />

man <strong>de</strong>m Koproduzenten vertrauen können, d.h. wenn<br />

Absprachen getroffen wer<strong>de</strong>n, muss man sich darauf<br />

verlassen können, dass diese auch wirklich eingehalten<br />

wer<strong>de</strong>n und dass <strong>de</strong>r Koproduzent einem <strong>de</strong>n Rücken<br />

stärkt. Das ist vielleicht die konservative Vorstellung von<br />

einem guten Intendanten: Auch wenn die Premiere<br />

kein Erfolg ist, steht er trotz<strong>de</strong>m hinter <strong>de</strong>m Ensemble.<br />

Das halte ich nach wie vor für gültig.<br />

Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />

Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />

Koproduktionen sind<br />

für Künstler und auch für die<br />

Ein großes Problem ist das<br />

kurzfristige För<strong>de</strong>rn, das immer<br />

mehr Einzug hält. Man<br />

bekommt schnell Projektgel<strong>de</strong>r, die man in kürzester<br />

Zeit für unsinnige, spekulative Verträge und Kostenvoranschläge<br />

ausgeben muss, und eigentlich könnte<br />

man dieses Geld viel langfristiger anlegen und damit<br />

die wirkliche Arbeit längerfristig unterstützen. Das<br />

wür<strong>de</strong> bei<strong>de</strong>n Seiten nützen und wäre viel rentabler für<br />

die künstlerische Arbeit und die Aufführung selber.<br />

Wenn man nun fragt, was sich ein Künstler<br />

wünscht…<br />

Wenn es um Geld geht, wäre ich schon zufrie<strong>de</strong>n,<br />

wenn man zehn Prozent <strong>de</strong>r Agrarsubventionen in die<br />

Kultur stecken wür<strong>de</strong>; das wäre wirklich ein ernst zu<br />

nehmen<strong>de</strong>r Vorschlag, und von da aus könnte man<br />

dann weiter diskutieren.<br />

Freundt:<br />

Ich möchte die an<strong>de</strong>re Seite <strong>de</strong>s Produktionsprozesses,<br />

<strong>de</strong>n Produzenten, ansprechen. Hanns-Dietrich<br />

Schmidt von „Ruhr 2010 – Kulturhauptstadt Europas“<br />

ist bei uns. Die Kulturhauptstädte agieren ja auch als<br />

Produzenten mit beträchtlichem Potential.<br />

Schmidt:<br />

Ja, ich möchte Ihr Augenmerk, wenn wir über „Europäisch<br />

koproduzieren“ re<strong>de</strong>n, natürlich auch auf das<br />

Projekt „Kulturhauptstadt“ lenken. Seit seiner Gründung<br />

1985 hat sich dieses Projekt sehr stark gewan<strong>de</strong>lt. Am<br />

Anfang waren es Städte wie Athen, Berlin und Amsterdam.<br />

Die haben gemacht, was sie ohnehin machten<br />

- mit ein bisschen mehr Geld. Entschuldigung.<br />

Aber allein die Tatsache, dass Deutschland 2010<br />

durch das Ruhrgebiet vertreten wird, zeigt schon, dass<br />

es da eine starke Verän<strong>de</strong>rung in <strong>de</strong>r Konzeption gegeben<br />

hat. Und es ist natürlich<br />

nicht nur das Ruhrgebiet, es<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

sind auch Städte wie Stavanger, Liverpool und Linz, die<br />

in Zukunft Kulturhauptstädte sein wer<strong>de</strong>n. Das zeigt,<br />

dass die Konzeptionen <strong>de</strong>r Kulturhauptstädte viel pol<strong>iti</strong>scher,<br />

viel problemorientierter gewor<strong>de</strong>n sind; dass es<br />

nicht mehr darum geht, ein auf ein Jahr aufgeblasenes<br />

Festival zu zeigen, son<strong>de</strong>rn dass neue Themenbereiche<br />

dazugekommen sind, die auch für Sie als Produzenten<br />

neue Fragestellungen beinhalten. Ich nenne drei Bereiche:<br />

Das ist zunächst<br />

einmal <strong>de</strong>r Bereich<br />

Thematische Schwerpunkte vs.<br />

Urbanität/Stadtent-<br />

Freie För<strong>de</strong>rung<br />

wicklung, Bereich zwei: Migration, Bereich drei: Kreativwirtschaft.<br />

Das geht natürlich weg von <strong>de</strong>n klassischen<br />

Theaterstrukturen, aber es for<strong>de</strong>rt Sie als Produzenten<br />

vor Ort auf, auch an<strong>de</strong>re und neue I<strong>de</strong>en zu<br />

entwickeln, die sehr spezifisch mit <strong>de</strong>r Konzeption <strong>de</strong>r<br />

einzelnen Kulturhauptstädte zu tun haben.<br />

Die Kulturhauptstädte, die bereits nominiert sind<br />

– das geht bis 2012 – sind untereinan<strong>de</strong>r sehr gut vernetzt.<br />

Wir kommunizieren darüber, was es an Projekten<br />

gibt und an internationalen Projekten auch weiterhin<br />

geben sollte. Wir sind da überhaupt nicht zu, man kann<br />

durchaus noch mit I<strong>de</strong>en, mit Projekten bei uns andocken.<br />

Aber niemand macht mehr einen „Call-for-Projects“,<br />

<strong>de</strong>nn da wird man erst mal mit Projekten zugeschüttet,<br />

die irgendjemand schon immer mal machen<br />

wollte. Allein bei uns in Essen wur<strong>de</strong>n über 650 Projekte<br />

eingereicht, <strong>de</strong>nen man anmerkte, dass da einer ein uraltes<br />

Ding leicht umgeföhnt hatte und nun versuchte,<br />

uns das zu zeigen. Ich fin<strong>de</strong> es wichtig, dass sich die<br />

Produzenten wirklich mit <strong>de</strong>r Konzeption beschäftigen,<br />

mit <strong>de</strong>m Inhalt <strong>de</strong>r einzelnen Kulturhauptstädte.<br />

Ich nehme aus dieser Run<strong>de</strong> mit, dass wir die Aufgabe<br />

haben, in einem Forum, sei es im Internet, die<br />

Schwerpunkte <strong>de</strong>r einzelnen Kulturhauptstädte noch<br />

<strong>de</strong>utlicher zu machen; damit auch Sie als Produzenten<br />

wissen, worum es uns geht. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite ist<br />

es auch so, wenn Sie neu <strong>de</strong>nken, weggehen aus <strong>de</strong>n<br />

Theaterräumen, hin<strong>de</strong>nken zu Cross-Over-Projekten,<br />

haben Sie durchaus noch Chancen, in diesen brummen<strong>de</strong>n<br />

Städten, diesen brummen<strong>de</strong>n Regionen in Europa,<br />

die sich mit Kultur beschäftigen, wo produziert<br />

wird, anzudocken.<br />

Ein zweiter Punkt, <strong>de</strong>n ich noch ganz kurz erwähnen<br />

möchte: Durch die gestiegene Wichtigkeit <strong>de</strong>r Kulturhauptstadt<br />

gibt es auch in <strong>de</strong>n einzelnen Län<strong>de</strong>rn,<br />

die die Kulturhauptstädte in Zukunft stellen, ganz harte<br />

nationale Ausscheidungen. Das war in Deutschland genauso<br />

<strong>de</strong>r Fall. Und auch da, in <strong>de</strong>n einzelnen Städten,<br />

<strong>de</strong>n einzelnen Län<strong>de</strong>rn, wer<strong>de</strong>n verstärkt europäische<br />

Partner gesucht, um sich in diesem Bewerbungsprozess<br />

besser zu platzieren. Das wird in Zukunft Polen, Frankreich,<br />

Spanien und die Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong> betreffen. Auch da<br />

gibt es einzelne Städte, die Koproduzenten suchen, um<br />

sich in diesem Bewerbungsprozess national besser zu<br />

36


pos<strong>iti</strong>onieren. Es gibt im Bereich Kulturhauptstadt noch<br />

viele Möglichkeiten, auch für <strong>de</strong>n Produzenten vor Ort.<br />

Aber das Projekt muss spezifisch sein, es muss genau<br />

sein, und es muss pol<strong>iti</strong>sch <strong>de</strong>n richtigen Weg<br />

weisen.<br />

Freundt:<br />

Mit <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Beiträgen haben wir also das Feld<br />

zwischen <strong>de</strong>n Produzenten, wie wir jetzt die Fonds,<br />

Geldgeber, Stiftungen und die Steuergeld verwalten<strong>de</strong>n<br />

Institutionen genannt haben, und <strong>de</strong>n Künstlern noch<br />

einmal aufgemacht.<br />

Dabei steht auch die Frage im Raum, wie stark sind<br />

die Künstler? Wie ist ihre Situation, die soziale Situation,<br />

in <strong>de</strong>r sie arbeiten? Ich möchte Dieter Welke bitten,<br />

diese Frage, von <strong>de</strong>r ich <strong>de</strong>nke, dass wir sie bis dato<br />

in unserem Programm zu wenig eingeblen<strong>de</strong>t haben,<br />

hier einzubringen. Denn letztlich ist die soziale Lage<br />

<strong>de</strong>r Künstler die Basis für Kreation und Kunstproduktion<br />

überhaupt.<br />

Welke:<br />

Ich spreche hier als offizieller Sprecher <strong>de</strong>s ITI GL bei<br />

<strong>de</strong>r UNESCO und als Theatermensch, <strong>de</strong>r in seiner Berufspraxis<br />

mit <strong>de</strong>n materiellen Nöten und Schwierigkeiten<br />

seines Berufes zu kämpfen hat, wie je<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

auch. Die Diskussion <strong>de</strong>r sozialen Lage <strong>de</strong>r Bühnenkünstler<br />

ist in erster Linie Sache <strong>de</strong>s Künstlers selbst.<br />

D.h. ich wür<strong>de</strong> mich freuen, wenn sich die Künstler auf<br />

europäischer Ebene <strong>de</strong>utlicher artikulieren wür<strong>de</strong>n und<br />

wenn auch die Gewerkschaften – das ist zum Teil in <strong>de</strong>n<br />

Län<strong>de</strong>rn unterschiedlich – die materiellen Belange von<br />

Künstlern vertreten wür<strong>de</strong>n.<br />

Ich möchte diese Diskussion in einen Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>r UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt<br />

GL stellen.<br />

Es gibt einen Artikel in <strong>de</strong>r Konvention GL , Artikel<br />

7.2., <strong>de</strong>r besagt, dass es die Pflicht <strong>de</strong>r Staaten ist, sich<br />

Kulturelle<br />

Vielfalt<br />

um <strong>de</strong>n sozialen und legalen Status<br />

<strong>de</strong>r Künstler zu kümmern, sie also<br />

zu schützen. Dieser Artikel wur<strong>de</strong><br />

Soziale Lage<br />

<strong>de</strong>r Künstler<br />

zung für kulturelle Vielfalt GL<br />

zunächst einmal die Tatsache<br />

ist, dass Künstler überhaupt<br />

arbeiten können und nicht arbeitslos rumhocken<br />

– was sie ja zum großen Teil tun. Da komme ich<br />

jetzt auf die konkrete Situation. Spätestens seit 2003,<br />

übrigens auch durch die große Einflussnahme <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Union so stark abgeschwächt, dass man das<br />

heute kaum als Verpflichtung wahrnehmen kann, sonst<br />

wären diese Verpflichtungen individuell o<strong>de</strong>r kollektiv<br />

einklagbar. Das wirft natürlich ein entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Licht<br />

auf die Kräfteverhältnisse.<br />

Man will die staatliche Souveränität im Bereich <strong>de</strong>r<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k, aber mit daraus entstehen<strong>de</strong>n Pflichten,<br />

was die Künstler angeht, geht man an<strong>de</strong>rs um. Das ist<br />

übrigens ein Kennzeichen in vielen Bereichen dieser<br />

Konvention GL . Immerhin, <strong>de</strong>r Artikel 11 <strong>de</strong>r Konvention<br />

GL , um das Thema abzuschließen, gibt uns die Möglichkeit,<br />

als Zivilgesellschaft an <strong>de</strong>r Verwirklichung <strong>de</strong>r<br />

Konvention mitzuwirken.<br />

Es steht natürlich außer Frage, dass die Voraussetals<br />

in Frankreich die großen Festivals abgesagt wur<strong>de</strong>n,<br />

ist es offenkundig, dass es <strong>de</strong>n Künstlern nicht nur im<br />

Bühnenbereich, son<strong>de</strong>rn im noch größeren Bereich <strong>de</strong>r<br />

darstellen<strong>de</strong>n Künste, immer schlechter geht. In Frankreich<br />

hat sich die Sache damals an <strong>de</strong>r Künstlerversicherung<br />

entzün<strong>de</strong>t. Die damals durchgeführte Reform<br />

hatte zur Folge, dass sehr viele Leute aus diesem Versicherungssystem<br />

herausgeflogen sind. Diese Situation<br />

ist immer noch virulent und wird sich auch in Zukunft<br />

nicht so schnell bereinigen lassen. In Deutschland gibt<br />

es eine ähnliche Situation. Grund hierfür ist die allgemeine<br />

Finanzkrise <strong>de</strong>r Theater, die mit <strong>de</strong>m Rückzug<br />

<strong>de</strong>s Staates bzw. <strong>de</strong>r öffentlichen Hand aus vielen öffentlichen<br />

Strukturen zu tun hat. Das ist europaweit<br />

eine Ten<strong>de</strong>nz; nicht nur europaweit, das ist weltweit<br />

eine Ten<strong>de</strong>nz.<br />

Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass die Sozialversicherungssysteme,<br />

soweit sie überhaupt existieren,<br />

das so nicht mehr tragen können o<strong>de</strong>r eigentlich nicht<br />

mehr dafür gemacht sind. In Deutschland haben wir<br />

im Augenblick eine Pet<strong>iti</strong>on GL laufen, die von mehr als<br />

10.000 Kollegen unterzeichnet wur<strong>de</strong>. In <strong>de</strong>r Pet<strong>iti</strong>on GL<br />

wird auf die Situation <strong>de</strong>r Schauspieler aufmerksam gemacht.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r Tatsache, dass nach einem Jahr<br />

das Arbeitslosengeld ausläuft und für viele Schauspieler<br />

immer kurzfristigere Verträge abgeschlossen wer<strong>de</strong>n,<br />

rutschen je<strong>de</strong>s Mal mehr Kollegen in die Hartz IV-Maschinerie<br />

rein und wer<strong>de</strong>n dann zu Arbeiten gezwungen,<br />

die nichts mehr mit ihrem Beruf zu tun haben.<br />

Dabei wird nicht berücksichtigt, dass auch die Zeit,<br />

in <strong>de</strong>r man nicht probiert, für viele Arbeitszeit ist. Da<br />

wird an Projekten gearbeitet, da wer<strong>de</strong>n Inszenierungen<br />

vorbereitet, die Künstler trainieren usw. Was wir<br />

feststellen können, ist also eine wachsen<strong>de</strong> Präkarisierung,<br />

die uns im Grun<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r weltweiten Ten<strong>de</strong>nz<br />

verbin<strong>de</strong>t. In Abstrichen zwar, aber immerhin.<br />

Zugleich ist die Lage sehr unübersichtlich, da die<br />

Sozialversicherungssysteme und auch die einzelnen<br />

vertraglichen Regelungen pro Land doch sehr verschie<strong>de</strong>n<br />

sind. Die Theatersysteme in Deutschland und in<br />

an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn sind ja sehr unterschiedlich.<br />

Ein weiterer Punkt, <strong>de</strong>r mir persönlich immer mehr<br />

auffällt, ist die Vermehrung <strong>de</strong>s Praktikantenwesens. Da<br />

gibt es Praktikanten, die bereits seit drei o<strong>de</strong>r vier Jahren<br />

Praktikanten sind. Es gibt ganze Regiestäbe, die leben<br />

von Praktikanten. Mit was wird da gespielt? Selbstausbeutung<br />

hat immer zu unserem Beruf gehört. Aber<br />

dass man sich auf <strong>de</strong>r Selbstausbeutung in diesem Sinn<br />

ausruht, darf es in Zukunft so nicht mehr geben.<br />

Auch die Situation <strong>de</strong>r Freischaffen<strong>de</strong>n, das betrifft<br />

einen großen Teil <strong>de</strong>s Regiepersonals, <strong>de</strong>r Bühnenbildner<br />

und an<strong>de</strong>re, hat sich verschlechtert.<br />

Eine generelle Frage, die mich immer wie<strong>de</strong>r beschäftigt:<br />

Wie setzt sich eigentlich unser Marktwert zusammen?<br />

Der berühmte Marktwert. Wer steckt hinter <strong>de</strong>m<br />

Marktwert? Was ist das, <strong>de</strong>r Marktwert? Auf was stützt<br />

sich das im Einzelnen? Ist das jetzt das Pressebuch? O<strong>de</strong>r<br />

das Geraune, das durch das Theater geht? O<strong>de</strong>r…? Was<br />

ist es eigentlich? Also, wie wird das gemacht und wie<br />

schnell gehen Karrieren kaputt? O<strong>de</strong>r wie schnell gehen<br />

Karrieren hoch und dann wie<strong>de</strong>r runter? Die Durchlaufgeschwindigkeit<br />

hat sich auf je<strong>de</strong>n Fall sehr stark erhöht.<br />

Das ist feststellbar, auch statistisch.<br />

Das Kreative Potential<br />

37


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Es gibt auch ein paar weiche Faktoren, die mir Sorge<br />

machen. Der inhaltliche Wettbewerb ist das beleben<strong>de</strong><br />

Element <strong>de</strong>s Theaters. Aber wenn es dann in eine<br />

ökonomische Konkurrenz geht, fürchte ich manchmal<br />

doch sehr, dass sich im Theater allgemein, je<strong>de</strong>r klebt<br />

an seinem Job, so etwas wie Revierförsterei breit macht.<br />

Dieses Abstecken von „claims“ hat sehr stark zugenommen<br />

- auch als Konkurrenzsituation in <strong>de</strong>n Ensembles.<br />

Ich sehe das auch mit <strong>de</strong>m Blick von außen, weil ich<br />

nicht nur in Deutschland arbeite.<br />

Diese materielle Situation <strong>de</strong>r Künstler hat Auswirkungen<br />

auf die Theater. Es ist allerdings schwer, das<br />

genau zu analysieren, weil man an die Statistiken z.T.<br />

nicht heran kommt. Ich bin selbst mehrmals daran gescheitert,<br />

als ich dies im Hinblick auf meine Arbeit in <strong>de</strong>r<br />

UNESCO untersuchen wollte. Es wäre daher durchaus<br />

wichtig, dass wir bald auf ein einheitliches, europäisch<br />

vergleichbares System <strong>de</strong>r Datenerhebung, was die soziale<br />

Lage <strong>de</strong>r Künstler angeht, zurückgreifen könnten,<br />

um herauszufin<strong>de</strong>n, wie die Beschäftigungslage wirklich<br />

ist. Da müssten auch die Gewerkschaften aktiver<br />

wer<strong>de</strong>n. Die Gewerkschaften sind da gefor<strong>de</strong>rt, genauso<br />

wie die Theaterverbän<strong>de</strong>.<br />

Schlussbemerkung: Ich glaube, es muss auf einen<br />

europäischen Report hinauslaufen. Und <strong>de</strong>r wür<strong>de</strong><br />

auch von <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k begrüßt wer<strong>de</strong>n, weil es <strong>de</strong>mentsprechen<strong>de</strong><br />

In<strong>iti</strong>ativen, ich beziehe mich da auf die<br />

Entschließung zur Situation <strong>de</strong>r Künstler GL , im Europäischen<br />

Parlament gibt. Danke.<br />

Freundt:<br />

In genau dieser Entschließung <strong>de</strong>s Europäischen<br />

Parlaments GL wur<strong>de</strong> noch einmal festgehalten, dass<br />

es um die Anerkennung <strong>de</strong>s sozialen Status <strong>de</strong>r<br />

Künstler gehen muss, dass es darum gehen muss,<br />

die arbeitsrechtlichen Systeme in Europa aneinan<strong>de</strong>r<br />

anzugleichen, dass Vergleichbarkeiten und Anschlusssysteme<br />

geschaffen wer<strong>de</strong>n müssen. Und da<br />

wird auch die Frage gestellt: was gilt als Arbeitszeit<br />

<strong>de</strong>s Künstlers? Ist es nur die im Vertrag festgehaltene<br />

Proben- und Auftrittszeit? O<strong>de</strong>r wird auch die individuelle<br />

Trainings- und Vorbereitungszeit angerechnet,<br />

wenn es später um Rente o<strong>de</strong>r um soziale Absicherung<br />

geht?<br />

Das Stichwort, dass wir Informationen brauchen,<br />

dass wir unsere Kräfte sammeln müssen, um in diesem<br />

Prozess weiter im Spiel zu bleiben, wür<strong>de</strong> ich gern als<br />

Überleitung zu Nele Hertling aufgreifen, die in ihrer<br />

Arbeit für <strong>de</strong>n Prozess <strong>de</strong>s „Netzwerkens“ steht, für<br />

<strong>de</strong>n Dialog, auch <strong>de</strong>n kontinuierlichen Dialog mit <strong>de</strong>r<br />

Pol<strong>iti</strong>k. Ich gebe Ihnen, Frau Hertling, das Wort für Anmerkungen.<br />

Was ist zu beachten, wenn wir diesen<br />

Dialog zwischen Künstlern und Pol<strong>iti</strong>k weiterbewegen<br />

wollen? Und was sollte aus Ihrer Sicht <strong>de</strong>n Pol<strong>iti</strong>kern<br />

als wichtigster Punkt übergeben wer<strong>de</strong>n?<br />

Hertling:<br />

Erlauben sie mir noch eine ganz kurze Bemerkung<br />

zur Frage <strong>de</strong>r sozialen Lage. Man muss natürlich immer<br />

davon ausgehen, dass wir in manchen Län<strong>de</strong>rn und vor<br />

allen Dingen in <strong>de</strong>n neuen Beitrittslän<strong>de</strong>rn ganz unterschiedliche<br />

Situationen haben. Ich war in Avignon<br />

zugegen, als die Künstler zu Protesten aufriefen. Da<br />

waren in diesem Jahr sehr viele osteuropäische o<strong>de</strong>r lateinamerikanische<br />

Kompanien, die<br />

Soziale Lage<br />

überhaupt nicht verstehen konnten,<br />

auf welch einem hohen Niveau<br />

<strong>de</strong>r Künstler<br />

die französischen Künstler in einen Protest gingen, aus<br />

einer Lage heraus, von <strong>de</strong>r sie nur träumen konnten.<br />

Ich glaube, es ist eine europäische Aufgabe, dass wir<br />

hier nicht eine Zweiklassensituation zwischen <strong>de</strong>n alten<br />

und <strong>de</strong>n neuen Län<strong>de</strong>rn schaffen, auch was die soziale<br />

Lage betrifft. Und zum Beitrag von Hanns-Dietrich<br />

Schmidt wollte ich noch sagen, dass ich <strong>de</strong>r Meinung<br />

bin, dass es kaum Kulturstädte gab, die so pol<strong>iti</strong>sch waren<br />

wie Amsterdam, Berlin und Glasgow. Glasgow hat<br />

ein extrem urbanistisches Programm gehabt. Amsterdam<br />

hat sich extrem um Migranten gekümmert. Und<br />

Berlin hatte nicht ein repräsentatives Projekt, son<strong>de</strong>rn<br />

hatte die Aufgabe übernommen, 1988 die junge Kunst<br />

aus Mittel- und Osteuropa durch <strong>de</strong>n Eisernen Vorhang<br />

zu bringen, was uns auch weitgehend gelungen<br />

ist. Weshalb ich das sage: Ich fin<strong>de</strong> es furchtbar, dass<br />

in <strong>de</strong>n späteren Kulturhauptstädten mehr und mehr<br />

Verwaltung und pol<strong>iti</strong>sche Kräfte die Programme bestimmt<br />

haben. In <strong>de</strong>n ersten Jahren waren es Kulturleute,<br />

die es in ihrem Sinne versucht haben. Später kippte<br />

das, und das ist etwas, wo man generell sehr aufpassen<br />

muss. Ich fand, das war eine furchtbare Entwicklung.<br />

Jetzt merkt man, dass es wie<strong>de</strong>r in die an<strong>de</strong>re Richtung<br />

geht, das ist ganz entschei<strong>de</strong>nd.<br />

Zu <strong>de</strong>m, was heute gesagt wur<strong>de</strong>: Wir haben sehr<br />

viele pos<strong>iti</strong>ve Vorschläge, sehr viel interessante Analysen<br />

gehört. Aber wie ist das alles weiterzugeben? Wo<br />

sind die Kräfte, die für die<br />

Implementierung sorgen? Pol<strong>iti</strong>scher Dialog<br />

Es hat jetzt keinen Sinn, hier<br />

groß darüber zu lamentieren, dass die Zwischenschritte<br />

noch viel schwieriger sein wer<strong>de</strong>n, als sich die guten<br />

I<strong>de</strong>en auszu<strong>de</strong>nken und die Pol<strong>iti</strong>ker anzuklagen; das<br />

geht leicht. Aber wo sind die Schnittstellen? Wie, wenn<br />

nicht gemeinsam, kriegen wir beispielsweise zustan<strong>de</strong>,<br />

was Gottfried Wagner gesagt hat: die Kultur als<br />

Gegenmacht zum Marktmechanismus zu etablieren?<br />

Die Kultur ist in Europa nach wie vor keine eigenständige<br />

Macht im pol<strong>iti</strong>schen Sinne. Wie können wir das<br />

überwin<strong>de</strong>n? Alle Pol<strong>iti</strong>kfel<strong>de</strong>r haben in Brüssel eine<br />

Be<strong>de</strong>utung, allein die Kultur hat bisher, Stichwort Sub-<br />

sidiarität GL , keine europäische<br />

pol<strong>iti</strong>sche Be<strong>de</strong>utung. Ganz<br />

sicher hängt das Defizit <strong>de</strong>r<br />

Europäische<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

Sichtbarkeit und auch <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rungspol<strong>iti</strong>k damit zusammen.<br />

Wie schaffen wir es, <strong>de</strong>r Kultur gegen viele<br />

an<strong>de</strong>re Argumente und Kräfte diese sichtbar gleichberechtigte,<br />

wenn nicht gar höhere Be<strong>de</strong>utung zu geben?<br />

Wir alle sagen, Europa ist ein kultureller Prozess.<br />

Und dieser kulturelle Prozess wird getragen von einer<br />

Zivilgesellschaft, sprich von <strong>de</strong>r Kultur. Von uns! Wir<br />

sind es ja im Grun<strong>de</strong> genommen, die Europa sind<br />

und die Europa schaffen müssen. Und ich weise noch<br />

einmal darauf hin: Wenn wir es nicht schaffen, auch aus<br />

<strong>de</strong>n kulturellen Kräften, aus <strong>de</strong>n künstlerischen Kräften<br />

heraus, diese Aufgabe zu <strong>de</strong>r unsrigen zu machen und<br />

nicht einfach nur als Bittsteller aufzutreten, son<strong>de</strong>rn als<br />

38


Partner, wird es nicht weitergehen. Das, glaube ich, ist<br />

immer am En<strong>de</strong> solcher Tagungen noch einmal in Erinnerung<br />

zu rufen: Wohin geht <strong>de</strong>r Prozess? Wie schaffen<br />

wir das? In welchen Strukturen schaffen wir es, diesen<br />

Schritt zu tun? Das ist für mich ganz entschei<strong>de</strong>nd.<br />

Ich will noch zwei, drei kleine Fragen stellen, ohne<br />

lange darüber zu sprechen. Das mangeln<strong>de</strong> Geschichtsbewusstsein<br />

in Europa hat meiner Meinung nach auch<br />

ganz stark mit <strong>de</strong>m Verhältnis von Produzieren und Koproduzieren<br />

in Europa zu tun. Wir haben, von Deutschland<br />

her gesehen, eine Schuld auf uns gela<strong>de</strong>n. Wir haben<br />

das Verhältnis einer gemeinsamen kulturellen Trad<strong>iti</strong>on<br />

mit allem, was östlich, zum Teil auch was westlich<br />

von uns gelegen ist, zerstört. Dass <strong>de</strong>r Osten, ganz<br />

pauschal gesagt, so isoliert ist und so hinterher hinkt,<br />

hängt auch damit zusammen. Und das Wie<strong>de</strong>raufbauen<br />

von gemeinsamen Strukturen, die nicht immer nur<br />

von Ost nach West, son<strong>de</strong>rn auch von West nach Ost<br />

gehen, ist für mich eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Frage europäischen<br />

Koproduzierens und Produzierens.<br />

Ein letztes Wort vielleicht noch zum Image von Europa.<br />

Heute wur<strong>de</strong> mehrmals Wim Wen<strong>de</strong>rs erwähnt.<br />

Wim Wen<strong>de</strong>rs hat auf <strong>de</strong>r Berliner Konferenz GL ein<br />

schreckliches Bild gemalt. Er hat gesagt, die Pol<strong>iti</strong>k wird<br />

Schuld daran sein, wenn Europa in <strong>de</strong>r nächsten Generation<br />

nur noch ein Wort ist, das die jungen Menschen<br />

zum Gähnen o<strong>de</strong>r zum Protest bringt. Warum schaffen<br />

wir als Kulturbereich es nicht, ein pos<strong>iti</strong>ves Image aufzubauen?<br />

Er hat natürlich vom Film gesprochen, aber<br />

es gibt auch an<strong>de</strong>re Bereiche. Die pos<strong>iti</strong>ve Besetzung<br />

<strong>de</strong>s Begriffs Europa, welche zum gemeinsamen Tun<br />

führt, das ist für mich fast die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Frage.<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />

Netzwerke<br />

tur-Institutionen zusammen<br />

bringt, um in Brüssel permanent<br />

präsent zu sein. Wir<br />

wer<strong>de</strong>n auf diesem Panel hier nicht mehr das Pro und<br />

Contra dieser Institutionen, ihre mögliche Verkarstung<br />

und die Wichtigkeit, diese Institutionen immer lebendig<br />

und im Kontakt mit <strong>de</strong>r Praxis zu halten, diskutieren<br />

können. Aber ich erwarte mir von Dieter Buroch noch<br />

ein paar Stichworte zu <strong>de</strong>r Frage, wie sich aus Sicht <strong>de</strong>r<br />

Künstler und <strong>de</strong>r Künstlerproduzenten die Netzwerke<br />

aufstellen müssen, um <strong>de</strong>n Dialog zwischen Künstlern<br />

und Pol<strong>iti</strong>k voran bringen zu können.<br />

Freundt:<br />

Ich glaube, dass gera<strong>de</strong> die Netzwerke, die es in<br />

unserem Bereich gibt, seien es die nationalen Verbän<strong>de</strong>,<br />

seien es Institutionen wie das IETM GL o<strong>de</strong>r das ITI GL ,<br />

Künstler zusammen bringen, das Know-how sammeln,<br />

kontinuierlich daran arbeiten und darin auch eine wesentliche<br />

Aufgabe sehen, <strong>de</strong>r Kultur eine permanente<br />

pol<strong>iti</strong>sche Präsenz zu geben. So wie das European Forum<br />

for the Arts and Heritage GL unterschiedliche Kul-<br />

Buroch:<br />

Mir ist heute aufgefallen, dass die Konzepte und Remich<br />

das Panel <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>ker. Da ist mir aber auch<br />

zepte, die wir vor 20 Jahren entwickelt<br />

haben, nicht mehr stim-<br />

Kulturwirtschaft<br />

men. Beson<strong>de</strong>rs beeindruckt hat<br />

klar gewor<strong>de</strong>n, was man unter Europa versteht. Europa<br />

ist in <strong>de</strong>m Zusammenhang ein Wirtschafts- und<br />

ein rein pol<strong>iti</strong>sches Gebil<strong>de</strong>. Es geht in erster Linie um<br />

Geld und Macht. Wenn Kunst o<strong>de</strong>r Kultur vorkommen,<br />

dann immer mit einem Beisatz: Kulturwirtschaft. Ich<br />

fin<strong>de</strong> das einen ziemlich schwierigen Begriff, <strong>de</strong>r aber<br />

ständig benutzt wird, und erst über diesen Begriff Kulturwirtschaft<br />

kommen wir in die pol<strong>iti</strong>sche Diskussion<br />

rein. Ich möchte eigentlich nicht mehr hören, dass wir<br />

in <strong>de</strong>r Kulturwirtschaft mehr Beschäftigte haben als in<br />

<strong>de</strong>r Chemie. Das haben wir vor fünf Jahren festgestellt.<br />

Das darf nicht unsere Diskussion sein. Vor allem nicht<br />

mit dieser Gruppe von Menschen, die wir hier auf <strong>de</strong>m<br />

Panel haben. Ich habe erwartet, dass man die Be<strong>de</strong>utung<br />

von Kunst o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Wert von Künstlern thematisiert<br />

und daraus Schlüsse zieht. Aus diesen und<br />

jenen Grün<strong>de</strong>n für Europa müssen wir die Kultur unterstützen.<br />

Das hat mir sehr gefehlt, und ich habe auch<br />

ein bisschen die Befürchtung, dass nicht klar gewor<strong>de</strong>n<br />

ist, dass wir ohne Kunst und Kultur so eine Gesellschaft<br />

überhaupt nicht steuern können. Das ist lebensnotwendig,<br />

um diese Gesellschaft überhaupt in Gang zu<br />

bringen. Wir brauchen die Künstler als Quer<strong>de</strong>nker.<br />

Da geht es nicht um die Kulturwirtschaft, son<strong>de</strong>rn um<br />

das, was wirklich gemacht wird, nämlich Kunst. Kulturwirtschaft<br />

hat mit Kunst eigentlich überhaupt nichts zu<br />

tun.<br />

Wir sollten uns wie<strong>de</strong>r daran erinnern, dass Künstler<br />

wirklich an<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>nken, zum Glück. Die interessieren<br />

sich für Qualität. Die suchen sich z.B. die besten<br />

Tänzer, und wenn die aus fünf verschie<strong>de</strong>nen Län<strong>de</strong>rn<br />

kommen, dann sind eben diese fünf Län<strong>de</strong>r vertreten.<br />

Bei dieser Denkweise zu bleiben, darin sollten wir die<br />

Künstler bestärken.<br />

Und wir sollten die Netzwerke auch kr<strong>iti</strong>sch sehen.<br />

Und ich wage es, etwas Kr<strong>iti</strong>sches über die Netzwerke<br />

zu sagen, weil wir als Mousonturm, glaube ich, international<br />

mit zu <strong>de</strong>n stärksten Netzwerkern gehören.<br />

Wenn man zum Beispiel vor zehn, zwanzig Jahren europäische<br />

Festivals gesehen hat, dann waren das alles<br />

Unikate, sie hatten alle eine sehr spezielle eigene Handschrift.<br />

Über unsere „Vernetzerei“ – die ganz wichtig<br />

ist, bitte verstehen Sie mich nicht falsch – haben wir<br />

uns irgendwann so vernetzt, dass wir aus diesem Netz<br />

nicht mehr rauskommen. Die Gleichartigkeit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rze<strong>iti</strong>gen<br />

europäischen Festivals macht mir keine Freu<strong>de</strong>,<br />

auch wenn ich Teil davon bin. Alle Festivals fangen mit<br />

Lalala Human Steps an, hören mit Les Ballets C. <strong>de</strong> la B.<br />

auf. Das sind Toptruppen, aber ich erinnere mich noch<br />

an einen völlig verrückten Kollegen aus Frankreich, <strong>de</strong>r<br />

seine Verträge immer mit gänzlich unbekannten Künst-<br />

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass die<br />

Künstler Europa eigentlich schon<br />

Künstlersehr<br />

viel früher ent<strong>de</strong>ckt haben.<br />

Netzwerke<br />

Vor 10 Jahren habe ich <strong>de</strong>n Versuch<br />

angetreten, eine freie, hochprofessionelle Produktionsgemeinschaft<br />

zu bil<strong>de</strong>n und mit wenig Geld eine internationale<br />

Company auf internationalem Niveau aufzubauen.<br />

Wir haben, erst als die Company gegrün<strong>de</strong>t<br />

war, festgestellt, dass bei acht Tänzern fünf verschie<strong>de</strong>ne<br />

Nationalitäten vertreten waren. Heute wür<strong>de</strong> man<br />

zunächst sagen: „Wir haben ein Netzwerk, wir müssen<br />

einen Antrag stellen!“ und dann erst geht’s los.<br />

Das Kreative Potential<br />

39


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

lern auf Bier<strong>de</strong>ckeln gemacht hat. Das waren Festivals,<br />

zu <strong>de</strong>nen ich gerne gefahren bin, weil ich etwas völlig<br />

Neues gesehen habe. Ich war bitter enttäuscht, grottenschlechte<br />

Sachen haben sich gemischt mit absoluten<br />

Ent<strong>de</strong>ckungen, weil er ein mutiger Mann war, <strong>de</strong>r<br />

sein eigenes Ding gemacht hat. Die <strong>de</strong>rze<strong>iti</strong>gen Vernetzungen<br />

sollte man auch kr<strong>iti</strong>sch hinterfragen und nicht<br />

einfach nur blind mitmachen. Vor allem fin<strong>de</strong> ich Netzwerke<br />

zur Existenzsicherung ganz gefährlich. Wenn irgen<strong>de</strong>ine<br />

Kulturstiftung irgendwann einmal sagt, <strong>de</strong>r<br />

Kanarienvogel ist Tier <strong>de</strong>s Jahres, dann wer<strong>de</strong>n wir<br />

überall Produktionen sehen, wo Kanarienvögel über<br />

die Bühne laufen. Soweit sollte es nicht kommen. Wir<br />

müssen Künstlern Freiräume schaffen, damit sie inhaltlich<br />

entschei<strong>de</strong>n können, damit sich ihre Freiheiten<br />

eher vergrößern und nicht verkleinern.<br />

Jetzt komme ich noch mal zurück zur Kulturwirtschaft.<br />

Ich möchte daran erinnern, dass Deutschland<br />

in <strong>de</strong>r europäischen Kunstproduktion<br />

schlicht und ergreifend nicht<br />

Kulturwirtschaft<br />

wettbewerbsfähig ist. Das ist jetzt<br />

nicht die alte Nummer „das Stadttheater nimmt uns<br />

freien Produktionen das Geld weg“, das war früher.<br />

Wir haben in Deutschland eine Struktur, die sehr toll<br />

ist, die ganz viel Theater ermöglicht, aber im europäischen<br />

Wettbewerb eigentlich nicht tauglich ist. Dieser<br />

Struktur fehlt das Mobile. Nur ganz schwer können die<br />

großen Häuser auf internationale Festivals fahren. Die<br />

kleinen Produktionen können es, die freien Kompanien<br />

könnten es, arbeiten mittlerweile auch hochprofessionell.<br />

Aber wir haben wirklich zu wenige Spielstätten,<br />

um zu importieren, und wir haben zu wenige Produktionsmöglichkeiten<br />

hier, um zu exportieren. Deswegen<br />

for<strong>de</strong>re ich: Baut Produktionszentren! Fangt die<br />

Diskussion auch mit <strong>de</strong>n großen Häusern an, ob zum<br />

Beispiel Ballettkompanien in Einzelfällen auch etwas an<strong>de</strong>rs<br />

strukturiert wer<strong>de</strong>n können, damit wir in diesem<br />

Wettbewerb als Kulturwirtschaftler, in <strong>de</strong>m wir ja stehen,<br />

auch bestehen können.<br />

Hertling:<br />

Aus finanziellen und strukturellen Grün<strong>de</strong>n ist das<br />

Koproduzieren und das Reisen<br />

von Kunst in <strong>de</strong>n letzten<br />

Jahren immer kleinteiliger ge-<br />

Mobilität<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

wor<strong>de</strong>n. Aus finanziellen Grün<strong>de</strong>n können sich die Veranstalter<br />

fast nur noch kleine Projekte leisten. Das sind<br />

meistens die zeitgenössischen. Was uns dabei jedoch<br />

verloren geht, ist das große Publikum in Europa, das<br />

für viele Projekte dieser Art gar nicht zu gewinnen ist,<br />

weil sie <strong>de</strong>nken, es ist zu mo<strong>de</strong>rn und zu experimentell.<br />

Was wir am Anfang in Europa hatten, gera<strong>de</strong> bei<br />

<strong>de</strong>m schwierigen Verhältnis zwischen Deutschland und<br />

Frankreich, waren Mittel, um beispielsweise das Berliner<br />

Ensemble durch Frankreich und Ariane Mnouchkine<br />

durch Deutschland touren zu lassen. Das waren<br />

keine bloßen Events, son<strong>de</strong>rn bewusste kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />

Austauschprojekte, durch die wir die jeweiligen Län<strong>de</strong>r,<br />

ihre Trad<strong>iti</strong>onen, ihre Sprache und vieles von ihrer Kultur<br />

überhaupt erst kennen und schätzen gelernt haben.<br />

Ich <strong>de</strong>nke, wir müssen sehr aufpassen, dass wir in <strong>de</strong>m<br />

europäischen Prozess nicht die große Publikumsschicht<br />

verlieren. Das hängt mit <strong>de</strong>r zu kleinen Möglichkeit zu<br />

koproduzieren und zu reisen zusammen. Das ist auch<br />

noch mal eine ganz große For<strong>de</strong>rung.<br />

Freundt:<br />

Damit schließen wir mit einem sehr starken Statement,<br />

mit <strong>de</strong>r ganz klaren For<strong>de</strong>rung, die Künstler in ihrer<br />

Autonomie, in ihrer Individualität und auch in ihrer<br />

Produktionskraft zu stärken, in<strong>de</strong>m wir Produktionszentren,<br />

Produktionsmittel für die Künstler for<strong>de</strong>rn und die<br />

För<strong>de</strong>rer und Pol<strong>iti</strong>ker auffor<strong>de</strong>rn, auch mal aus Sicht<br />

<strong>de</strong>r Künstler zu <strong>de</strong>nken. Vielen Dank.<br />

40


Teil II – Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />

Hochkarätig waren die kulturpol<strong>iti</strong>schen Panels besetzt,<br />

welche Eröffnung und Abschluss <strong>de</strong>s Symposiums<br />

bil<strong>de</strong>ten. Gegenüber <strong>de</strong>n Pol<strong>iti</strong>kern von Län<strong>de</strong>rgemeinschaft,<br />

Bun<strong>de</strong>stag, Auswärtigem Amt, BKM, Europäischem<br />

Parlament und EU-Kommission formulierten<br />

Künstlerverbän<strong>de</strong>, Netzwerke und die In<strong>iti</strong>atoren <strong>de</strong>r<br />

kulturpol<strong>iti</strong>schen Konferenz „Europa eine Seele geben“<br />

und „kultur.macht.europa“ ihren Anspruch an Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

in Europa.<br />

Dabei wur<strong>de</strong> die Mitteilung <strong>de</strong>r EU-Kommission<br />

über eine europäische Kulturagenda im Zeichen <strong>de</strong>r<br />

Globalisierung von <strong>de</strong>n Kulturschaffen<strong>de</strong>n begrüßt,<br />

schlägt sie doch Wege vor, endlich auf allen pol<strong>iti</strong>schen<br />

Ebenen Kultur in Europa zum Thema zu machen – und<br />

substantiell zu för<strong>de</strong>rn.<br />

Künstler wollen Kultur in Europa mitgestalten – über<br />

einen Dialog, in <strong>de</strong>m sie als wirkliche Partner anerkannt<br />

sind, in <strong>de</strong>m sie Kulturpol<strong>iti</strong>k mit gestalten. Längst liegen<br />

Vorschläge auf <strong>de</strong>m Tisch, wie die Rahmenbedingungen<br />

europäischer Kooperation verbessert wer<strong>de</strong>n<br />

können: „Impediments to Mobility and Possible Solutions“,<br />

die viel diskutierte Studie von Pearle* und IETM,<br />

wur<strong>de</strong> auch hier ins Gespräch gebracht.<br />

Kultur ist Motor in Europa, Künstler sind das Zukunftspotential<br />

<strong>de</strong>n Kontinents – darüber lässt sich gut<br />

pol<strong>iti</strong>sch <strong>de</strong>battieren. Aber Son<strong>de</strong>rregelung für Künstler,<br />

Angleichungen <strong>de</strong>r sozialen Sicherungssysteme<br />

über Län<strong>de</strong>rgrenzen hinweg, Vermeidung von Son<strong>de</strong>rsteuern<br />

und Doppelbesteuerung, Abbau von Reisebeschränkung<br />

für Künstler aus Drittstaaten? – erneut wur<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>utlich, wie zäh die pol<strong>iti</strong>schen Prozesse verlaufen,<br />

wie wenig sich in Brüssel bewegen lässt.<br />

Die Gespräche in <strong>de</strong>n Tagen <strong>de</strong>s Symposiums waren<br />

– mit Blick auf die Akteure in <strong>de</strong>n darstellen<strong>de</strong>n Künsten<br />

in Deutschland – ein erster Schritt für einen strukturierten<br />

Dialog von Kulturbereich und Pol<strong>iti</strong>k.<br />

41


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Panel:<br />

„Kulturpol<strong>iti</strong>k in Europa / Europäische Einigung, Creative Industries<br />

und das Potential <strong>de</strong>r Künstler: hoch gelobt – und gut geför<strong>de</strong>rt?“<br />

Nele Hertling (Vizepräsi<strong>de</strong>ntin Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste<br />

GL , Mit-In<strong>iti</strong>atorin <strong>de</strong>r Berliner Konferenz „Europa<br />

eine Seele geben“ GL ), Dr. Norbert Sievers (Geschäftsführer<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>sche Gesellschaft GL / Kongress<br />

„kultur.macht.europa“), Ruth Hieronymi (Mitglied<br />

<strong>de</strong>s Europäischen Parlaments), Xavier Troussard (Generaldirektion<br />

Kultur und Bildung GL , Brüssel), Frithjof<br />

Berger (Referatsleiter „Internationale Zusammenarbeit<br />

im Kulturbereich“ beim Beauftragten <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung<br />

für Kultur und Medien GL ), Steffen Reiche<br />

(Mitglied <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stages, Mitglied <strong>de</strong>s Kulturausschusses)<br />

Mo<strong>de</strong>ration: Prof. Dr. Wolfgang Schnei<strong>de</strong>r (Direktor<br />

<strong>de</strong>s Instituts für Kulturpol<strong>iti</strong>k, Universität Hil<strong>de</strong>sheim)<br />

Begegnung zwischen Pol<strong>iti</strong>k und Kultur sollten wir nutzen,<br />

aber eben mit einem gesun<strong>de</strong>n Selbstbewusstsein<br />

– Gottfried Wagner hat <strong>de</strong>n Aufschlag gemacht – um<br />

das große pol<strong>iti</strong>sche Feld zu beschreiten. Wir müssen<br />

jetzt darüber re<strong>de</strong>n, auf welche Wege wir uns verständigen<br />

und durchaus auch versuchen,<br />

Erwartungshaltungen<br />

zu formulieren.<br />

Frau Hertling, Sie haben<br />

die Berliner Konferenz „Euro-<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />

Netzwerke<br />

In<strong>iti</strong>ative „Europa eine<br />

Seele geben“<br />

pa eine Seele geben“ GL mit in<strong>iti</strong>iert. Vielleicht können<br />

Sie pointieren, welche Wege sie sehen, um tatsächlich<br />

ein Kulturnetzwerk für Europa zu organisieren und<br />

dieses auch pol<strong>iti</strong>sch zu stabilisieren.<br />

Schnei<strong>de</strong>r:<br />

Ein Prinzip <strong>de</strong>s Theaters ist <strong>de</strong>r Austausch, die Pflege<br />

<strong>de</strong>s Austausches. Theater hat ein Bedürfnis zu kommunizieren,<br />

mit <strong>de</strong>m Publikum, aber auch mit an<strong>de</strong>ren<br />

Theatern. Ich behaupte, die Theaterkünstler sind<br />

nicht nur Botschafter ihrer Geschichten, sie sind<br />

auch Botschafter von Zeitgeist und Diskursen, sie<br />

sind Botschafter einer europäischen I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s permanenten<br />

Dialogs. Meine These ist, dass <strong>de</strong>m Theater<br />

die europäische I<strong>de</strong>e gera<strong>de</strong>zu immanent ist, dass das<br />

Theater Europa belebt, in<strong>de</strong>m es durch Koproduktionen,<br />

Festivals und Netzwerke Europa immer wie<strong>de</strong>r<br />

neu erfin<strong>de</strong>t. In allen Bereichen fin<strong>de</strong>n dialogische<br />

Veranstaltungen und programmatische Austauschprogramme<br />

statt und man kann konstatieren, dass Europa<br />

durch das Theater miteinan<strong>de</strong>r verwoben ist. Trotz <strong>de</strong>r<br />

Sprachunterschie<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>t ein reger Künstleraustausch<br />

statt, trotz <strong>de</strong>r unterschiedlichen Strukturen kommt es<br />

immer wie<strong>de</strong>r zum gemeinsamen Schaffen, trotz <strong>de</strong>r<br />

Vielfalt vor Ort sind Festivals immer noch beson<strong>de</strong>re Ereignisse<br />

<strong>de</strong>s gegense<strong>iti</strong>gen Sich Kennen Lernens. Meine<br />

sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen eigentlich<br />

nicht über Europa re<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn Sie alle hier verkörpern<br />

Europa. Sie produzieren, tauschen sich aus, sie<br />

arbeiten zusammen und sie wissen vielleicht mehr über<br />

Europa als mancher Pol<strong>iti</strong>ker, weil Sie auf Ihrer Ebene<br />

seit vielen Jahren nicht nur zusammenkommen, son<strong>de</strong>rn<br />

versuchen, aus diesem Zusammenkommen ein<br />

kreatives Potenzial mit immer wie<strong>de</strong>r schönen Ergebnissen<br />

zu entwickeln. Stellt sich uns also weniger die<br />

Frage, wie wir jetzt auf die Mitteilung <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Kommission GL reagieren können? Wir können jetzt<br />

ganz selbstbewusst sein, <strong>de</strong>nn endlich ist wohl auch in<br />

Brüssel <strong>de</strong>utlich gewor<strong>de</strong>n, welche beson<strong>de</strong>re Rolle die<br />

Kultur, die Kulturschaffen<strong>de</strong>n und – wenn ich das so<br />

übertragen darf – das Theater in Europa spielt. Diese<br />

Hertling:<br />

„Europa eine Seele geben“ GL ist keine Lobbygruppe<br />

für <strong>de</strong>n Kulturbereich im engeren Sinne, son<strong>de</strong>rn versucht,<br />

<strong>de</strong>r Kultur in <strong>de</strong>r europäischen Pol<strong>iti</strong>k neben allen<br />

an<strong>de</strong>ren Pol<strong>iti</strong>kfel<strong>de</strong>rn die ihr angemessene Be<strong>de</strong>utung<br />

zu verschaffen. Unser Ansatz ist in <strong>de</strong>r Tat, die Dialogfähigkeit<br />

zwischen <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k,<br />

und zwar sowohl <strong>de</strong>r<br />

nationalen als auch <strong>de</strong>r eu-<br />

Dialog zwischen<br />

Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />

ropäischen, und <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft zu stärken. Dafür<br />

gibt es eine ganze Reihe von Projekten, auf die wir<br />

vielleicht in <strong>de</strong>r Diskussion noch zu sprechen kommen.<br />

Der In<strong>iti</strong>ative ist es gelungen, in Brüssel ein so genanntes<br />

Steering Committee GL einzurichten, das neben Ján<br />

Figel und Gerald Pöttering aus verschie<strong>de</strong>nen europäischen<br />

Parlamentariern besteht. Diese haben sich bereit<br />

erklärt, für Gedanken und Vorschläge, die aus dieser In<strong>iti</strong>ative<br />

kommen, sozusagen <strong>de</strong>n Türöffner in die europäische<br />

Pol<strong>iti</strong>k zu spielen, um mit neuen Ansätzen in die<br />

europäische Pol<strong>iti</strong>k hinein zu wirken. Damit ist, wie wir<br />

glauben, etwas sehr Wichtiges entstan<strong>de</strong>n: ein Sprachrohr<br />

für die europäische Kultur in Brüssel. Ich möchte<br />

ein Beispiel nennen, um zu zeigen, was wir damit meinen.<br />

Es gibt das Format <strong>de</strong>r „Foren“. Das letzte dieser<br />

Foren fand in Belgrad statt, wo es einer kleinen zivilgesellschaftlichen<br />

In<strong>iti</strong>ative in <strong>de</strong>r heutigen, sehr schwierigen<br />

pol<strong>iti</strong>schen Situation gelungen ist, alle Partner in<br />

dieser komplizierten Stadt zusammen zu bringen, um<br />

gemeinsam mit europäischen Kräften, vor allem <strong>de</strong>r Felix-Mer<strong>iti</strong>s-Stiftung<br />

GL in Amsterdam und „Europa eine<br />

Seele geben“ GL in Berlin, ein Forum zu organisieren, zu<br />

<strong>de</strong>m wir über das Steering Committee GL zwei Europaparlamentarier,<br />

Doris Pack und Hannes Swoboda, und<br />

die Kommissarin Meglena Kunewa* nach Belgrad einla<strong>de</strong>n<br />

konnten. Einer zivilgesellschaftlichen In<strong>iti</strong>ative ge-<br />

* Meglena Kunewa, bulgarische Pol<strong>iti</strong>kerin und seit <strong>2007</strong> EU-Kommissarin für<br />

Verbraucherschutz.<br />

42


lang es, nicht nur die Belgra<strong>de</strong>r Lokalpol<strong>iti</strong>k, son<strong>de</strong>rn die<br />

offizielle serbische Pol<strong>iti</strong>k und pol<strong>iti</strong>sche Vertreter aller<br />

Balkanlän<strong>de</strong>r an einen Tisch zu bekommen. Das klingt<br />

sehr harmlos, war aber ein extrem schwieriger Prozess.<br />

In einer sehr offenen Diskussion über Chancen von Zivilgesellschaft,<br />

sprich Kunst und Kultur, – die durch die<br />

Anwesenheit von Europapol<strong>iti</strong>kern erst möglich wur<strong>de</strong><br />

– konnte bei <strong>de</strong>n Zuhörern in Serbien ein Denkprozess<br />

angeregt und eine Aktivität ermöglicht wer<strong>de</strong>n, die bereits<br />

jetzt Früchte trägt. Es ist sozusagen <strong>de</strong>r Dialog „Zivilgesellschaft<br />

und Pol<strong>iti</strong>k“, <strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> an Stellen, wo<br />

es bisher un<strong>de</strong>nkbar war, sehr viel bewirkt, und ich bin<br />

überzeugt davon, dass auch bei uns diese Wirksamkeit<br />

noch viel zu wenig genutzt wird. Das ist die eigentliche<br />

Hauptzielrichtung: die Zivilgesellschaft in die<br />

Verantwortung zu bringen, um mit dieser Kraft die<br />

Pol<strong>iti</strong>k in Europa hin zu einer kulturellen Pol<strong>iti</strong>k, zu einer<br />

pol<strong>iti</strong>schen Kultur zu bringen. Das ist <strong>de</strong>r Hauptansatz,<br />

hier liegt <strong>de</strong>r Schwerpunkt <strong>de</strong>r Aktivitäten.<br />

Schnei<strong>de</strong>r:<br />

Wenn ich noch einmal nachfragen darf: Welche<br />

konkreten Ziele verfolgen Sie? Welche Strukturen sollen<br />

entstehen? Vielleicht können Sie das noch einmal<br />

pointieren.<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />

Netzwerke<br />

In<strong>iti</strong>ative „Europa eine<br />

Seele geben“<br />

Hertling:<br />

Im Prinzip kann ich nur wie<strong>de</strong>rholen:<br />

Unser Ziel ist es, <strong>de</strong>m<br />

Selbstbewusstsein <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft<br />

eine Plattform zu ge-<br />

ben und es im pol<strong>iti</strong>schen Prozess zu stärken. In <strong>de</strong>r<br />

letzten Konferenz, die diese In<strong>iti</strong>ative im November<br />

2008 plant, sollen <strong>de</strong>r nationalen und europäischen<br />

Pol<strong>iti</strong>k zwei so genannte Weißbücher GL übergeben wer<strong>de</strong>n,<br />

um anhand zahlreicher Belege konkret zu zeigen,<br />

wie kulturelle und künstlerische Prozesse Strukturen in<br />

Europa beeinflussen und verän<strong>de</strong>rn können. Daran<br />

arbeitet kontinuierlich eine große Arbeitsgruppe. Die<br />

an<strong>de</strong>re I<strong>de</strong>e, mit <strong>de</strong>r diese zivilgesellschaftliche Kraft<br />

bewiesen wer<strong>de</strong>n kann und soll, beschäftigt sich mit<br />

<strong>de</strong>m Thema Städte und Regionen. Es geht darum,<br />

in Städten und Regionen das Bewusstsein dafür zu<br />

schärfen, dass dort die europäische Kultur entsteht<br />

und <strong>de</strong>mzufolge dort die Verantwortung für europäische<br />

Kultur wachsen muss. Auch hier gibt es sehr<br />

konkrete Arbeitsschritte mit vielen Partnern quer durch<br />

Europa bis nach Istanbul. Wir gehen hier sogar so weit<br />

zu sagen, dass Istanbul ein Mo<strong>de</strong>ll für ein zukünftiges<br />

Europa sein könnte. Bei <strong>de</strong>r Bewerbung Istanbuls um<br />

die Kulturhauptstadt Europas 2010 ist es <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft<br />

gelungen, <strong>de</strong>n Zuschlag zu bekommen, gera<strong>de</strong><br />

weil keine kulturpol<strong>iti</strong>schen Strukturen in <strong>de</strong>r Stadt existierten<br />

und eine breite Kooperation daher nicht erst<br />

bereits bestehen<strong>de</strong> Strukturen zu überwin<strong>de</strong>n hatte.<br />

Das kann als Mo<strong>de</strong>ll dafür stehen, wie zivile Kraft außerhalb<br />

von festgelegten Strukturen etwas erreichen kann.<br />

Und eine Stadt wie Istanbul könnte hier in <strong>de</strong>r Tat zu<br />

einem Mo<strong>de</strong>ll für Europa wer<strong>de</strong>n.<br />

Mobilität<br />

Noch ein Wort zur Mobilität,<br />

einem Thema, mit <strong>de</strong>m wir uns<br />

sehr entschie<strong>de</strong>n auseinan<strong>de</strong>rsetzen,<br />

auch in Kontakten zu <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Kommissionen<br />

in Brüssel. Es geht dabei nicht nur um Reise-<br />

mittel, es geht auch um sehr praktische Fragen, wie<br />

z.B. die Visa-Beschaffung. Wir kämpfen mit <strong>de</strong>m Stability<br />

Pact GL , mit Kommissar Olli Rehn* für eine Verbesserung<br />

dieser Situation, die ich an einem Beispiel noch<br />

einmal illustrieren möchte. Auf unserem Forum in Belgrad<br />

konnten Referenten und Teilnehmer nicht erscheinen,<br />

weil sie in letzter Sekun<strong>de</strong> kein Visum bekommen<br />

hatten. Die Tatsache, dass Bulgarien und Rumänien<br />

jetzt EU-Mitglie<strong>de</strong>r sind, hat eine neue Grenze mit einer<br />

neuen Visa-Frage östlich von Bulgarien und Rumänien<br />

geschaffen und damit Kontakte abgeschnitten, die<br />

über Jahre gut funktioniert haben. Dazu kommt in dieser<br />

Region die Problematik <strong>de</strong>r europäischen Budgets,<br />

die entwe<strong>de</strong>r für EU-Mitglie<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Nicht-Mitglie<strong>de</strong>r<br />

gedacht sind, und merging funds sind auf bei<strong>de</strong>n Seiten<br />

ganz schwierig zu organisieren. Es entsteht also eine<br />

neue Abschottung in eine Richtung, in <strong>de</strong>r wir sie absolut<br />

nicht erwartet haben. Auch so konkrete Fragen<br />

gehören zum Thema Mobilität, und hier nutzen wir<br />

ebenfalls unsere Kontakte über das Steering Committee<br />

GL , um diese Frage sehr direkt anzugehen und eine<br />

Lösung zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Schnei<strong>de</strong>r:<br />

Ich glaube, es ist wichtig, dass man immer wie<strong>de</strong>r<br />

darauf hinweist, dass Europa nicht die Europäische Union<br />

allein ist. Europa ist auch nicht ein Staatengebil<strong>de</strong>,<br />

son<strong>de</strong>rn Europa sind natürlich die Europäer. Vor zwei<br />

Wochen lud die Kulturpol<strong>iti</strong>sche Gesellschaft GL zum 4.<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>schen Bun<strong>de</strong>skongress GL „kultur.macht.europa<br />

– europa.macht.kultur“ GL ein und entwickelte vor<br />

<strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>r Ergebnisse dieser Veranstaltung<br />

ein Papier mit <strong>de</strong>zidierten For<strong>de</strong>rungen in Bezug auf<br />

unser Feld, die darstellen<strong>de</strong>n Künste in Europa. Herr<br />

Sievers, wenn Sie <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>skongress GL in Bezug zu<br />

unser Problematik hier bringen – welche Punkte wür-<br />

<strong>de</strong>n Sie benennen?<br />

Sievers:<br />

Die Kulturpol<strong>iti</strong>sche Gesellschaft<br />

GL ist eine Vereinigung,<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />

Netzwerke<br />

Bsp. Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />

Gesellschaft<br />

die aus Einzelpersonen besteht, im Unterschied zu an<strong>de</strong>ren<br />

Verbän<strong>de</strong>n, die in unterschiedlichsten Pos<strong>iti</strong>onen<br />

an <strong>de</strong>n unterschiedlichsten Knotenpunkten dieses sehr<br />

komplizierten Netzwerkes ‚Kulturpol<strong>iti</strong>k’ in Deutschland<br />

aktiv sind. Ich weiß nicht, ob es in Europa eine vergleichbare<br />

Organisation gibt, bislang bin ich noch auf<br />

keine gestoßen, aber durch diese Beson<strong>de</strong>rheit haben<br />

wir auch die Möglichkeit, bestimmte Themen zu setzen<br />

und in <strong>de</strong>n Köpfen und im Bewusstsein von Menschen<br />

zu verankern. Das versuchen wir mit unterschiedlichen<br />

Mitteln zu erreichen, z.B. durch Tagungen, Konferenzen,<br />

aber auch durch unsere Zeitschrift „Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />

Mitteilungen“, durch Bücher, Publikationen usw.<br />

Denn Kulturpol<strong>iti</strong>k wird letztlich in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten<br />

Organisationen von Menschen gemacht. Das vielleicht<br />

als Vorbemerkung. Die internationale Orientierung ist<br />

im Übrigen bei uns schon seit 30 Jahren präsent. Das<br />

steht schon in <strong>de</strong>r Grundsatzerklärung. Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

ist grundsätzlich immer international auszurichten.<br />

Als wir uns in <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>schen Gesellschaft GL im<br />

* Olli Rehn, finnischer Pol<strong>iti</strong>ker und EU-Erweiterungskommissar in <strong>de</strong>r Kommission<br />

von José Manuel Durão Barroso<br />

Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />

43


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

vergangenen Jahr überlegten, <strong>de</strong>n 4. Kulturpol<strong>iti</strong>schen<br />

Bun<strong>de</strong>skongress GL , mit Unterstützung <strong>de</strong>s Beauftragten<br />

<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung für Kultur und Medien GL sowie an<strong>de</strong>rer<br />

Organisationen auszurichten, war es im Kontext<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen EU-Ratspräsi<strong>de</strong>ntschaft nahe liegend,<br />

Europa als Schwerpunkt zu wählen. Uns ist natürlich<br />

nicht verborgen geblieben, dass Europa in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k kein beson<strong>de</strong>rs erfolgreiches Thema<br />

ist, um es mal gelin<strong>de</strong> zu formulieren, son<strong>de</strong>rn doch<br />

noch <strong>de</strong>r Aufrüttelung und <strong>de</strong>r Intensivierung bedarf.<br />

Mit <strong>de</strong>n kulturpol<strong>iti</strong>schen Bun<strong>de</strong>skongressen GL , die alle<br />

zwei Jahre stattfin<strong>de</strong>n, konnten wir dieses Thema zwar<br />

auf die kulturpol<strong>iti</strong>sche Agenda setzen, sahen uns jedoch<br />

in <strong>de</strong>r Pflicht, zumin<strong>de</strong>st in Deutschland auch <strong>de</strong>n<br />

Beweis zu erbringen, dass wir tatsächlich Aufmerksamkeit<br />

für dieses Thema gewinnen können. Und das ist<br />

uns durch verschie<strong>de</strong>ne Maßnahmen, die ich kurz skizzieren<br />

und zur Diskussion stellen möchte, gelungen.<br />

Wir haben uns zunächst gesagt, dass wir keinen I<strong>de</strong>ntitätsdiskurs<br />

führen wollen. Wir wollen nicht mehr darüber<br />

philosophieren, weshalb das Thema wichtig ist,<br />

son<strong>de</strong>rn wir machen eine Setzung: Europa macht Kultur<br />

– Kultur macht Europa. Das war <strong>de</strong>r Ausgangspunkt<br />

Europäische<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

unserer Überlegungen. Ich<br />

<strong>de</strong>nke, es ist wichtig, dass man<br />

die europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

möglichst genau <strong>de</strong>finiert und dass man an konkreten<br />

Fragestellungen, <strong>de</strong>n Institutionen, <strong>de</strong>n Verfahren, <strong>de</strong>n<br />

Themen arbeitet. Und so haben wir <strong>de</strong>n Kongress aufgebaut.<br />

Ziel war es, möglichst das gesamte Feld <strong>de</strong>r<br />

europäischen Kulturpol<strong>iti</strong>k aufzuschlüsseln, um zu zeigen,<br />

dahinter verbergen sich nicht nur Programmformeln<br />

o<strong>de</strong>r Begriffe, die wir schon gar nicht mehr hören<br />

können, wie z.B. Vielfalt. Wir wollten also versuchen,<br />

durch konkrete Themen und konkrete Fragestellungen<br />

zu überzeugen. Das ist <strong>de</strong>r erste Punkt. Wir haben uns<br />

gesagt, wenn wir dies verwirklichen wollen, brauchen<br />

wir – zweiter Punkt – Kooperationspartner. Ebenso<br />

wie mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Kulturpol<strong>iti</strong>k, die wegen <strong>de</strong>s<br />

Fö<strong>de</strong>ralismus und <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Akteure auf diesem<br />

Gebiet höchst komplex ist, verhält es sich mit <strong>de</strong>r<br />

europäischen Kulturpol<strong>iti</strong>k. Man kann keine erfolgreiche<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k praktizieren und formulieren,<br />

wenn es nicht zusammen mit an<strong>de</strong>ren geschieht,<br />

wenn man nicht kooperiert. Aber Kooperation ist ein<br />

schwieriges Geschäft. Kooperation ist eine Metho<strong>de</strong>,<br />

die man erlernen muss, auf <strong>de</strong>utscher und insbeson<strong>de</strong>re<br />

auf europäischer Ebene. Es ist uns gelungen, sowohl<br />

europäische als auch viele <strong>de</strong>utsche Partner zu fin<strong>de</strong>n<br />

und uns mit <strong>de</strong>nen in einem schwierigen Prozess im<br />

Vorfeld über das Thema abzustimmen. Das hat, glaube<br />

ich, gut funktioniert. Der dritte Punkt, <strong>de</strong>r uns wichtig<br />

ist, betrifft die Kontinuität. Der kulturpol<strong>iti</strong>sche Diskurs<br />

in Europa braucht mehr Kontinuität. Man muss sich aufeinan<strong>de</strong>r<br />

beziehen und die Ergebnisse einer Konferenz<br />

o<strong>de</strong>r Publikation wie<strong>de</strong>r aufgreifen, um sie noch einmal<br />

in einem neuen Licht, in einem an<strong>de</strong>ren Kontext zu beurteilen<br />

und zu bewerten. Und auch das haben wir versucht,<br />

in<strong>de</strong>m wir mit drei Tagungen bzw. Kongressen,<br />

die im Rahmen <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Ratspräsi<strong>de</strong>ntschaft<br />

stattfan<strong>de</strong>n, kooperiert haben. Wir haben versucht, sowohl<br />

die Tagung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen UNESCO-Kommission<br />

zum Thema „Kulturelle Vielfalt GL “ als auch die Tagung<br />

zur Kulturwirtschaft, die in Berlin stattfand, und die Tagung<br />

<strong>de</strong>r ECF GL in Den Haag in einen direkten Zusammenhang<br />

zu stellen, was uns auch gelungen ist. Das<br />

sind erst Anfänge, aber wir haben es erreicht, einen<br />

Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>n kulturpol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />

herzustellen, die – das muss man präzisierend<br />

hinzufügen von zivilgesellschaftlichen Akteuren aufgenommen<br />

und gestaltet wur<strong>de</strong>n. Das sind drei Punkte,<br />

die ich ganz wichtig fin<strong>de</strong>.<br />

Schnei<strong>de</strong>r:<br />

Auf <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>skongress GL sind wir nicht dazu gekommen,<br />

tatsächlich weitergehen<strong>de</strong> Strukturen zu formulieren.<br />

Es gibt zwar die Kulturpol<strong>iti</strong>sche Gesellschaft GL<br />

in Deutschland, aber nicht auf europäischer Ebene. Es<br />

gibt vielleicht an<strong>de</strong>re Netzwerke wie die EFAH GL o<strong>de</strong>r im<br />

Theaterbereich IETM GL , die durchaus in <strong>de</strong>r Lage wären,<br />

diese Funktion zu übernehmen. Aber ich bitte Sie, noch<br />

einmal ganz kurz die inhaltlichen Punkte zu benennen,<br />

an <strong>de</strong>nen für uns die Pflege <strong>de</strong>s kulturpol<strong>iti</strong>schen Diskurses<br />

konkret wird.<br />

Sievers:<br />

Es sind drei sehr konkrete Ansatzpunkte, die u.a.<br />

auch auf unseren Erfahrungen als Träger <strong>de</strong>s Cultural<br />

Contact Points GL basieren, wo sich uns viele Probleme<br />

und Fragen aus <strong>de</strong>r Praxis vermitteln. Es war uns daher<br />

sehr wichtig, zu sagen, Kulturför<strong>de</strong>rung auf europäischer<br />

Ebene muss effektiver gestaltet wer<strong>de</strong>n. Wir<br />

alle wissen, wie kompliziert die Anträge sind. Ich habe<br />

gera<strong>de</strong> selbst diese Erfahrung hinter mich bringen müssen,<br />

als ich <strong>de</strong>n Antrag für <strong>de</strong>n Kongress stellte. Dabei<br />

kennen wir die Verfahren, die Mechanismen, die haushaltsrechtlichen<br />

Rahmenbedingungen usw. Das sollte<br />

in je<strong>de</strong>m Fall vereinfacht wer<strong>de</strong>n.<br />

Vor allem kleinere Organisationen,<br />

und das wer<strong>de</strong>n<br />

EU-Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

Bürokratieabbau<br />

hier sicher viele kennen, haben wenige Möglichkeiten,<br />

tatsächlich Gel<strong>de</strong>r zu beantragen. Allein die Tatsache,<br />

dass man das Geld von <strong>de</strong>r europäischen Union nicht<br />

zu <strong>de</strong>m Zeitpunkt bekommt, an <strong>de</strong>m man es braucht,<br />

dass man auf Zwischenfinanzierungen angewiesen ist,<br />

erschwert die Sache ungemein. Das wissen Sie alles, da<br />

braucht es möglicherweise auch Fonds zur Abfe<strong>de</strong>rung<br />

dieser Risiken, damit zivilgesellschaftliche Organisationen<br />

überhaupt diese Möglichkeiten in Anspruch nehmen<br />

können.<br />

„Mobilität för<strong>de</strong>rn“ ist ein weiterer<br />

Punkt, <strong>de</strong>r uns sehr wichtig Mobilität<br />

ist. Auch das ist bereits in KULTUR<br />

2000 GL und <strong>de</strong>n nachfolgen<strong>de</strong>n Programmen verankert.<br />

Das muss noch ausgebaut wer<strong>de</strong>n, aber dafür hat<br />

Herr Wagner bereits ein eindrückliches Plädoyer abgegeben.<br />

Und ein dritter Punkt, mit <strong>de</strong>m wir uns in <strong>de</strong>n letzten<br />

Jahren beschäftigt haben,<br />

ist <strong>de</strong>r Zugang zu <strong>de</strong>n Strukturfonds<br />

GL , <strong>de</strong>r unbedingt Öffnung <strong>de</strong>r Fonds<br />

EU-Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

erleichtert wer<strong>de</strong>n sollte. Aus<br />

<strong>de</strong>n Strukturfonds GL fließt ja bekanntlich viel mehr Geld<br />

in die Kultur, wahrscheinlich nicht in künstlerische Projekte<br />

im engeren Sinne, son<strong>de</strong>rn in die eher größeren<br />

Vorhaben, aber es gibt ungefähr 10 bis 12mal so viele<br />

44


Gel<strong>de</strong>r für kulturelle Belange, die man, theoretisch zumin<strong>de</strong>st,<br />

beantragen kann. Aber das ist außeror<strong>de</strong>ntlich<br />

kompliziert, zumal die Informationslage nicht ganz einfach<br />

ist. Da wäre es sehr hilfreich, wenn man die Fonds<br />

für zivilgesellschaftliche Projekte und Organisationen in<br />

Kooperation mit <strong>de</strong>n nationalen und vor allem regionalen<br />

Behör<strong>de</strong>n, die dafür zuständig sind, zugänglicher<br />

machen wür<strong>de</strong>.<br />

Ein vierter Punkt, über <strong>de</strong>n wir auch im Rahmen <strong>de</strong>s<br />

Kongresses diskutiert haben, betrifft die Erinnerungskultur.<br />

Wie sind Fragen <strong>de</strong>r Erinnerung kulturpol<strong>iti</strong>sch,<br />

kulturell zu fassen und zu thematisieren? Das ist ein<br />

ganz, ganz wichtiger Punkt, auch ein sehr schwieriger.<br />

Wir sollten uns aber auch vor diesen schwierigen Fragen<br />

nicht verstecken.<br />

Schnei<strong>de</strong>r:<br />

Ich erlaube Ihnen jetzt noch eine ganz kurze Werbeeinblendung.<br />

Sie haben von <strong>de</strong>r Kontinuität gesprochen,<br />

Sie haben von <strong>de</strong>m Diskurs gesprochen und Sie<br />

haben dazu auch publizistisch etwas beizutragen.<br />

Sievers:<br />

Ja, wir <strong>de</strong>nken, Kongresse sind Inszenierungen, aber<br />

man darf Sie nicht nur auf drei Tage begrenzen, son<strong>de</strong>rn<br />

muss sie vorbereiten. Das haben wir durch einen<br />

Newsletter, durch eine Webseite (www.kupoge.<strong>de</strong>)<br />

und durch eine Publikation versucht, in <strong>de</strong>nen wir dann<br />

etwas systematischer die Fragen <strong>de</strong>r europäischen Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

behan<strong>de</strong>lt haben. Die Publikation ist das Jahrbuch<br />

für Kulturpol<strong>iti</strong>k, eine Grundlage, auf die man sich<br />

beziehen kann, und ich <strong>de</strong>nke, wenn man die verschie<strong>de</strong>nsten<br />

Instrumente, die man hat, so bün<strong>de</strong>lt, dann<br />

kommt man auch weiter.<br />

Schnei<strong>de</strong>r:<br />

Herr Reiche, Wir haben jetzt über die Themensetzungen<br />

<strong>de</strong>r kulturpol<strong>iti</strong>schen Konferenzen und Debatten<br />

gesprochen. Wie fließt dies in die konkrete Pol<strong>iti</strong>k<br />

ein? Was wird im Bericht <strong>de</strong>r Enquête-Kommission über<br />

Europa- und Kulturpol<strong>iti</strong>k drinstehen?<br />

Europäische<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

Reiche:<br />

Ich bin im Moment sehr optimistisch. Es ist unglaublich,<br />

wie viel in Europa im Kulturbereich in Bewegung<br />

geraten ist. Dinge, die man sich vor kurzem<br />

noch gar nicht vorstellen konnte. Die Hymne und die<br />

Fahne haben <strong>de</strong>n Gipfel nicht überlebt, aber <strong>de</strong>r Kulturartikel,<br />

<strong>de</strong>r hat überlebt. Und<br />

das macht <strong>de</strong>utlich, dass die<br />

Europäische Union in <strong>de</strong>r tiefen<br />

Krise, in <strong>de</strong>r sie im Moment steckt, merkt, dass sie<br />

die Kultur braucht, um voran zu kommen, um I<strong>de</strong>ntität<br />

in Europa zu schaffen, um <strong>de</strong>n Lissabon-Prozess GL voranzubringen,<br />

um Kultur einfach wie<strong>de</strong>r stärker in <strong>de</strong>n<br />

öffentlichen Fokus zu bringen. In <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />

wollte man viele Jahre über Kultur immer nur ganz<br />

am Ran<strong>de</strong> sprechen, das war immer ein Nebenthema.<br />

Die Europäische Union dürfe dafür eigentlich nicht zuständig<br />

sein, es ginge ja um Subsidiarität GL . Zuallererst<br />

war es eine Wirtschaftsunion und dann wur<strong>de</strong> daraus<br />

ein Rechtsraum und mit <strong>de</strong>r Europäischen Union dann<br />

auch ein pol<strong>iti</strong>scher Raum. Jetzt merkt man stärker<br />

als je zuvor, dass wir auch die Kultur brauchen, um<br />

die I<strong>de</strong>ntität zu entwickeln, um <strong>de</strong>n europäischen<br />

Traum voranzubringen. Grönland beispielsweise ist<br />

im Grun<strong>de</strong> viel größer als Europa, aber warum ist Europa<br />

be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r als Grönland? Weil <strong>de</strong>r Rohstoff Europas<br />

die Kultur ist. Das heißt, unsere gemeinsame Kultur<br />

in ihrer Vielfalt, in ihrer Verschie<strong>de</strong>nheit, die vielen<br />

verschie<strong>de</strong>nen Geschichten, die eine gemeinsame Geschichte<br />

ergeben, das ist das, was uns eint und verbin<strong>de</strong>t.<br />

Und wenn wir wollen, dass Europa, neben Indien,<br />

neben China, neben <strong>de</strong>n USA, neben <strong>de</strong>n vielen großen<br />

an<strong>de</strong>ren Akteuren in diesem Globalisierungsprozess<br />

perspektivisch eine Rolle spielen soll, wenn wir wollen,<br />

dass nach <strong>de</strong>m 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt, das maßgeblich vom<br />

amerikanischen Traum geprägt wur<strong>de</strong>, im 21. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

<strong>de</strong>r europäische Traum, und das heißt unsere<br />

Werte, eine Rolle spielen sollen, dann wer<strong>de</strong>n wir dafür<br />

zentral die Kultur brauchen, als <strong>Impuls</strong>geber, als Motor.<br />

Unter diesem Gesichtspunkt bekommt das Diktum, das<br />

Jean Monnet* zugeschrieben wird, das er aber tatsächlich<br />

nie geäußert hat, eine ganz neue Be<strong>de</strong>utung. Er<br />

soll gesagt haben, dass er, wenn er noch einmal mit<br />

<strong>de</strong>m Aufbau von Europas bzw. <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />

beginnen wür<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>r Kultur anfinge. In <strong>de</strong>r jetzigen<br />

tiefen Krise beginnen wir tatsächlich, <strong>de</strong>r Kultur eine<br />

größere Rolle zuzuschreiben. Als die Mitteilung <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Kommission GL veröffentlicht wur<strong>de</strong>, dachte<br />

ich, einige Län<strong>de</strong>r in Deutschland müssten sofort in<br />

Ohnmacht fallen. Ich war mir sicher, dass die Bayern<br />

sofort protestieren und mit <strong>de</strong>m Austritt aus <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Union und Schlimmerem drohen wür<strong>de</strong>n. Das<br />

ist alles nicht passiert, obwohl da etwas drinstand, was<br />

man vor drei, vier Jahren für völlig un<strong>de</strong>nkbar gehalten<br />

hätte. Die Europäische Kommission schlägt in <strong>de</strong>r Mitteilung<br />

GL vor, <strong>de</strong>n Prozess <strong>de</strong>r offenen Koordinierung GL ,<br />

<strong>de</strong>n man bisher bloß für <strong>de</strong>n Bildungsbereich reklamiert<br />

hat, nun auch auf <strong>de</strong>n Kulturbereich auszu<strong>de</strong>hnen, da<br />

die offene Koordinierung nötig ist, um in diesem Bereich<br />

voran zu kommen. Auch daran wird <strong>de</strong>utlich, ein<br />

wichtiger, zentraler Baustoff für Europa ist die Kultur.<br />

Wir haben in <strong>de</strong>r Enquête-Kommission GL eine Reihe von<br />

Empfehlungen gegeben, damit Sie das nicht nur lesen,<br />

son<strong>de</strong>rn auch in Ihre Arbeit aufnehmen. Da ist zum Beispiel<br />

die Empfehlung drin, dass wir gera<strong>de</strong> als Deutsche<br />

mit <strong>de</strong>m berühmten German Vote nicht immer<br />

nur als Bremser im Kulturbereich auftreten. German<br />

Vote heißt soviel wie: Wir wissen nichts, wir können nichts<br />

sagen, weil Kulturfragen bei uns Län<strong>de</strong>rsache sind.<br />

Wir müssen als größter Staat in Europa aus <strong>de</strong>m<br />

Bremserhäuschen nach vorne gehen und wirklich<br />

Dynamik hineinbringen, damit wir ein Mobilitätsprogramm<br />

eben nicht nur für die Studieren<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn<br />

auch für die Künstler bekommen, damit wir eine europäische<br />

Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste eröffnen können.<br />

Wir haben zum Glück nun endlich eine vom Bund finanzierte<br />

Aka<strong>de</strong>mie. Nationale Aka<strong>de</strong>mie darf man sie<br />

nicht nennen, obwohl sie das im Grun<strong>de</strong> genommen<br />

ist, aber wir brauchen auch eine solche europäische<br />

Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste, wir brauchen eine europäische<br />

Kulturstiftung, also Institutionen, die wirklich mit einer<br />

Stimme für Europa die Vielfalt, aber zugleich auch<br />

* Jean Omer Marie Gabriel Monnet, französischer Unternehmer und Pol<strong>iti</strong>ker. Er<br />

gilt als einer <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong>rväter <strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaften<br />

Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />

45


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

das, was uns im Vergleich zu an<strong>de</strong>ren eint, benennen<br />

und nach vorn bringen. Wir benötigen min<strong>de</strong>stens<br />

ein Prozent dieses großen europäischen Haushalts<br />

auch für Kulturfragen. Wir wissen, dass fünf bis sieben<br />

Prozent für kulturelle Dinge ausgegeben wer<strong>de</strong>n,<br />

da <strong>de</strong>r europäische Sozialfond<br />

GL und <strong>de</strong>r EFRE-Fond GL ,<br />

EU-Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

also <strong>de</strong>r Regionalentwicklungsfond,<br />

für Kulturfragen geöffnet wor<strong>de</strong>n sind, und<br />

große, kulturelle Projekte daraus finanziert wer<strong>de</strong>n.<br />

Aber wir brauchen das, was mit Kultur <strong>2007</strong> GL , also für<br />

die jetzige För<strong>de</strong>rperio<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>n Weg gebracht wor<strong>de</strong>n<br />

ist, auch in einem größerem Umfang, um solche<br />

Projekte unbürokratischer und besser auf <strong>de</strong>n Weg<br />

zu bekommen. Denn wenn wir, und das ist mein Ziel,<br />

irgendwann dahin kommen wollen, dass es die „Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Europa“ o<strong>de</strong>r die „Vereinigten Staaten von<br />

Europa“ gibt, dann wer<strong>de</strong>n wir die Kultur und das Bewusstsein<br />

von europäischer Kultur brauchen und dann<br />

wird Kultur nicht nur Begleiter, son<strong>de</strong>rn Türöffner und<br />

Wegbereiter sein.<br />

Schnei<strong>de</strong>r:<br />

Danke. Da spricht ein ehemaliger Län<strong>de</strong>rminister,<br />

<strong>de</strong>r für die Kultur zuständig war.<br />

Reiche:<br />

Aber als Län<strong>de</strong>rminister immer schon das Gleiche<br />

gesagt hat.<br />

Hertling:<br />

Ich möchte gern eine Frage stellen. Sie haben die<br />

Bayern genannt. Wie optimistisch sind Sie, dass die<br />

Mitteilung <strong>de</strong>r EU-Kommission GL , die in <strong>de</strong>r Tat einen<br />

sehr großen Schritt nach vorn be<strong>de</strong>utet, von <strong>de</strong>n europäischen<br />

Staaten mitgetragen wird? Im Steering Committee<br />

GL war es Ján Figel, <strong>de</strong>r dafür plädiert hat, dass<br />

wir alle versuchen, in unseren eigenen Län<strong>de</strong>rn Lobbyarbeit<br />

dafür zu leisten, weil er in <strong>de</strong>m alten Konstrukt<br />

<strong>de</strong>r Nationalstaaten die Gefahr sieht. Sind Sie da optimistisch,<br />

und wie geht <strong>de</strong>r Weg weiter?<br />

Reiche:<br />

Wer in Europa nicht an Wun<strong>de</strong>r glaubt, <strong>de</strong>r ist<br />

kein Realist. Und in diesem Sinne bin ich Realist. Weil<br />

ich glaube, die Bayern können ja beichten, das ist ihr<br />

großer Vorteil, sie sitzen immer mit diesen gekreuzten<br />

Fingern da, protestieren und zum Schluss bauen sie das<br />

größte Schloss mitten in Brüssel, direkt neben <strong>de</strong>m Europäischen<br />

Parlament, weil sie genau wissen, dass sie<br />

zwar gegen Europa protestieren können, dass da aber<br />

auch viel zu holen ist und dass sie da vor allen Dingen<br />

auch viel bewegen können. Und daher glaube ich,<br />

dass Herr Goppel* in <strong>de</strong>r Kultusministerkonferenz GL und<br />

dann bei vielen an<strong>de</strong>ren Stellen Rotz und Wasser heulen<br />

und dagegen protestieren wird. Letztlich wer<strong>de</strong>n<br />

aber auch die Bayern mitmachen müssen, weil wir nur<br />

über die Kultur in Europa voran kommen, und auch<br />

Bayern wird nur stark in einem starken Europa.<br />

* Seit Oktober 2003 ist Thomas Goppel nach viereinhalb Jahren als Generalsekretär<br />

<strong>de</strong>r CSU Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst<br />

Hertling:<br />

So wie die an<strong>de</strong>ren Europäer.<br />

Reiche:<br />

Die an<strong>de</strong>ren Europäer erst recht. Denn die haben<br />

nicht diese fö<strong>de</strong>ralen Be<strong>de</strong>nken, wie sie Deutschland<br />

immer hat. Und wenn man sich vorstellt, dass wir kürzlich<br />

das Grundgesetz unsinnigerweise dahin geän<strong>de</strong>rt<br />

haben, dass auf europäischer Ebene in Kulturfragen immer<br />

ein Län<strong>de</strong>rvertreter spricht, wie im Moment fatalerweise<br />

Herr Goppel, dann wird einem <strong>de</strong>utlich, wie stark<br />

Deutschland da auch bremsen kann. Aber ich hoffe<br />

und <strong>de</strong>nke, dass wir gera<strong>de</strong> mit diesem großen Kapitel<br />

über europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k im Bericht <strong>de</strong>r Enquête-<br />

Kommission GL ein paar <strong>Impuls</strong>e geben können.<br />

Schnei<strong>de</strong>r:<br />

Wir sollten uns auf die Frage konzentrieren: Wo<br />

ist Europa in <strong>de</strong>r Lage, nicht nur zu würdigen und zu<br />

wertschätzen, was im kulturellen Bereich an Kooperation<br />

stattfin<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn weiter zu unterstützen o<strong>de</strong>r zukünftig<br />

zu för<strong>de</strong>rn. Herr Berger, wie wür<strong>de</strong>n Sie nach all<br />

diesen Konferenzen, Überlegungen und Debatten das<br />

letzte halbe Jahr resümieren?<br />

Berger:<br />

Ich muss sagen, die Bilanz aus Sicht <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

ist relativ gut. Die Bun<strong>de</strong>sregierung hat innerhalb <strong>de</strong>r<br />

EU-Ratspräsi<strong>de</strong>ntschaft GL ein wesentliches, auch kulturpol<strong>iti</strong>sches<br />

Projekt vorangetrieben, in<strong>de</strong>m wir die Revision<br />

<strong>de</strong>r Fernsehrichtlinie GL pol<strong>iti</strong>sch über die Bühne<br />

gebracht haben. Und wir haben es geschafft, was für<br />

die Kulturpol<strong>iti</strong>ker und Kulturschaffen<strong>de</strong>n von großem<br />

Interesse ist, das Thema Kulturwirtschaft in <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Agenda zu verankern. Am 24. Mai haben wir im<br />

Bereich „Kultur und Audiovisuelles“<br />

<strong>de</strong>r EU-Kommission eine Ratsresolution<br />

zur Kulturwirtschaft beschlos-<br />

Kulturwirtschaft<br />

sen, die wir ausdrücklich als Etappenziel verstehen. Der<br />

Rat <strong>de</strong>r Kulturminister hat sich darauf verständigt, eine<br />

Reihe von konkreten Maßnahmen im Bereich <strong>de</strong>r Kulturwirtschaft<br />

vorzuschlagen. Das betrifft beispielsweise<br />

<strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Ausbildung. In allen Ausbildungsbereichen<br />

für Kulturschaffen<strong>de</strong> soll in Zukunft <strong>de</strong>r<br />

Bereich <strong>de</strong>r Wirtschafts- und Betriebswissenschaft<br />

stärker verankert wer<strong>de</strong>n, um all <strong>de</strong>nen, die mit ihrer<br />

Kreativität künftig Geld verdienen wollen, ein besseres<br />

Instrumentarium an die Hand zu geben, mit <strong>de</strong>ssen<br />

Hilfe sie im wirtschaftlichen Prozess überleben können.<br />

Wir haben gesagt, dass das Rückgrat <strong>de</strong>r Kulturindustrie<br />

die kleinen und mittleren Unternehmen sind.<br />

Man muss sich beson<strong>de</strong>rs im Kulturbereich um diese so<br />

genannten KMUs* kümmern. Dies hat – relativ unbemerkt,<br />

weil es nur in einem Halbsatz steht – sogar <strong>de</strong>r<br />

Europäische Rat zum Thema Lissabon-Prozess GL im März<br />

anerkannt, in<strong>de</strong>m er bemerkte, dass <strong>de</strong>n KMUs im kulturwirtschaftlichen<br />

Bereich beson<strong>de</strong>res Augenmerk zu<br />

widmen sei. Wir haben auch gesagt, dass man gera<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>n KMUs im Kulturbereich Hilfestellung leisten sollte,<br />

wenn es um Finanzierungsfragen geht. Das heißt nun<br />

* Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ist die Sammelbezeichnung für Unternehmen,<br />

die bestimmte Größenmerkmale nicht überschreiten. Die Einordnung als<br />

KMU ist unabhängig von <strong>de</strong>r gewählten Rechtsform. Unternehmen, die die Größenordnungen<br />

überschreiten, wer<strong>de</strong>n dann als Großunternehmen bezeichnet.<br />

46


nicht direkt die Auflegung neuer För<strong>de</strong>rprogramme,<br />

son<strong>de</strong>rn als Querschnittsfrage zunächst einmal: Wie<br />

kommen gera<strong>de</strong> Start Ups, wie kommen kleine Un-<br />

EU-Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

Durchlässigkeit von Fonds<br />

und För<strong>de</strong>rstrukturen<br />

ternehmen an För<strong>de</strong>rmittel,<br />

die es in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />

Bereichen durchaus gibt, von<br />

europäischen Gel<strong>de</strong>rn bis zur<br />

Kreditanstalt für Wie<strong>de</strong>raufbau.<br />

Vielfach ist es aber so, dass die Leute nicht mit<br />

<strong>de</strong>n Mechanismen zurechtkommen, dass sie Beratung<br />

brauchen zu <strong>de</strong>n Möglichkeiten, die es überhaupt gibt.<br />

Wir haben darüber hinaus vereinbart, dass das Thema<br />

Kulturwirtschaft auf längere Sicht sowohl <strong>de</strong>n Rat als<br />

auch die Diskussion auf Expertenebene beschäftigen<br />

wird. Dies war schon im März Thema <strong>de</strong>s informellen<br />

Kulturministertreffens hier in Berlin. Die Kulturminister<br />

wer<strong>de</strong>n sich weiter mit <strong>de</strong>m Thema befassen. Es wird<br />

noch ein Koordinierungstreffen unter unserer Präsi<strong>de</strong>ntschaft<br />

geben, wo eine Reihe von Themenkreisen,<br />

wie die Kulturstatistik im Fokus stehen, damit man hier<br />

an besser abgestimmte Daten kommt.<br />

Wir haben während unserer Präsi<strong>de</strong>ntschaft eigentlich<br />

eine überdurchschnittliche Zahl von Tagungen<br />

durchgeführt, einige sind hier schon erwähnt wor<strong>de</strong>n.<br />

Wir hatten eine eigene Serie von Tagungen zum Thema<br />

„Mobilität von Sammlungen“.<br />

Mobilität Sie wissen vielleicht, dass die Mobilität<br />

in <strong>de</strong>n drei Säulen im Kulturbereich<br />

auf europäischer Ebene seit einiger Zeit eine<br />

zunehmen<strong>de</strong> Rolle spielt. Das hat mit <strong>de</strong>r Diskussion<br />

darüber begonnen, wie man die Mobilität von Kulturschaffen<strong>de</strong>n<br />

för<strong>de</strong>rn kann. Da ist <strong>de</strong>r Kulturministerrat,<br />

um das so <strong>de</strong>utlich zu sagen, an seine interinstitutionellen<br />

Grenzen gestoßen. Natürlich ist es eine wichtige<br />

Frage, wie man Kulturleuten, Theaterleuten, Filmleuten<br />

die Ausübung ihrer Tätigkeit europaweit erleichtern<br />

kann, aber eine Reihe von Punkten wie etwa <strong>de</strong>r Sozialbereich<br />

fallen entwe<strong>de</strong>r in die Kompetenz an<strong>de</strong>rer<br />

Fachministerräte o<strong>de</strong>r sie sind überhaupt nicht<br />

vergemeinschaftlicht. Das muss man nüchtern sehen.<br />

Und wenn Sie sich überlegen, welche Vorbehalte etwa<br />

das Vereinigte Königreich in <strong>de</strong>n vergangenen Tagen<br />

zu einigen Punkten auf <strong>de</strong>m Europäischen Rat immer<br />

wie<strong>de</strong>r geäußert hat, dann sehen Sie, dass wir da an<br />

sehr sensible Punkte im europäischen Konstrukt herankommen,<br />

<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r nächste Bereich betrifft die Mobilität<br />

von Kulturgütern. Es hat sich in <strong>de</strong>n vergangenen<br />

Jahren herausgestellt, dass es etwa im Museumsbereich<br />

eine Reihe von Hemmnissen gibt, die es zu überwin<strong>de</strong>n<br />

gilt, wenn wir in Zukunft einen besseren Austausch<br />

zwischen <strong>de</strong>n Institutionen von einzelnen Kulturgütern<br />

o<strong>de</strong>r ganzen Sammlungen organisieren wollen. Der<br />

dritte Bereich, <strong>de</strong>r immer mehr in <strong>de</strong>n Fokus rückt, ist<br />

<strong>de</strong>r Bereich <strong>de</strong>r Mobilität von Kulturrezipienten, <strong>de</strong>nn<br />

es ist ja nicht immer so, dass die Kulturschaffen<strong>de</strong>n<br />

durch Europa reisen müssen, um ihr Publikum zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Auch das Publikum reist ja zunehmend durch Europa,<br />

um kulturelle Angebote wahrzunehmen. Diese<br />

Bereiche haben wir während unserer Präsi<strong>de</strong>ntschaft im<br />

Fokus gehabt, und wir haben darüber hinaus versucht,<br />

<strong>Impuls</strong>e zu geben, die die Diskussion über die kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />

Agenda auch in <strong>de</strong>n nächsten Jahren vorantreiben.<br />

Ein wesentlicher <strong>Impuls</strong> ist bereits jetzt durch<br />

die Mitteilung <strong>de</strong>r Kommission GL über die künftige<br />

kulturpol<strong>iti</strong>sche Agenda gegeben wor<strong>de</strong>n. Ich kann<br />

Herrn Reiche hier übrigens beruhigen, es gibt schon<br />

einen Briefwechsel zwischen Herrn Goppel und Herrn<br />

Stoiber zum Thema Offene Koordinierung GL . Es gibt bereits<br />

einen Antrag im Bun<strong>de</strong>srat, <strong>de</strong>r genau dieses Vorhaben<br />

mit aller Entschie<strong>de</strong>nheit ablehnt und ich gehe<br />

nicht davon aus, dass das auf Ebene <strong>de</strong>r Kulturminister<br />

bleibt. Wahrscheinlich wird das die Ministerpräsi<strong>de</strong>nten<br />

und schließlich Frau Merkel beschäftigen. Es ist also<br />

nicht so, dass die von Ihnen erwarteten Reflexe ausgeblieben<br />

wären, son<strong>de</strong>rn sie sind unter <strong>de</strong>r Hand schon<br />

sehr virulent, was lei<strong>de</strong>r auch ein Defizit hier auf unserem<br />

Podium offenbart, <strong>de</strong>nn für Ihre Kr<strong>iti</strong>k ist hier gar<br />

kein Ansprechpartner vertreten. Wir haben hier nur die<br />

Bun<strong>de</strong>sebene repräsentiert, nicht die Län<strong>de</strong>rebene. Das<br />

ist auch in Bezug auf die schon mehrfach erwähnten<br />

Regionalfonds ein Manko, <strong>de</strong>nn für die Regionalfonds<br />

haben wir auf Bun<strong>de</strong>sebene gar keine Stellschraube.<br />

Wenn es darum geht, in irgen<strong>de</strong>iner Weise die viel<br />

z<strong>iti</strong>erten Regionalfonds zu Gunsten <strong>de</strong>r Kultur anzuzapfen,<br />

dann muss ich mich an die Län<strong>de</strong>rleute richten.<br />

Das heißt, hier gibt es also sicherlich noch einige<br />

offene Fä<strong>de</strong>n, die wir irgendwann verknüpfen müssen.<br />

Schnei<strong>de</strong>r:<br />

Jetzt noch mal ganz konkret zur Mitteilung <strong>de</strong>r<br />

Kommission GL . Herr Berger, Sie sind nicht nur Beamter,<br />

son<strong>de</strong>rn Sie haben auch ein Herz,<br />

und Ihr Herz schlägt für die Kunst. Kulturwirtschaft<br />

Gera<strong>de</strong> haben Sie dankenswerterweise<br />

die Rolle <strong>de</strong>r Kulturwirtschaft, <strong>de</strong>r Creative Industries,<br />

die ja sehr be<strong>de</strong>utend sein kann, in die Diskussion<br />

gebracht. Ich habe jedoch manchmal <strong>de</strong>n Eindruck,<br />

und so ist das auch auf <strong>de</strong>r Konferenz „kultur.macht.<br />

Europa“ GL diskutiert wor<strong>de</strong>n, dass hier Vorsicht geboten<br />

ist, da die Kunst dadurch instrumentalisiert wird. Unter<br />

diesem Blickwinkel stehen vor allem ökonomische,<br />

wirtschaftliche Grün<strong>de</strong> im Vor<strong>de</strong>rgrund. Die Mitteilung<br />

GL stand daher bezeichnen<strong>de</strong>rweise auch unter <strong>de</strong>r<br />

Überschrift: Mitteilung <strong>de</strong>r Kommission GL an <strong>de</strong>n Wirtschafts-<br />

und Sozialausschuss. Wie gehen sie damit um,<br />

dass hier gewissermaßen über <strong>de</strong>n Umweg <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k<br />

das Wirtschaftliche an <strong>de</strong>r Kunst herausgestellt wird?<br />

Berger:<br />

Das ist in <strong>de</strong>r Tat eine ambivalente Erscheinung. Allerdings<br />

<strong>de</strong>nke ich, dass die Kulturschaffen<strong>de</strong>n ihr Licht<br />

da nicht unter <strong>de</strong>n Scheffel stellen sollten. Es ist in <strong>de</strong>r<br />

Tat so, dass wir in <strong>de</strong>r Vergangenheit auf europäischer<br />

Ebene Kunst und Kultur eher in einem trad<strong>iti</strong>onellen<br />

Sinne betrachtet haben, wie man es in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Pol<strong>iti</strong>k auch jetzt noch gern tut. Es ist ein Orchi<strong>de</strong>enfach,<br />

heißt es dann, und es ist ganz nett, es ist etwas Schmücken<strong>de</strong>s.<br />

Deshalb ist es auch immer etwas Nettes, über<br />

Kunst und Kultur zu diskutieren, aber es geht eigentlich<br />

nicht um hard facts. Und mit dieser doch etwas<br />

verqueren These versuchte bereits eine Studie aufzuräumen,<br />

die die Kommission schon im vorvergangenen<br />

Jahr in Auftrag gegeben hatte und die im November<br />

vergangenen Jahres in Brüssel vorgestellt wur<strong>de</strong>. Diese<br />

Studie hat dann anhand harter Zahlen belegt, dass die<br />

Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />

47


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Kulturwirtschaft, <strong>de</strong>r Begriff ist zwar mit aller Vorsicht<br />

zu genießen, da keiner von uns, <strong>de</strong>r hier sitzt, genau<br />

weiß, wie <strong>de</strong>r Begriff Kulturwirtschaft abzugrenzen ist,<br />

aber, dass die Kulturwirtschaft mehr Arbeitsplätze in<br />

Europa schafft als die chemische Industrie, dass sie<br />

mehr Umsatz macht als die Autoindustrie usw. Das<br />

heißt, es geht in <strong>de</strong>r seit November vergangenen Jahres<br />

auf europäischer Ebene angestoßenen Diskussion auch<br />

darum, mal in <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k zu <strong>de</strong>monstrieren, dass Kultur<br />

kein Orchi<strong>de</strong>enfach ist, son<strong>de</strong>rn, dass Kultur auch eine<br />

wirtschaftspol<strong>iti</strong>sche Komponente hat. Kultur schafft<br />

Arbeitsplätze, das muss man so <strong>de</strong>utlich sagen. Der<br />

gesamte Kreativbereich wächst doppelt so schnell wie<br />

die restliche Wirtschaft in Europa. Er schafft schneller<br />

Arbeitsplätze als die restliche Wirtschaft in Europa, und<br />

wenn Europa langfristig, wie es in <strong>de</strong>r Lissabon-Strategie<br />

GL so schön heißt, zu einem wettbewerbsfähigen<br />

Kontinent wer<strong>de</strong>n will, dann können wir die Kultur<br />

nicht außen vor lassen.<br />

Schnei<strong>de</strong>r:<br />

Gut, darauf kann ich mich einlassen. Ich möchte<br />

mich jetzt endlich Europa zuwen<strong>de</strong>n, Frau Hieronymi.<br />

Sie vertreten hier das Europäische Parlament GL . In <strong>de</strong>r<br />

Mitteilung <strong>de</strong>r Kommission GL an das Europäische Parlament<br />

GL steht die For<strong>de</strong>rung, dass die Mobilität von<br />

Künstlern und von Kunstwerken geför<strong>de</strong>rt sowie die<br />

Mobilität von Beschäftigten <strong>de</strong>s Kulturbetriebs verbessert<br />

wer<strong>de</strong>n soll. Welche konkreten Anträge wer<strong>de</strong>n im<br />

Moment formuliert, um das pol<strong>iti</strong>sch umzusetzen?<br />

Hieronymi:<br />

Ich gehöre <strong>de</strong>m Europäischen Parlament seit 1999<br />

an, und seit <strong>de</strong>m ersten Tag bin ich Mitglied <strong>de</strong>s Kulturausschusses<br />

<strong>de</strong>s Europäischen Parlamentes. Daher freue<br />

ich mich, dass nach all <strong>de</strong>n jahrelangen Sonntagsre<strong>de</strong>n<br />

Europäische<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

ohne Folgen nun vielleicht die<br />

Chance besteht, dass <strong>de</strong>n aktuellen<br />

Sonntagsre<strong>de</strong>n Taten<br />

folgen. Aber ich muss Ihnen auch sagen, dass ich nicht<br />

ganz so optimistisch bin wie an<strong>de</strong>re hier im Raum und<br />

zwar <strong>de</strong>shalb, weil ich aus Deutschland komme. Nicht<br />

wegen <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Fö<strong>de</strong>ralismus, das ist ein Problem<br />

für sich, son<strong>de</strong>rn weil Deutschland genau wie das Vereinigte<br />

Königreich nur noch auf die Haushaltsbeschränkungen<br />

pocht. Das Europäische Parlament GL hat <strong>de</strong>n<br />

Haushaltplan <strong>2007</strong>-2013 drei Mal abgelehnt. Im Kulturausschuss<br />

haben wir das solange abgelehnt, bis die<br />

Fristen abgelaufen waren, um zu zeigen, dass wir das<br />

nicht akzeptieren. Aber aus Deutschland kam immer<br />

nur maximal ein Prozent <strong>de</strong>s Bruttosozialproduktes,<br />

und damit können Sie in <strong>de</strong>r Kultur nicht arbeiten. In<br />

an<strong>de</strong>ren Bereichen, die Landwirtschaft einmal ausgenommen,<br />

sicher auch nicht. Aber solange das so ist, bin<br />

ich skeptisch. Deshalb bin ich sehr froh, dass jetzt unter<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Ratspräsi<strong>de</strong>ntschaft in Deutschland so<br />

viele Kongresse und Diskussionen stattgefun<strong>de</strong>n haben.<br />

Ich hoffe sehr, dass das hilft. Trotz allem muss sich auch<br />

dann noch sehr viel än<strong>de</strong>rn. Und das erste, was sich än<strong>de</strong>rn<br />

muss, ist das Denken. Es muss endlich allen klar<br />

wer<strong>de</strong>n, dass nicht hier Deutschland und da Europa<br />

ist, son<strong>de</strong>rn dass dies das Gleiche be<strong>de</strong>utet.<br />

Schnei<strong>de</strong>r:<br />

Wir stehen alle auf <strong>de</strong>rselben Bühne.<br />

Hieronymi:<br />

Ja, wir arbeiten sogar am gleichen Stück. Und<br />

Deutschland ist nun einmal das größte Mitgliedsland<br />

und das einflussreichste, wenn es <strong>de</strong>nn will.<br />

Und <strong>de</strong>shalb bewegt sich relativ wenig, wenn aus<br />

Deutschland nichts Ausreichen<strong>de</strong>s kommt. Aber ich<br />

bin von Haus aus Optimist. Die Kommission hat ihre<br />

Mitteilung GL vorgelegt und diese Mitteilung GL richtet<br />

sich, und da legen wir gesteigerten Wert darauf, fe<strong>de</strong>rführend<br />

an <strong>de</strong>n Kulturausschuss <strong>de</strong>s Europäischen Parlamentes.<br />

Der Wirtschafts- und Sozialausschuss will im<br />

Zweifelsfall gar nicht mit beraten.<br />

Der Adressat ist eine an<strong>de</strong>re Institution.<br />

Das ist nicht <strong>de</strong>r Wirtschafts-<br />

Europäische<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

und Sozialausschuss <strong>de</strong>s Europäischen Parlamentes,<br />

son<strong>de</strong>rn das sind die Tarifpartner, verkürzt gesagt, diejenigen,<br />

die sich eben auch ein europäisches Forum<br />

geschaffen haben und die insofern beratend beteiligt<br />

wer<strong>de</strong>n. Was ich jetzt mit <strong>de</strong>r Mitteilung GL mache, kann<br />

ich Ihnen sagen: Zusammen mit meinen Kollegen<br />

versuche ich nun die Kommission in all ihren For<strong>de</strong>rungen<br />

zu unterstützen und dafür in Deutschland<br />

ein Problembewusstsein zu schaffen. Vielen Dank,<br />

dass Sie dabei helfen. Aber ich wer<strong>de</strong> auch alles daran<br />

setzen, in diese Mitteilung GL hinein zu bekommen, was<br />

ich <strong>de</strong>rzeit noch vermisse. Ich bin sehr froh, dass es diese<br />

Mitteilung gibt, und ich danke Herrn Figel und Ihnen,<br />

<strong>de</strong>nn es ist ja auch Ihr Werk, dass wir es begonnen<br />

haben. Kulturför<strong>de</strong>rpol<strong>iti</strong>k ist ganz wichtig und dafür<br />

brauchen wir neue Instrumente, bessere Instrumente<br />

und mehr Geld. Das ist alles richtig. Aber ich sehe die<br />

große Gefahr, dass wir gar nicht<br />

merken, wie uns an einer an<strong>de</strong>ren Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

Stelle die Möglichkeiten, Kultur zu<br />

gestalten und Kultur zu schützen, weg brechen. Wir<br />

haben heute eine grenzüberschreiten<strong>de</strong> Kultur und<br />

verfügen zunehmend über eine Technologie, die dieses<br />

grenzüberschreiten<strong>de</strong> Arbeiten erleichtert. Und diese<br />

grenzüberschreiten<strong>de</strong> Kultur fällt, wenn sie wirtschaftlich<br />

relevant ist, und alles achtet darauf, dass<br />

die Kultur sich wirtschaftlich entwickelt, unter das<br />

europäische Wirtschafts- und Wettbewerbsrecht,<br />

und niemand merkt es in Deutschland. Das ist meine<br />

größte Sorge, <strong>de</strong>nn ich habe schon im Verborgenen<br />

mit starkem Gegenwind aus Deutschland daran arbeiten<br />

müssen, dass zumin<strong>de</strong>st audiovisuelle Dienste,<br />

audiovisuelle künstlerische Werke in Zukunft nicht nur<br />

noch wie elektronische Han<strong>de</strong>lsgüter behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.<br />

Dieses Thema ist in Deutschland gar nicht präsent<br />

gewesen. Und ich weiß nicht, ob Sie überhaupt verstehen,<br />

wovon ich re<strong>de</strong>.<br />

Schnei<strong>de</strong>r:<br />

Können wir Sie einfach bitten, es an <strong>de</strong>m einen o<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Beispiel noch einmal <strong>de</strong>utlich zu machen?<br />

Hieronymi:<br />

Kulturelle Werke von einer hinreichen<strong>de</strong>n wirtschaftlichen<br />

Be<strong>de</strong>utung, die grenzüberschreitend sind und<br />

auf elektronischem Wege übertragen wer<strong>de</strong>n, wie z.B.<br />

48


Filme, Theaterstücke o<strong>de</strong>r Konzerte, die unter Nutzung<br />

<strong>de</strong>r digitalen Technologie übertragen bzw. im Internet<br />

abgerufen wer<strong>de</strong>n können, sind nach Europäischem<br />

Recht Wirtschaftsgut und kein Kulturgut, mit <strong>de</strong>r Folge,<br />

dass nur das Wirtschaftsrecht gilt. Diese Regelung<br />

sollte bereits für digital übertragenes Fernsehen gelten.<br />

Deshalb hat das Europäische Parlament GL so stark darauf<br />

gedrängt und dann kurz vor Toresschluss auch die<br />

Unterstützung <strong>de</strong>r Kommission und <strong>de</strong>s Rates dafür bekommen,<br />

dass wir für digital übertragenes Fernsehen<br />

ein Recht brauchen, das Kultur- und Wirtschaftsrecht<br />

gleichermaßen ist, das diese Dienste als Kultur- und<br />

Wirtschaftsgüter und nicht nur als Wirtschaftsgüter einordnet.<br />

Mit <strong>de</strong>r Revision <strong>de</strong>r Fernsehrichtlinie GL ist dies<br />

gelungen. Sie heißt <strong>de</strong>shalb jetzt auch „Richtlinie für<br />

audiovisuelle Mediendienste“. Aber in Deutschland ist<br />

das Problem überhaupt nicht <strong>de</strong>battiert wor<strong>de</strong>n. Da ist<br />

nur über die so genannte Produktplatzierung diskutiert<br />

wor<strong>de</strong>n, die ich lei<strong>de</strong>r nicht verhin<strong>de</strong>rn konnte, um<br />

wenigstens die Zuordnung zum reinen Wirtschaftsgut<br />

zu verhin<strong>de</strong>rn. Ich hätte mir da mehr Unterstützung<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

Gesetzgebung<br />

sich so viele Kommissionsmitglie<strong>de</strong>r in einer Debatte<br />

austauschen und eine Einigung erzielen, die durchaus<br />

als verbindlich gesehen wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Dies wird uns helfen, <strong>de</strong>n so genannten Kultur-Mainstream<br />

besser zu erreichen. Aber das ist nicht nur Sache<br />

von Brüssel. Es muss mit allen involvierten Interessenvertretern<br />

eine gemeinsame Agenda gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

Tatsächlich verfolgen wir eine Strategie <strong>de</strong>r Stärkung.<br />

Wir wollen die Interessenvertreter stärken, die lokalen,<br />

die regionalen und die nationalen Instanzen.<br />

Um dies zu erreichen, müssen wir natürlich darin<br />

übereinkommen, was unsere Ziele sind. Ein Teil <strong>de</strong>r Mitgewünscht.<br />

Aber im Ergebnis ist<br />

es unter <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Ratspräsi<strong>de</strong>ntschaft<br />

gelungen, diese audiovisuellen<br />

Dienste, aber nur die Mediendienste, rechtlich<br />

als Wirtschafts- und Kulturgüter zu sichern. Für alle<br />

übrigen Dienste, die elektronisch übertragen wer<strong>de</strong>n,<br />

haben wir das nicht. Um ein paar Beispiele zu nennen:<br />

Online-Musik, Online-Content, zum Beispiel Spiele,<br />

aber auch alle an<strong>de</strong>ren Online-Inhalte, die nicht Medien<br />

in Sinne von Fernsehen sind, gelten als Wirtschaftsgut.<br />

Daher wer<strong>de</strong> ich all das, was die Kommission vorgeschlagen<br />

hat, unterstützen, aber gemeinsam mit meinen<br />

Kolleginnen und Kollegen alles daran setzen, dass<br />

wir für diese neuen Formen <strong>de</strong>r Kultur ebenfalls <strong>de</strong>n<br />

Schutz als Kulturgut schaffen. Das ist bis heute nicht<br />

gelungen und insofern hoffe ich, dass wir in Zukunft<br />

vielleicht auch über diese Fragen <strong>de</strong>r Kulturordnungspol<strong>iti</strong>k,<br />

wie ich sie, in Ergänzung zur Kulturför<strong>de</strong>rpol<strong>iti</strong>k,<br />

nennen wür<strong>de</strong>, stärker sprechen könnten.<br />

Schnei<strong>de</strong>r:<br />

Wenn es um das Urheberrecht geht, wer<strong>de</strong>n die<br />

Künstler natürlich sehr hellhörig. Frau Hieronymi hatte<br />

noch einmal <strong>de</strong>utlich gemacht, dass es wichtig ist, das<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

EU-Ebene<br />

Budget zu erhöhen, dass es aber<br />

auch darum geht, Strukturen zu<br />

schaffen.<br />

Herr Troussard, wenn Sie das <strong>de</strong>mnächst konkret<br />

bearbeiten, wo setzen Sie an? Wir haben bereits von<br />

an<strong>de</strong>ren Fonds und Projekten gehört, die in Europa Kultur<br />

för<strong>de</strong>rn. In Ihrer Generaldirektion steht es direkt an<br />

<strong>de</strong>r Tür, und <strong>de</strong>shalb wollen wir jetzt schon mal die Tür<br />

aufstoßen und sehen, woran Sie arbeiten. Was wird auf<br />

europäischer Ebene tatsächlich geför<strong>de</strong>rt?<br />

Troussard:<br />

Lassen Sie mich zunächst sagen, wie froh ich bin,<br />

heute bei Ihnen zu sein. Für mich ist es nicht bloß eine<br />

weitere Konferenz, son<strong>de</strong>rn eine echte Gelegenheit <strong>de</strong>r<br />

Kontaktaufnahme zu Kulturschaffen<strong>de</strong>n.<br />

Wenn wir verstehen wollen, was wir mit „Kommunikation<br />

als Prozess“ meinen, müssen wir auf <strong>de</strong>n Anfang<br />

zurückblicken. Jahrelang ist die Kultur, wie Gottfried<br />

Wagner gesagt hat, eine Ansammlung von Mantras<br />

gewesen - rhetorische Phrasen<br />

und wenig Geld. Wir haben<br />

nun vor, <strong>de</strong>n Status und auch<br />

die Vision von <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>r Kultur im europäischen<br />

Kontext zu verän<strong>de</strong>rn. In vielen Teilen unserer Verwaltung<br />

herrscht seit Jahren die Vorstellung, dass kulturelle<br />

Projekte und das Engagement <strong>de</strong>r Kulturschaffen<strong>de</strong>n lediglich<br />

kleine, teure und risikoreiche Unternehmungen<br />

hervorbringen. Das ist in einigen Bereichen unserer Verwaltung<br />

und in unseren pol<strong>iti</strong>schen Kreisen mit <strong>de</strong>r Zeit<br />

so etwas wie eine negative Grundannahme gewor<strong>de</strong>n.<br />

Hier liegt <strong>de</strong>r Ausgangspunkt. Jetzt ist es unsere Aufgabe,<br />

diese Betrachtungsweise von Kultur umzukehren<br />

und zu zeigen, dass Kultur nicht ein Luxus o<strong>de</strong>r eine<br />

finanzielle Belastung, son<strong>de</strong>rn eine Invest<strong>iti</strong>on ist. Das<br />

ist es, was wir mit <strong>de</strong>r Mitteilung GL erreichen wollen.<br />

Wir sollten nicht unterschätzen, welche Errungenschaft<br />

diese Mitteilung GL darstellt. Für die meisten von<br />

Ihnen mag das offensichtlich sein, aber ich kann Ihnen<br />

versichern, dass es innerhalb<br />

unserer eigenen Verwaltung<br />

bereits eine Leistung ist, dass<br />

Dialog zwischen<br />

Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />

teilung GL besteht darin, diese Ziele<br />

zu formulieren. Aber wir müssen mit<br />

Ihnen darüber diskutieren, so dass<br />

Europäische<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

EU-Ebene<br />

wir eine soli<strong>de</strong> gemeinsame Basis haben, was unsere<br />

Zielvorstellungen betrifft. Dann muss darüber nachgedacht<br />

wer<strong>de</strong>n, mit welchen Metho<strong>de</strong>n wir etwas erreichen<br />

wollen. Hier schlagen wir vor, im kulturellen Sektor<br />

Metho<strong>de</strong>n zu verwen<strong>de</strong>n, die sich auch in an<strong>de</strong>ren Bereichen<br />

wie beispielsweise Beschäftigung, Sozialschutz,<br />

Erziehung und Jugend als nützlich erwiesen haben. Wir<br />

nennen sie die „offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong>“ GL und<br />

betrachten sie als ein Mittel <strong>de</strong>r Stärkung.<br />

Worum geht es dabei? Zunächst einmal untermauert<br />

sie die Zielsetzung, da sie im Rat einstimmig angenommen<br />

wur<strong>de</strong>. Denn woran liegt es, dass es beispielsweise<br />

bei <strong>de</strong>r Entwicklung von Erziehungsrichtlinien eine große<br />

Anerkennung und ein Vorwärtskommen gibt? Warum<br />

ist bei vielen an<strong>de</strong>ren Richtlinien, die sich ebenfalls im<br />

Rahmen <strong>de</strong>r so genannten Subsidiarität GL befin<strong>de</strong>n, eine<br />

ähnliche Entwicklung zu verzeichnen? Es liegt weitgehend<br />

daran, dass in diesen Bereichen offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong>n<br />

GL eingeführt wur<strong>de</strong>n. Das stärkt die gemeinsamen<br />

Ziele auf europäischer Ebene. Im Rahmen<br />

einer offenen Koordinierungsmetho<strong>de</strong> GL zu arbeiten,<br />

wird <strong>de</strong>n Einfluss <strong>de</strong>r Kultusminister und <strong>de</strong>r Kulturschaffen<strong>de</strong>n<br />

in <strong>de</strong>n Städten und Regionen stärken.<br />

Diese Metho<strong>de</strong> ermöglicht es auch, das Know-How,<br />

Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />

49


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Kulturwirtschaft<br />

die Erfahrung, die besten Praktiken dort zu beför<strong>de</strong>rn,<br />

wo sie bereits existieren. Es geht nicht nur um <strong>de</strong>n<br />

Verwaltungsprozess. Es geht vor allem darum, voneinan<strong>de</strong>r<br />

zu lernen und die besten Erfahrungen zu teilen,<br />

auch auf lokaler o<strong>de</strong>r regionaler Ebene. Nur das<br />

macht es möglich, unsere Standards vorwärts zu bringen,<br />

die Sichtbarkeit und das Verständnis von Kultur<br />

als Invest<strong>iti</strong>on zu erhöhen. Und langfristig mag daraus<br />

auch erwachsen, was Deutschland sich erwartet. Wenn<br />

das Image <strong>de</strong>r Kultur verbessert wird, steigen möglicherweise<br />

auch die finanziellen<br />

Zuschüsse.<br />

Zwei weitere Punkte, die ich für<br />

Europäische<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

wichtig halte:<br />

Zunächst die Instrumentalisierung. Wir sagen nicht,<br />

dass die Kultur an<strong>de</strong>ren Zielsetzungen untergeordnet<br />

sein soll. Wer in <strong>de</strong>n darstellen<strong>de</strong>n Künsten kreative<br />

Errungenschaften anstrebt, tut das selbstverständlich,<br />

weil er an <strong>de</strong>n Wert <strong>de</strong>r Kunst an sich glaubt. Aber die<br />

Arbeit <strong>de</strong>r Kunstschaffen<strong>de</strong>n erfüllt gleichze<strong>iti</strong>g viele<br />

an<strong>de</strong>re Ziele, die auf nationaler wie auf europäischer<br />

Ebene bereits anerkannt sind. Warum sich nicht für die<br />

Ergebnisse interessieren? Um ein konkretes Beispiel zu<br />

nennen: In Großbritannien wur<strong>de</strong> kürzlich eine Erhebung<br />

zu Projekten gemacht, die von Strukturfonds GL<br />

unterstützt wur<strong>de</strong>n. Obwohl die „Kultur“ innerhalb<br />

<strong>de</strong>r Zielsetzung <strong>de</strong>r Fonds keinen Platz einnimmt,<br />

wur<strong>de</strong>n hun<strong>de</strong>rte von rein kreativen, kulturellen Projekten<br />

geför<strong>de</strong>rt, die auf ihre Weise einen Beitrag zu<br />

<strong>de</strong>n anerkannten Zielen <strong>de</strong>r Fonds leisteten. Was wir<br />

beabsichtigen, ist nicht eine Instrumentalisierung <strong>de</strong>r<br />

Kultur. Wir <strong>de</strong>nken aber, dass die Macht <strong>de</strong>r Kultur<br />

nur ver<strong>de</strong>utlicht wer<strong>de</strong>n kann, wenn wir sichtbar machen,<br />

welche Ergebnisse durch Invest<strong>iti</strong>onen entstehen<br />

können. Wer sich kulturell engagiert, för<strong>de</strong>rt auch<br />

sozialen Zusammenhalt, intellektuellen Dialog und<br />

wirkt bil<strong>de</strong>nd in Bezug auf Kreativität und intellektuelle<br />

Kompetenzen. Diese Dinge müssen wir zeigen<br />

und för<strong>de</strong>rn.<br />

Eine an<strong>de</strong>re Frage, die oft aufkommt, ist die Frage<br />

<strong>de</strong>r zeitlichen Planung. Wann sind die ersten Resultate<br />

dieser wun<strong>de</strong>rbaren offenen<br />

Koordinierungsmetho<strong>de</strong> GL zu erwarten?<br />

Ich <strong>de</strong>nke, dass wir in verschie-<br />

<strong>de</strong>nen Zeitrahmen arbeiten müssen. Wir stehen gera<strong>de</strong><br />

erst am Anfang. Der Austausch mit <strong>de</strong>m Kultursektor<br />

ist aber beispielsweise schon genutzt wor<strong>de</strong>n, um die<br />

Ausschreibung zum EU-Programm „Kultur <strong>2007</strong>“ zu<br />

mo<strong>de</strong>rnisieren. So wird es ab Juli dieses Jahres mehr<br />

Transparenz und mehr ressortbezogene Ausschreibungen<br />

geben. Wir arbeiten an <strong>de</strong>n Vorschlägen, die<br />

in <strong>de</strong>r Konferenz „europa.macht.kultur“ GL zum Thema<br />

Mobilität gemacht wor<strong>de</strong>n sind. Wir versuchen herauszufin<strong>de</strong>n,<br />

welche Metho<strong>de</strong> wir nutzen können, um hier<br />

ein Pilotprojekt zu implementieren. Wir haben in <strong>de</strong>r<br />

Mitteilung GL eine gewisse Zahl von Mitteln angekündigt,<br />

zum Beispiel im Rahmen <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rpol<strong>iti</strong>k, daher<br />

wird es kurzfristige Ergebnisse geben.<br />

Aber um ein langfristiges Ziel<br />

EU-För<strong>de</strong>rung<br />

zu för<strong>de</strong>rn, müssen wir uns um einige<br />

sehr viel technischere Fragen kümmern. Die Mobilitätsfrage<br />

beispielsweise ist nicht nur eine finanzielle,<br />

son<strong>de</strong>rn auch eine Frage <strong>de</strong>r Rahmenbedingungen.<br />

Und hier kann die offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong> GL für<br />

die übergreifen<strong>de</strong> Organisation von z.B. Steuerabgaben<br />

und sozialen Sicherungssystemen auf europäischer<br />

und nationaler Ebene sorgen, so dass wir für<br />

Kulturschaffen<strong>de</strong> ein besseres Umfeld schaffen können.<br />

Wir wer<strong>de</strong>n also einen Plan mit ganz unterschiedlichen<br />

Fristen haben. Ich wollte an dieser Stelle nur noch einmal<br />

die Stärke <strong>de</strong>s Prozesses betonen.<br />

Letzter Punkt: Natürlich können wir das nicht allein<br />

erreichen, auch nicht allein mit <strong>de</strong>n EU-Institutionen.<br />

Wir brauchen Sie dazu auf <strong>de</strong>r Bühne, und das ist ein<br />

weiteres Element unserer Mitteilung GL : <strong>de</strong>r Dialog mit<br />

<strong>de</strong>m Kulturbereich. Bisher fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Dialog mit <strong>de</strong>m<br />

kulturellen Sektor lediglich<br />

in unzureichen<strong>de</strong>m Maße<br />

und sehr aufgesplittert<br />

Dialog<br />

zw. Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />

statt, so dass die Stimme <strong>de</strong>r Kultur als vereinte Stimme<br />

schwer zu hören ist. Selbst die Stimmen einzelner<br />

Personen, die in Ihrem kreativen Sektor sehr stark sein<br />

mögen, sind allein unzureichend, also müssen wir zusammenarbeiten,<br />

um sie zu stärken. Die erste Möglichkeit<br />

für Sie, an diesem Prozess teilzunehmen und ihn zu<br />

formen, ist das Forum, das im September in Lissabon<br />

organisiert wird. Dort wer<strong>de</strong>n sowohl die Ziele als auch<br />

die Metho<strong>de</strong>n diskutiert wer<strong>de</strong>n, und die Ergebnisse<br />

wer<strong>de</strong>n dann <strong>de</strong>n Kultusministern vorgestellt. Einen<br />

Tag darauf wer<strong>de</strong>n wir die erste informelle Diskussion<br />

über die Mitteilung GL abhalten. Dies ist eine Einladung<br />

an Sie, an <strong>de</strong>r Debatte teilzunehmen und die Gelegenheit<br />

zu ergreifen, Ihre Ansichten und Erwartungen<br />

zu äußern.<br />

Schnei<strong>de</strong>r:<br />

Herr Troussard, vielen Dank. Sie haben gemerkt, Europa<br />

und insbeson<strong>de</strong>re die Diskussion um die europäische<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k, fin<strong>de</strong>t auf sehr verschie<strong>de</strong>nen Ebenen<br />

statt. Es ist auch eine sehr komplexe Gemengelage.<br />

Natürlich gehen Sie als Kunst- und Kulturschaffen<strong>de</strong><br />

völlig zu recht erst einmal davon aus, was Sie künstlerisch<br />

wollen und was Sie künstlerisch interessiert. Das<br />

muss im Mittelpunkt stehen und das sollte auch <strong>de</strong>n<br />

Pol<strong>iti</strong>kern <strong>de</strong>utlich gemacht wer<strong>de</strong>n. Es kann nicht sein,<br />

dass Programme o<strong>de</strong>r Strukturen in<strong>iti</strong>iert und pol<strong>iti</strong>sch<br />

betreut wer<strong>de</strong>n, die vielleicht an <strong>de</strong>r Praxis vollkommen<br />

vorbeigehen. Natürlich kann Kulturpol<strong>iti</strong>k auch<br />

so etwas wie eine Vision entwickeln, aber immer im<br />

Diskurs mit <strong>de</strong>n Künstlern und Kulturschaffen<strong>de</strong>n. Es<br />

gibt im Moment sehr viele In<strong>iti</strong>ativen, die auf <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten<br />

Ebenen in Europa versuchen, eben dieses<br />

Zusammenbringen von Kultur und Pol<strong>iti</strong>k zu ermöglichen,<br />

um Strukturen nicht nur anzupassen, son<strong>de</strong>rn<br />

auch perspektivisch zu gestalten. Europa fin<strong>de</strong>t nicht<br />

nur in <strong>de</strong>r Europäischen Union statt, das müssen wir<br />

beachten, wenn wir mit <strong>de</strong>n europäischen Gremien im<br />

Gespräch sind.<br />

50


Panel:<br />

„Hin<strong>de</strong>rnisse abbauen, För<strong>de</strong>rung ausbauen - Anfor<strong>de</strong>rungen an<br />

die Kulturpol<strong>iti</strong>k“<br />

Hans Heinrich Bethge (Berichterstatter <strong>de</strong>s Kulturausschusses<br />

<strong>de</strong>r KMK), Rolf Bolwin (Direktor Deutscher<br />

Bühnenverein), Cord Meier-Klodt (Auswärtiges Amt,<br />

Referatsleiter „Grundsatzfragen Kultur“), Dr. Gerhard<br />

Sabathil (Leiter <strong>de</strong>r Vertretung EU-Kommission in<br />

Deutschland), Daphne Tepper (European Forum for<br />

the Arts and Heritage, Brüssel)<br />

Mo<strong>de</strong>ration: Walter Heun (Joint Adventures, München)<br />

Heun:<br />

Wir wer<strong>de</strong>n jetzt in kürzester Zeit versuchen, die<br />

vielen Gedanken, die heute zum Thema Hin<strong>de</strong>rnisse<br />

abbauen, För<strong>de</strong>rung ausbauen geäußert wur<strong>de</strong>n, in<br />

ein halbwegs stringentes Anfor<strong>de</strong>rungsprofil an die<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k zu bekommen. Ich möchte eingangs gern<br />

Rolf Bolwin bitten, hier kurz die Ergebnisse <strong>de</strong>r Pearle*-<br />

Studie „Impediments to Mobility“ GL über Mobilität in<br />

Europa zu referieren.<br />

Bolwin:<br />

Wenn man sich die Studie von Richard Polácek ansieht,<br />

dann stellt man fest, dass sich die Hin<strong>de</strong>rnisse<br />

für europäisches Koproduzieren und <strong>de</strong>n Austausch<br />

von Produktionen auf verschie<strong>de</strong>ne<br />

Mobilität Rechtsgebiete verteilen. Das betrifft<br />

die Bereiche Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht,<br />

Aufenthaltsrecht, Arbeitsrecht und<br />

<strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Urheberrechte.<br />

Ich möchte an dieser Stelle nicht weiter ins Detail<br />

gehen, aber ich glaube, es ist allen bewusst, dass es<br />

in diesen Bereichen erhebliche Schwierigkeiten gibt.<br />

Diese wur<strong>de</strong>n bereits in verschie<strong>de</strong>nen Papieren, in<br />

<strong>de</strong>nen von Richard Polácek, aber auch in Papieren <strong>de</strong>r<br />

europäischen Union, aufgezeigt. Für mich ist daher die<br />

entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Frage: Warum tut sich eigentlich nichts?<br />

Wenn man mit Pol<strong>iti</strong>kern über diese Probleme spricht,<br />

dann ist die erste Antwort: Schreiben sie mir das doch<br />

mal bitte auf. Und dann sagt man: Das haben wir<br />

schon zehn Mal aufgeschrieben. Wir können es auch<br />

noch ein elftes Mal aufschreiben, aber dadurch wird es<br />

auch nicht besser.<br />

O<strong>de</strong>r man veranstaltet Konferenzen wie diese und<br />

wir diskutieren alle über die Probleme und vielleicht<br />

auch noch darüber, wie wir sie individuell in einem Theater,<br />

für eine Gruppe von Künstlern lösen können. Aber<br />

keiner <strong>de</strong>nkt darüber nach, wie wir das Gesamtproblem<br />

endlich aus <strong>de</strong>r Welt schaffen können, damit wir mit<br />

<strong>de</strong>m, was künstlerisch geschieht, beweglicher wer<strong>de</strong>n.<br />

Ich unterstütze ausdrücklich, was Nele Hertling vorhin<br />

sagte: Es sind die Künste und die Künstler, die sich ihr<br />

Feld in Europa erobern müssen. Und ich wer<strong>de</strong> z. B. in<br />

Diskussionen über För<strong>de</strong>rungen nicht mü<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Union zu sagen: Es ist schön, dass es Netzwerke<br />

gibt, aber das Geld, das in <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />

für Kunst und Kultur zur Verfügung steht – es ist ja<br />

ohnehin nicht so viel - sollte vor allem <strong>de</strong>n Künsten zu<br />

Gute kommen. Es sind die Künste, die das Geld brauchen<br />

und nicht die Netzwerke, die immer wie<strong>de</strong>r neu<br />

entstehen. Und um die Diskussion hier ein wenig anzuheizen,<br />

will ich jetzt kurz skizzieren, was man machen<br />

könnte, um einige dieser Probleme zu lösen.<br />

Wir könnten erstens sagen: Je<strong>de</strong>r Künstler wählt<br />

selbst einen Standort in <strong>de</strong>r europäischen Union, wo er<br />

sich überwiegend aufhält. Dort zahlt er seine Steuern<br />

und seine Sozialversicherungen. In an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn<br />

Europas zahlt er diese nicht mehr.<br />

Zweitens: Je<strong>de</strong> Produktion hat einen Standort, wo<br />

sie entsteht. Dort bekommt <strong>de</strong>r Produzent seine Urheberrechte.<br />

Damit kann er dann durch die gesamte<br />

Europäische Union reisen und muss sich nicht in <strong>de</strong>n<br />

Län<strong>de</strong>rn, in <strong>de</strong>nen er die Produktion zeigen will, die Urheberrechte<br />

je<strong>de</strong>s Mal neu besorgen.<br />

Und drittens: Ein Künstler, <strong>de</strong>r nicht aus Europa<br />

kommt, jedoch in einem Land <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />

das Aufenthaltsrecht und eine Arbeitserlaubnis hat,<br />

kann mit einer Produktion ohne irgendwelche Hin<strong>de</strong>rnisse<br />

durch ganz Europa reisen. Er braucht keine zusätzlichen<br />

Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse in an<strong>de</strong>ren<br />

Län<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Europäischen Union.<br />

Das ist ein relativ einfaches Programm. Ich weiß,<br />

dass die Umsetzung kompliziert ist, aber ich fin<strong>de</strong>, dass<br />

man anfangen muss, über solche Lösungen zu re<strong>de</strong>n<br />

und nachzu<strong>de</strong>nken, weil wir uns ansonsten immer wie<strong>de</strong>r<br />

in <strong>de</strong>n kleinen Verästelungen <strong>de</strong>s Alltags verirren<br />

und nichts zu Stan<strong>de</strong> bringen. Ich bin <strong>de</strong>r Überzeugung,<br />

dass die Lösungen bisher daran scheiterten, dass<br />

alle letzten En<strong>de</strong>s nach einer Lösung suchten, die genauso<br />

kompliziert ist, wie das, was ohnehin schon existiert.<br />

Und damit kommen wir keinen Schritt weiter. Ich<br />

möchte, dass wir zu einer Diskussion kommen, in <strong>de</strong>r<br />

die Pol<strong>iti</strong>k endlich sagt: Jawohl, wir sehen die Probleme<br />

und wir möchten sie lösen. Und ich glaube, das ist auch<br />

das Anliegen von Pearle*. GL<br />

Heun:<br />

Das scheint mir ein zün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Gedanke zu sein. Haben<br />

Sie Vorschläge, wie das konkret umzusetzen ist?<br />

Bolwin:<br />

Die habe ich natürlich erst mal nicht, weil es selbstverständlich<br />

kompliziert ist. Aber ich glaube, wir müssen<br />

in einen Dialog darüber treten. Was nützt mir eine<br />

Europäische Konferenz, bei <strong>de</strong>r teilweise Spitzenpol<strong>iti</strong>ker<br />

<strong>de</strong>r Europäischen Union auftauchen, bei <strong>de</strong>r aber<br />

über nichts an<strong>de</strong>res gere<strong>de</strong>t wird als darüber, wie<br />

schön Kunst und Kultur ist. Das fin<strong>de</strong> ich ganz toll, aber<br />

unter <strong>de</strong>n real existieren<strong>de</strong>n Arbeitsbedingungen von<br />

Künstlern in diesem Europa nützt das wenig, allenfalls,<br />

dass wir uns ernst genommen fühlen, weil die Europäische<br />

Union sagt: Ja, Kunst und Kultur ist Klasse. Aber<br />

wer sagt das nicht. Es geht jetzt aber um ein konkretes<br />

Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />

51


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Arbeiten. Und ich glaube, wir müssen damit anfangen,<br />

die Europäische Union und <strong>de</strong>ren Spitzenvertreter mit<br />

diesen konkreten Fragen zu konfrontieren. Dieser Konfrontation<br />

weicht sie nämlich aus und vermei<strong>de</strong>t dadurch,<br />

dass die Probleme, die in <strong>de</strong>r Tat kompliziert<br />

sind, gelöst wer<strong>de</strong>n.<br />

Heun:<br />

Frage an Daphne Tepper: Was kann das European<br />

Forum for Arts and Heritage GL tun, um solche Gedanken<br />

auf europäischer Ebene mit voranzutreiben?<br />

Tepper:<br />

Ich bin sehr froh, hier dabei sein zu können, um all<br />

die Wünsche, Probleme und Streitfragen zu hören, die<br />

heute diskutiert wor<strong>de</strong>n sind. So viele For<strong>de</strong>rungen sind<br />

formuliert wor<strong>de</strong>n: ein EU-Mobilitätsfonds für junge<br />

Künstler, die Bese<strong>iti</strong>gung <strong>de</strong>r Mobilitätshin<strong>de</strong>rnisse,<br />

Dialog zwischen<br />

Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />

die Entwicklung einer neuen<br />

Kommunikation, um <strong>de</strong>n Dialog<br />

zwischen <strong>de</strong>r Kulturpo-<br />

l<strong>iti</strong>k auf EU-Ebene und <strong>de</strong>n Kulturschaffen<strong>de</strong>n zu verbessern,<br />

mehr Transparenz, eine höhere Effizienz <strong>de</strong>s<br />

Kulturprogramms <strong>de</strong>r Kommission und eine beständige<br />

finanzielle Unterstützung <strong>de</strong>r Netzwerke und<br />

Projekte. Sicherlich vergesse ich viele For<strong>de</strong>rungen, die<br />

darüber hinaus formuliert wor<strong>de</strong>n sind.<br />

Wenn man sich die Prozesse und die Verteilung <strong>de</strong>r<br />

Kompetenzen in <strong>de</strong>r EU ansieht, stellt man fest, dass es<br />

nicht leicht ist, die richtigen Ansprechpartner für die verschie<strong>de</strong>nen<br />

Themengebiete herauszufin<strong>de</strong>n. All die hier<br />

formulierten Probleme wer<strong>de</strong>n von unterschiedlichen EU-<br />

Institutionen behan<strong>de</strong>lt. Die Generaldirektion Bildung und<br />

Kultur ist ein Ansprechpartner, aber es gibt noch verschie<strong>de</strong>ne<br />

an<strong>de</strong>re; es gibt eine Generaldirektion Beschäftigung<br />

etc. Einige Problembereiche wer<strong>de</strong>n am effizientesten<br />

<strong>de</strong>m Parlament vorgelegt, an<strong>de</strong>re <strong>de</strong>m Rat. Es ist komplex<br />

und schwierig, bestimmte For<strong>de</strong>rungen voranzubringen<br />

und konkrete Resultate zu erzielen.<br />

Am European Forum for the Arts and Heritage GL verfolgen<br />

wir all diese Problemfel<strong>de</strong>r genau. Wir versuchen,<br />

sowohl Informationen als auch For<strong>de</strong>rungen und Bedürfnisse<br />

<strong>de</strong>s Kultursektors zu sammeln und dieses<br />

Wissen dann in In<strong>iti</strong>ativen und Kampagnen einfließen<br />

zu lassen, die die Dinge hoffentlich voranbringen und<br />

zu konkreten Resultaten in diesen Bereichen führen.<br />

Die Mitteilung zur Kulturagenda GL , die die Kommission<br />

gera<strong>de</strong> veröffentlicht hat, spricht viele dieser komplizierten<br />

Fragen und Probleme an. Es ist ein wichtiges<br />

Dokument, weil es das erste ist, in <strong>de</strong>m die Europäische<br />

Kommission GL eine echte Strategie für <strong>de</strong>n Kulturbereich<br />

auf EU-Ebene vorschlägt. Diese Strategie ist im<br />

kulturellen Sektor bereits zum Teil diskutiert wor<strong>de</strong>n,<br />

sie wird nun im Europäischen Parlament und mit <strong>de</strong>n<br />

Kultusministerien <strong>de</strong>battiert. Und hoffentlich wer<strong>de</strong>n<br />

dann einige <strong>de</strong>r Empfehlungen im November vom Kulturrat<br />

verabschie<strong>de</strong>t. Die Mitteilung ist ein ehrgeiziges<br />

Dokument. Wir wissen, dass sie das vor <strong>de</strong>r Abstimmung<br />

innerhalb <strong>de</strong>r Kommission noch sehr viel mehr<br />

war. Dennoch bleibt sie ein ehrgeiziges Dokument mit<br />

einem großen Potenzial, einige <strong>de</strong>r sehr technischen<br />

Probleme, etwa im Bereich Mobilität o<strong>de</strong>r auch <strong>de</strong>n<br />

Status <strong>de</strong>r Künstler betreffend, voranzubringen. Mit<br />

<strong>de</strong>r offenen Koordinierungsmetho<strong>de</strong> GL könnte das in<br />

Angriff genommen wer<strong>de</strong>n.<br />

Das Dokument ist zu<strong>de</strong>m wichtig, weil es einen Absatz<br />

enthält, <strong>de</strong>r sich auf <strong>de</strong>n Dialog mit <strong>de</strong>m kulturellen<br />

Sektor bezieht. Ich glaube, dass die Netzwerke,<br />

Plattformen und Vermittler, die genau wissen, wie<br />

Brüssel funktioniert und die <strong>de</strong>n zeitlichen Ablauf<br />

kennen, sehr wichtig sind. Es sind Leute, die auch <strong>de</strong>n<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />

Netzwerke<br />

breiteren pol<strong>iti</strong>schen Kontext kennen,<br />

<strong>de</strong>r erklärt, warum die Europäische<br />

Kommission GL und das Europäische<br />

Parlament GL dieses Dokument genau zum jetzigen<br />

Zeitpunkt verabschie<strong>de</strong>n. Diese Leute bün<strong>de</strong>ln Kräfte,<br />

um <strong>de</strong>n Kulturbereich zu informieren. Sie koordinieren<br />

In<strong>iti</strong>ativen, die möglicherweise auf unterschiedlichen<br />

Ebenen stattfin<strong>de</strong>n und die nicht automatisch <strong>de</strong>n richtigen<br />

Moment o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Einfluss <strong>de</strong>r richtigen Person<br />

nutzen wür<strong>de</strong>n.<br />

Woran wir in EFAH GL in letzter Zeit gearbeitet haben<br />

und auch weiter arbeiten wer<strong>de</strong>n, ist eine Zusammenarbeit<br />

mit <strong>de</strong>r Europäischen Kommission, um Dialogprozesse<br />

mit <strong>de</strong>m kulturellen Sektor zu entwickeln,<br />

die über bloße Absprachen hinaus gehen. Das wür<strong>de</strong><br />

be<strong>de</strong>uten, dass wir einmal alle zwei Jahre ein großes<br />

Treffen einberufen, um Sie in Bezug auf spezielle Fragen<br />

zu konsultieren, Ihre Meinung einzuholen und Ihre Ziele<br />

zu erfragen, über die man sich an<strong>de</strong>rswo auf pol<strong>iti</strong>scher<br />

Ebene oft hinwegsetzt. Die Dialogprozesse sollen auch<br />

weiter gehen als nur die Interessen <strong>de</strong>r Mitgliedsstaaten<br />

zu koordinieren. Wir streben einen Prozess echter<br />

Mitwirkung an, bei <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />

Dialog zwischen<br />

Kulturbereich ein klares Mitspracherecht<br />

hat und<br />

Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />

die<br />

Sprecher genau bestimmt sind, so dass man weiß,<br />

wen man bei welchen Fragen zu Rate ziehen muss. Einen<br />

Prozess, bei <strong>de</strong>m sich auch die Kulturschaffen<strong>de</strong>n<br />

rechtze<strong>iti</strong>g in die Entwicklung einer Richtlinie einklinken<br />

können. Es ist sehr wichtig, <strong>de</strong>n kulturellen Sektor<br />

bereits im Moment <strong>de</strong>s Experimentierens, <strong>de</strong>r Diskussion<br />

und <strong>de</strong>r Debatte einzubin<strong>de</strong>n, ganz zu Beginn <strong>de</strong>r<br />

Entwicklung einer Richtlinie. Das ist ein wichtiger Moment.<br />

Erst wenn diese Prozesse <strong>de</strong>r Absprache und <strong>de</strong>r<br />

Mitarbeit klar <strong>de</strong>finiert und von <strong>de</strong>n Institutionen, <strong>de</strong>n<br />

Mitgliedsstaaten und <strong>de</strong>m Europäischen Parlament bestätigt<br />

wor<strong>de</strong>n sind, wenn alle zusammen auf eine klar<br />

<strong>de</strong>finierte Strategie hinarbeiten, gibt es eine Chance,<br />

diese unterschiedlichen Problembereiche mittel- und<br />

langfristig zu lösen. Vielen Dank.<br />

Heun:<br />

Herzlichen Dank. Das war eine wun<strong>de</strong>rbare Zusammenfassung<br />

<strong>de</strong>r Möglichkeiten, die die EFAH GL hat.<br />

Aber mir ist es noch zu wenig auf <strong>de</strong>n konkreten Fall<br />

abgestimmt. Herr Bolwin hat geschil<strong>de</strong>rt, dass die arbeits-<br />

und Visa-rechtliche Situation mit <strong>de</strong>r Sozialversicherungsfrage<br />

sowie <strong>de</strong>m Steuer- und Urheberrecht<br />

zusammenspielt. Das ist eine sehr komplexe Angelegenheit,<br />

wegen <strong>de</strong>r man auf <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten<br />

Ebenen die Ministerien bzw. Gesetzgeber ansprechen<br />

müsste. Im Prinzip sind diese Fragen fast nicht lösbar,<br />

weil sie für alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen<br />

Bereiche gelten müssten. Wäre ein eigenes EU-Kunstrecht<br />

eventuell ein Weg in die richtige Richtung? Ein<br />

52


Recht, wo die Kunst explizit von Notwendigkeiten freigestellt<br />

wird, die für an<strong>de</strong>re Wirtschaftsbereiche gelten?<br />

Herr Sabathil, wie ist Ihre Haltung dazu?<br />

Sabathil:<br />

Ich habe mich in <strong>de</strong>n letzten Tagen sehr viel mit pol<strong>iti</strong>scher<br />

Kultur beschäftigt, allerdings im Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>r Gipfelkonferenz und <strong>de</strong>n Lösungen, die<br />

man da gefun<strong>de</strong>n hat. Es ist auf diesem Gipfel nicht<br />

immer kulturell sehr hochstehend zugegangen, das haben<br />

sie vielleicht auch gemerkt. Insofern ist es für mich<br />

ein Aha-Erlebnis nun bei Ihnen zu sein und die praktischen<br />

Probleme, die uns bekannt sind, in <strong>de</strong>r Breite<br />

präsentiert zu bekommen. Sie sagen ganz richtig, dass<br />

es sich um Probleme han<strong>de</strong>lt, die nicht einem Bereich<br />

allein zugehörig sind. Das Steuerrecht zu än<strong>de</strong>rn ist<br />

z.B. nur einstimmig möglich, und da gibt es eine ganze<br />

Latte von Maßnahmen, die immer wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m<br />

Programm je<strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>ntschaft stehen. Fortschritte<br />

stellen sich jedoch nur sehr langsam ein. Der letzte EU-<br />

Gipfel hat eine beson<strong>de</strong>re Reserve eingebaut, damit die<br />

Kommission und die Europäische Union nicht zu sehr<br />

in <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r sozialversicherungsrechtlichen Bedingungen<br />

<strong>de</strong>r Mitgliedsstaaten eingreifen. Wir haben<br />

einige Erscheinungen feststellen müssen, die nicht unbedingt<br />

mit <strong>de</strong>n Hoffnungen und Erwartungen zusammenhängen,<br />

die hier gera<strong>de</strong> geäußert wur<strong>de</strong>n. Es wird<br />

im Gegenteil versucht, Dinge wie<strong>de</strong>r etwas zurückzudrehen.<br />

Ich sage Ihnen einfach mal ganz offen, wie<br />

Wirklichkeit und Erwartungen nebeneinan<strong>de</strong>r stehen.<br />

Ich bedanke mich sehr, dass Sie das Thema <strong>de</strong>r Kulturagenda<br />

GL schon eingeführt haben. Da ist in <strong>de</strong>r Tat<br />

ein Satz drin, <strong>de</strong>r ganz konkret besagt: Wir wollen alles<br />

tun, um die Verbesserung <strong>de</strong>r Mobilität <strong>de</strong>r Kunstschaffen<strong>de</strong>n<br />

in Europa herbeizuführen.<br />

Ich glaube aber, man wird das<br />

Mobilität nicht erreichen, in<strong>de</strong>m man eine<br />

eigene Kulturpol<strong>iti</strong>k für diese Dinge<br />

schafft, son<strong>de</strong>rn es kann nur, so ist die europäische<br />

Gemeinschaft gestrickt, ein Ausfluss allgemeiner Regelungen<br />

sein. Und da sind wir auf <strong>de</strong>m Weg und viel ist<br />

bereits geschehen. Die Kommission hat auf Grund <strong>de</strong>r<br />

Kulturagenda GL zu einem verstärkten Dialog mit <strong>de</strong>n<br />

Kulturschaffen<strong>de</strong>n aufgerufen. Sie hat einen ganzen<br />

Fragenkatalog an die Betroffenen gerichtet. Wir la<strong>de</strong>n<br />

Sie zur Zeit alle ein, aufzuschreiben, welche Probleme<br />

Sie beschäftigen, damit das konkret nie<strong>de</strong>rgelegt wird,<br />

damit <strong>de</strong>r Kulturkommissar und auch alle an<strong>de</strong>ren,<br />

Kultur ist ein Querschnittsthema, sich dieser Dinge annehmen.<br />

Aber ich kann Ihnen keine schnelle Lösung<br />

versprechen.<br />

Im Gegenteil, die Kommission, die Europäische<br />

Union han<strong>de</strong>lt im Bereich <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>k immer<br />

aus einer Art Defensive heraus, weil Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

eben nicht primär Gemeinschaftspol<strong>iti</strong>k ist. Es gibt<br />

zu viele Mitgliedsstaaten, Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r und an<strong>de</strong>re,<br />

die sagen, dass die europäische Ebene mit Ausnahme<br />

ganz allgemeiner Regelungen, die sich z.B. auf Freizügigkeit<br />

beziehen, bitte die Finger davon lassen soll. Daher<br />

war <strong>de</strong>r Kultursektor auch nicht immer <strong>de</strong>r primäre<br />

Bereich. An<strong>de</strong>re Sektoren hat man wegen ihrer Größe<br />

und Be<strong>de</strong>utung bei <strong>de</strong>r Bese<strong>iti</strong>gung von Barrieren für<br />

wichtiger gehalten. Das soll sich nach Möglichkeit mit<br />

<strong>de</strong>r Kulturagenda GL än<strong>de</strong>rn. Die Kommission will ein<br />

Kulturforum für einen besseren Dialog mit <strong>de</strong>n wirktet<br />

wer<strong>de</strong>n, nehmen eher die Kulturpol<strong>iti</strong>ker als die<br />

lich Betroffenen einrichten. Ich<br />

stimme Ihnen zu, an <strong>de</strong>n großen<br />

Konferenzen, die veranstal-<br />

Dialog zwischen<br />

Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />

Kulturschaffen<strong>de</strong>n teil. Es ist ein Problem <strong>de</strong>r Kommunikation<br />

zwischen Pol<strong>iti</strong>k und Kultur, nicht nur im europäischen<br />

Rahmen. Wir sprechen über Kultur, sind<br />

aber mit <strong>de</strong>n Betroffenen zu wenig im Gespräch.<br />

Abgesehen von <strong>de</strong>n allgemeinen Regelungen, die für<br />

alle Wirtschaftssektoren gelten, stehen wir doch relativ<br />

am Anfang. Einige Dinge wur<strong>de</strong>n zwar vorangetrieben,<br />

meine Kollegen haben die Probleme auch erkannt, aber<br />

aufgrund <strong>de</strong>r Breite und <strong>de</strong>r Spezifität dieser Probleme<br />

sind Lösungsvorschläge noch in relativ weiter Ferne. Ich<br />

kann Sie daher nur ermuntern, im Rahmen <strong>de</strong>r Konsultationen,<br />

und ich wer<strong>de</strong> das von mir aus auch tun, die<br />

Dinge in Brüssel noch konkreter auf <strong>de</strong>n Tisch zu legen.<br />

Ich glaube, ein Grund für das langsame Vorankommen<br />

ist die Tatsache, dass die Kultur an sich keine<br />

homogene Lobby hat. Das ist kein Vorwurf. Das ist<br />

ganz einfach eine Feststellung. Aus eigener Erfahrung<br />

weiß ich, dass sich v.a. in <strong>de</strong>n Bereichen etwas bewegt,<br />

in <strong>de</strong>nen starke Kräfte dahinterstehen.<br />

Ich kann sie daher nur aufrufen, alles, was hier besprochen<br />

wur<strong>de</strong>, nach Brüssel weiterzutragen, um es<br />

auch dort zum Thema zu machen. Es braucht dann<br />

Zeit, viele Kompromisse und Konsultationen, um<br />

beispielsweise in einer Frage nur zum Steuerrecht o<strong>de</strong>r<br />

in <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r Freizügigkeit <strong>de</strong>r angebotenen Dienstleistungen<br />

zu einer Lösung zu kommen.<br />

Heun:<br />

Ich bin noch nicht ganz zufrie<strong>de</strong>n mit dieser Aussage.<br />

Das klingt ein bisschen so, wie Herr Bolwin das<br />

schon befürchtet hat. Jetzt sollen wir noch einmal das<br />

leisten, was die „Impediments to Mobility“ GL bereits<br />

geleistet hat. Es gibt schon ein Dokument dazu. Das<br />

ist auf breitester Ebene ausführlich recherchiert wor<strong>de</strong>n<br />

und liegt auch schriftlich vor. Die Kulturpol<strong>iti</strong>k ist, wie<br />

sie es gera<strong>de</strong> formuliert haben, bereit, ein Gespräch<br />

aufzunehmen und hat erkannt, dass es ein komplexes<br />

Feld ist, das nicht von heute auf morgen gelöst wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Dieser gordische Knoten ist nicht so schnell zu<br />

durchschlagen. Muss sich die Pol<strong>iti</strong>k, wenn sie in so einer<br />

Situation ist, nicht trotz<strong>de</strong>m gemüßigt fühlen, auch<br />

mittelfristige Lösungen aufzuzeigen? Wie kann man in<br />

<strong>de</strong>r momentan bestehen<strong>de</strong>n Situation mittelfristige Angebote<br />

schaffen, um die Schwierigkeiten, die für Künstler<br />

in ganz Europa bestehen, zu lin<strong>de</strong>rn? Ich habe vor<br />

Jahren ein Gespräch mit meinem Steuerberater zu genau<br />

diesen Fragen gehabt. Er hat am Schluss einen sehr<br />

sinnvollen Satz gesagt, <strong>de</strong>r etwa so lautete: Ein Künstler<br />

hat in <strong>de</strong>m Moment, wo er nicht mehr allein arbeitet,<br />

son<strong>de</strong>rn noch eine zweite Person hinzuzieht, sämtliche<br />

Pflichten eines freien Unternehmers im Wirtschaftbereich<br />

zu erfüllen. Das Einzige, was er nicht hat, ist die<br />

Gewinnchance. Denn in <strong>de</strong>m Moment, wo er Gewinn<br />

macht, muss er diesen an die öffentlichen Geldgeber<br />

zurückzahlen. Die Frage wäre also wirklich: Was kann<br />

man auf EU-Ebene anbieten, um für Künstler diese Mobilitätseinschränkung<br />

zu lin<strong>de</strong>rn?<br />

Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />

53


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

EU-För<strong>de</strong>rung<br />

Son<strong>de</strong>rregelung für Künstler<br />

Bolwin:<br />

Darf ich dazu noch eine kurze Bemerkung machen?<br />

Es ist vorhin so selbstverständlich gesagt wor<strong>de</strong>n,<br />

dass es keine Son<strong>de</strong>rregelung<br />

für Künstler geben<br />

wird. Das muss ein Vertreter<br />

<strong>de</strong>r europäischen Kommission natürlich auch sagen.<br />

Aber ich fin<strong>de</strong>, dass wir das nicht akzeptieren dürfen.<br />

Wir müssen klipp und klar sagen, dass die Künste in<br />

Europa eine beson<strong>de</strong>re Rolle spielen und dass daraus<br />

auch ein beson<strong>de</strong>res Problem erwächst. Die Kunstschaffen<strong>de</strong>n<br />

sind in einer Weise miteinan<strong>de</strong>r vernetzt<br />

und produzieren <strong>de</strong>rart grenzüberschreitend, wie es<br />

das in an<strong>de</strong>ren Branchen gar nicht gibt. Und <strong>de</strong>swegen<br />

müssen wir sehr wohl unseren Wunsch artikulieren,<br />

dass wir eine Son<strong>de</strong>rregelung für die Künste<br />

wollen. Denn ansonsten kommen wir keinen Schritt<br />

weiter. Wir brauchen uns doch nichts vorzumachen.<br />

Kein Mensch wird diese komplizierten Probleme, die<br />

wir hier nur ansatzweise diskutiert haben, gleichze<strong>iti</strong>g<br />

für die Metallindustrie, für die Druckindustrie, für<br />

<strong>de</strong>n gesamten Bereich <strong>de</strong>r Filmindustrie und dann<br />

noch für die darstellen<strong>de</strong>n Künste lösen. Ich glaube,<br />

dann können wir es vergessen. Man muss sich<br />

darüber im Klaren sein, dass das, was Nele Hertling<br />

sagte die Künste seien <strong>de</strong>r Motor Europas dann einfach<br />

nicht funktionieren wird. Auch mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k<br />

muss man darüber eine grundsätzliche Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

führen, ob das jetzt gewünscht ist o<strong>de</strong>r<br />

nicht. Wenn es gewünscht ist, dann haben wir das<br />

Recht auf einen Son<strong>de</strong>rstatus. Und wenn wir einen<br />

Son<strong>de</strong>rstatus haben, dann brauchen wir auch beson<strong>de</strong>re<br />

Regelungen.<br />

Heun:<br />

Wollen Sie noch einen Satz dazu sagen?<br />

Sabathil:<br />

Ich bin sicher, dass Ihr Dokument in Brüssel bekannt<br />

ist und dass es auf die Agenda, die ausgearbeitet wur<strong>de</strong>,<br />

Einfluss hatte. Ich warne trotz<strong>de</strong>m vor zu hohen<br />

Erwartungen. Ich weiß aus meiner langjährigen Praxis,<br />

dass die Kohleindustrie, die Optiker, die Apotheker und<br />

die Schiffbauer auch alle einen Son<strong>de</strong>rstatus haben<br />

wollen. Ich möchte Sie nicht ausbremsen. Ich möchte<br />

Sie auch nicht mit <strong>de</strong>r Kohleindustrie und <strong>de</strong>n Apothekern<br />

vergleichen, aber es ist sicher ein Problem, einen<br />

Son<strong>de</strong>rstatus einzufor<strong>de</strong>rn. Das ist ein Thema, an das<br />

man in Brüssel gewöhnt ist. Auf diesem Gebiet wur<strong>de</strong><br />

schon sehr viel versucht, was dann doch nicht zum Erfolg<br />

geführt hat.<br />

Die allgemeinen Regelungen sind an sich schon<br />

schwierig. Daher erfor<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rstatus eine doppelte<br />

Argumentation. Ich kann Ihnen da im Moment<br />

keine Hoffnungen machen, aber ich <strong>de</strong>nke, es ist eine<br />

Gelegenheit. Wir haben zur Zeit einen Kommissar, <strong>de</strong>r<br />

beson<strong>de</strong>rs auf diesem engen Gebiet tätig ist. Sie wissen,<br />

wie groß die Kommission gewor<strong>de</strong>n ist. Vielleicht<br />

wer<strong>de</strong>n die Aussichten so besser. Aber die allgemeine<br />

Situation ist, was Sozialversicherungsrecht, Steuerrecht<br />

usw. betrifft, nicht gera<strong>de</strong> so, dass die Mitgliedsstaaten<br />

all <strong>de</strong>n speziellen Wünschen Tor und Tür öffnen wür<strong>de</strong>n.<br />

Wir diskutieren seit fünf, sechs Jahren über Ausnahmeregelungen<br />

für Restaurants in <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>s<br />

Mehrwertsteuersatzes. Das ist nur ein ganz konkretes<br />

Beispiel.<br />

Heun:<br />

Ich <strong>de</strong>nke, Sie spüren das Unwohlsein im Auditorium,<br />

wenn Kunst und Kultur mit bestimmten Wirtschaftszweigen<br />

auf ein Level gebracht wer<strong>de</strong>n. Ich interpretiere<br />

das gera<strong>de</strong> so. Denn wir hatten heute bereits<br />

einen relativen Konsens darüber, dass Kunst und Kultur<br />

so etwas wie das Gegenprogramm zur Ökonomisierung<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft sind. Und vielleicht leg<strong>iti</strong>miert das<br />

dann doch einen Son<strong>de</strong>rstatus.<br />

Aber ich begrüße es, dass sie die Offenheit haben,<br />

uns zu sagen, wie schwierig dieser Weg ist.<br />

Ich möchte jetzt noch mal auf die <strong>de</strong>utsche Situation<br />

zu sprechen kommen. Wir befin<strong>de</strong>n uns in einem<br />

Umfeld, wo es ganz starke Mobilitätseinschränkungen<br />

gibt. Wir haben von Martin Berg vom Goethe-Institut GL<br />

gehört, dass die Mittel <strong>de</strong>s Goethe-Instituts GL mittlerweile<br />

so stark gekürzt wur<strong>de</strong>n, dass es sich seinerseits<br />

um Drittmittel bemühen muss, um Projekte durchführen<br />

zu können. Da die Frage an Herrn Meier-Klodt: Wie<br />

sehen Sie die Situation? Ist es tatsächlich realistisch,<br />

dass <strong>de</strong>r Etat <strong>de</strong>s Goethe-Instituts GL<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

in <strong>de</strong>r heutigen Zeit wie<strong>de</strong>r nennenswert<br />

erhöht wird? Welche<br />

nationale Ebene<br />

zu-<br />

sätzlichen Strategien hat das Auswärtige Amt in seiner<br />

Aktionsplanung?<br />

Meier-Klodt:<br />

Es ist meiner Meinung nach nicht nur realistisch,<br />

son<strong>de</strong>rn in diesem Jahr bereits geschehen. Alle Anzeichen<br />

<strong>de</strong>uten darauf hin, dass es auch in diesem Trend<br />

weitergehen wird. Die Lage <strong>de</strong>r Mittlerorganisationen<br />

<strong>de</strong>r auswärtigen Kultur- und Bildungspol<strong>iti</strong>k hat sich<br />

über viele Jahre relativ kontinuierlich verschlechtert.<br />

Und das Stichwort <strong>de</strong>r Gegenmaßnahme ist hier gefallen:<br />

Pol<strong>iti</strong>sche Lobby. Das gilt aus meiner Sicht für ganz<br />

Europa. Erstmals in diesem ersten halben Jahr ist mit<br />

<strong>de</strong>r Mitteilung GL ein starkes Strategiepapier zum Thema<br />

Kultur in Europa verfasst wor<strong>de</strong>n. Im Rahmen unserer<br />

Präsi<strong>de</strong>ntschaft ist das Wort ‚Kultur’, wenn auch<br />

mit <strong>de</strong>m Zusatz Kulturwirtschaft bzw. Kreativwirtschaft,<br />

relativ häufig gefallen. Über diesen Komplex kann man<br />

vielleicht noch einmal getrennt sprechen. In einem<br />

Wort wür<strong>de</strong> ich sagen: Solange das kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />

Ziel im Vor<strong>de</strong>rgrund bleibt, ist es auch keine Schan<strong>de</strong>,<br />

wenn es im Zusammenhang mit an<strong>de</strong>ren Zielen<br />

genannt wird. Aber das ist, wie gesagt, ein an<strong>de</strong>res<br />

Thema.<br />

Und gleiches gilt eben auch für <strong>de</strong>n nationalen<br />

Bereich. Um hier noch einmal die Größenordnung in<br />

Erinnerung zu rufen: Schwerpunktmäßig wird Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

zunächst einmal in <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn gemacht. Das<br />

heißt, wenn wir gute <strong>de</strong>utsche auswärtige Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

machen, dann machen wir auch gute europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k,<br />

o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st stärken wir sie. Das umfasst<br />

generell die pol<strong>iti</strong>sche Aufmerksamkeit. Ohne jetzt hier<br />

pro domo re<strong>de</strong>n zu wollen, glaube ich, dass mit Außenminister<br />

Steinmeier, nach langer Zeit ein Minister<br />

das Auswärtige Amt leitet, <strong>de</strong>r die Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

pol<strong>iti</strong>sch ganz hoch hängt. Wir re<strong>de</strong>n seit Jahrzehnten<br />

54


von <strong>de</strong>r dritten Säule, ein Begriff, <strong>de</strong>n Willy Brandt geprägt<br />

hat. Richtig erfahrbar war das nicht immer. Das<br />

sage ich ganz selbstkr<strong>iti</strong>sch. Und das versucht dieser<br />

Minister gera<strong>de</strong> in Wort und Tat zu än<strong>de</strong>rn. Wir wollen<br />

konzeptionell mo<strong>de</strong>rn aufgestellt sein.<br />

Der eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re war im letzten Herbst vielleicht<br />

auf einer größeren Konferenz dazu, „Menschen<br />

bewegen“ GL haben wir sie genannt. Ein Bun<strong>de</strong>skanzler<br />

sagte mal: Wichtig ist, was hinten raus kommt. Darauf<br />

kommt es an. Was sind wir bereit dafür auszugeben?<br />

Und da hatten wir in diesem Jahr eine Trendwen<strong>de</strong>. Für<br />

uns waren das 20 Millionen. Jetzt kommt einer daher<br />

und sagt: Schau dir an<strong>de</strong>re Bereiche an. Da sind 20<br />

Millionen ein Pappenstil. Vor <strong>de</strong>m Hintergrund eines<br />

Rückgangs, <strong>de</strong>n wir über Jahre zu verzeichnen hatten,<br />

war das aber ein echter Erfolg. Es war ganz konkret<br />

das Geld, das wir brauchten, um das Netz <strong>de</strong>r Goethe-<br />

Institute GL zu stabilisieren. Es stand im Raum, <strong>de</strong>r eine<br />

o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re hat das sicher in <strong>de</strong>n Zeitungen verfolgen<br />

können, dass wir drastisch reduzieren müssen. Mit <strong>de</strong>r<br />

pol<strong>iti</strong>schen Lobby, persönlichem Einsatz und <strong>de</strong>m klaren<br />

Signal ist es gelungen, das zu verhin<strong>de</strong>rn.<br />

Ich will jetzt noch nicht vorgreifen, aber die Zeichen<br />

<strong>de</strong>uten darauf hin, dass wir mit weiteren In<strong>iti</strong>ativen,<br />

gera<strong>de</strong> im Bereich <strong>de</strong>r auswärtigen Kulturpol<strong>iti</strong>k,<br />

diesen Trend auch weiter verstetigen können.<br />

Insofern wäre meine Kernbotschaft in dieser Run<strong>de</strong>:<br />

Wenn wir die Aufmerksamkeit auf einen Bereich richten<br />

können, <strong>de</strong>r für uns im Rahmen unserer Außenpol<strong>iti</strong>k<br />

eine eminent pol<strong>iti</strong>sche Be<strong>de</strong>utung hat, das soll keine<br />

Verkennung <strong>de</strong>r kulturellen Arbeit und keine inhaltliche<br />

Steuerung sein, dann können wir diesen Bereich auch<br />

stärken. Wir wollen und wir müssen die Kultur stärker<br />

für unsere Ziele nutzen. Und wenn wir das tun,<br />

stärken wir sie damit auch. Das ist je<strong>de</strong>nfalls meine<br />

feste Überzeugung.<br />

Heun:<br />

Das ist schon mal eine erfreuliche Nachricht, vor<br />

allem für das Goethe-Institut GL .<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

EU- und nationale Ebene<br />

Meier-Klodt:<br />

Und an<strong>de</strong>re.<br />

Heun:<br />

Jetzt hat das Auswärtige Amt mit <strong>de</strong>m Goethe-Institut<br />

GL auch Erfahrungen darin sammeln können, wie es<br />

ist, eine unabhängige Institution zu unterstützen, die<br />

für die auswärtige Kulturför<strong>de</strong>rung und Aktion zuständig<br />

ist. Halten Sie es für vorstellbar, dass man auf europäischer<br />

Ebene eine Art europäisches Kulturinstitut ins<br />

Leben ruft, das als eigenständige Organisation neben<br />

<strong>de</strong>r europäischen Kommission ausschließlich die Aufgabe<br />

hat, die Mobilität in Europa zu för<strong>de</strong>rn?<br />

Meier-Klodt:<br />

Ich halte das für <strong>de</strong>nkbar. Ob es machbar, mit Partnern<br />

umsetzbar ist, kann ich jetzt ad hoc nicht beurteilen.<br />

Wir selber haben mit diesem zugegebenermaßen<br />

etwas spezifischen <strong>de</strong>utschen System gute Erfahrungen<br />

gemacht. Dieses System ist bedingt durch die<br />

Nachkriegszeit und <strong>de</strong>n Wunsch für immer zu verhin<strong>de</strong>rn,<br />

dass Kultur vor<strong>de</strong>rgründig für pol<strong>iti</strong>sche Ziele<br />

missbraucht wird. Dazu stehen wir bis heute. Keiner<br />

will dieses beson<strong>de</strong>re Verhältnis, das wir mit unseren<br />

Mittlerorganisationen haben, än<strong>de</strong>rn. Man muss sich<br />

in Europa allerdings nur ein wenig umgucken, um zu<br />

sehen, dass unsere Nachbarn es teilweise ganz an<strong>de</strong>rs<br />

machen.<br />

Der angelsächsische Ansatz mit public diplomacy,<br />

<strong>de</strong>n ich für gut und auch überzeugend halte, geht da<br />

einen an<strong>de</strong>ren Weg. Man muss sich nur die Konzeption<br />

<strong>de</strong>s Goethe-Instituts GL und die neue Konzeption <strong>de</strong>s<br />

Br<strong>iti</strong>sh Council GL vor Augen halten, und schon hat man<br />

eine wun<strong>de</strong>rbare, hoch spannen<strong>de</strong> Diskussion mit sehr<br />

unterschiedlichen Antworten. Deswegen möchte ich<br />

mir, so ad hoc gefragt, keine Prognose zutrauen.<br />

Heun:<br />

Noch einmal zurück zu Herrn Sabathil. Wo wür<strong>de</strong>n<br />

sie die zukünftige Rolle <strong>de</strong>r EU über die Fragen <strong>de</strong>s<br />

Subsidiaritätsprinzips GL hinaus<br />

sehen? Sie sagten vorhin,<br />

dass die Schwierigkeit in<br />

EU-Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

zentralen, kulturpol<strong>iti</strong>schen Fragen aktiv zu wer<strong>de</strong>n,<br />

für Sie letztendlich auch darin besteht, dass es immer<br />

wie<strong>de</strong>r Probleme mit <strong>de</strong>r Abgrenzung zur Län<strong>de</strong>rpol<strong>iti</strong>k<br />

gibt. Wo sehen Sie die zukünftige Rolle <strong>de</strong>r EU-<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k, und wo wird die kulturelle Kompetenz<br />

<strong>de</strong>r EU sein?<br />

Sabathil:<br />

Die Schwierigkeit ergibt sich zum großen Teil daraus,<br />

dass Kultur eben wirklich eine horizontale Pol<strong>iti</strong>k<br />

ist und dass bei aller Spezifität so viele Bereiche gleichze<strong>iti</strong>g<br />

angesprochen sind, die es schwierig machen,<br />

eine homogene, durch eine Lobby unterstützte Pol<strong>iti</strong>k<br />

hervorzubringen. Subsidiaritätsprinzip GL , das Stichwort<br />

ist gefallen. Das Subsidiaritätsprinzip GL wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>m<br />

Mandat für <strong>de</strong>n europäischen Reformvertrag, <strong>de</strong>r vorgestern<br />

beschlossen wur<strong>de</strong>, erheblich verstärkt. Es wird<br />

also in Zukunft mehr Subsidiarität GL geben. Es wird<br />

mehr Mitsprache <strong>de</strong>r nationalen Parlamente geben,<br />

was die Geschwindigkeit <strong>de</strong>ssen, wie Dinge wirklich<br />

voran gebracht wer<strong>de</strong>n können, sicher nicht erhöht.<br />

Zweitens: Sie wissen, dass <strong>de</strong>r Haushaltsrahmen<br />

<strong>de</strong>r Europäischen Kommission im kulturellen Bereich<br />

hinter <strong>de</strong>m zurückbleibt, was vielfach erwartet wur<strong>de</strong>.<br />

Und natürlich fällt es uns immer leichter, in Bereichen<br />

etwas voranzubringen, in <strong>de</strong>nen auch die Mittel dafür<br />

vorhan<strong>de</strong>n sind. Die finanziellen Mittel im kulturellen<br />

Bereich sind bekannt, sie liegen weit unter <strong>de</strong>m, was<br />

man for<strong>de</strong>rn kann. Die Möglichkeiten <strong>de</strong>r Kommission,<br />

Einflüsse auszuüben und regulativ tätig zu wer<strong>de</strong>n, sind<br />

natürlich eingeschränkt, wenn sie finanziell nichts dazu<br />

beizutragen hat. In unserer Kulturagenda GL ist <strong>de</strong>shalb<br />

vor sechs Wochen ganz <strong>de</strong>utlich aufgezeigt wor<strong>de</strong>n, wo<br />

die Schwerpunkte in <strong>de</strong>n drei Bereichen liegen. Erstens:<br />

die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Vielfalt und <strong>de</strong>s Austauschs – da<br />

fällt unser Thema darunter. Aber da gibt es eben nur<br />

eine subsidiäre Zuständigkeit, wenn sie nicht ganz horizontal<br />

auf die allgemeine Binnenmarktgesetzgebung,<br />

Freizügigkeit usw. ausgerichtet ist.<br />

Zweitens: Der Bereich <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>r Kultur im<br />

Rahmen <strong>de</strong>s Wirtschafts-, Innovations- und Krea-<br />

Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />

55


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

tivitätsprozesses; Kultur als eigenständiger Wirtschaftsfaktor<br />

mit seinem wachsen<strong>de</strong>n Anteil am Bruttosozialprodukt.<br />

Da können wir, finanziell zwar stark<br />

begrenzt, unterstützend eingreifen. Drittens: Die Rolle<br />

<strong>de</strong>r europäischen Kultur weltweit, <strong>de</strong>r Faktor <strong>de</strong>s interkulturellen<br />

Dialogs, <strong>de</strong>s Austauschs, die Rolle <strong>de</strong>r<br />

europäischen Kultur als Ganzes, über die Nationalkulturen<br />

hinaus, die Rolle im interkulturellen Dialog <strong>de</strong>r<br />

Kontinente - welche Beziehungen sie da auch immer<br />

ansprechen, ob das Asien, <strong>de</strong>r Islam o<strong>de</strong>r die Vereinigten<br />

Staaten sind. Ich muss Sie da fast benei<strong>de</strong>n. Die<br />

dritte Säule <strong>de</strong>r nationalen Außenpol<strong>iti</strong>k <strong>de</strong>r Kultur ist<br />

sicher höher und größer einzuschätzen als es die dritte<br />

Säule in <strong>de</strong>r europäischen Außenpol<strong>iti</strong>k ist. Da haben<br />

wir einen erheblichen Nachholbedarf, und da treffen<br />

dann zwei sensible Bereiche aufeinan<strong>de</strong>r: Kultur zum<br />

einen und Außenpol<strong>iti</strong>k als Domäne nationaler Souveränität<br />

zum an<strong>de</strong>ren. Wir kommen da in einen doppelten<br />

Engpass. Sie brauchen nur zu lesen, welche<br />

weiteren Fesseln und Einschränkungen die br<strong>iti</strong>sche Regierung<br />

für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspol<strong>iti</strong>k<br />

<strong>de</strong>r Europäischen Union in diesem Vertragsentwurf<br />

durchgesetzt hat. Wir müssen einfach die globale<br />

Entwicklung im Auge behalten. Wir müssen die aktuelle<br />

Diskussion zwischen <strong>de</strong>n Kulturen sehen. Und<br />

gleichze<strong>iti</strong>g tun wir uns beson<strong>de</strong>rs schwer damit,<br />

etwas gemeinsames Europäisches zu schaffen. Ich<br />

fän<strong>de</strong> es ganz außeror<strong>de</strong>ntlich nützlich und hilfreich,<br />

wenn die auswärtigen Kulturinstitute stärker zusammenarbeiten<br />

könnten - nicht nur die Institute <strong>de</strong>r 27<br />

Mitgliedsstaaten, son<strong>de</strong>rn auch die <strong>de</strong>r Drittlän<strong>de</strong>r. Da<br />

wur<strong>de</strong>n Anfänge gemacht, aber die gehen noch nicht<br />

weit genug. Was in <strong>de</strong>n Mitgliedsstaaten mit <strong>de</strong>n<br />

Netzwerken entstan<strong>de</strong>n ist, muss auch nach außen<br />

sehr viel stärker wer<strong>de</strong>n – selbst wenn es aufgrund<br />

<strong>de</strong>s Sprachenproblems sehr schnell an Grenzen stößt,<br />

weil dann natürlich sofort die Konkurrenz <strong>de</strong>r europäischen<br />

Kultur- und Sprachenpol<strong>iti</strong>k ansteht.<br />

Zu<strong>de</strong>m erscheint es mir ganz beson<strong>de</strong>rs wichtig,<br />

dass wir neben <strong>de</strong>n nationalen Auslandsrundfunkanstalten,<br />

die nur einige Län<strong>de</strong>r haben, das ist ein Luxus,<br />

<strong>de</strong>n sich nur die großen Län<strong>de</strong>r leisten können, auch<br />

einen europäischen Auslandsrundfunk haben. Gern<br />

auch in mehreren Sprachen. Wenn wir uns auf gemeinsame<br />

Sprachen einigen könnten, wären wir in <strong>de</strong>r Lage,<br />

das Angebot von Deutsche Welle, BBC International,<br />

Radio France International usw. zu erweitern. Aber da<br />

stoßen wir schon in Deutschland an die Grenzen <strong>de</strong>s<br />

Rundfunkfö<strong>de</strong>ralismus, <strong>de</strong>r es einfach verbietet, dass<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche öffentliche Rundfunk Beteiligungen an<br />

einer europäischen Fernseh- o<strong>de</strong>r Rundfunkstation eingeht.<br />

Da liegen die Probleme wirklich im Detail. Kultur<br />

ist eben etwas, das sehr prägend ist und gleichze<strong>iti</strong>g als<br />

Abgrenzungsbereich dient, bei <strong>de</strong>r Sprache angefangen.<br />

Daher gibt es durchaus auch Konkurrenz zwischen<br />

<strong>de</strong>n Kulturpol<strong>iti</strong>ken <strong>de</strong>r einzelnen Län<strong>de</strong>r im Hinblick<br />

auf ihre Interessen im Drittland o<strong>de</strong>r auch im europäischen<br />

Bereich.<br />

Heun:<br />

Herr Bethge, jetzt haben wir die spezifische <strong>de</strong>utsche<br />

Situation, die nun schon mehrfach angeführt wur<strong>de</strong>, besprochen.<br />

Haben Sie dadurch, dass die Kulturhoheit bei<br />

Ihnen liegt, nicht nur <strong>de</strong>n Gestaltungsspielraum, son<strong>de</strong>rn<br />

auch <strong>de</strong>n Schwarzen Peter <strong>de</strong>r Finanzierung? Welche<br />

Lösungsmöglichkeiten sehen Sie, um einige <strong>de</strong>r heute<br />

genannten Anliegen mit <strong>de</strong>r nötigen nachhaltigen För<strong>de</strong>rung<br />

zu unterstützen? Wir haben zum Bespiel zu hören<br />

bekommen, dass die Bun<strong>de</strong>skulturstiftung Projekte<br />

anregt und auf <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten Ebenen inhaltliche<br />

Stimuli in die Kunstszene gibt. Wenn das in Deutschland<br />

stattfin<strong>de</strong>t, stellt sich natürlich die Frage, welche Möglichkeiten<br />

einer nachhaltigen För<strong>de</strong>rung gibt es, nach<strong>de</strong>m<br />

so ein Projekt abgeschlossen wur<strong>de</strong>. Da sind dann<br />

wohl in erster Linie die Län<strong>de</strong>r gefragt. Außer<strong>de</strong>m möchte<br />

ich Sie bitten, auch aus Ihrer Erfahrung als Berichterstatter<br />

<strong>de</strong>s Kulturausschusses <strong>de</strong>r KMK GL heraus Ihre<br />

Perspektive auf Europa zu<br />

beschreiben.<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

nationale Ebene<br />

Bethge:<br />

Zunächst bin ich nur Berichterstatter für <strong>de</strong>n Bereich<br />

Theater. Ich wür<strong>de</strong> nicht sagen, dass die Län<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Schwarzen Peter <strong>de</strong>r Finanzierung haben. Es ist nun<br />

trad<strong>iti</strong>onell in Deutschland so, dass Kultur Län<strong>de</strong>rsache<br />

ist. Die Län<strong>de</strong>r und auch die Kommunen för<strong>de</strong>rn<br />

auf vielfältige, wenn man es mit an<strong>de</strong>ren europäischen<br />

Län<strong>de</strong>rn vergleicht, auf ganz beeindrucken<strong>de</strong> Weise,<br />

die regionale Kultur. Auch wenn das Geld für die Kultur<br />

natürlich nie genug ist. Wir als Län<strong>de</strong>rgemeinschaft<br />

leiten daraus auch gewisse Mitspracherechte auf europäischer<br />

Ebene ab, gera<strong>de</strong> weil wir vor Ort die Kultureinrichtungen<br />

erhalten und entsprechen<strong>de</strong> an<strong>de</strong>re<br />

För<strong>de</strong>rprogramme durchsetzen. Das ist für uns auf europäischer<br />

Ebene häufig schwierig, <strong>de</strong>nn bis sich die 16<br />

Län<strong>de</strong>r auf eine Pos<strong>iti</strong>on verständigt haben, braucht es<br />

eine gewisse Zeit, die dann bei <strong>de</strong>n Abstimmungsprozessen<br />

lei<strong>de</strong>r häufig fehlt. Wenn man sich zum Beispiel<br />

die Kulturagenda GL ansieht, ist es natürlich wichtig zu<br />

fragen, wie sich die Län<strong>de</strong>r dazu verhalten. Wie wollen<br />

die Län<strong>de</strong>r das unterstützen, damit <strong>de</strong>r Vorstoß <strong>de</strong>r<br />

Kommission dann auch tatsächlich Erfolg hat und auch<br />

von Deutschland unterstützt wird? Da offenbart sich sicher<br />

auch eine Schwachstelle <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Systems.<br />

Wir fin<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r KMK GL nicht so schnell eine gemeinsame<br />

Stellungnahme. Statt<strong>de</strong>ssen müssen wir erst einmal<br />

kompliziert miteinan<strong>de</strong>r abstimmen. Die Län<strong>de</strong>r<br />

haben natürlich auch ganz unterschiedliche Ansätze,<br />

wie sie sich in Europa verstehen und wie weit sie diesen<br />

Prozess voranbringen wollen. Die Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r offenen<br />

Koordinierung GL ist hier gera<strong>de</strong> angesprochen wor<strong>de</strong>n.<br />

Es besteht bei <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn eine gewisse Zurückhaltung<br />

darüber, ob die Europäische Kommission auch<br />

im Kulturbereich eine erweiterte Regelungskompetenz<br />

bekommen soll. Wir glauben, dass aus Europa<br />

schon so viele Regelungen gekommen sind, dass es für<br />

<strong>de</strong>n Akzeptanzprozess in Europa nicht för<strong>de</strong>rlich ist, hier<br />

noch stärker reglementierend einzugreifen, so wichtig<br />

wir sonst die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Mobilität und <strong>de</strong>r stärkeren<br />

Zusammenarbeit auch sehen.<br />

Zu <strong>de</strong>n einzelnen För<strong>de</strong>rgesichtspunkten bei <strong>de</strong>r<br />

Bun<strong>de</strong>skulturstiftung: Wir konnten einige sehr schöne<br />

För<strong>de</strong>rprojekte mit <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>skulturstiftung in<strong>iti</strong>ieren.<br />

Das Problem ist, dass die Län<strong>de</strong>r das einerseits kofinanzieren<br />

und sich an<strong>de</strong>rerseits z.T. auch verpflichten<br />

müssen, nach Auslaufen <strong>de</strong>r Stiftungsgel<strong>de</strong>r das Projekt<br />

56


weiterzufinanzieren. Das hat anfangs Irritationen auf<br />

Seiten <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r hervorgerufen. Wir sind dann mit <strong>de</strong>r<br />

Bun<strong>de</strong>skulturstiftung ins Gespräch gekommen, um uns<br />

im Vorfeld schon besser abstimmen zu können. Aber<br />

man darf sich nichts vormachen. Diese Kofinanzierungen<br />

und diese Weiterfinanzierungen können nicht<br />

von Gel<strong>de</strong>rn bestritten wer<strong>de</strong>n, die wir als Kulturleute<br />

von außen auf unsere Budgets bekommen, son<strong>de</strong>rn<br />

das sind dann gewisse Setzungen, die wir gemeinsam<br />

mit <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>skulturstiftung in bestimmten För<strong>de</strong>rfel<strong>de</strong>rn<br />

vornehmen, die dann aber auch durch gewisse<br />

Umschichtungen <strong>de</strong>s Etats finanziert wer<strong>de</strong>n müssen.<br />

Das heißt, es muss dann auch zu Lasten an<strong>de</strong>rer För<strong>de</strong>rbereiche<br />

gehen. Wie lange das noch durchzuhalten<br />

ist, da die För<strong>de</strong>rprogramme zunehmen und auch in<br />

an<strong>de</strong>ren Bereichen neue För<strong>de</strong>rprogramme hinzukommen,<br />

wird man sehen. Ich glaube nicht, dass man auf<br />

Dauer durchhält, all diese Projekte die dann auch in<br />

<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn angeschoben wer<strong>de</strong>n, weiterzufinanzieren.<br />

Heun:<br />

In Deutschland sollten auf allen Ebenen <strong>de</strong>r öffentlichen<br />

Hand flexible Budgets geschaffen wer<strong>de</strong>n, um<br />

Kooperationen auf <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />

Levels - sei es national,<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

nationale Ebene<br />

europäisch o<strong>de</strong>r interkulturell<br />

– zu ermöglichen. Frage an die Vertreter <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen<br />

Systems: Halten Sie so etwas in <strong>de</strong>r heutigen Zeit für<br />

möglich und sinnvoll? Die Praxis hat lei<strong>de</strong>r gezeigt,<br />

dass je<strong>de</strong>r Topf, auf <strong>de</strong>m „flexibel“ steht, als erstes gestrichen<br />

wird, obwohl das eigentlich die heiligen Töpfe<br />

sein sollten, weil genau die Flexibilität die Spielräume<br />

für künstlerische Prozesse ermöglicht. Wie sehen Sie die<br />

Situation?<br />

Bolwin:<br />

Es ist immer gut, wenn es mehr Geld gibt, erst<br />

recht, wenn es für Kunst und Kultur ist. Wenn jemand<br />

einen solchen Topf auflegen möchte, kann man ihn<br />

nur dazu ermutigen, egal wo das geschieht, ob bei<br />

<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>n Kommunen, <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland und an<strong>de</strong>ren<br />

hier vertretenen Län<strong>de</strong>rn. Insofern halte ich es für<br />

eine gute Entwicklung, dass sich die Bun<strong>de</strong>skulturstiftung<br />

entschie<strong>de</strong>n hat, dauerhafte Partnerschaften zu<br />

för<strong>de</strong>rn. Es ist ausdrücklich auch von <strong>de</strong>n Theatern<br />

gefor<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n, dass wir einen Topf brauchen, <strong>de</strong>r<br />

es ermöglicht z.B. Theaterpersonal und Produktionen<br />

auszutauschen o<strong>de</strong>r auch mit Theatern zu produzieren,<br />

die ihren Standort in einem an<strong>de</strong>ren europäischen<br />

Land haben. Allein an dieser Entscheidung, die<br />

auch in Abstimmung mit uns zustan<strong>de</strong> gekommen<br />

ist, sieht man, dass es eine intensive Debatte über die<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />

Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />

Frage gibt, was wir jenseits dieser<br />

rechtlichen Rahmenbedingungen,<br />

über die wir eingangs<br />

diskutiert haben, für Europa<br />

<strong>de</strong>rungsmitteln, möglicherweise mit <strong>de</strong>m Ziel einer<br />

europäischen Komponente, zu machen. Denn auch<br />

mit <strong>de</strong>m Geld, das institutionell zur Verfügung steht,<br />

wird schon relativ viel gemacht. Da möchte ich Herrn<br />

Buroch auch ein klein wenig wi<strong>de</strong>rsprechen, <strong>de</strong>nn die<br />

Situation hat sich in <strong>de</strong>n letzten zehn Jahren komplett<br />

verän<strong>de</strong>rt. Be<strong>de</strong>nken Sie nur, dass selbst die Salzburger<br />

Festspiele kaum noch eine Produktion machen, an<br />

<strong>de</strong>r nicht auch konkrete Stadt- o<strong>de</strong>r Staatstheater in<br />

Deutschland o<strong>de</strong>r einem an<strong>de</strong>ren europäischen Land<br />

beteiligt sind. Daran sieht man schon, wie schnell sich<br />

das weiterentwickelt hat. Das wäre noch vor acht bis<br />

neun Jahren kaum <strong>de</strong>nkbar gewesen. Auch an<strong>de</strong>re Festivals<br />

gehen zu dieser Art <strong>de</strong>s gemeinsamen Produzierens<br />

über, und es ist ein sehr großer Vorteil, dass<br />

wir in <strong>de</strong>r BRD keine Diskussion mit einem Träger, ob<br />

Land o<strong>de</strong>r Kommune, darüber führen müssen. Na-<br />

tun können. Ich warne in Bezug auf das <strong>de</strong>utsche<br />

System davor, Gel<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r institutionellen För<strong>de</strong>rung,<br />

die es ja in Deutschland im großen Stil, vor<br />

allem für Stadt- und Staatstheater und viele freie<br />

Gruppen gibt, herauszuziehen und zu Projektförtürlich<br />

bleibt die Frage, wo<br />

kriegen wir das Geld her,<br />

aber zunächst einmal kann<br />

<strong>de</strong>r Theaterbetrieb mit <strong>de</strong>n<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

För<strong>de</strong>rrichtlinien vs.<br />

Freie För<strong>de</strong>rung<br />

institutionellen För<strong>de</strong>rmitteln, die ihm zur Verfügung<br />

stehen, selbst seine Zielrichtung formulieren. Der Vorteil<br />

ist darüber hinaus, dass die künstlerische Leitung<br />

<strong>de</strong>s jeweiligen Theaters die Frage entschei<strong>de</strong>t, was auf<br />

europäischer Ebene mit an<strong>de</strong>ren Theatern produziert<br />

wird. In an<strong>de</strong>ren Fällen ist es die Entscheidung <strong>de</strong>r<br />

pol<strong>iti</strong>schen Gremien, die das Geld für das Projekt zur<br />

Verfügung stellen. Darüber muss man mal einen Moment<br />

nach<strong>de</strong>nken. Die Künstler for<strong>de</strong>rn m.E. zu Recht,<br />

dass sie selbst entschei<strong>de</strong>n wollen, was sie europäisch<br />

produzieren und was nicht. Ich fin<strong>de</strong> nicht, dass man<br />

das immer nur kunstfernen Institutionen überlassen<br />

sollte, selbst wenn sie dafür Jurys o<strong>de</strong>r Entscheidungsgremien<br />

mit unterschiedlichen Leuten einrichten.<br />

Heun:<br />

Habe ich das richtig verstan<strong>de</strong>n, dass es jetzt für europäische<br />

Koproduktionen eine Form <strong>de</strong>r Kooperation<br />

zwischen <strong>de</strong>n Stadttheatern und <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>skulturstiftung<br />

gibt?<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

nationale Ebene<br />

Bolwin:<br />

Nein, die Bun<strong>de</strong>skulturstiftung hat einen Topf aufgemacht,<br />

mit <strong>de</strong>ssen Geld Kooperationen und Partnerschaften<br />

zwischen einem <strong>de</strong>utschen Theater und<br />

einem Theater im europäischen Ausland geför<strong>de</strong>rt<br />

wer<strong>de</strong>n können. Das beginnt dann mit <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>s Austauschs von Personal, ich mache es einmal an<br />

einem Beispiel vom Thalia Theater zur Comédie Francaise<br />

fest.<br />

Heun:<br />

Und die Bun<strong>de</strong>skulturstiftung wür<strong>de</strong> in diesem Fall<br />

die Mobilität <strong>de</strong>r Dramaturgen för<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r auch die<br />

Gehälter <strong>de</strong>r Dramaturgen?<br />

Bolwin:<br />

Erst einmal <strong>de</strong>n Austausch. So etwas ist mit zusätzlichen<br />

Kosten verbun<strong>de</strong>n. Es ist aber nur ein Beispiel. Sie<br />

könnte auch eine Koproduktion o<strong>de</strong>r eine Übersetzung<br />

för<strong>de</strong>rn. Sie haben vorhin von Sprachbarrieren gespro-<br />

Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />

57


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

chen, die ja dadurch überwun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Und es ist<br />

doch interessant, wenn ein Stück von, sagen wir Schimmelpfennig,<br />

an drei Theatern gleichze<strong>iti</strong>g gespielt wird<br />

– in Frankreich, England und Deutschland - als zeitgleihervorbringt.<br />

Ich bin übrigens nicht <strong>de</strong>r Auffassung,<br />

che Uraufführung, um in Europa<br />

EU-Kulturpol<strong>iti</strong>k einen Dialog darüber anzuregen,<br />

was neue dramatische Literatur<br />

dass es jetzt schon wie<strong>de</strong>r darum gehen soll, für die<br />

Darstellung europäischer Kultur im außereuropäischen<br />

Raum zu produzieren. Ich habe <strong>de</strong>n Eindruck,<br />

wir befin<strong>de</strong>n uns im Moment schon in einem Defizit innerhalb<br />

Europas. Gera<strong>de</strong> wenn Sie das Radio nennen,<br />

„Krisenradio“ ist so ein beliebter Begriff. Wir sen<strong>de</strong>n in<br />

pol<strong>iti</strong>sche Krisengebiete außerhalb Europas. Ich fin<strong>de</strong><br />

das alles richtig, aber das darf nicht dazu führen, dass<br />

wir <strong>de</strong>n innereuropäischen Kulturdialog vernachlässigen,<br />

was zu einem Teil geschieht. Es fühlt sich nämlich keiner<br />

mehr so richtig zuständig. Das Auswärtige Amt sagt,<br />

dass es keine richtige auswärtige Pol<strong>iti</strong>k mehr sei. Es sei<br />

europäische Pol<strong>iti</strong>k und Europa gehöre immer mehr zur<br />

Innenpol<strong>iti</strong>k. Und in Europa ist letztlich auch keiner da,<br />

<strong>de</strong>r das ersetzt, so dass die Frage auftaucht: Wer ist <strong>de</strong>nn<br />

jetzt eigentlich für <strong>de</strong>n europäischen Dialog zuständig?<br />

Die Auswärtigen Ämter, die Europäische Union o<strong>de</strong>r gibt<br />

es sonst irgendjeman<strong>de</strong>n? Ich glaube, wir sollten <strong>de</strong>n<br />

europäischen Dialog in <strong>de</strong>r ganzen Debatte darüber, inwieweit<br />

sich Europa im außereuropäischen Ausland mit<br />

seiner Kunst und Kultur präsentiert, nicht aus <strong>de</strong>n Augen<br />

verlieren.<br />

Heun:<br />

Ich möchte gern Daphne Tepper, die jetzt viel über<br />

die verschie<strong>de</strong>nen Ebenen <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

und ihr Verhältnis zu Europa sowie zu Strategien <strong>de</strong>r<br />

europäischen Kulturför<strong>de</strong>rung gehört hat, noch einmal<br />

zu Wort kommen lassen. Mich interessiert, wie Sie als<br />

jemand, <strong>de</strong>r von draußen kommt, diese Situation betrachten<br />

und ob Sie eine zün<strong>de</strong>n<strong>de</strong> I<strong>de</strong>e haben, wie<br />

wir <strong>de</strong>n Karren, <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Ebenen <strong>de</strong>r<br />

öffentlichen Kulturverwaltung parkt, in Gang kriegen<br />

können.<br />

Tepper:<br />

Ich weiß nicht, ob es wirklich meine Aufgabe ist,<br />

Ihnen zu sagen, was ich über die <strong>de</strong>utsche Situation<br />

<strong>de</strong>nke, die sehr komplex ist, so wie die Situation in an<strong>de</strong>ren<br />

Mitgliedsstaaten auch. Ich bin noch nicht einmal<br />

sicher, ob die Lösung darin besteht, auf EU-Ebene finanziell<br />

zu för<strong>de</strong>rn. Im kulturellen Bereich unterliegen<br />

die Verantwortlichkeiten <strong>de</strong>m Subsidiaritätsprinzip GL ,<br />

das müssen wir immer im Kopf behalten. Es han<strong>de</strong>lt<br />

sich um eine komplementäre, eine unterstützen<strong>de</strong> Verantwortlichkeit,<br />

obgleich das Subsidiaritätsprinzip GL<br />

überdacht wor<strong>de</strong>n ist. Es gibt auf EU-Ebene eine kulturelle<br />

Lobby, die nun schon seit Jahren dafür plädiert,<br />

das Thema ‚Kultur’ auf die europäische Tagesordnung<br />

zu setzen.<br />

Deshalb schlägt nun auch die Mitteilung zur Kulturagenda<br />

GL die offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong> GL vor,<br />

die das Subsidiaritätsprinzip GL zwar nicht umgeht, <strong>de</strong>r<br />

Europäischen Kommission, <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />

aber erlaubt, in einigen Bereichen <strong>de</strong>r kulturellen Richt-<br />

linien mitzumischen, was sonst auf strikt legaler Ebene<br />

nicht möglich wäre.<br />

Ich <strong>de</strong>nke, dass die offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong><br />

GL ein adäquates Mittel sein kann, um die<br />

unterschiedlichen Problemstellungen, die so spezifisch<br />

mit <strong>de</strong>r nationalen Situation und <strong>de</strong>m nationalen<br />

Rechtssystem zusammenhängen, anzugehen.<br />

Ich <strong>de</strong>nke hier etwa an <strong>de</strong>n sozialen Status <strong>de</strong>r Künstler<br />

o<strong>de</strong>r die Mobilitätsbeschränkungen.<br />

Es bleibt allerdings abzuwarten, wie Deutschland<br />

diesen Vorschlag aufnehmen wird, da Deutschland trad<strong>iti</strong>onell<br />

<strong>de</strong>r offenen Koordinierungsmetho<strong>de</strong> GL eher<br />

abgeneigt ist.<br />

Aber ich <strong>de</strong>nke, es ist die Aufgabe <strong>de</strong>r kulturellen<br />

Lobby und <strong>de</strong>r kulturellen Plattformen in Europa,<br />

dieses Pionierprojekt voranzubringen und Aktionen<br />

<strong>de</strong>r Mitgliedsstaaten auf EU-Level zu koordinieren.<br />

Und es ist die Aufgabe <strong>de</strong>r zivilgesellschaftlichen Organisationen<br />

sicherzustellen, dass mit <strong>de</strong>r offenen Koordinierungsmetho<strong>de</strong><br />

GL die richtigen Debatten geführt und<br />

die richtigen Probleme angegangen wer<strong>de</strong>n, damit all<br />

die sensiblen pol<strong>iti</strong>schen Themen, wie etwa <strong>de</strong>r Status<br />

<strong>de</strong>r Künstler, die üblicherweise nicht diskutiert wer<strong>de</strong>n,<br />

von <strong>de</strong>n Mitgliedsstaaten angesprochen wer<strong>de</strong>n. Das<br />

ist das Ziel <strong>de</strong>r offenen Koordinierungsmetho<strong>de</strong> GL .<br />

Ich <strong>de</strong>nke, es ist wirklich wichtig, dass Berichte veröffentlicht<br />

wer<strong>de</strong>n, die zeigen, dass es sich um eine<br />

transparente Metho<strong>de</strong> han<strong>de</strong>lt und dass die Akteure<br />

<strong>de</strong>r Zivilgesellschaft Gelegenheit haben, an diesem Prozess<br />

teilzunehmen und ihre eigenen Ziele zur Tagesordnung<br />

zu bringen.<br />

Heun:<br />

Mir ist schon vor Beginn <strong>de</strong>r Diskussion bewusst gewesen,<br />

dass es sehr komplex und schwierig sein wird,<br />

konkrete Lösungsvorschläge für die angesprochenen<br />

Themen zu entwickeln. Ich möchte jetzt gern das Panel<br />

für Ihre Fragen und Anregungen öffnen, die besprochenen<br />

Themenschwerpunkte in die Run<strong>de</strong> werfen und<br />

Sie auch gern auffor<strong>de</strong>rn, zün<strong>de</strong>n<strong>de</strong> I<strong>de</strong>en zu formulieren,<br />

wie wir <strong>de</strong>r Kultur in Deutschland und in Europa<br />

noch auf die Sprünge helfen können.<br />

Bertram Müller:<br />

Ich wür<strong>de</strong> gern ausführlicher darüber diskutieren,<br />

wie das Argument <strong>de</strong>r Kulturwirtschaft helfen kann,<br />

manche Probleme finanzieller Art zu lösen. Natürlich<br />

ist diese Argumentation kränkend und in je<strong>de</strong>r Hinsicht<br />

problematisch, aber sie ist sicher<br />

hilfreich, <strong>de</strong>r EU und <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k zu Kulturwirtschaft<br />

zeigen, wie unlogisch sie in ihrem<br />

Verfahren sind. Wir haben öfter gehört, dass Europa<br />

in <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r Globalisierung ein<br />

Alleinstellungsmerkmal ganz beson<strong>de</strong>rer Art hat: Es ist<br />

eine Kulturregion, und diese Kultur ist es, was Europa<br />

zu etwas Beson<strong>de</strong>rem macht. An<strong>de</strong>rerseits för<strong>de</strong>rt die<br />

EU, und das ist völlig unlogisch für ein wirtschaftliches<br />

Unternehmen, wie es die EU auch ist, dieses Alleinstellungsmerkmal<br />

nicht o<strong>de</strong>r nur in geringem Maße. Die<br />

Zahlen sind ein<strong>de</strong>utig. In Deutschland allein wer<strong>de</strong>n<br />

nur 7 Milliar<strong>de</strong>n Euro für Kulturför<strong>de</strong>rung ausgegeben,<br />

obwohl die Kulturindustrie 70 Milliar<strong>de</strong>n, die Kreativitätsindustrie<br />

180 Milliar<strong>de</strong>n erwirtschaftet. Das heißt,<br />

58


es wer<strong>de</strong>n höchstens 5 Prozent <strong>de</strong>s Wirtschaftszweiges<br />

investiert. Das ist wesentlich weniger als in <strong>de</strong>r Kohle-<br />

o<strong>de</strong>r Chemieindustrie. Wenn man sich nur für einen<br />

Moment auf diese wirtschaftliche Denke begibt, in <strong>de</strong>r<br />

Europa offenbar allein operiert, dann müsste Europa zu<br />

einer ganz an<strong>de</strong>ren Konsequenz kommen, wenn es im<br />

Wirtschaftskampf mit China etc. überleben will. Dann<br />

müsste es in die Kulturindustrie investieren, in die<br />

För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kreativität, in die schulische Bildung<br />

zur Kreativität. Denn dort wer<strong>de</strong>n die Individuen und<br />

die kreativen Menschen geformt, die unser wirtschaftliches<br />

Überleben sichern. Verzeihen Sie mir diese wirtschaftliche<br />

Argumentation, aber ich glaube, an<strong>de</strong>rs<br />

kommen wir nicht weiter. Und ich möchte von Ihnen<br />

wissen, welche Chancen – wir wissen, welche Gefahren<br />

– aber welche Chancen wir hätten, mir dieser Argumentation<br />

in Europa weiter zu kommen.<br />

Heun:<br />

An wen richtet sich die Frage konkret?<br />

Bertram Müller:<br />

An Herrn Sabathil speziell, aber sicher auch an an<strong>de</strong>re.<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

EU- o<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>rsache?<br />

Kulturagenda<br />

Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r offenen<br />

Koordinierung<br />

ordinierung GL , die in Deutschland<br />

auch in an<strong>de</strong>ren Bereichen<br />

etwas kr<strong>iti</strong>sch gesehen wird,<br />

auf offene Ohren stößt. Subsidiarität GL im kulturpol<strong>iti</strong>schen<br />

Bereich, vielleicht übertreibe ich etwas, ist<br />

ein Totschlag-Argument, weil es uns verbietet, das<br />

zu tun, was Experten vielfach für richtig halten. Und<br />

ich weiß gar nicht, ob ich Ihnen wünschen soll, dass<br />

<strong>de</strong>r Abstimmungsprozess zwischen <strong>de</strong>n 16 Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn<br />

schneller geht, weil wir so vielleicht mehr Möglichkeiten<br />

haben, etwas in Gang zu bringen, bevor <strong>de</strong>r<br />

Abstimmungsprozess zu En<strong>de</strong> ist. Wir haben <strong>de</strong>n Ball<br />

losgetreten und wollen nun im Ministerrat sehen, wie<br />

weit er rollt, wann er lan<strong>de</strong>t, ob<br />

die Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r offenen Koordinierung<br />

GL auf Gegenliebe<br />

stößt o<strong>de</strong>r ob wir damit rechnen<br />

müssen, in Formelkompromissen und nicht weiterführen<strong>de</strong>n<br />

Schlussfolgerungen stecken zu bleiben. Wir<br />

wer<strong>de</strong>n sehen, wie weit wir mit dieser anspruchsvollen<br />

Agenda, die ein Anfang ist, kommen. Es ist noch viel<br />

Detailarbeit zu leisten, und Deutschland bleibt auch<br />

nach <strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>ntschaft ein ganz entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />

Sabathil:<br />

Das betrifft <strong>de</strong>n zweiten Bereich <strong>de</strong>r Kulturagenda GL ,<br />

die ja vorher schon mehrfach angesprochen wur<strong>de</strong>.<br />

Wenn ich <strong>de</strong>n dritten Bereich beson<strong>de</strong>rs unterstrichen<br />

habe, dann <strong>de</strong>shalb, weil wir da ganz am Anfang stehen.<br />

Der Austausch zwischen Mitgliedsstaaten, Kultur<br />

als Bereich <strong>de</strong>r europäischen Pol<strong>iti</strong>k ist ja schon etwas<br />

älter, wir sind nicht mehr bei null, es gibt viel zu tun,<br />

aber im dritten Bereich liegen wir eben beson<strong>de</strong>rs zurück.<br />

Wir sprechen gar nicht von einer europäischen<br />

dritten Säule, von daher gibt es hier Nachholbedarf.<br />

Nun sind wir natürlich sehr gespannt, und die Antworten<br />

liegen jetzt beim Ministerrat unter portugiesischer<br />

Präsi<strong>de</strong>ntschaft, inwieweit diese Mitteilung GL auf<br />

Wi<strong>de</strong>rhall stößt, inwieweit die Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r offenen Koplayer.<br />

Kultur war bislang, die Bildungspol<strong>iti</strong>k ist ganz<br />

ähnlich gelagert, ein Bereich, in <strong>de</strong>m europäische Aktivitäten<br />

nicht beson<strong>de</strong>rs hoch geschätzt wur<strong>de</strong>n. Daher<br />

freue ich mich, wenn <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>saußenminister, <strong>de</strong>r,<br />

an<strong>de</strong>rs als sein Vorgänger, <strong>de</strong>m kulturpol<strong>iti</strong>schen Bereich<br />

doch einen sehr viel höheren Stellenwert zumisst,<br />

in <strong>de</strong>m Bereich auch die <strong>de</strong>utsche Pos<strong>iti</strong>on weitgehend<br />

bestimmen kann, wenn es zum Dialog zwischen <strong>de</strong>r<br />

Bun<strong>de</strong>s- und Lan<strong>de</strong>sebene kommt, damit das gemeinsame<br />

Europäische geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n kann. Die<br />

I<strong>de</strong>en sind soweit vorhan<strong>de</strong>n, jetzt kommt es auf die<br />

Umsetzung an.<br />

Wir haben ein Kulturforum<br />

vorgeschlagen, um <strong>de</strong>n Dialog<br />

Pol<strong>iti</strong>scher Dialog<br />

mit <strong>de</strong>n Betroffenen zu för<strong>de</strong>rn.<br />

Dialog Pol<strong>iti</strong>k - Künstler<br />

Ich wür<strong>de</strong> mir wünschen, dass die Pol<strong>iti</strong>k durch<br />

dieses Forum in <strong>de</strong>n Kulturschaffen<strong>de</strong>n einen stärkeren<br />

Partner hat, nicht nur auf nationaler, son<strong>de</strong>rn<br />

gera<strong>de</strong> auch auf europäischer Ebene. Das könnte helfen,<br />

die Rolle <strong>de</strong>r Kultur zu stärken und auf nationaler<br />

wie auf europäischer Ebene die Interessen <strong>de</strong>r Kulturschaffen<strong>de</strong>n<br />

mit einer solchen Vehemenz zu vertreten,<br />

dass wir zu Fortschritten kommen.<br />

Heun:<br />

Darf ich die Frage auch an Herrn Bethge weitergeben?<br />

Kulturwirtschaft<br />

Bethge:<br />

Ja, zur Kulturwirtschaft: Das ist ein Bereich, <strong>de</strong>r zur<br />

Zeit einen sehr hohen Stellenwert hat. Auch in <strong>de</strong>n<br />

Län<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong>n überall Kulturwirtschaftsberichte geschrieben.<br />

Von Kulturseite her wird das natürlich ganz<br />

bewusst getan, um Argumente gegenüber <strong>de</strong>n Geld<br />

geben<strong>de</strong>n Instanzen zu haben, die dann auch weitergehen<strong>de</strong><br />

Entscheidungen treffen. Diesen Instanzen will<br />

man damit aufzeigen, dass Kultur nicht nur ein „hübscher“<br />

Bereich ohne wirtschaftlichen Effekt ist. Das ist<br />

auf EU-Ebene, wo alle För<strong>de</strong>rprogramme unter <strong>de</strong>r<br />

Lissabon-Strategie GL stehen, sicher ähnlich, <strong>de</strong>nn mehr<br />

Wachstum be<strong>de</strong>utet auch mehr Beschäftigung. Und<br />

wenn man <strong>de</strong>utlich machen kann, inwieweit <strong>de</strong>r Kulturbereich<br />

hier einen Beitrag leistet, ist das sicher hilfreich.<br />

Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite birgt diese Argumentation,<br />

das hat man schon in <strong>de</strong>n 80er/90er Jahren gesehen,<br />

als man viel über Umwegrentabilität und solche Dinge<br />

gesprochen hat, auch die Gefahr, dass man Kultur<br />

nur noch unter diesem ökonomischen Aspekt sieht. Da<br />

muss man aufpassen, dass man diese Argumente nicht<br />

zu weit treibt und als ausschließlich gelten lässt. Es<br />

muss auch weiterhin die Eigenwertigkeit von Kunst und<br />

Kultur postuliert und als Argument gebraucht wer<strong>de</strong>n,<br />

<strong>de</strong>nn sonst geben wir wirklich etwas Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s<br />

auf.<br />

Heun:<br />

Ich wollte ganz kurz einen Zwischenruf zulassen.<br />

Kulturelle Vielfalt<br />

Publikum:<br />

Frau Hieronymi hat heute morgen sehr eindrucksvoll<br />

am Beispiel <strong>de</strong>r Fernsehrichtlinie GL und <strong>de</strong>r Nichtwürdigung<br />

an<strong>de</strong>rer digitaler Kunstausdrucksformen wie Mu-<br />

Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />

59


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

sik, die aus <strong>de</strong>m Internet zu la<strong>de</strong>n ist und die als Wirtschaftsgut,<br />

nicht aber als Kulturgut gelabelt ist, gezeigt,<br />

wie gefährlich das ist. Mich irr<strong>iti</strong>ert hier <strong>de</strong>r pos<strong>iti</strong>ve Bezug<br />

auf die cultural industries und die Kulturwirtschaft,<br />

<strong>de</strong>nn wir haben doch gera<strong>de</strong> einen zwei- o<strong>de</strong>r dreijährigen<br />

Prozess in Europa und in <strong>de</strong>r ganzen Welt durchlaufen,<br />

in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r cultural industries erstmalig<br />

von <strong>de</strong>r ganzen Welt einvernehmlich als Schreckgespenst<br />

in einem Adornoschen Sinne bestimmt wor<strong>de</strong>n<br />

ist und an <strong>de</strong>ssen En<strong>de</strong> die Konventionen über cultural<br />

diversity GL stan<strong>de</strong>n. Man beschloss daher, dass Kunst<br />

und Kultur von diesem Sektor auszunehmen seien. Von<br />

daher wun<strong>de</strong>rt mich dieser insgesamt pos<strong>iti</strong>ve Diskurs.<br />

Die aktuelle Diskussion in Europa und in <strong>de</strong>r Welt ist<br />

ja die, dass durch die drohen<strong>de</strong> Bolkensteinrichtlinie GL<br />

und durch GATS GL 90 % <strong>de</strong>r möglichen Schutzfunktionen<br />

<strong>de</strong>r cultural-diversity-Konventionen GL wie<strong>de</strong>r aufgehoben<br />

wer<strong>de</strong>n. Ich möchte daher wissen, wo Sie die<br />

größten Bedrohungen sehen und wie Sie auf EU-Ebene<br />

darauf reagieren, <strong>de</strong>nn das betrifft uns alle und zwar in<br />

einem Ausmaß, das selbst auf <strong>de</strong>m Podium vielen nicht<br />

klar zu sein scheint.<br />

Kulturwirtschaft<br />

Heun:<br />

Ich hatte Herrn Bethges Statement durchaus auch<br />

als kr<strong>iti</strong>sch aufgenommen. Herr Meier-Klodt, wollen Sie<br />

dazu in Ihrem Statement Bezug herstellen?<br />

Meier-Klodt:<br />

Ich wollte eigentlich noch ein paar pos<strong>iti</strong>ve Einwürfe<br />

zur Kulturwirtschaft machen und zwar aus zwei<br />

Grün<strong>de</strong>n. Wir wer<strong>de</strong>n am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Tages nicht daran<br />

gemessen, ob wir gute Kulturpol<strong>iti</strong>ker, son<strong>de</strong>rn ob wir<br />

gute Außenpol<strong>iti</strong>ker sind. Aber die auswärtige Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

kann dabei, wie ich meine, eine immer entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>re<br />

Rolle spielen. Vor diesem Hintergrund <strong>de</strong>nke<br />

ich, das das Konzept Kulturwirtschaft o<strong>de</strong>r creative industries<br />

o<strong>de</strong>r Kreativwirtschaft – das schil<strong>de</strong>rt auch immer<br />

so ein bisschen zwei Aspekte <strong>de</strong>n Blick auf neue<br />

Fel<strong>de</strong>r erweitert, die für unsere Ziele von Interesse<br />

sind. Es wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Welt noch nicht verstan<strong>de</strong>n, dass<br />

Deutschland auch mit Design o<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> punkten<br />

kann, nicht nur mit <strong>de</strong>n klassischen Sparten <strong>de</strong>r Kultur.<br />

Ich will jetzt nicht sagen, dass wir künftig nur noch<br />

mit Design glänzen wollen und nicht mehr mit Goethe<br />

und Schiller, aber dieses Konzept öffnet <strong>de</strong>n Blick. Es<br />

geht in einigen Defin<strong>iti</strong>onen sehr weit, bis hin zur digitalen<br />

Spieleindustrie. Da kann man sicher irgendwo<br />

die Reißleine ziehen und sagen, bis hierhin und nicht<br />

weiter, aber mit <strong>de</strong>m Konzept ist die Diskussion auch<br />

auf mo<strong>de</strong>rne Fel<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kultur eröffnet wor<strong>de</strong>n.<br />

Der zweite Punkt ist, dass Kulturarbeit eben auch<br />

pos<strong>iti</strong>ve Implikationen für die Wirtschaft haben<br />

kann. Aber hier wür<strong>de</strong> ich es genauso wie Herr Bethge<br />

formulieren, in dieser Reihenfolge. Wenn Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

nur noch danach bewertet wird, wie sehr sie zum Bruttosozialprodukt<br />

beiträgt, dann ist das ein völliges Missverständnis.<br />

Aber dass Kultur zum Bruttosozialprodukt<br />

beiträgt, kann nur hilfreich sein. All diese Konferenzen,<br />

die wir im Rahmen unserer Präsi<strong>de</strong>ntschaft veranstaltet<br />

haben, und auch die informellen Kreise, wo man mit<br />

Partnern <strong>de</strong>r Wirtschaft, <strong>de</strong>r Stiftungen und <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft<br />

zusammenkam, spiegelten v.a. eins wi<strong>de</strong>r: Je<strong>de</strong>r<br />

hat verstan<strong>de</strong>n, dass Kulturarbeit heute nicht mehr<br />

nur im kleinen Kreis gemacht wer<strong>de</strong>n kann. Ein Ministerium<br />

mit seinen Mittlern zum Beispiel ist viel zu eng<br />

gesehen. Der Blick muss geweitet wer<strong>de</strong>n. Und aus dieser<br />

Perspektive sind solche Konzepte möglicherweise<br />

hilfreich, weil sie gemeinsame Schnittstellen verschie<strong>de</strong>ner<br />

Bereiche aufzeigen, die miteinan<strong>de</strong>r kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />

Ziele verfolgen sollten.<br />

Das sind aus meiner Sicht zwei Pos<strong>iti</strong>v-Argumente,<br />

mit <strong>de</strong>m Bereich entspannt umzugehen und die Sollbruchstelle<br />

genau da darzustellen, wo die Ziele in die<br />

falsche Reihenfolge gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

EU-För<strong>de</strong>rung<br />

Kreativwirtschaft<br />

Publikum:<br />

Die Rahmenbedingungen sind nun einmal so, dass<br />

nur die Bereiche, die von <strong>de</strong>r Konvention erfasst wur<strong>de</strong>n,<br />

davon ausgenommen sind, als ausschließliche<br />

Wirtschaftsgüter <strong>de</strong>finiert zu wer<strong>de</strong>n. Das heißt, die gesamte<br />

EU-För<strong>de</strong>rpol<strong>iti</strong>k, dass wir überhaupt Kunst för<strong>de</strong>rn<br />

dürfen, beruht darauf, dass sie als Kunst <strong>de</strong>finiert<br />

ist. Das ist eine Son<strong>de</strong>rregelung, sonst wäre es Wettbewerbsverzerrung.<br />

Darum geht es doch. All die an<strong>de</strong>ren<br />

Bereiche, wie zum Beispiel die digitalen Musiklabels,<br />

sind nicht davon erfasst. Das ist doch eine große Bedrohung.<br />

Das gesamte europäische För<strong>de</strong>rsystem stand in<br />

Frage.<br />

Kulturwirtschaft<br />

Heun:<br />

Die Frage ist doch die, um das noch einmal zuzuspitzen,<br />

ob wir mit <strong>de</strong>r Argumentation um <strong>de</strong>n kulturwirtschaftlichen<br />

Faktor unserer Kunst nicht eine Welle<br />

auslösen, auf <strong>de</strong>r wir surfen, aber von <strong>de</strong>r wir dann womöglich<br />

auch verschluckt wer<strong>de</strong>n.<br />

Bolwin:<br />

Ich fin<strong>de</strong>, man muss das sauber abgrenzen. Eigentlich<br />

habe ich mit <strong>de</strong>m Wort Kulturwirtschaft kein so<br />

großes Problem, weil es ohne diesen Wirtschaftsfaktor<br />

ohnehin nicht geht. Die gesamte Buchindustrie ist ein<br />

Wirtschaftsbetrieb, und kein Mensch kommt auf die<br />

I<strong>de</strong>e, dass das Schreiben von Büchern mit Kunst nichts<br />

mehr zu tun hat. O<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bereich <strong>de</strong>r Filmindustrie<br />

ist zu einem großen Teil von wirtschaftlichen Faktoren<br />

bestimmt. Trotz<strong>de</strong>m wissen wir, dass in diesen ganzen<br />

Kulturwirtschaftsbereichen auch ein künstlerischer Kern<br />

steckt. Ich fin<strong>de</strong> es sehr bemerkenswert, dass Sie jetzt<br />

in Ihrem zweiten Statement diesen Begriff wie<strong>de</strong>r in die<br />

Debatte eingeführt haben. Es muss in <strong>de</strong>r Diskussion<br />

über För<strong>de</strong>rungsbedingungen <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />

ausdrücklich klar sein, dass es sich um Künste han<strong>de</strong>lt,<br />

weil ansonsten die Gefahr besteht, dass das als Wirtschaft<br />

angesehen wird und damit in das Wettbewerbsrecht<br />

rutscht. Da ist nicht die Kulturwirtschaft, son<strong>de</strong>rn<br />

bereits die Kultur, ein problematischer Begriff. Der ist<br />

mittlerweile so weit gefasst, dass man überhaupt keine<br />

Grenze mehr ziehen kann. Deswegen haben wir in sämtlichen<br />

Argumentationen, auch in <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

zum Thema Konvention zur Kulturellen Vielfalt GL ,<br />

immer gesagt: Was wir schützen müssen, und was auf<br />

60


je<strong>de</strong>n Fall öffentlich geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n darf, ist <strong>de</strong>r Kernbereich<br />

<strong>de</strong>ssen, was da im kulturellen Leben stattfin<strong>de</strong>t.<br />

Das sind die Künste. Und da gibt es, meiner Ansicht<br />

nach, auch überhaupt kein Problem. In <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Union und auch bei cultural diversity GL ist heftig<br />

darüber diskutiert wor<strong>de</strong>n, was eine Dienstleistung ist.<br />

Ich habe schon immer gesagt: Der Künstler, <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r<br />

Bühne steht und probt, wird öffentlich geför<strong>de</strong>rt. Dafür<br />

gibt es das öffentliche Geld. Das hat aber mit Kulturwirtschaft<br />

o<strong>de</strong>r mit Wirtschaft überhaupt nichts zu tun.<br />

Das ist auch gar keine Dienstleistung. Das ist das Produzieren<br />

von Kunst. Der gesamte Dienstleistungsbereich<br />

beginnt erst in <strong>de</strong>m Moment, wenn man das fertige<br />

Kunstprodukt in einen Wirtschaftskreislauf einbringt.<br />

Und das geschieht manchmal in einer sehr viel stärker<br />

von wirtschaftlichen Interessen bestimmten Weise,<br />

wie z.B. in großen Teilen <strong>de</strong>s Buchgeschäftes o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Filmindustrie, o<strong>de</strong>r es geschieht in weniger stark von<br />

wirtschaftlichen Interessen bestimmten Bereichen, wie<br />

etwa im Theater, wo gar nicht die Möglichkeiten bestehen,<br />

wirtschaftliche Erfolge zu erzielen. Die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Aufgabe für uns ist, <strong>de</strong>utlich zu machen, welche<br />

Rolle die Künste im gesamten Kulturbetrieb spielen, um<br />

sie auch weiterhin aus <strong>de</strong>m allgemeinen Wettbewerbs<strong>de</strong>nken<br />

heraushalten zu können.<br />

De Vlieg:<br />

Ich möchte zwei kurze Kommentare anbringen, einen<br />

zu Europa und einen zu Deutschland, weil ich fin<strong>de</strong>,<br />

dass Sie Daphne vorhin in eine sehr unangenehme<br />

Lage gebracht haben.<br />

EU-Pol<strong>iti</strong>k vs.<br />

Län<strong>de</strong>rpol<strong>iti</strong>k<br />

Mein erster Punkt betrifft<br />

Europa. Von Beginn <strong>de</strong>s Panels<br />

an sagten alle, Europa<br />

solle dies o<strong>de</strong>r jenes tun. Das stört mich sehr. Nicht<br />

Europa ist das Problem – die Mitgliedsstaaten selbst<br />

sind es. Europa - wie auch immer wir es <strong>de</strong>finieren -<br />

hat sich in fast allen Fällen sehr bemüht. Das Europäische<br />

Parlament GL versucht beispielsweise mit Hilfe <strong>de</strong>r<br />

Kampagne „70 Cents für die Kultur“ GL das Budget für<br />

die Kultur zu erhöhen. Aber wer blockiert das? Es sind<br />

unsere Finanzminister, unsere Landwirtschaftsminister,<br />

unsere Verteidigungsminister. Sie sind diejenigen, die<br />

festlegen, wie hoch das Kulturbudget ist, nicht Europa.<br />

Wir müssen auf unsere eigenen Län<strong>de</strong>r schauen,<br />

müssen realistisch sein und herausfin<strong>de</strong>n, wer in <strong>de</strong>r<br />

pol<strong>iti</strong>schen Lobby blockiert und was wir dagegen<br />

tun können.<br />

Mein zweiter Kommentar bezieht sich auf Deutschland<br />

– falls ich es wagen darf, mich zu <strong>de</strong>m sehr komplizierten<br />

<strong>de</strong>utschen System zu äußern. Ich bin selbst<br />

Bürgerin eines fö<strong>de</strong>ralistischen Lan<strong>de</strong>s, Belgien. Demnach<br />

weiß ich, dass es sich um ein sehr sensibles Thema<br />

han<strong>de</strong>lt. Vor etwa zwei Wochen war ich hier in Berlin<br />

auf einer an<strong>de</strong>ren Konferenz über Kulturpol<strong>iti</strong>k und das<br />

erste, was <strong>de</strong>r bayerische Staatsminister Goppel sagte,<br />

als er im Panel seinen Mund öffnete, war: Ja, ich möchte<br />

mit meinen Gegnern sprechen. Gegner, niemand hatte<br />

bis zu diesem Zeitpunkt von Gegnern auf <strong>de</strong>r Konferenz<br />

gesprochen. Ich kann mich natürlich naiv stellen<br />

und mir <strong>de</strong>n Tag wünschen, an <strong>de</strong>m dieses Thema nicht<br />

mehr so feindselige Reaktionen auslöst. Vielleicht haben<br />

die Menschen in 50, 60, 80 Jahren diese ungünstige,<br />

gespaltene Situation überwun<strong>de</strong>n. Das hoffe ich sehr.<br />

Und vielleicht fängt man dann an, im Interesse <strong>de</strong>s Kultursektors<br />

zu <strong>de</strong>nken, anstatt immer nur das Interesse<br />

<strong>de</strong>r eigenen Institution im Blick zu haben.<br />

Kulturwirtschaft<br />

Lupfer:<br />

Herr Meier-Klodt hat von Schnittmengen gesprochen,<br />

das ist eine interessante Sache in <strong>de</strong>r Kulturwirtschaft,<br />

aber ich sehe ein bisschen die Gefahr, dass kreative<br />

Künstler und kreative Kulturschaffen<strong>de</strong> für diese<br />

Kreativität eventuell bestraft wer<strong>de</strong>n. Nehmen wir mal<br />

eine Schnittmenge aus guter Kunst und gutem Management.<br />

Da heißt es zum Schluss, du kannst dich um<br />

dich selbst kümmern, du hast es drauf, das Geld selber<br />

zu beschaffen. Wo ist später die pol<strong>iti</strong>sche Sicherheit,<br />

falls man kulturwirtschaftlicher <strong>de</strong>nkt und han<strong>de</strong>lt, dass<br />

dies nicht pol<strong>iti</strong>sch als Einsparungspotenzial erkannt<br />

wird?<br />

Bei <strong>de</strong>m Begriff Schnittmengen fällt mir das Gleiche<br />

zum Erziehungssektor ein. In Nordrhein-Westfalen gibt<br />

es jetzt das Projekt „Je<strong>de</strong>m Kind ein Instrument“. Da<br />

wer<strong>de</strong>n letztlich Gel<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>skulturstiftung ausgegeben,<br />

um Erziehung zu finanzieren. Eigentlich müsste<br />

<strong>de</strong>r Kultusminister von Nordrhein-Westfalen sagen: Das<br />

ist eine super I<strong>de</strong>e, das wird aus <strong>de</strong>m Erziehungs-Budget<br />

bezahlt, und obendrauf setzen wir noch die Künstler,<br />

die wir brauchen, um mit <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn zu musizieren.<br />

Die wer<strong>de</strong>n ebenfalls daraus finanziert. Aber nein,<br />

das wird aus <strong>de</strong>n wenigen zur Verfügung stehen<strong>de</strong>n<br />

Kulturgel<strong>de</strong>rn bezahlt. Das ist die Realität. Jetzt bleibt<br />

noch weniger Geld im Topf, da Kunst und Kultur auch<br />

noch die Erziehung übernehmen müssen. Ich möchte<br />

wissen, welche Garantien es in Zukunft für Künstler<br />

gibt, dass es nicht zu ihrem Nachteil ausgelegt wird,<br />

wenn sie wirtschaftlich rentabel produzieren.<br />

Bethge:<br />

Was Sie da ansprechen, ist sicherlich wirklich ein<br />

Problem. Ich sehe das auch bei uns in Hamburg, wo wir<br />

ein ähnliches Projekt durchführen,<br />

ein musikpädagogisches Projekt, Bildungspol<strong>iti</strong>k<br />

wo Kin<strong>de</strong>r ebenfalls an Instrumente<br />

herangeführt wer<strong>de</strong>n sollen. Und natürlich ist es dann<br />

schwierig, die Schulseite je<strong>de</strong>s Mal dafür zu begeistern<br />

und dafür zu sorgen, dass sie auch finanzielle Mittel dafür<br />

bereitstellt. Wobei man sagen muss, dass auch die<br />

Schuletats nicht so gut bestückt sind, dass sie so ohne<br />

weiteres Geld haben, um solche Dinge zu för<strong>de</strong>rn. Ich<br />

<strong>de</strong>nke, mit <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r kulturellen Bildung stehen wir<br />

gera<strong>de</strong> erst am Anfang, und ich fin<strong>de</strong> es gut, dass die<br />

In<strong>iti</strong>ative von <strong>de</strong>r Kulturseite ausgegangen ist. Es muss<br />

<strong>de</strong>r Öffentlichkeit bewusst gemacht wer<strong>de</strong>n, wie wichtig<br />

Kunst und Kultur auch in <strong>de</strong>r Entwicklung eines<br />

Menschen sind. Das kommt <strong>de</strong>r Kultur und <strong>de</strong>r Akzeptanz<br />

von Kultur insgesamt zugute und hilft uns dann<br />

wie<strong>de</strong>rum, Gel<strong>de</strong>r zu akquirieren. Als nächsten Schritt<br />

müssen wir es nun schaffen, die Schulseite stärker in die<br />

Verantwortung einzubin<strong>de</strong>n und auch <strong>de</strong>utlich zu machen,<br />

dass gera<strong>de</strong> die künstlerischen, die ästhetischen<br />

Fächer eminent wichtig sind. Das müssen wir in Hamburg<br />

und in allen Län<strong>de</strong>rn leisten. In diesem Bereich<br />

muss viel mehr investiert wer<strong>de</strong>n, als es zur Zeit ge-<br />

Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />

61


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

schieht. Im Moment stehen eher die kogn<strong>iti</strong>ven Fächer<br />

im Vor<strong>de</strong>rgrund, was teilweise auch mit <strong>de</strong>n Pisa-Diskussionen<br />

zu tun hat. Trotz<strong>de</strong>m fin<strong>de</strong> ich die In<strong>iti</strong>ative<br />

von <strong>de</strong>r Kulturseite, auch von <strong>de</strong>n vielen Künstlern, sehr<br />

gut. Und ich glaube, wir müssen auch zusammen arbeiten,<br />

um in <strong>de</strong>r kulturellen Bildung neue Maßstäbe<br />

zu setzen.<br />

Kulturwirtschaft<br />

Jochen Sandig:<br />

Wenn man nicht dafür belohnt wird, dass man einen<br />

öffentlichen Euro verdoppelt, in<strong>de</strong>m man kreative<br />

Arbeit leistet, dann läuft etwas grundsätzlich falsch. Ich<br />

bin <strong>de</strong>r Meinung, es muss auch dafür Belohnungssysteme<br />

geben. Die freien Projekte verdoppeln, verdreio<strong>de</strong>r<br />

vierfachen ihre Mittel in <strong>de</strong>r Regel durch Koproduktionen<br />

etc. Da ist etwas entstan<strong>de</strong>n, wo <strong>de</strong>r Effekt<br />

öffentlicher Gel<strong>de</strong>r verstärkt wird. Ich sehe ebenfalls<br />

die Gefahr, dass all diejenigen, die auch wirtschaftlich<br />

erfolgreich sind, nicht dafür belohnt wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn<br />

im Gegenteil permanent dafür büßen müssen. Auf an<strong>de</strong>rer<br />

Ebene, gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n großen Institutionen, wird<br />

die paradiesische Situation <strong>de</strong>r Vollfinanzierung immer<br />

noch als gottgegeben angenommen. Da muss bei allen<br />

ein großer Hebel umgelegt wer<strong>de</strong>n, bei <strong>de</strong>n Akteuren<br />

in <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k, <strong>de</strong>r Verwaltung etc. Gera<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>n auf<br />

Vollfinanzierung ausgerichteten großen Institutionen<br />

müssen neue Instrumente greifen, die eben auch die<br />

I<strong>de</strong>e einer Verdoppelung <strong>de</strong>r Finanzierung mit sich<br />

ziehen. Wenn wir einerseits eine Verdoppelung <strong>de</strong>r<br />

Etats und mehr Geld für Europa for<strong>de</strong>rn, uns aber<br />

an<strong>de</strong>rerseits auch bemühen, unsere Mittel effektiv<br />

als investive Mittel einzusetzen, dann bewegt sich<br />

etwas in eine ganz neue Richtung. Dann können wir<br />

eine ganz neue Dynamik herstellen, um mehr aus <strong>de</strong>m<br />

Geld zu machen. Danke.<br />

Heun:<br />

Zugespitzt formuliert hat Jochen Sandig gera<strong>de</strong> gesagt,<br />

dass man die Stadt- und Staatstheater sowie die<br />

öffentlich finanzierten Museen, Bibliotheken etc. zwingen<br />

sollte, 50 Prozent ihrer Mittel selbst einzuspielen.<br />

Das ist als Statement sehr tough. Ich persönlich weiß<br />

nicht, ob man weiterkommt, in<strong>de</strong>m man verschie<strong>de</strong>ne<br />

Formen <strong>de</strong>r kulturellen Tätigkeit gegeneinan<strong>de</strong>r ausspielt.<br />

Aber vielleicht wäre das eine Anregung für ein<br />

weiteres Symposium.<br />

Herr Meier-Klodt, wollten Sie noch etwas sagen?<br />

Meier-Klodt:<br />

Wir haben unsere außenpol<strong>iti</strong>schen Ziele. Wir wollen<br />

junge Menschen weltweit erreichen, wir wollen sie<br />

uns wohl gesonnen stimmen, wir wollen mit ihnen in<br />

Kontakt treten, wir wollen sie mit Fragestellungen, die<br />

wir in Deutschland haben, konfrontieren und so ein<br />

Netzwerk von Vertrautheit schaffen. Das macht unser<br />

Schulsystem, das macht die Kulturarbeit, das macht die<br />

Hochschularbeit. Hier kann die Kultur eine ganz beson<strong>de</strong>re<br />

Rolle spielen. Aber ich bestimme sie nicht, ich mache<br />

nicht die Kultur, und letztlich machen auch unsere<br />

Mittler nicht die Kultur. Sie schaffen einen Rahmen,<br />

sie schaffen ein Forum. Das als solches ist keine<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung. Natürlich helfen sie auch <strong>de</strong>r Kultur,<br />

in<strong>de</strong>m sie mit <strong>de</strong>n immerhin 570 Millionen Euro, über<br />

die wir im Jahr verfügen, die Kultur auch in <strong>de</strong>r Auslandsarbeit<br />

einsetzen. Diese 570 Millionen sind nicht<br />

wenig, wenn man sie mit <strong>de</strong>m auf 6 Jahre angelegten<br />

Budget für Kultur <strong>2007</strong> GL vergleicht; dort sind es etwa<br />

400 Millionen im Programm <strong>2007</strong>-2013. Das ist schon<br />

ein Batzen und <strong>de</strong>nnoch habe ich immer <strong>de</strong>n Eindruck,<br />

dass wir viel zu kurz springen, wenn wir in unserer Regierungswelt<br />

verbleiben. Die Künstler selbst haben in<br />

ihren Vereinigungen direkte Kontakte, sie machen<br />

auswärtige Kulturpol<strong>iti</strong>k. Die Museen in Deutschland<br />

machen auswärtige Kulturpol<strong>iti</strong>k, ein ganz großes<br />

Spektrum an Akteuren macht auswärtige Kulturpol<strong>iti</strong>k.<br />

Obwohl sie gar nicht unmittelbar von uns geför<strong>de</strong>rt<br />

wer<strong>de</strong>n. Und mit <strong>de</strong>n informellen Kommunikationslinien,<br />

wie man sie auf Konferenzen vorfin<strong>de</strong>t, kann man<br />

versuchen, ein wenig in dieselbe Richtung zu schauen.<br />

Je<strong>de</strong>r hat seine Aufgabe, die Wirtschaft hat ihre eigene<br />

Sichtweise. Wir können Schwerpunkte, die uns mit<br />

Blick auf <strong>de</strong>n Rest <strong>de</strong>r Welt von Be<strong>de</strong>utung sind, nicht<br />

koordinieren, aber wir können miteinan<strong>de</strong>r abgleichen,<br />

ob wir ähnlich <strong>de</strong>nken. Und wenn wir es nicht tun, können<br />

wir überlegen, warum.<br />

Heun:<br />

Es ist uns allen bewusst gewor<strong>de</strong>n, dass es sehr<br />

schwierig ist, konkrete Anfor<strong>de</strong>rungen an die Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

zu stellen und Strategien zu entwickeln.<br />

Ich habe es aber als sehr stimulierend empfun<strong>de</strong>n,<br />

dass wir an diesem konstruktiven Tag in einem Rahmen<br />

diskutiert haben, in <strong>de</strong>m man sich gegense<strong>iti</strong>g nicht<br />

als Opponenten verstan<strong>de</strong>n hat und in <strong>de</strong>m konstruktiv<br />

über eine gemeinsame I<strong>de</strong>e diskutiert wur<strong>de</strong>, auch<br />

wenn es unterschiedliche Haltungen gab. Der Rohstoff<br />

Europas ist die Kultur. Jetzt müssen die Ergebnisse <strong>de</strong>r<br />

Diskussionen aufgearbeitet wer<strong>de</strong>n, damit wir daran arbeiten<br />

können, diesen Rohstoff für unsere Gesellschaft<br />

und für unsere Pol<strong>iti</strong>k urbar zu machen.<br />

62


Teil III – Die In<strong>iti</strong>ativen<br />

Am En<strong>de</strong> eines kompakten Symposiumstages stand<br />

natürlich die Frage: Wie weiter? Der Dialog zwischen<br />

Künstlern und Pol<strong>iti</strong>k ist gestartet, aber wie soll dieser<br />

Dialog strukturiert wer<strong>de</strong>n und welche Institutionen<br />

wer<strong>de</strong>n diesen Dialog weiter vorantreiben? In Deutschland<br />

liegt <strong>de</strong>r Ball nun bei <strong>de</strong>n Künstlerverbän<strong>de</strong>n und<br />

Netzwerken. Um in Europa voranzukommen, müssen<br />

mehr noch als die Institutionen in Brüssel, die Pol<strong>iti</strong>ker<br />

in <strong>de</strong>n Mitgliedslän<strong>de</strong>rn überzeugt und gewonnen<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Die In<strong>iti</strong>atoren <strong>de</strong>s Symposiums (ITI Deutschland<br />

und Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste) haben inzwischen<br />

weitere Schritte unternommen: Einerseits die Kommunikation<br />

<strong>de</strong>r Ergebnisse <strong>de</strong>s Symposiums in Deutschland<br />

und Europa, an<strong>de</strong>rerseits – unter Fe<strong>de</strong>rführung<br />

<strong>de</strong>s Fonds – ein konkretes Mo<strong>de</strong>llprojekt: eine Studie<br />

zur wirtschaftlichen und sozialen Situation <strong>de</strong>r Künstler<br />

als Grundlage für fundierte Argumente im pol<strong>iti</strong>schen<br />

Dialog.<br />

Auch an<strong>de</strong>re Institutionen, Netzwerke, Pol<strong>iti</strong>ker und<br />

Künstler haben nicht die Hän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Schoss gelegt,<br />

son<strong>de</strong>rn kulturpol<strong>iti</strong>sche Projekte weiter verfolgt und<br />

neue In<strong>iti</strong>ativen gestartet. Dieser Abschnitt soll zeigen,<br />

wer aktiv ist und was sich – unter an<strong>de</strong>rem – inzwischen<br />

bewegt hat.<br />

Fazit <strong>de</strong>s Symposiums<br />

Dr. Thomas Engel, Günter Jeschonnek<br />

Jeschonnek:<br />

Thomas Engel und ich wer<strong>de</strong>n versuchen, alles, was<br />

heute diskutiert wor<strong>de</strong>n ist, zu bün<strong>de</strong>ln und auf jene<br />

Punkte zu konzentrieren, die aus unserer Sicht nach außen<br />

getragen wer<strong>de</strong>n müssen. Sie sind aber auch aufgerufen,<br />

wichtige Fakten zu ergänzen.<br />

Ich möchte drei, vier Punkte noch nennen, die heute<br />

essentials waren. Ein zentrales Feld war die soziale<br />

Lage <strong>de</strong>r Künstlerinnen und Künstler<br />

Soziale Lage<br />

in Europa, in Deutschland. Das wür<strong>de</strong><br />

ich in je<strong>de</strong>m Fall als einen wich-<br />

<strong>de</strong>r Künstler<br />

tigen Punkt sehen, <strong>de</strong>r weitergeführt wer<strong>de</strong>n muss. Der<br />

Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste GL hat sich für die nächsten<br />

Jahre drei große Themenfel<strong>de</strong>r gesetzt. Das erste, „För<strong>de</strong>rstrukturen<br />

<strong>de</strong>s freien Theaters und <strong>de</strong>s Tanzes in<br />

63


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Deutschland“, haben wir bereits 2006 im Januar mit einer<br />

großen Resonanz abgearbeitet. Das zweite Feld war<br />

die Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k. Dazu fin<strong>de</strong>t eben dieses<br />

Symposium statt. Das dritte große Feld beschäftigt sich<br />

mit <strong>de</strong>r sozialen Lage <strong>de</strong>r Künstlerinnen und Künstler<br />

in Deutschland, und dazu wer<strong>de</strong>n wir wahrscheinlich<br />

2008 ein größeres Symposium durchführen, mit einer<br />

Studie, die wir vorher noch in Auftrag geben, so<br />

dass wir wirklich mit konkreten Zahlen operieren können.<br />

Das wäre ein Schwerpunkt, <strong>de</strong>n wir aus dieser<br />

Veranstaltung mitnehmen. Das zweite wichtige Feld<br />

ist, anknüpfend an das, was Gottfried Wagner heute<br />

Morgen vorgeschlagen hat, die Gründung eines Mobilitätsfonds,<br />

ähnlich <strong>de</strong>m Erasmus-<br />

Mobilität Programm. Ich fin<strong>de</strong> es wichtig,<br />

dass wir diese europäische I<strong>de</strong>e in<br />

je<strong>de</strong>m Fall unterstützen und dass wir <strong>de</strong>r europäischen<br />

Kulturstiftung <strong>de</strong>utlich signalisieren, dass das auch eine<br />

For<strong>de</strong>rung von uns ist.<br />

Dialog zwischen<br />

Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />

Die nächste For<strong>de</strong>rung galt<br />

<strong>de</strong>m Dialog mit <strong>de</strong>n pol<strong>iti</strong>sch<br />

Verantwortlichen, <strong>de</strong>r direktere<br />

Formen annehmen muss. Das haben alle, auch die hier<br />

anwesen<strong>de</strong>n Kulturpol<strong>iti</strong>ker, gesagt. Sie haben uns regelrecht<br />

dazu ermuntert, uns stärker zu artikulieren.<br />

Des Weiteren wur<strong>de</strong>n Vorschläge eingebracht, wie<br />

z.B. die Einführung eines europäischen Performance-<br />

EU-För<strong>de</strong>rung<br />

Bürokratieabbau<br />

Durchlässigkeit von<br />

Fonds und För<strong>de</strong>rstrukturen<br />

Netzwerkes, um neue,<br />

mobilere, flexiblere För<strong>de</strong>rstrukturen<br />

zu entwickeln,<br />

die diesen schwerfälligen<br />

Apparat EU, darüber<br />

sind wir uns einig, unterlaufen könnten. Dabei sind<br />

natürlich die einzelnen Län<strong>de</strong>r gefragt. Es ist hier auch<br />

noch einmal ganz klar gewor<strong>de</strong>n, dass je<strong>de</strong>s einzelne<br />

Land und insbeson<strong>de</strong>re die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />

eine große Verantwortung in diesem Prozess hat.<br />

Deutschland bremst lei<strong>de</strong>r immer noch. Das haben wir<br />

heute öfter gehört. Ich bin fest davon überzeugt, wenn<br />

die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland national Vorreiter wird<br />

und im eigenen Land Akzente setzt, wird das auch Auswirkungen<br />

auf an<strong>de</strong>re europäische Län<strong>de</strong>r haben. Vielleicht<br />

wird es einen gewissen „Neid“ erzeugen, so dass<br />

die Künstler in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn sagen: „Die Deutschen<br />

machen das. Warum machen wir das nicht?“ Aber solange<br />

in unserem reichen Land dazu wenig passiert,<br />

tun die an<strong>de</strong>ren auch nicht mehr. Diese Vorreiterrolle<br />

Deutschlands muss man betonen.<br />

Engel:<br />

Ich möchte noch einmal auf die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r Inkubationsresi<strong>de</strong>nzen<br />

eingehen, von <strong>de</strong>nen Jochen Sandig<br />

gesprochen hat. Das verweist auf <strong>de</strong>n wichtigen Aspekt,<br />

dass Kreativität und die Möglichkeit, kreativ zu produzieren,<br />

tatsächlich einen gewissen Schutzraum<br />

braucht. Wir müssen von <strong>de</strong>n Ergebnis-orientierten,<br />

sehr schnell produzierten und auf eine wirtschaftliche<br />

Berechenbarkeit hin kalkulierten Produktionen wegkommen,<br />

hin zu einem geschützten<br />

Raum für das krea-<br />

Kulturwirtschaft<br />

tive Potential. Auch wenn man<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k als Gesellschaftspol<strong>iti</strong>k betrachtet und sich<br />

in <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>s ökonomischen Diskurses begibt,<br />

sieht man, dass es gera<strong>de</strong> um <strong>de</strong>n Faktor <strong>de</strong>s ökonomischen<br />

Potentials <strong>de</strong>r Gesellschaft einen ungeheuren<br />

Wertewan<strong>de</strong>l gegeben hat. Das Kopieren digitaler Inhalte,<br />

audiovisueller Inhalte wird in Amerika inzwischen<br />

mit Anti-Terror-Gesetzen geahn<strong>de</strong>t, weil genau da <strong>de</strong>r<br />

eigentliche Rohstoff für die Zukunftsfähigkeit <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft gesehen wird, im kreativen Potential.<br />

Wir befin<strong>de</strong>n uns damit ganz unvermittelt in einer Situation,<br />

in <strong>de</strong>r ökonomische Kriterien ganz stark die Kreativität<br />

im Visier haben. Und diese Kreativität gilt es für<br />

je<strong>de</strong>s Land und für je<strong>de</strong>n Kulturraum zu bewahren und<br />

zu schützen. Das ist im wirtschaftlichen und geostrategischen<br />

Denken schon längst passiert. Und es ist unsere<br />

Aufgabe, das auch hierzulan<strong>de</strong> stärker im Bewusstsein<br />

zu akzentuieren. Ich möchte mich da Frau Hieronymis<br />

Gedanken anschließen, die diesen Zweiklang von Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

als För<strong>de</strong>rpol<strong>iti</strong>k und als Ordnungspol<strong>iti</strong>k<br />

betont hat. Wenn wir es schaffen, innerhalb dieser zwei<br />

Bereiche Transparenz zu bekommen und die beschriebene<br />

Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r offenen Koordinierung GL umzusetzen,<br />

dann sind wir schon ein ziemliches Stück weiter.<br />

Jeschonnek:<br />

Es sind also genügend I<strong>de</strong>en vorhan<strong>de</strong>n und nun<br />

kommt es auf die Umsetzung an. Das klingt ganz simpel.<br />

Deshalb jetzt meine Frage: Welches Gremium ist<br />

in <strong>de</strong>r Lage, das, was wir heute gehört und diskutiert<br />

haben, an die pol<strong>iti</strong>sch Verantwortlichen weiter zu<br />

tragen, nicht als Bittsteller, son<strong>de</strong>rn in einem offenen<br />

Dialog, damit wirklich praktische Schritte folgen und<br />

wir nicht in fünf Jahren wie<strong>de</strong>r das Gleiche diskutieren.<br />

Engel:<br />

Ich glaube, dass diese Veranstaltung gezeigt hat,<br />

dass ein Bewusstsein für die Probleme da ist. Es gibt<br />

viele Fragen, die sehr kompetent, auf hohem Niveau<br />

diskutiert wer<strong>de</strong>n. Und es gibt Institutionen, die diese<br />

Fragen aufgreifen und in ihre zukünftige<br />

Arbeit intensiv einfließen<br />

lassen wer<strong>de</strong>n. Aus diesem<br />

Grund haben wir diese Institutionen<br />

und Netzwerke eingela<strong>de</strong>n.<br />

Pol<strong>iti</strong>sche Gremien und<br />

Dialog zwischen<br />

Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />

Netzwerke<br />

Netzwerke sind miteinan<strong>de</strong>r ins Gespräch gekommen,<br />

manchmal vermittelt, manchmal sehr direkt. Wir<br />

wer<strong>de</strong>n hier nicht mit einem fertigen Papier rausgehen,<br />

das wir übermorgen im Bun<strong>de</strong>stag vorlegen, aber wir<br />

wer<strong>de</strong>n uns an die pol<strong>iti</strong>schen Gremien wen<strong>de</strong>n, die<br />

unsere Partner hier in Deutschland sind. Ich erinnere<br />

Sie in <strong>de</strong>m Zusammenhang auch noch einmal an die<br />

wichtigen und von einer umfassen<strong>de</strong>n, langjährigen<br />

Erfahrung geprägten Bemerkungen von Mary Ann De<br />

Vlieg, dass es vor allem die eigenen Regierungen sind,<br />

die diese Probleme zu lösen haben, nicht immer Europa.<br />

Wir vertreten Organisationen, die auch mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k<br />

im Gespräch sind. Und natürlich wer<strong>de</strong>n wir diese<br />

Gedanken, wo immer wir können, einbringen und intensiv<br />

weiterentwickeln. Die Veranstaltung heute war<br />

als Zusammentragen verschie<strong>de</strong>ner Ansichten und<br />

Ausblicke sehr wichtig, aber im Grun<strong>de</strong> genommen<br />

nur ein Sprungbrett für die weitere Arbeit.<br />

64


Jeschonnek:<br />

Aber wie können wir die vielen Ergebnisse, die wir<br />

jetzt auch hier zusammengetragen haben, in einer<br />

gebün<strong>de</strong>lten Form an die pol<strong>iti</strong>sch Verantwortlichen<br />

bringen, um endlich einen Dialog zu for<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>r zu<br />

konkreten Ergebnissen führt? Gibt es dafür eine Institution?<br />

Engel:<br />

Das ist eine Aufgabe von uns allen. Darum sind<br />

wir hier. Wir wer<strong>de</strong>n die Beiträge, die hier gemacht<br />

wur<strong>de</strong>n, festhalten und allen, die hier teilgenommen<br />

haben, zur Verfügung stellen. Der Deutsche Kulturrat<br />

GL ist sicher eine wichtige Adresse. Viele von uns<br />

und von <strong>de</strong>n hier anwesen<strong>de</strong>n Personen und Vertretern<br />

von Institutionen sind darin Mitglied.<br />

Aber es wird auch in an<strong>de</strong>re Gremien mit rein getragen<br />

wer<strong>de</strong>n, ob wir als Internationales Theaterinstitut<br />

GL dies im Rahmen <strong>de</strong>r UNESCO-Arbeit machen<br />

o<strong>de</strong>r ob das an<strong>de</strong>re im Rahmen ihrer Strukturen machen.<br />

Die lokalen Pol<strong>iti</strong>ker und die Pol<strong>iti</strong>ker, die für<br />

Deutschland im Europa-Parlament und im Kulturausschuss<br />

sitzen, müssen erreicht wer<strong>de</strong>n. Es ist<br />

vielleicht eine noch nicht sehr gängige Praxis, dass<br />

man sich an Pol<strong>iti</strong>kerinnen und Pol<strong>iti</strong>ker mit Vorschlägen,<br />

mit For<strong>de</strong>rungen und einfach mit bestimmten<br />

Berichten aus <strong>de</strong>m Sektor direkt wen<strong>de</strong>n kann. Aber<br />

sie warten zum Teil darauf, dass sie mit solchen Informationen<br />

gefüttert wer<strong>de</strong>n, und nur wenn es da<br />

einen wirklich lebendigen Dialog gibt, dann gibt es<br />

auch eine Verän<strong>de</strong>rung.<br />

Mary-Ann De Vlieg:<br />

Ich <strong>de</strong>nke, es ist sehr interessant, die <strong>de</strong>utsche Seite<br />

zu hören. Ich <strong>de</strong>nke, wir sollten zunächst danach schauen,<br />

wie bei uns <strong>de</strong>r Stand ist. Die Teilnehmer aller Län<strong>de</strong>r<br />

hier haben die Möglichkeit, mit <strong>de</strong>r eigenen Regie-<br />

rung, mit <strong>de</strong>n Kulturstiftungen<br />

<strong>de</strong>r Regierungen zu sprechen<br />

und dann kommen wir wie<strong>de</strong>r<br />

Dialog zwischen<br />

Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />

zusammen. Ich schlage vor, dass wir alle von hier nach<br />

Hause gehen mit <strong>de</strong>n vielen I<strong>de</strong>en und Anregungen,<br />

die wir hier bekommen haben. Und dort versuchen<br />

wir zuerst in unseren eigenen Län<strong>de</strong>rn, bei unseren<br />

eigenen Regierungen etwas zu än<strong>de</strong>rn, zu verbessern.<br />

Und danach sollten wir uns wie<strong>de</strong>r treffen und<br />

darüber beraten, wie es weitergehen soll.<br />

Jeschonnek:<br />

Ich möchte hiermit auch alle hier Teilnehmen<strong>de</strong>n<br />

dazu aufrufen, I<strong>de</strong>en zu entwickeln, wie wir gemeinsam<br />

strategisch vorgehen. Sie können diese per Mail<br />

an <strong>de</strong>n Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste GL o<strong>de</strong>r ans Internationale<br />

Theaterinstitut GL schicken. Wir wer<strong>de</strong>n das bün<strong>de</strong>ln<br />

und Sie dann über Ergebnisse informieren, so dass<br />

<strong>de</strong>r Dialog weiter geführt wird und Sie wissen, welche<br />

nächsten Schritte wir vorhaben.<br />

Die In<strong>iti</strong>ativen<br />

Aktuelle Entwicklungen bei <strong>de</strong>n<br />

Hauptthemen<br />

Das Symposium bot allen Beteiligten vor allem vielfältige<br />

Informationen zur Theaterarbeit in Europa, startete<br />

einen intensiven Dialog zwischen Künstlern und<br />

Pol<strong>iti</strong>k. Am En<strong>de</strong> blieb aber die Frage, wie dieser Dialog<br />

strukturiert wer<strong>de</strong>n soll und welche Institutionen diesen<br />

Dialog weiter vorantreiben.<br />

Seit En<strong>de</strong> September haben nun Institutionen, Netzwerke,<br />

Pol<strong>iti</strong>ker und Künstler nicht die Hän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n<br />

Schoss gelegt, son<strong>de</strong>rn die wichtigsten Fragen <strong>de</strong>s<br />

Symposiums weiter bearbeitet, kulturpol<strong>iti</strong>sche Projekte<br />

weiter verfolgt und neue In<strong>iti</strong>ativen gestartet.<br />

Dieser Abschnitt soll zeigen, wer aktiv ist, was sich<br />

– unter an<strong>de</strong>rem – inzwischen bewegt hat und wie es<br />

weiter geht.<br />

Europäische Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

Unterstützung <strong>de</strong>r Mitteilung <strong>de</strong>r EU-Kommission<br />

über eine Europäische Kulturagenda im Zeichen<br />

<strong>de</strong>r Globalisierung<br />

Wer? Auf europäischer Ebene: IETM, EFAH, EMC<br />

(European Music Council)<br />

In Deutschland: ITI Deutschland, BUFT<br />

Was? Die europäischen Netzwerke IETM, EFAH und<br />

EMC haben in <strong>de</strong>r zweiten Jahreshälfte <strong>2007</strong> eine Lobby-Aktion<br />

gestartet, welche die Aufmerksamkeit für die<br />

anstehen<strong>de</strong>n Verhandlungen über die Mitteilung <strong>de</strong>r<br />

EU-Kommission erhöhen soll. Ziel ist die Annahme <strong>de</strong>r<br />

In<strong>iti</strong>ative <strong>de</strong>r EU-Kommission durch die EU-Mitgliedsstaaten.<br />

Die Mitteilung wird sich nicht unmittelbar auf ein<br />

höheres Kulturbudget und neue För<strong>de</strong>rprogramme<br />

auswirken, aber sie stellt eine unwie<strong>de</strong>rbringliche Gelegenheit<br />

dar, endlich <strong>de</strong>r Kultur einen hohen Stellenwert<br />

auf <strong>de</strong>r Agenda <strong>de</strong>r EU einzuräumen – und damit langfristig<br />

mehr Mittel für die Kultur zu mobilisieren.<br />

Wichtig ist daher, <strong>de</strong>n Dialog zwischen <strong>de</strong>m Kulturbereich<br />

und <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k – mit <strong>de</strong>n Vertretern aus EU-Parlament<br />

und Bun<strong>de</strong>stag, BKM und <strong>de</strong>n Kultusministerien<br />

<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r sehr klar zu gestalten. An sie sind die Fragen<br />

zu richten: Wie stehen Parlamentarier und Pol<strong>iti</strong>sche<br />

Repräsentanten zur In<strong>iti</strong>ative <strong>de</strong>r EU-Kommission? Welche<br />

Argumente wer<strong>de</strong>n für und gegen die Annahme<br />

<strong>de</strong>r Mitteilung eingebracht? Wur<strong>de</strong>n die Akteure im<br />

Kulturbereich konsultiert?<br />

Für die weitere Ausgestaltung <strong>de</strong>r Inhalte, <strong>de</strong>r Aktionen<br />

und Programme, die sich aus <strong>de</strong>r Mitteilung ergeben,<br />

sollten unbedingt die Akteure <strong>de</strong>s Kulturbereichs<br />

einbezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Hierzu haben IETM, EFAH und EMC an alle Mitglie<strong>de</strong>r<br />

ihrer Netzwerke Informationen und Auffor<strong>de</strong>rungen<br />

zum Han<strong>de</strong>ln gesandt. In Deutschland wer<strong>de</strong>n<br />

ITI und BUFT Informationen hierzu in ihren Medien veröffentlichen<br />

und alle Mitglie<strong>de</strong>r ermutigen, in direkten<br />

Kontakt mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k zu treten.<br />

65


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Soziale Lage <strong>de</strong>r Künstler<br />

1) Studie und Symposium zur wirtschaftlichen,<br />

sozialen und arbeitsrechtlichen Lage <strong>de</strong>r Künstler<br />

im Bereich <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste<br />

Wer? Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste; ITI Deutschland<br />

Trotz beschei<strong>de</strong>ner pos<strong>iti</strong>ver Entwicklungen europäischer<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k ist festzustellen, dass die Kluft<br />

zwischen <strong>de</strong>n Absichtserklärungen <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k in Bezug<br />

auf die Be<strong>de</strong>utsamkeit von Kunst und Kultur für <strong>de</strong>n<br />

europäischen Einigungsprozess und <strong>de</strong>n realen wirtschaftlichen,<br />

sozialen und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen<br />

für die künstlerischen Schaffensprozesse<br />

nach wie vor sehr groß ist. Das betrifft insbeson<strong>de</strong>re<br />

die wirtschaftliche Lage <strong>de</strong>r Mehrheit <strong>de</strong>r KünstlerInnen<br />

in ganz Europa. Deshalb empfahl <strong>de</strong>r Ausschuss für<br />

Kultur und Bildung <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments im<br />

März <strong>2007</strong>: „….ein kulturelles Umfeld zu schaffen, das<br />

in allen künstlerischen Bereichen dynamisch und <strong>de</strong>m<br />

Schöpferischen sowie <strong>de</strong>r Innovation för<strong>de</strong>rlich ist. Dies<br />

kann nicht geschehen, ohne dass wir unseren Künstlern<br />

soziale Garantien bieten, die wir allen an<strong>de</strong>ren europäischen<br />

Arbeitsnehmern gewähren, zum Ausgleich einer<br />

Garantie <strong>de</strong>r künstlerischen Freiheit, die für sie unverzichtbar<br />

ist.“<br />

Es gilt <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k konkret aufzuzeigen, unter welchen<br />

realen Bedingungen die verschie<strong>de</strong>nen Berufsgruppen<br />

<strong>de</strong>s Bereiches <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste produzieren<br />

und leben. Auf <strong>de</strong>r Grundlage dieser Recherchen sollen<br />

im Verlaufe eines gemeinsamen und konstruktiven<br />

Dialogs Handlungsempfehlungen für die Verbesserung<br />

dieser nicht akzeptablen Rahmenbedingungen – nicht<br />

nur bezogen auf die Europäische Union – erarbeitet<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Konkret hierzu hat <strong>de</strong>r Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste<br />

gemeinsam mit <strong>de</strong>m ITI Deutschland ein komplexes<br />

Mo<strong>de</strong>llprojekt in<strong>iti</strong>iert. Aus <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Perspektiven<br />

von Künstlern, Wissenschaftlern, Publizisten, Institutionen<br />

<strong>de</strong>r Arbeits- und Sozialsysteme, Verbän<strong>de</strong>n<br />

und Gewerkschaften <strong>de</strong>r Arbeitnehmer, Vertretern <strong>de</strong>r<br />

Arbeitgeber, Bun<strong>de</strong>sministerien, Bun<strong>de</strong>stagsabgeordneten,<br />

För<strong>de</strong>rinstitutionen und internationalen Theaternetzwerken<br />

soll zunächst eine umfassen<strong>de</strong>, komplexe<br />

und repräsentative Analyse wirtschaftlicher, sozialer<br />

und arbeitsrechtlicher Aspekte künstlerischer Produktionsprozesse<br />

vorgelegt wer<strong>de</strong>n, um Handlungsempfehlungen<br />

für die Verbesserung dieser Rahmenbedingungen<br />

und zum Schutz <strong>de</strong>s kreativen Potentials <strong>de</strong>r<br />

KünstlerInnen erarbeiten und postulieren zu können.<br />

Ein erstes Arbeitstreffen von Vertretern <strong>de</strong>r zu beteiligen<strong>de</strong>n<br />

Institutionen hat Mitte Oktober <strong>2007</strong> stattgefun<strong>de</strong>n.<br />

Beteiligt waren Kulturverbän<strong>de</strong> und Gewerkschaften,<br />

die speziell mit <strong>de</strong>m Theaterbereich befasst<br />

sind, sowie die Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit, <strong>de</strong>r Deutsche<br />

Kulturrat, pol<strong>iti</strong>sche Mandatsträger und unabhängige<br />

Experten. Das Treffen diente <strong>de</strong>r ersten Verständigung<br />

über <strong>de</strong>n thematischen Schwerpunkt, <strong>de</strong>n zu befragen<strong>de</strong>n<br />

Personenkreis bzw. die zu erfassen<strong>de</strong>n Berufsgruppen<br />

und die Struktur <strong>de</strong>s Fragebogens. Im Verlaufe<br />

<strong>de</strong>r nächsten Wochen ist abzustimmen, wer die Studie<br />

fe<strong>de</strong>rführend durchführt und die Daten bewertet und<br />

wer sich fachlich und finanziell an <strong>de</strong>m Gesamtprojekt<br />

beteiligt.<br />

Alle Anwesen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s ersten Arbeitstreffens waren<br />

sich darüber einig, dass eine <strong>de</strong>rartig komplexe und<br />

<strong>de</strong>taillierte Studie eine pol<strong>iti</strong>sche Zielrichtung hat und<br />

<strong>de</strong>r Unterstützung <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k bedarf.<br />

Im Fokus <strong>de</strong>r Erfassung <strong>de</strong>r empirischen Daten sowie<br />

qualifizierter Befragungen stehen die KünstlerInnen<br />

selbst sowie die an <strong>de</strong>n Produktionsprozessen unmittelbar<br />

Beteiligten (wie Dramaturgen, Produktionsleiter,<br />

künstlerische Assistenten etc.), unabhängig davon, ob<br />

sie selbständig o<strong>de</strong>r nichtselbständig tätig in ihre jeweiligen<br />

künstlerischen Hauptberufen sind.<br />

Prekäre Arbeitsverhältnisse sowie verschie<strong>de</strong>nste<br />

Muster <strong>de</strong>r permanenten Selbstausbeutung sind ein gesamtgesellschaftliches<br />

und nicht nur europäisches Phänomen,<br />

das auch im Kontext zu Entwicklungen innerhalb<br />

an<strong>de</strong>rer Berufszweige betrachtet wer<strong>de</strong>n muss.<br />

Die Studie soll aufzeigen, wie Erwerbsbiografien von<br />

KünstlerInnen verlaufen, wie intensiv sie ihr kreatives<br />

Potential in die Gesellschaft einbringen können und<br />

warum viele von ihnen zunehmend aus <strong>de</strong>n Arbeitsmärkten<br />

und sozialen Sicherungssystemen herausfallen<br />

und in <strong>de</strong>n offiziellen Statistiken nicht erscheinen.<br />

Ein wichtiges Ergebnis <strong>de</strong>r Vorgespräche zu <strong>de</strong>m<br />

Mo<strong>de</strong>llprojekt ist, dass auf die gravieren<strong>de</strong>n wirtschaftlichen,<br />

sozialen und arbeitsrechtlichen Verän<strong>de</strong>rungen<br />

in <strong>de</strong>r Gesellschaft pol<strong>iti</strong>sch und über die einzelnen Ressorts<br />

wie Arbeit und Soziales, Wirtschaft, Finanzen und<br />

Bildung hinaus reagiert wer<strong>de</strong>n muss.<br />

Die Studie wird als wesentliche Diskussionsgrundlage<br />

für das geplante Symposium zur wirtschaftlichen,<br />

sozialen und arbeitsrechtlichen Lage <strong>de</strong>r Künstler im<br />

Bereich <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste im November 2008<br />

dienen. (Text von Günter Jeschonnek)<br />

2) Die soziale Lage <strong>de</strong>r Theaterkünstler und <strong>de</strong>r<br />

Schutz <strong>de</strong>r kulturellen Vielfalt – die In<strong>iti</strong>ativen im internationalen<br />

Kontext<br />

Wer? ITI Deutschland, ITI Worldwi<strong>de</strong>, European Forum<br />

of the ITI, ENICPA<br />

Die soziale Lage <strong>de</strong>r Theaterkünstler hat sich in vielen<br />

europäischen, wie auch außereuropäischen Län<strong>de</strong>rn<br />

verschärft; dies gilt sowohl für die Beschäftigungslage<br />

wie auch für das Einkommen und die soziale Absicherung<br />

<strong>de</strong>r Theaterschaffen<strong>de</strong>n. Allerdings sind die Informationen<br />

über die soziale Lage <strong>de</strong>r Theaterkünstler<br />

weltweit wie auch ihre analytische Auswertung noch<br />

fragmentarisch; eine Gesamtanalyse steht aus.<br />

Die UNESCO-Konvention zum Schutz und zur För<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r Vielfalt <strong>de</strong>r kulturellen Ausdrucksformen<br />

versucht einen Ausgleich zwischen <strong>de</strong>n ökonomischen<br />

und <strong>de</strong>n inhaltlichen Aspekten <strong>de</strong>s kulturellen Schaffens<br />

- im Beson<strong>de</strong>ren auch <strong>de</strong>s künstlerischen - herzustellen.<br />

Der Artikel 7.2 <strong>de</strong>s Konventionstextes verweist in diesem<br />

Zusammenhang ausdrücklich auf die zentrale Rolle<br />

<strong>de</strong>r kreativen Kulturschaffen<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r Verwirklichung<br />

<strong>de</strong>r kulturellen Vielfalt.<br />

Die Verwirklichung <strong>de</strong>r Konvention stützt sich wesentlich<br />

auf Analysen und Erhebungen <strong>de</strong>r Vertragsstaaten<br />

und <strong>de</strong>s UNESCO-Observatoriums. Das hier<br />

bestehen<strong>de</strong> Informations- und Analyse<strong>de</strong>fizit wird von<br />

vielen staatlichen Vertretern wie auch von <strong>de</strong>r UNESCO<br />

durchaus wahrgenommen und anerkannt, genauso wie<br />

<strong>de</strong>r Handlungsbedarf auf diesem Gebiet. Entschei<strong>de</strong>nd<br />

66


wird in diesem Zusammenhang die erste Konferenz <strong>de</strong>s<br />

Exekutivorgans <strong>de</strong>r Konvention sein, die vom 10. bis<br />

zum 13. Dezember <strong>2007</strong> in Ottawa stattfin<strong>de</strong>t.<br />

Das Internationale Theaterinstitut hat in seinen Stellungnahmen<br />

zur UNESCO-Konvention die Analyse <strong>de</strong>r<br />

sozioökonomischen Bedingungen <strong>de</strong>s Theaterschaffens<br />

als eigene Aufgabenstellung formuliert, nicht zuletzt<br />

um seine Argumentation gegenüber staatlichen Institutionen<br />

sowie <strong>de</strong>r UNESCO zu fundieren und zu präzisieren.<br />

In diesem Sinne hat das <strong>de</strong>utsche Zentrum <strong>de</strong>s ITI<br />

die Kooperation <strong>de</strong>r europäischen Zentren bei <strong>de</strong>r Analyse<br />

<strong>de</strong>r wirtschaftlichen und sozialen Lage <strong>de</strong>r Künstler<br />

in Europa und international zum zentralen Thema seiner<br />

Arbeit in <strong>de</strong>n nächsten Jahren gemacht.<br />

Welche Kapazitäten, diese Analysen durchzuführen,<br />

bei <strong>de</strong>n nationalen Zentren in Europa bestehen, wur<strong>de</strong><br />

unmittelbar im Anschluss an das Symposium beim Treffen<br />

<strong>de</strong>r europäischen ITI-Zentren und <strong>de</strong>r nationalen<br />

Theaterinstitute in Europa (En<strong>de</strong> Juni <strong>2007</strong>) diskutiert.<br />

Derzeit laufen über ENICPA (in Zusammenarbeit<br />

mit On-the-move) eine europaweite Recherche und<br />

Erfassung zu Studien über die wirtschaftliche und soziale<br />

Lage <strong>de</strong>r Künstler. Derartige Studien liegen z.B.<br />

für Finnland, Estland, Frankreich vor. Die Studien wer<strong>de</strong>n<br />

über www.<strong>iti</strong>-<strong>germany</strong>.<strong>de</strong> verfügbar gemacht. Eine<br />

vom ITI Deutschland und an<strong>de</strong>ren bei EFAH vertretenen<br />

Kultur-NGOs beauftragte Expertengruppe wird 2008<br />

Wege zur Vergleichbarkeit <strong>de</strong>r europäischen Studien<br />

erarbeiten.<br />

Mit Bezug auf die mit <strong>de</strong>m Fonds Darstellen<strong>de</strong><br />

Künste in Deutschland in<strong>iti</strong>ierte Studie und das Symposium<br />

2008 wird das ITI Deutschland vor allem auf die<br />

Vergleichbarkeit dieser Erhebungen mit ähnlichen Studien<br />

in Europa achten und das Material insbeson<strong>de</strong>re<br />

auf <strong>de</strong>r europäischen Ebene (EU-Parlament) und international<br />

(ITI-Netzwerk und UNESCO) kommunizieren.<br />

Ein wichtiges Forum <strong>de</strong>r Diskussion wird hierzu <strong>de</strong>r ITI-<br />

Weltkongress September 2008 in Saragossa (Spanien)<br />

sein.<br />

Das ITI Deutschland plant, die soziale Lage <strong>de</strong>r<br />

Künstler thematisch ins Zentrum <strong>de</strong>r Veranstaltungen<br />

zum Welttheatertag 27. März 2008 zu stellen und die<br />

Problematik in die Öffentlichkeit zu tragen.<br />

(Text von Dieter Welke und Michael Freundt)<br />

Kultur und Kunstför<strong>de</strong>rung<br />

Wer? Cultural Contact Points, EU-Kommission<br />

Was? Im Rahmen <strong>de</strong>s Symposiums wur<strong>de</strong>n in diesem<br />

Themenbereich vor allem Bürokratieabbau, Flexibilisierung<br />

und die bessere Zugänglichkeit <strong>de</strong>r Fonds<br />

und Programme (insbeson<strong>de</strong>re KULTUR <strong>2007</strong>-2013)<br />

gefor<strong>de</strong>rt. Die EU-Kommission hat hier erste Schritte<br />

unternommen, zugleich sieht das Netzwerk <strong>de</strong>r Cultural<br />

Contact Points (CCPs) noch be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Spielraum<br />

für Verbesserungen. Sabine Bornemann (CCP Deutschland)<br />

berichtete auf <strong>de</strong>m Symposium von <strong>de</strong>n neuen<br />

Entwicklungen. Jetzt – nach <strong>de</strong>r ersten Ausschreibungsrun<strong>de</strong><br />

– analysieren die CCPs die verän<strong>de</strong>rten Verfahren<br />

und for<strong>de</strong>rn weitere Verbesserungen.<br />

Erstmalig gibt es ein 2-stufiges Antragsverfahren,<br />

<strong>de</strong>ssen erster Teil für <strong>de</strong>n Antragsteller weniger bürokratischen<br />

Aufwand be<strong>de</strong>utet. Erst in einer zweiten<br />

Stufe (in <strong>de</strong>r zweiten Auswahlrun<strong>de</strong>) sind zusätzliche<br />

Formulare und Belege nachzureichen. Diese Erleichterung<br />

bringt aber immer noch einen zu hohen Aufwand<br />

in <strong>de</strong>r ersten Phase.<br />

Erstmalig kann nunmehr auch ein Teil <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rmittel<br />

in einer Pauschalsumme ausgereicht wer<strong>de</strong>n. Hier<br />

müssen die Kosten nicht mehr en <strong>de</strong>tail nachgewiesen<br />

wer<strong>de</strong>n. Dies trifft nicht für alle Projekte zu, jedoch für<br />

Seminare, Konferenzen o<strong>de</strong>r Workshops, die Teil eines<br />

Projekts sind.<br />

In <strong>de</strong>r Budgetverteilung sollten auch verstärkt mittlere<br />

Projekte geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Die aktuelle Analyse<br />

zeigt jedoch, dass wie<strong>de</strong>rum bevorzugt Großprojekte<br />

geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n und somit anteilig weniger Geld für<br />

kleinere Projekte zur Verfügung steht. Hier setzen sich<br />

die CCPs ein für eine Neuorientierung bei <strong>de</strong>n Ausschreibungen<br />

für 2009, die <strong>de</strong>rzeit vorbereitet wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei <strong>de</strong>r Besetzung <strong>de</strong>r Jurys, welche über die Projekte<br />

entschei<strong>de</strong>n, war mehr Transparenz gefor<strong>de</strong>rt. Die<br />

EU-Kommission wird ab 2008 einen „offenen Pool“ einrichten:<br />

Experten für die Besetzung <strong>de</strong>r Jury können frei<br />

vorgeschlagen wer<strong>de</strong>n bzw. sich bewerben.<br />

Insgesamt ist das Antragsverfahren bei KULTUR<br />

(<strong>2007</strong>-2013) komplexer gewor<strong>de</strong>n. Hier befin<strong>de</strong>n sich<br />

die CCPs im Dialog mit <strong>de</strong>r EU-Kommission und drängen<br />

auf eine wirkliche Vereinfachung.<br />

Nach wie vor ist ein konkreter Dialog mit <strong>de</strong>n Mitarbeiterinnen<br />

<strong>de</strong>s CCP in Bonn ein unverzichtbarer<br />

Schritt bei <strong>de</strong>r Antragstellung im Rahmen <strong>de</strong>r EU-För<strong>de</strong>rprogramme<br />

und Ausschreibungen.<br />

Mobilität<br />

1) Bessere Information über bestehen<strong>de</strong> För<strong>de</strong>rmöglichkeiten<br />

Wer? ITI Deutschland, On-the-move, IETM<br />

Was? Hier sei noch einmal auf die permanent weiter<br />

entwickelten Internet-Portale www.on-the-move.org<br />

und www.labforculture.org verwiesen. Auf <strong>de</strong>r Internetseite<br />

<strong>de</strong>s IETM (www.ietim.org) und <strong>de</strong>s ITI (www.<strong>iti</strong><strong>germany</strong>.<strong>de</strong>)<br />

sind die Links zum Download <strong>de</strong>r Studien<br />

„Impediments to Mobility“, „from post to pillar“ und<br />

„co-production and touring“ gesetzt.<br />

2) Pilotprojekt zur Mobilität von Künstlern in Europa<br />

Wer? Europäisches Parlament<br />

Wie? Das Europäische Parlament diskutiert die Vorlage<br />

für ein Pilotprojekt zur Mobilität von Künstlern in Europa.<br />

Han<strong>de</strong>lt es sich dabei schon um das von Gottfried<br />

Wagner in seiner Keynote und beim Kulturpol<strong>iti</strong>schen<br />

Bun<strong>de</strong>skongress angekündigte „Erasmus-Programm für<br />

Künstler“?<br />

Die <strong>de</strong>utsche Europa-Abgeordnete Helga Trüpel hat<br />

<strong>de</strong>n Vorschlag für ein Pilotprojekt, ausgestattet mit zunächst<br />

3 Mill. Euro, eingebracht. Nach Diskussion mit<br />

in <strong>de</strong>r Frage erfahrenen europäischen Künstlernetzwerken<br />

wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Vorschlag im Kulturausschuss angenommen<br />

und wird nun im Haushaltausschuss diskutiert.<br />

Das European Forum for the Arts and Heritage (EFAH)<br />

hofft, dass auch das Ansinnen einzelner Parlamentarier<br />

auf eine Reduzierung hin zu 1,5 Mill Euro abgelehnt<br />

wird. Das Projekt wird zunächst nicht einen neuen<br />

Fonds darstellen, son<strong>de</strong>rn existieren<strong>de</strong> Strukturen zur<br />

Die In<strong>iti</strong>ativen<br />

67


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Künstlermobilität ausbauen und in <strong>de</strong>r Pilotphase 2008<br />

drei Zielen dienen:<br />

1) Eine Machbarkeitsstudie für ein Europäisches Informationssystem<br />

zur Mobilität.<br />

2) Ausschreibungen für neue Mobilitätsprogramme bei<br />

bereits bestehen<strong>de</strong>n Netzwerken und För<strong>de</strong>rinstitutionen.<br />

3) Unterstützung <strong>de</strong>r Infrastruktur von bereits bestehen<strong>de</strong>n<br />

Mobilitätsfonds und –programmen.<br />

Das Pilotprojekt stellt einen ersten Schritt hin zu einem<br />

vollwertigen Europäischen Mobilitätsprogramm dar,<br />

welches in das Programm KULTUR <strong>2007</strong> aufgenommen<br />

wer<strong>de</strong>n könnte, wenn hier 2009 das Budget neu<br />

diskutiert wird.<br />

3) In<strong>iti</strong>ativen zur Erleichterung <strong>de</strong>r Visa-Formalitäten<br />

Wer? Berliner Konferenz, BDAT u.a.<br />

Was? Zahlreiche Kulturakteure kommunizieren die<br />

Visa-Problematik gegenüber <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k. Nele Hertling<br />

berichtete dies vom Netzwerk <strong>de</strong>r Berliner Konferenz,<br />

hier ein weiteres aktuelles Beispiel:<br />

Gerald Pöttering, Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s EU-Parlaments wur<strong>de</strong><br />

von Norbert Ra<strong>de</strong>macher, Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<br />

Deutscher Amateurtheater (BDAT) noch einmal <strong>de</strong>zidiert<br />

auf die Situation angesprochen und will die Diskussion<br />

darüber zum persönlichen Anliegen machen.<br />

Kulturwirtschaft<br />

1) Beobachtung <strong>de</strong>r Konferenzen und In<strong>iti</strong>ativen<br />

zur Kulturwirtschaft/ Kreativwirtschaft<br />

Im Verlaufe <strong>de</strong>s Jahres haben mehrere Konferenzen<br />

und Podiumsgespräche zum Themenfeld Kulturwirtschaft<br />

stattgefun<strong>de</strong>n. Die Pol<strong>iti</strong>k hat das Thema für sich<br />

ent<strong>de</strong>ckt.<br />

Eine kulturpol<strong>iti</strong>sche Tagung zur Kulturwirtschaft,<br />

welche am 8./9. November <strong>2007</strong> in Berlin auf In<strong>iti</strong>ative<br />

<strong>de</strong>r Kulturverwaltung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Berlin ausgerichtet<br />

wur<strong>de</strong>, stellte noch einmal die Künstler ins Zentrum<br />

<strong>de</strong>r Debatte um die Kulturwirtschaft und erklärte ihre<br />

beson<strong>de</strong>re Pos<strong>iti</strong>on als unverzichtbaren Beginn <strong>de</strong>r kulturwirtschaftlichen<br />

Verwertungskette. (www.kulturprojekte-berlin.<strong>de</strong>/projekte/kulturpol<strong>iti</strong>sche-tagung)<br />

Laufend aktualisierte Informationen fin<strong>de</strong>n sich auf<br />

www.kulturwirtschaft.<strong>de</strong><br />

Wenn man Künstler und Kunstproduktion auch unter<br />

dieser Perspektive betrachtet, dann kristallisieren<br />

sich zwei Aspekte in <strong>de</strong>r Beobachtung heraus:<br />

1) Die Gefahr, dass künstlerische Arbeit unter <strong>de</strong>n<br />

Aspekten von Wirtschaft, Markt und Dienstleistung<br />

subsumiert wer<strong>de</strong>n. Damit wäre das nicht-marktorientierte,<br />

nicht zweckgerichtete kreative Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>r<br />

Künstler infrage gestellt. Kunstför<strong>de</strong>rung könnte – als<br />

Subvention o<strong>de</strong>r Invest<strong>iti</strong>on begriffen, zunehmend<br />

nach ihrer Zweckdienlichkeit bemessen wer<strong>de</strong>n. Kunst<br />

kann jedoch nicht zweckgerichtet produziert wer<strong>de</strong>n.<br />

2) Pos<strong>iti</strong>v sind Aspekte, die bei <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

kreativen Bereichs diskutiert wer<strong>de</strong>n:<br />

- Die Akteure (auch mit Blick auf <strong>de</strong>n gesamten Bereich)<br />

arbeiten vielfach in prekären Arbeitsverhältnissen.<br />

- Die soziale Situation <strong>de</strong>r Akteure muss abgesichert<br />

wer<strong>de</strong>n (z.B. durch die Sicherung <strong>de</strong>r Künstlersozialkasse).<br />

- Für eine stärkere wirtschaftliche Entwicklung müssen<br />

ökonomisches und betriebswirtschaftliches Wissen<br />

besser in <strong>de</strong>r Aus- und Weiterbildung vermittelt wer<strong>de</strong>n,<br />

auch durch zusätzliche Qualifizierungsprogramme.<br />

Künstler- und kulturpol<strong>iti</strong>sche Netzwerke<br />

Plattform für <strong>de</strong>n gemeinsamen Dialog<br />

Mit einer Koordinierungsrun<strong>de</strong> für dieses Projekt<br />

wur<strong>de</strong> auch eine Plattform für <strong>de</strong>n gemeinsamen Dialog<br />

mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k etabliert: Den Kern bil<strong>de</strong>n hier – neben<br />

Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste und ITI Deutschland<br />

– <strong>de</strong>r Deutsche Kulturrat, <strong>de</strong>r Deutsche Bühnenverein<br />

und <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sverband Freier Theater. Weiterhin sind<br />

Institutionen <strong>de</strong>r Arbeits- und Sozialsysteme, Verbän<strong>de</strong><br />

und Gewerkschaften <strong>de</strong>r Arbeitnehmer, Vertreter <strong>de</strong>r<br />

Arbeitgeber, Bun<strong>de</strong>sministerien, Bun<strong>de</strong>stagsabgeordnete<br />

und För<strong>de</strong>rinstitutionen einbezogen.<br />

Information über die Symposiumsergebnisse in<br />

<strong>de</strong>n europäischen Netzwerken<br />

Das ITI Deutschland übernimmt die Kommunikation<br />

<strong>de</strong>r Symposiumsergebnisse bei <strong>de</strong>n europäischen Konferenzen<br />

von EFAH (November <strong>2007</strong> in Polen), IETM<br />

(Mai 2008 in Slowenien) und ITI (September 2008 in<br />

Spanien) sowie in <strong>de</strong>n Newslettern dieser Netzwerke.<br />

Über <strong>de</strong>n Stand <strong>de</strong>r europäischen Diskussion wird in<br />

„impuls“, <strong>de</strong>n „off-informationen“ <strong>de</strong>s BUFT und weiteren<br />

Publikationen informiert.<br />

Bessere Information und stärkere Einbindung<br />

<strong>de</strong>r Künstler in die kulturpol<strong>iti</strong>sche Debatte<br />

In <strong>de</strong>r Folge <strong>de</strong>r Konferenzen „kultur.macht.europa“<br />

und „Europa eine Seele geben“ haben die Veranstalter<br />

hervorragen<strong>de</strong> Internetseiten und Newsletter etabliert,<br />

die insbeson<strong>de</strong>re zur Kulturpol<strong>iti</strong>k, För<strong>de</strong>rprogrammen,<br />

Kulturwirtschaft und <strong>de</strong>r sozialen Lage <strong>de</strong>r Künstler informieren.<br />

www.kultur-macht-europa.<strong>de</strong>, www.berlinerkonferenz.eu<br />

Dialog mit <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k<br />

Diskussion <strong>de</strong>r Ergebnisse <strong>de</strong>s Symposiums mit<br />

<strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k<br />

Wer? Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste, ITI<br />

Was? Kommunikationsstrategie<br />

Wie? In ersten Gesprächen wur<strong>de</strong>n die Ergebnisse<br />

und die Strategien <strong>de</strong>s weiteren Vorgehens mit Pol<strong>iti</strong>kern<br />

diskutiert:<br />

1) Gespräch Günter Jeschonnek (Fonds Darstellen<strong>de</strong><br />

Künste) mit Ruth Hieronymi (MdEP) am 07. September<br />

<strong>2007</strong> in Bonn<br />

2) Gespräch Dr. Thomas Engel, Michael Freundt (ITI<br />

Deutschland) mit Steffen Reiche (MdB) am 06. Dezember<br />

<strong>2007</strong> in Berlin<br />

3) Präsentation <strong>de</strong>r Ergebnisse <strong>de</strong>s Symposiums im<br />

Rahmen einer öffentlichen Anhörung beim Unterausschuss<br />

für Auswärtige Kultur- und Bildungspol<strong>iti</strong>k <strong>de</strong>s<br />

Deutschen Bun<strong>de</strong>stages am 10. Dezember <strong>2007</strong><br />

Weitere Schritte wer<strong>de</strong>n aus diesen Gesprächen und<br />

aus <strong>de</strong>r Reaktion auf die Dokumentation abgeleitet.<br />

68


Anhang<br />

Glossar – 55 Begriffe<br />

zu Kultur und Pol<strong>iti</strong>k in Europa<br />

„70 Cents für Kultur“- Kampagne<br />

Nach<strong>de</strong>m EU-Kommissionspräsi<strong>de</strong>nt<br />

Barroso 2004 Kultur als die wesentliche<br />

Gemeinsamkeit Europas proklamiert<br />

hatte, riefen EFAH und ECF gemeinsam<br />

mit Mitglie<strong>de</strong>rn (key members) <strong>de</strong>s Kulturausschusses<br />

<strong>de</strong>s Europäischen Parlaments<br />

diese Kampagne ins Leben, um<br />

das EU-Budget für Kultur von etwa 7<br />

Cent pro Bürger pro Jahr auf 70 Cent<br />

zu erhöhen. Zu Beginn <strong>de</strong>r Kampagne<br />

im März 2005 schlossen sich viele EU-<br />

Parlamentarier, Vertreter <strong>de</strong>r Künste,<br />

Wirtschaft und kulturelle NGOs <strong>de</strong>r<br />

Kampagne an.<br />

Tatsächlich empfahl das Europäische<br />

Parlament im Böge-Report im Juni 2005<br />

ein Budget von 408 Millionen Euro<br />

jährlich für die Spanne <strong>2007</strong>-2013, was<br />

eine Erhöhung auf 17 Cent pro Bürger<br />

be<strong>de</strong>uten wür<strong>de</strong>. Nach einigem Auf<br />

und Ab scheint sich das Budget nun auf<br />

etwa 400 Millionen Euro zu belaufen.<br />

www.efah.org<br />

Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste<br />

Aufgabe <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie ist es, in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit<br />

neue Kunstströmungen darzustellen<br />

und Kulturerbe zu bewahren.<br />

In diesem Rahmen organisiert sie u.a.<br />

Kunst- und Dokumentarausstellungen,<br />

Workshops, Vorlesungen, Film-, Theater-<br />

und Tanzvorführungen. Ein wesentlicher<br />

Bestandteil <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie ist ihr<br />

Archiv, <strong>de</strong>ssen Sammlung die Geschichte<br />

<strong>de</strong>r AdK und <strong>de</strong>r von ihr repräsentierten<br />

Kunstzweige umfasst.<br />

www.adk.<strong>de</strong><br />

Allianz Kulturstiftung<br />

Die Stiftung wur<strong>de</strong> 2000 mit einem<br />

Grundkapital von 50 Millionen Euro<br />

von <strong>de</strong>r vormaligen Allianz AG, jetzt<br />

Allianz SE ins Leben gerufen. Die Erfüllung<br />

<strong>de</strong>s Stiftungszwecks wird durch<br />

die jährlichen Zinserträge ermöglicht.<br />

Sie för<strong>de</strong>rt Kunst-, Kultur- und Bildungsprojekte<br />

im Geiste <strong>de</strong>r europäischen<br />

Integration mit beson<strong>de</strong>rer Beteiligung<br />

<strong>de</strong>r Jugend.<br />

www.allianz-kulturstiftung.<strong>de</strong><br />

Berliner Konferenz<br />

Die private, zivilgesellschaftliche In<strong>iti</strong>ative<br />

„Europa eine Seele geben“ nahm mit<br />

<strong>de</strong>r ersten Berliner Konferenz (November<br />

2004) ihren Anfang und folgt <strong>de</strong>m<br />

Gedanken: „Die Entwicklung Europas<br />

ist auf die Kraft <strong>de</strong>r Kultur angewiesen<br />

und muss diese nachhaltig nutzen.“ In<br />

diesem Sinne entwickelt die In<strong>iti</strong>ative<br />

ein internationales Netzwerk und wirbt<br />

um aktive Unterstützung für ihre Ziele<br />

bei Städten und Regionen, in <strong>de</strong>n Mitgliedsstaaten<br />

<strong>de</strong>r EU, in <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>r<br />

Kultur, <strong>de</strong>r Wirtschaft und in <strong>de</strong>r europäischen<br />

Pol<strong>iti</strong>k. Nele Hertling, Vizepräsi<strong>de</strong>ntin<br />

<strong>de</strong>r AdK Berlin, ist Sprecherin<br />

<strong>de</strong>r In<strong>iti</strong>ative. Vom 17. bis 19. November<br />

2006 wur<strong>de</strong> die zweite Berliner<br />

Konferenz ausgerichtet, ihr wird 2008<br />

eine weitere Berliner Konferenz folgen.<br />

www.berlinerkonferenz.eu<br />

BKM – Der Beauftragte <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung<br />

für Kultur und Medien<br />

Der Beauftragte <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung<br />

für Kultur und Medien, vulgo Kulturstaatsminister,<br />

trägt die Verantwortung<br />

für die Kultur- und Medienpol<strong>iti</strong>k <strong>de</strong>r<br />

Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland. Seit 2005<br />

beklei<strong>de</strong>t das Amt Bernd Neumann<br />

(CDU). Zu <strong>de</strong>n Aufgaben gehören neben<br />

<strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung von kulturellen<br />

Einrichtungen und Projekten von überregionaler<br />

nationaler Be<strong>de</strong>utung die<br />

Weiterentwicklung und Mo<strong>de</strong>rnisierung<br />

<strong>de</strong>r rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

künstlerischen Schaffens sowie die Sicherung<br />

einer freien und pluralistischen<br />

Medienlandschaft. Dazu zählen auch die<br />

För<strong>de</strong>rung von Kultur in <strong>de</strong>r Hauptstadt<br />

Berlin, von Ge<strong>de</strong>nkstättenprojekten<br />

und die Filmför<strong>de</strong>rung. Ebenso soll <strong>de</strong>r<br />

öffentliche Diskurs über Kunst und Kultur<br />

geför<strong>de</strong>rt und belebt wer<strong>de</strong>n. Beim<br />

Symposium war <strong>de</strong>r BKM durch Frithjof<br />

Berger, Referatsleiter Internationale Kulturpol<strong>iti</strong>k,<br />

vertreten.<br />

www.bun<strong>de</strong>sregierung.<strong>de</strong><br />

Bolkenstein-Richtlinie<br />

ist ein Kurzwort für: Richtlinie <strong>de</strong>s Europäischen<br />

Parlaments und <strong>de</strong>s Rates über<br />

Dienstleistungen im Binnenmarkt vom<br />

12. Dezember 2006 (auch Europäische<br />

Dienstleistungsrichtlinie genannt). Diese<br />

EG-Richtlinie zur Verwirklichung <strong>de</strong>s<br />

Europäischen Binnenmarkts im Bereich<br />

<strong>de</strong>r Dienstleistungen hat <strong>de</strong>n Abbau<br />

von bürokratischen Hin<strong>de</strong>rnissen und<br />

zwischenstaatlichen Hemmnissen sowie<br />

die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s grenzüberschreiten<strong>de</strong>n<br />

Han<strong>de</strong>ls mit Dienstleistungen zum<br />

Ziel. Der Kulturbereich ist hier insofern<br />

berührt, als die Kulturakteure als Dienstleistungserbringer<br />

und <strong>de</strong>r Kulturbereich<br />

unter Marktgesichtspunkten gesehen<br />

wer<strong>de</strong>n können.<br />

Br<strong>iti</strong>sh Council<br />

- ist Großbritanniens internationale Organisation<br />

für Bildungsangebote und<br />

kulturelle Beziehungen. Insbeson<strong>de</strong>re<br />

die „Arts Group“ <strong>de</strong>s Br<strong>iti</strong>sh Council<br />

bemüht sich darum, lang währen<strong>de</strong><br />

Beziehungen zwischen br<strong>iti</strong>schen und<br />

ausländischen Künstlern herzustellen,<br />

offen gegenüber neuer Kunst zu sein<br />

sowie sozial engagierte Kunst und kreative<br />

Projekte zu unterstützen. Br<strong>iti</strong>sh<br />

Council wird durch die br<strong>iti</strong>sche Regierung,<br />

aber auch Firmen, Sponsoren und<br />

Partner getragen.<br />

www.br<strong>iti</strong>shcouncil.org<br />

CCP – Cultural Contact Point<br />

Die Kultur-Kontaktstelle Cultural Contact<br />

Point Germany (CCP) informiert interessierte<br />

<strong>de</strong>utsche Projektträger über<br />

die jeweils aktuellen europäischen Kulturför<strong>de</strong>rprogamme,<br />

vor allem das Rahmenprogramm<br />

KULTUR (<strong>2007</strong>-2013).<br />

Der CCP stellt die Unterlagen zur Verfügung<br />

und berät bei <strong>de</strong>r Antragstellung.<br />

Cultural Contact Points gibt es in <strong>de</strong>n<br />

Mitgliedstaaten <strong>de</strong>r Union und <strong>de</strong>s Europäischen<br />

Wirtschaftsraums sowie in<br />

<strong>de</strong>n teilnahmeberechtigten mittel- und<br />

osteuropäischen Län<strong>de</strong>rn. Beim Symposium<br />

informierte Sabine Bornemann,<br />

Referentin <strong>de</strong>s CCP, über die aktuellen<br />

Ausschreibungen von KULTUR <strong>2007</strong>.<br />

www.ccp-<strong>de</strong>utschland.<strong>de</strong><br />

COLINA<br />

- steht für „Collaboration in Arts“, ein<br />

Projekt, das auf interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />

zielt. Es entstand im Jahr<br />

2003, in<strong>iti</strong>iert durch Rui Horta, Choreograf<br />

und ehemaliger künstlerischer Leiter<br />

von S.O.A.P. Künstler verschie<strong>de</strong>ner<br />

Sparten wer<strong>de</strong>n in ein 14-tägiges Labor<br />

eingela<strong>de</strong>n. 2005 fand COLINA mit 26<br />

ausgewählten Künstlern verschie<strong>de</strong>ner<br />

Nationalitäten am tanzhaus nrw in<br />

Düsseldorf statt, 2006 bei Dancecity in<br />

Newcastle.<br />

www.colina2005.com;<br />

www.colina2006.com<br />

DK - Deutscher Kulturrat e.V.<br />

Der Deutsche Kulturrat wur<strong>de</strong> 1981 als<br />

pol<strong>iti</strong>sch unabhängige Arbeitsgemeinschaft<br />

kultur- und medienpol<strong>iti</strong>scher<br />

Organisationen und Institutionen von<br />

bun<strong>de</strong>sweiter Be<strong>de</strong>utung gegrün<strong>de</strong>t.<br />

1995 wur<strong>de</strong> die Arbeitsgemeinschaft in<br />

die feste und handlungsfähigere Struktur<br />

eines gemeinnützigen Vereins überführt.<br />

Der Deutsche Kulturrat ist <strong>de</strong>r<br />

anerkannte Spitzenverband <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>skulturverbän<strong>de</strong>.<br />

210 Bun<strong>de</strong>skulturverbän<strong>de</strong><br />

haben sich in acht Sektionen<br />

<strong>de</strong>m Deutschen Kulturrat e.V. angeschlossen.<br />

Der Deutsche Kulturrat e.V. versteht<br />

sich als Ansprechpartner <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k und<br />

Verwaltung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />

und <strong>de</strong>r Europäischen Union in allen<br />

die einzelnen Sparten <strong>de</strong>s Deutschen<br />

Kulturrates e.V. übergreifen<strong>de</strong>n kulturpol<strong>iti</strong>schen<br />

Angelegenheiten. Ziel <strong>de</strong>s<br />

Deutschen Kulturrates e.V. ist es, bun<strong>de</strong>sweit<br />

spartenübergreifen<strong>de</strong> Fragen in<br />

Anhang<br />

69


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

die kulturpol<strong>iti</strong>sche Diskussion auf allen<br />

Ebenen einzubringen.<br />

Zur Information <strong>de</strong>r Öffentlichkeit erscheint<br />

sechs mal im Jahr die Zeitung<br />

<strong>de</strong>s Deutschen Kulturrates „pol<strong>iti</strong>k und<br />

kultur“.<br />

www.kulturrat.<strong>de</strong><br />

ECF - European Cultural Foundation<br />

- ist eine unabhängige, nichtstaatliche<br />

Organisation, die auf die In<strong>iti</strong>ative <strong>de</strong>s<br />

Schweizer Schriftstellers und Philosophen<br />

Denis <strong>de</strong> Rougemont zurückgeht.<br />

Sie wur<strong>de</strong> 1954 gegrün<strong>de</strong>t, um<br />

durch Unterstützung von Aktivitäten<br />

in Kultur, Bildung und Forschung von<br />

multinationaler Be<strong>de</strong>utung und europäischem<br />

Charakter einen Beitrag zu<br />

einem offenen und <strong>de</strong>mokratischen Europa<br />

zu leisten und um Kultur auf die<br />

Tagesordnung <strong>de</strong>r europäischen Einigung<br />

zu setzen. Sie verfolgt drei prioritäre<br />

Ziele:<br />

- För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s interkulturellen Dialogs,<br />

-Anregung zur Beteiligung am gesellschaftlichen<br />

Leben durch künstlerische<br />

und kulturelle Aktivitäten sowie<br />

- Stärkung <strong>de</strong>s kulturellen Sektors.<br />

Gottfried Wagner, Direktor <strong>de</strong>r ECF,<br />

eröffnete das Symposium am 25. Juni<br />

<strong>2007</strong> mit einer Keynote.<br />

EFAH – European Forum for the Arts<br />

and Heritage<br />

- gegrün<strong>de</strong>t 1992 mit Sitz in Brüssel,<br />

ist das größte interdisziplinäre Forum<br />

für <strong>de</strong>n nichtstaatlichen Kulturbereich<br />

in Europa. Mit 90 Mitgliedsorganisationen,<br />

welche wie<strong>de</strong>rum rund 5.000<br />

Kulturorganisationen aus 25 west- und<br />

osteuropäischen Län<strong>de</strong>rn (über die EU<br />

hinaus) repräsentieren, fungiert EFAH<br />

als Vermittler gegenüber <strong>de</strong>n Entscheidungsträgern<br />

<strong>de</strong>r europäischen Pol<strong>iti</strong>k<br />

und Administration, wenn es um die<br />

Interessen von Künstlern und Kulturschaffen<strong>de</strong>n<br />

geht. Auf <strong>de</strong>m Symposium<br />

informierte Daphne Tepper, Policy Analyst<br />

im EFAH-Büro, über kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />

Ziele und Strategien aus <strong>de</strong>r Sicht von<br />

EFAH.<br />

www.efah.org<br />

EFRE-Fonds<br />

Die Europäischen Fonds für regionale<br />

Entwicklung (EFRE) sind wichtige Strukturfonds,<br />

die für <strong>de</strong>n wirtschaftlichen<br />

Aufholprozess <strong>de</strong>r ärmeren Regionen<br />

sorgen sollen. Um dies zu realisieren,<br />

wer<strong>de</strong>n unter an<strong>de</strong>rem mittelständische<br />

Unternehmen unterstützt, damit<br />

dauerhafte Arbeitsplätze geschaffen,<br />

Infrastrukturprojekte durchgeführt und<br />

technische Hilfsmaßnahmen angewandt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

ENICPA – European Network of Information<br />

Centres for the Performing Arts<br />

Das Europäische Netzwerk <strong>de</strong>r Informationszentren<br />

in <strong>de</strong>n Darstellen<strong>de</strong>n<br />

Künsten versteht sich als Plattform für<br />

<strong>de</strong>n Informationsaustausch und die<br />

fachliche Weiterbildung für jene Experten,<br />

die national und international<br />

Informationen über die Darstellen<strong>de</strong>n<br />

Künste sammeln und weiter verbreiten.<br />

Mit seiner Website und verschie<strong>de</strong>nen<br />

Internet-Projekten versucht das Netzwerk,<br />

sowohl Künstlern Informationen<br />

und Kontakte in hoher Qualität bereit<br />

zu stellen, wie auch Informationen über<br />

die darstellen<strong>de</strong>n Künste in Europa für<br />

an<strong>de</strong>re Bereiche verfügbar zu machen.<br />

www.enicpa.net;<br />

www.dancevi<strong>de</strong>onavigator.org<br />

Enquête-Kommission<br />

Die Kommission, vom Deutschen Bun<strong>de</strong>stag<br />

am 15. Dezember 2005 eingesetzt,<br />

besteht aus elf Abgeordneten aller<br />

Fraktionen (sowie elf stellvertreten<strong>de</strong>n<br />

Mitglie<strong>de</strong>rn) und einer gleichen Anzahl<br />

von externen Sachverständigen. Vorsitzen<strong>de</strong><br />

ist Gitta Connemann (CDU). Auf<br />

<strong>de</strong>r Grundlage einer Bestandsaufnahme<br />

<strong>de</strong>r gegenwärtigen Situation von Kunst<br />

und Kultur in Deutschland sollen bis<br />

<strong>2007</strong> Ergebnisse und pol<strong>iti</strong>sche Handlungsempfehlungen<br />

erarbeitet wer<strong>de</strong>n.<br />

Der Bericht <strong>de</strong>r Enquête-Kommission<br />

wird für En<strong>de</strong> <strong>2007</strong> erwartet.<br />

www.bun<strong>de</strong>stag.<strong>de</strong><br />

Entschließung <strong>de</strong>s EU-Parlaments zur<br />

sozialen Lage <strong>de</strong>r Künstler<br />

Am 7. Juni <strong>2007</strong> hat das Europäische<br />

Parlament (auf <strong>de</strong>r Grundlage eines<br />

Berichts <strong>de</strong>s Ausschusses für Kultur und<br />

Bildung) eine Entschließung zum Sozialstatut<br />

von Künstlern verabschie<strong>de</strong>t.<br />

Darin wird Kunst als eine Arbeit und als<br />

ein Beruf betrachtet, aber gleichze<strong>iti</strong>g<br />

festgestellt, dass „in mehreren Mitgliedstaaten<br />

Personen, die bestimmte künstlerische<br />

Berufe ausüben, keinen Rechtsstatus<br />

besitzen“. Der erste Schwerpunkt<br />

widmet sich <strong>de</strong>r „Verbesserung<br />

<strong>de</strong>r Lage <strong>de</strong>r Künstler in Europa“, es<br />

wird <strong>de</strong>r rechtliche und soziale Schutz<br />

<strong>de</strong>r Künstler thematisiert. Die Mitgliedstaaten<br />

wer<strong>de</strong>n aufgefor<strong>de</strong>rt, die Übertragung<br />

von Renten- und Sozialversicherungsansprüchen<br />

von Künstlern aus<br />

Drittlän<strong>de</strong>rn nach Rückkehr in ihr Land<br />

zu gewährleisten. Anerkennung von<br />

Diplomen, eine gerechte Vergütung für<br />

Urheberrechte, die Visa-Problematik,<br />

Mobilität, lebenslange Weiterbildung<br />

und die För<strong>de</strong>rung künstlerischer Ausbildung<br />

sind weitere Schwerpunkte.<br />

Den Originaltext haben wir in diese<br />

Dokumentation aufgenommen.<br />

www.europarl.europa.eu<br />

Entwurf zur Situation <strong>de</strong>r Künstler<br />

Siehe: Entschließung <strong>de</strong>s EU-Parlaments…<br />

Europa eine Seele geben<br />

Siehe: Berliner Konferenz<br />

Europäische Kommission<br />

- ist im pol<strong>iti</strong>schen System <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Gemeinschaft die Exekutive und<br />

als solche für die Umsetzung <strong>de</strong>r Beschlüsse<br />

von Ministerrat und Parlament<br />

zuständig. Sie schlägt darüber hinaus in<br />

Ausübung ihres In<strong>iti</strong>ativrechtes Rechtsvorschriften,<br />

pol<strong>iti</strong>sche Maßnahmen<br />

und Programme vor. Die Europäische<br />

Kommission besteht aktuell aus 27<br />

Kommissaren, darunter auch Jan Figel,<br />

zuständig für Allgemeine und berufliche<br />

Bildung und Kultur. Kommissionspräsi<strong>de</strong>nt<br />

ist seit 2004 José Manuel Durão<br />

Barroso. Der Europäischen Kommission<br />

unterstehen verschie<strong>de</strong>ne Generaldirektionen,<br />

darunter die Generaldirektion<br />

Bildung und Kultur.<br />

www.ec.europa.eu<br />

Europäischer Sozialfonds<br />

Der Europäische Sozialfonds (ESF) ist<br />

das Hauptinstrument, mit <strong>de</strong>m die EU<br />

Maßnahmen zur Höherqualifizierung<br />

und Steigerung <strong>de</strong>r Beschäftigungsfähigkeit<br />

för<strong>de</strong>rt. Entworfen wer<strong>de</strong>n diese<br />

Programme gemeinsam von <strong>de</strong>n<br />

Mitgliedstaaten und <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Kommission. Durchgeführt wer<strong>de</strong>n sie<br />

mit Projekten, an <strong>de</strong>nen öffentliche<br />

und private Organisationen mitwirken.<br />

Potenzielle Projektpartner: nationale,<br />

regionale und kommunale Behör<strong>de</strong>n;<br />

Sozialpartner, d. h. Arbeitgeber- und<br />

Arbeitnehmervertreter; Bildungs- und<br />

Ausbildungseinrichtungen sowie Freiwilligenorganisationen.<br />

Europäisches Parlament<br />

Im Europäischen Parlament vertreten<br />

785 Abgeordnete aus 27 Nationen rund<br />

490 Millionen Bürgerinnen und Bürger.<br />

Seit <strong>de</strong>r ersten Direktwahl im Jahr<br />

1979 hat das Europäische Parlament<br />

seine Kompetenzen Zug um Zug ausgebaut.<br />

Das Parlament spielt eine aktive<br />

Rolle bei <strong>de</strong>r Ausarbeitung von Rechtsvorschriften,<br />

beispielsweise in <strong>de</strong>n Bereichen<br />

Umweltschutz, Verbraucherrechte,<br />

Gleichberechtigung, Verkehr<br />

sowie Freizügigkeit von Arbeitnehmern,<br />

Kapital, Waren und Dienstleistungen.<br />

www.europarl.europa.eu<br />

Felix Mer<strong>iti</strong>s Stiftung<br />

„Connecting Cultures“ ist das Motto<br />

<strong>de</strong>r Felix Mer<strong>iti</strong>s Stiftung. Sie entwickelte<br />

sich aus <strong>de</strong>m Wunsch heraus,<br />

einen (inter)nationalen Treffpunkt für<br />

Künstler, Wissenschaftler und zivilgesellschaftliche<br />

Personen zu schaffen. Durch<br />

das Aufnehmen eines Dialogs mit <strong>de</strong>m<br />

Publikum unterstreicht das Zentrum die<br />

Notwendigkeit <strong>de</strong>r Entwicklung eines<br />

öffentlichen europäischen Raumes, <strong>de</strong>r<br />

die Rolle <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft stärker betonen<br />

und die kulturelle Dimension in<br />

Prozessen pol<strong>iti</strong>scher Gestaltung, wie es<br />

<strong>de</strong>r Helsinki-Prozess seit 1975 for<strong>de</strong>rt,<br />

unterstreichen soll. Angesichts <strong>de</strong>r ver-<br />

70


nachlässigten Rolle, die Kultur in <strong>de</strong>r<br />

ökonomischen Entwicklung Europas<br />

spielt, sieht sich die Felix Mer<strong>iti</strong>s Stiftung<br />

nicht nur als selbstverständlicher Partner<br />

<strong>de</strong>s Berliner Prozesses und <strong>de</strong>r In<strong>iti</strong>ative<br />

„Europa eine Seele geben“, son<strong>de</strong>rn<br />

auch als ihr überzeugter Fürsprecher.<br />

Das konzeptionelle Verständnis Felix<br />

Mer<strong>iti</strong>s’ liegt in <strong>de</strong>r Überzeugung verankert,<br />

dass die Einbeziehung <strong>de</strong>r Bürger<br />

in <strong>de</strong>n europäischen Einigungsprozess<br />

nicht nur notwendig, son<strong>de</strong>rn essentiell<br />

ist, da dieser Prozess zuallererst als ein<br />

kultureller verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n muss.<br />

www.felix.mer<strong>iti</strong>s.nl<br />

Fernsehrichtlinie<br />

Als Europäische Fernsehrichtlinie wird<br />

eine EG-Richtlinie <strong>de</strong>s Rates zur Koordinierung<br />

bestimmter Rechts- und<br />

Verwaltungsvorschriften <strong>de</strong>r Mitgliedstaaten<br />

über die Ausübung <strong>de</strong>r Fernsehtätigkeit<br />

bezeichnet. Sie hat das Ziel,<br />

durch die Schaffung eines harmonisierten<br />

rechtlichen Rahmens Hin<strong>de</strong>rnisse<br />

für die Herstellung und Verbreitung<br />

von Fernsehprogrammen zu bese<strong>iti</strong>gen,<br />

faire Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten<br />

und auch <strong>de</strong>n freien Informationsfluss<br />

und Meinungsaustausch in<br />

<strong>de</strong>r Gemeinschaft zu sichern. Die wichtigsten<br />

Regelungen <strong>de</strong>r Fernsehrichtlinie<br />

sind das Sen<strong>de</strong>staatsprinzip und <strong>de</strong>r<br />

freie Empfang, die Quotenregelung, die<br />

Werbung, <strong>de</strong>r Jugendschutz und das<br />

Recht auf Gegendarstellung.<br />

Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste<br />

Der 1985 gegrün<strong>de</strong>te Fonds Darstellen<strong>de</strong><br />

Künste e.V. för<strong>de</strong>rt seit 1988 herausragen<strong>de</strong><br />

Projekte aller Sparten <strong>de</strong>r<br />

Darstellen<strong>de</strong>n Künste. Seit 2005 ist die<br />

Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s mit einer<br />

jährlichen För<strong>de</strong>rsumme von 1.000.000<br />

EUR alleiniger Zuwendungsgeber <strong>de</strong>s<br />

Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste. Das Kuratorium<br />

(mind. 13 Fachleute aus <strong>de</strong>r Theaterpraxis)<br />

entschei<strong>de</strong>t zweimal im Jahr<br />

über die Vergabe <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rmittel. 2006<br />

veranstaltete <strong>de</strong>r Fonds das Symposium<br />

„FREIES THEATER IN DEUTSCHLAND<br />

- För<strong>de</strong>rstrukturen und Perspektiven“,<br />

hieran knüpfte das Symposium „Europäisch<br />

kooperieren und produzieren“<br />

an. Günter Jeschonnek, Geschäftsführer<br />

<strong>de</strong>s Fonds, eröffnete mit einem Grußwort<br />

das Symposium.<br />

www.fonds-daku.<strong>de</strong><br />

GATS<br />

Das Allgemeine Abkommen über <strong>de</strong>n<br />

Han<strong>de</strong>l mit Dienstleistungen (engl.<br />

General Agreement on Tra<strong>de</strong> in Services;<br />

GATS) ist ein internationales Vertragswerk<br />

<strong>de</strong>r Welthan<strong>de</strong>lsorganisation<br />

(WTO), das <strong>de</strong>n grenzüberschreiten<strong>de</strong>n<br />

Han<strong>de</strong>l mit Dienstleistungen regelt und<br />

<strong>de</strong>ssen fortschreiten<strong>de</strong> Liberalisierung<br />

zum Ziel hat. GATS umfasst alle Dienstleistungen,<br />

mit Ausnahme <strong>de</strong>rjenigen,<br />

die im Rahmen staatlicher Zuständigkeit<br />

erbracht wer<strong>de</strong>n. Auswirkungen auf<br />

Bildungs- und Kulturbereich (stärkere<br />

Kommerzialisierung, Abbau von Subventionen,<br />

damit Verlust von Vielfalt)<br />

sind unvermeidbar, wenn diese nicht<br />

aus <strong>de</strong>n Verhandlungen ausgenommen<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Generaldirektion Bildung und Kultur<br />

Siehe: EU-Kommission<br />

Goethe-Institut<br />

- ist das weltweit tätige Kulturinstitut<br />

<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland. Es för<strong>de</strong>rt<br />

die Kenntnis <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Sprache<br />

im Ausland und pflegt die internationale<br />

kulturelle Zusammenarbeit. Mit<br />

einem Netzwerk aus Goethe-Instituten,<br />

Goethe-Zentren, Kulturgesellschaften,<br />

Lesesälen sowie Prüfungs- und Sprachlernzentren<br />

nimmt es seit über fünfzig<br />

Jahren weltweit zentrale Aufgaben <strong>de</strong>r<br />

auswärtigen Kultur- und Bildungspol<strong>iti</strong>k<br />

wahr.<br />

www.goethe.<strong>de</strong><br />

ICDE<br />

Um die verstreuten Informationen zu europäischer<br />

Gegenwartsdramatik zu bün<strong>de</strong>ln,<br />

Kontakt- und Austauschmöglichkeiten<br />

zwischen Autoren, Übersetzern,<br />

Dramaturgen und Theaterinstitutionen<br />

sowie an<strong>de</strong>ren Theaterschaffen<strong>de</strong>n und<br />

Interessierten zu verstärken, wur<strong>de</strong> das<br />

Information Centre for Drama in Europe<br />

(ICDE) mit <strong>de</strong>m zentralen Internetportal<br />

www.playservice.net in<strong>iti</strong>iert. Regelmäßige<br />

Arbeitstreffen sowie die Betreuung<br />

<strong>de</strong>s Internetportals inklusive <strong>de</strong>r Datenbankaktualisierung<br />

bil<strong>de</strong>n die Kernaufgaben<br />

<strong>de</strong>s ICDE. Gründungspartner<br />

sind Finnland, England, Deutschland,<br />

Frankreich und die Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>.<br />

www.playservice.net<br />

IDEE<br />

- In<strong>iti</strong>atives in Dance through European<br />

Exchange, läuft als EU-Projekt von<br />

Mai 2005 bis Mai 2008, in<strong>iti</strong>iert vom<br />

Tanzquartier Wien. Das Netzwerk unterstützt<br />

Künstler im Tanz- und Performancebereich<br />

bei <strong>de</strong>r Entwicklung ihrer<br />

Arbeiten und sucht nach neuen Wegen<br />

<strong>de</strong>s künstlerischen Austauschs. Mitglie<strong>de</strong>r<br />

sind Centre national <strong>de</strong> la danse<br />

(Paris), Dansens Hus (Oslo), Dansens<br />

Hus (Stockholm), Mercat <strong>de</strong> les Flors<br />

(Barcelona), The Place (London), tanzhaus<br />

nrw (Düsseldorf) und Tanzquartier<br />

Wien. Weiterführend soll das Netzwerk<br />

European Dance House Network (EDN)<br />

entwickelt wer<strong>de</strong>n.<br />

www.i<strong>de</strong>e-eu.com<br />

IETM<br />

- (früher: Informal European Theatre<br />

Meeting, heute: international network<br />

for contemporary performing arts), internationales<br />

Netzwerk mit über 400<br />

Mitgliedsorganisationen und Sitz in<br />

Brüssel. Ziel ist die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Qualität,<br />

<strong>de</strong>r Entwicklung und <strong>de</strong>r Vermittlung<br />

<strong>de</strong>r Darstellen<strong>de</strong>n Künste in einer<br />

globalen Welt. Richtet jährlich zwei<br />

große Meetings (zumeist in Europa)<br />

sowie weitere (Satellite-)Meetings aus.<br />

För<strong>de</strong>rt das Know-How <strong>de</strong>r künstlerischen<br />

Produzenten durch Studien zu<br />

aktuellen Entwicklungen, Produktionsfragen<br />

etc. (publiziert auf <strong>de</strong>r Website)<br />

und die Kommunikation über Beispiele<br />

guter Praxis. Engagiert sich für Europäische<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>ken durch intensives<br />

Networking im Bereich <strong>de</strong>r Darstellen<strong>de</strong>n<br />

Künste.<br />

www.ietm.org<br />

Impediments to Mobility<br />

- ist <strong>de</strong>r Titel einer Studie, die Richard<br />

Polácek im Auftrag von Pearle* und an<strong>de</strong>ren<br />

2006 durchführte. Sie untersucht<br />

umfassend, welche Hin<strong>de</strong>rnisse für die<br />

Mobilität von Kulturschaffen<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r<br />

EU bestehen. Die Studie analysiert in<br />

vier beson<strong>de</strong>rs problemträchtigen Themenbereichen<br />

Hin<strong>de</strong>rnisse für Mobilität<br />

von Kulturschaffen<strong>de</strong>n und schlägt<br />

Lösungen vor. Die Problembereiche<br />

sind: VISA und Arbeitserlaubnisse für<br />

Künstler aus Nicht-EU-Staaten; Sozialversicherung;<br />

Steuern und Umgang<br />

mit geistigem Eigentumsrecht bei einer<br />

Vielzahl von Urhebern.<br />

Ein Artikel zur Studie fin<strong>de</strong>t sich im Anhang<br />

dieser Dokumentation<br />

Institut Français<br />

Die Instituts français sind externe Einrichtungen<br />

<strong>de</strong>s französischen Staates.<br />

Sie vermitteln auf vielfältige Weise Kultur,<br />

Wissenschaft und Sprache Frankreichs.<br />

Sie bieten meist in Zusammenarbeit<br />

mit einer Partnerstruktur vor<br />

Ort ein umfangreiches und vielfältiges<br />

Kulturprogramm. Dazu gehören Konzerte,<br />

Lesungen, Diskussionen, Ausstellungen,<br />

Theaterstücke, aber auch<br />

Sprachkurse für je<strong>de</strong>s Niveau, eine Mediathek<br />

und ein Dokumentationszentrum<br />

über Frankreich.<br />

www.kultur-frankreich.<strong>de</strong><br />

Intermittent-Programm<br />

Viele französische Künstler im Bereich<br />

<strong>de</strong>r Darstellen<strong>de</strong>n Künste besitzen <strong>de</strong>n<br />

sozialen Status „intermittent du spectacle“.<br />

Viele Theater-, Musik-, Filmproduktionen<br />

sind zeitlich begrenzt, die Beteiligten<br />

aber (im Gegensatz zu Honorarverträgen<br />

in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn) sind in<br />

<strong>de</strong>r Regel sozialversicherungspflichtig<br />

angestellt. Um für die Zeit zwischen <strong>de</strong>n<br />

Anstellungsverträgen eine Lösung zu<br />

fin<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong> diese Form <strong>de</strong>r Arbeitslosenversicherung<br />

aufgebaut, die <strong>de</strong>n<br />

Künstlern Bezüge in <strong>de</strong>r Zeit zwischen<br />

ihren künstlerischen Projekten sichert.<br />

Innerhalb eines bestimmten Zeitraums<br />

müssen die Arbeitnehmer allerdings<br />

Anhang<br />

71


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

eine Min<strong>de</strong>stbeschäftigung mit Anstellungsverträgen<br />

(rund 300 Tage innerhalb<br />

von zwei Jahren) nachweisen. Die<br />

Verschärfung dieser Regelung hat 2004<br />

zu großen Protesten und Streiks (z.B.<br />

<strong>de</strong>r Absage <strong>de</strong>s Festivals von Avignon)<br />

geführt.<br />

ITI – Internationales Theaterinstitut<br />

Das <strong>de</strong>utsche Zentrum <strong>de</strong>s ITI ist Teil<br />

<strong>de</strong>s weltumspannen<strong>de</strong>n Netzwerks <strong>de</strong>s<br />

Theaters, das seit fast 60 Jahren unter<br />

<strong>de</strong>m Schirm <strong>de</strong>r UNESCO <strong>de</strong>m internationalen<br />

Austausch <strong>de</strong>r Theaterschaffen<strong>de</strong>n<br />

und <strong>de</strong>r besseren Verständigung<br />

zwischen <strong>de</strong>n Kulturen <strong>de</strong>r Welt dient.<br />

ITI ist in rund 90 Län<strong>de</strong>rn mit nationalen<br />

Zentren vertreten. Das Generalsekretariat<br />

<strong>de</strong>s Internationalen Theaterinstituts<br />

befin<strong>de</strong>t sich in Paris.<br />

In Deutschland sind rund 200 Künstler,<br />

Theaterfachleute und Institutionen<br />

aus allen Bereichen <strong>de</strong>r Darstellen<strong>de</strong>n<br />

Künste Mitglied im Zentrum Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland <strong>de</strong>s ITI e.V.<br />

www.<strong>iti</strong>-<strong>germany</strong>.<strong>de</strong><br />

KMK - Kultusministerkonferenz<br />

Nach <strong>de</strong>m Grundgesetz liegen die Zuständigkeiten<br />

für das Bildungswesen<br />

und die Kultur im Wesentlichen bei <strong>de</strong>n<br />

Län<strong>de</strong>rn (sog. Kulturhoheit <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r).<br />

Die KMK behan<strong>de</strong>lt nach ihrer Geschäftsordnung<br />

„Angelegenheiten <strong>de</strong>r<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k von überregionaler Be<strong>de</strong>utung<br />

mit <strong>de</strong>m Ziel einer gemeinsamen<br />

Meinungs- und Willensbildung und <strong>de</strong>r<br />

Vertretung gemeinsamer Anliegen“. Insofern<br />

sind hier auch Ansprechpartner<br />

für die Belange <strong>de</strong>r Kultur in Bezug auf<br />

Europa. Wenngleich die KMK wesentlich<br />

mehr und aktiver in Bildungsfragen<br />

agiert, ist <strong>de</strong>r Kulturausschuss hier<br />

<strong>de</strong>r wichtigste Ansprechpartner für die<br />

Künstler. Dem Ausschuss gehören die<br />

Leiter <strong>de</strong>r Kultur- bzw. <strong>de</strong>r Kunstabteilungen<br />

<strong>de</strong>r Kultusressorts <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />

an. Beim Symposium wur<strong>de</strong> die KMK<br />

durch Hans Heinrich Bethge, Leiter <strong>de</strong>s<br />

Amtes Kultur <strong>de</strong>r Freien und Hansestadt<br />

Hamburg und Berichterstatter <strong>de</strong>s Kulturausschusses<br />

<strong>de</strong>r KMK, vertreten.<br />

www.kmk.org<br />

Kommunikation <strong>de</strong>r EU-Kommission<br />

Siehe: Mitteilung <strong>de</strong>r EU-Kommission<br />

Konferenz “Menschen bewegen”<br />

„Menschen bewegen – Kultur und Bildung<br />

in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Außenpol<strong>iti</strong>k“:<br />

Unter diesem Titel hat sich auf Einladung<br />

von Bun<strong>de</strong>saußenminister Steinmeier<br />

am 25. und 26. Oktober eine Konferenz<br />

mit rund 500 Teilnehmern im Auswärtigen<br />

Amt mit Zukunftsthemen <strong>de</strong>r<br />

Auswärtigen Kultur- und Bildungspol<strong>iti</strong>k<br />

beschäftigt. „Menschen bewegen“<br />

– formuliert das Auswärtige Amt als Ziel<br />

<strong>de</strong>r Auswärtigen Kulturpol<strong>iti</strong>k.<br />

www.auswaertiges-amt.<strong>de</strong><br />

Konvention zur Kulturellen Vielfalt<br />

Die UNESCO-Generalkonferenz hat am<br />

20. Oktober 2005 das „Übereinkommen<br />

zum Schutz und zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Vielfalt<br />

kultureller Ausdrucksformen“ verabschie<strong>de</strong>t.<br />

Die Konvention trat am 18.<br />

März <strong>2007</strong> in Kraft. Damit entsteht eine<br />

völkerrechtlich verbindliche Grundlage<br />

für das Recht aller Staaten auf eigenständige<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k. Nationale Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

und öffentliche Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

erhalten gegenüber drohen<strong>de</strong>n wettbewerbsrechtlichen<br />

Einschränkungen eine<br />

neue Leg<strong>iti</strong>mität. Kulturpol<strong>iti</strong>sche Ziele<br />

nationaler Pol<strong>iti</strong>k können mit internationalen<br />

Han<strong>de</strong>lsabkommen (zum Beispiel<br />

GATS) in Einklang gebracht wer<strong>de</strong>n.<br />

Kernstück ist das Recht eines je<strong>de</strong>n<br />

Staates, regulatorische und finanzielle<br />

Maßnahmen zu ergreifen, um die Vielfalt<br />

<strong>de</strong>r kulturellen Ausdrucksformen im<br />

eigenen Staatsgebiet zu schützen.<br />

www.unesco.<strong>de</strong><br />

Kultur <strong>2007</strong><br />

Das Rahmenprogramm KULTUR (<strong>2007</strong><br />

- 2013) umfasst drei För<strong>de</strong>rbereiche, in<br />

<strong>de</strong>nen es jährliche Aufrufe zur Einreichung<br />

von Vorschlägen gibt: (1) Europäische<br />

Kooperationsprojekte mehrjährige<br />

Kooperationsprojekte, Literarische<br />

Übersetzungen, Son<strong>de</strong>rmaßnahmen<br />

wie die Kulturhauptstädte Europas,<br />

Preisverleihungen, Jubiläen etc., (2) Betriebskostenzuschüsse<br />

für europaweit<br />

tätige Kulturorganisationen sowie Studien<br />

und (3) Analysen zu kulturrelevanten<br />

Themen von europäischem Interesse.<br />

Das allgemeine Ziel ist die Schaffung<br />

eines gemeinsamen europäischen Kulturraums<br />

unter gleichze<strong>iti</strong>ger Wahrung<br />

<strong>de</strong>r nationalen Unterschie<strong>de</strong>. För<strong>de</strong>rziele<br />

sind (a) transnationale Mobilität<br />

von Künstlerinnen und Künstlern bzw.<br />

Kulturschaffen<strong>de</strong>n, (b) transnationale<br />

Zirkulation von kulturellen und künstlerischen<br />

Werken / Ko-Produktionen /<br />

Objekten sowie (c) <strong>de</strong>r interkulturelle<br />

Dialog. Über das Programm informiert<br />

<strong>de</strong>tailliert <strong>de</strong>r Cultural Contact Point<br />

Germany.<br />

www.ccp-<strong>de</strong>utschland.<strong>de</strong><br />

kultur.macht.europa<br />

Siehe: Kulturpol<strong>iti</strong>scher Bun<strong>de</strong>skongress<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>sche Gesellschaft<br />

Die Kulturpol<strong>iti</strong>sche Gesellschaft ist ein<br />

bun<strong>de</strong>sweiter Zusammenschluss kulturpol<strong>iti</strong>sch<br />

interessierter und engagierter<br />

Menschen aus <strong>de</strong>n Bereichen Kulturarbeit,<br />

Kunst, Pol<strong>iti</strong>k, Wissenschaft, Publizistik<br />

und Kulturverwaltung.<br />

Fachtagungen, Expertengespräche, etc.<br />

zu kulturpol<strong>iti</strong>schen und -praktischen<br />

Fragestellungen dienen Weiterbildung,<br />

Erfahrungsaustausch und Meinungsstreit<br />

<strong>de</strong>r Akteure. Die „kulturpol<strong>iti</strong>schen<br />

Mitteilungen“ sind das Hauptmedium<br />

<strong>de</strong>r KuPoGe. Zu <strong>de</strong>n zentralen Aufgaben<br />

<strong>de</strong>s Instituts für Kulturpol<strong>iti</strong>k <strong>de</strong>r<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>schen Gesellschaft gehört<br />

die Organisation und Durchführung <strong>de</strong>r<br />

kulturpol<strong>iti</strong>schen Bun<strong>de</strong>skongresse, so<br />

auch „kultur.macht.europa – europa.<br />

macht.kultur“.<br />

www.kupoge.<strong>de</strong><br />

Kulturpol<strong>iti</strong>scher Bun<strong>de</strong>skongress<br />

„kultur.macht.europa – europa.macht.<br />

kultur“ war <strong>de</strong>r Titel <strong>de</strong>s Vierten Kulturpol<strong>iti</strong>schen<br />

Bun<strong>de</strong>skongresses, <strong>de</strong>r<br />

am 07./08. Juni <strong>2007</strong> in Berlin stattfand.<br />

Nach <strong>de</strong>n Kongressen in Essen<br />

zur „Kulturellen Vielfalt“ und zur Kulturwirtschaft<br />

in Berlin bil<strong>de</strong>t „kultur.macht.<br />

europa“ <strong>de</strong>n Abschluss eines Kongress-<br />

Reigens, <strong>de</strong>r eine umfassen<strong>de</strong> Themenpalette<br />

aus <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>k <strong>de</strong>battierte<br />

- von Fragen <strong>de</strong>r kulturellen Vielfalt und<br />

<strong>de</strong>r Interkultur über die Kultur-/Kreativwirtschaft<br />

und <strong>de</strong>n Kulturmarkt Europa<br />

bis zu <strong>de</strong>n EU-För<strong>de</strong>rprogrammen, Aspekten<br />

einer europäischen Erinnerungskultur,<br />

<strong>de</strong>r Medienpol<strong>iti</strong>k o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung<br />

einer europäischen und einer<br />

kulturellen EU-Außenpol<strong>iti</strong>k. Der Bun<strong>de</strong>skongress<br />

war mit über 500 Teilnehmern<br />

aus 36 Staaten die bisher größte<br />

Tagung <strong>de</strong>r letzten Jahre zum Thema.<br />

www.kultur-macht-europa.eu<br />

Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<br />

Die Stiftung bürgerlichen Rechts för<strong>de</strong>rt<br />

Kunst und Kultur im Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Zuständigkeit <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s. Sie för<strong>de</strong>rt<br />

innovative Programme und Projekte<br />

im internationalen Kontext, weitere<br />

Schwerpunkte sind kultureller Austausch<br />

und grenzüberschreiten<strong>de</strong> Zusammenarbeit.<br />

Die Stiftung in<strong>iti</strong>iert und för<strong>de</strong>rt<br />

dazu Projekte auf Antrag ohne thematische<br />

Eingrenzung in allen Sparten.<br />

Die jährlich aus <strong>de</strong>m Haushalt <strong>de</strong>s<br />

Staatsministers für Kultur bereitgestellten<br />

Mittel betragen 35 Millionen Euro.<br />

www.kulturstiftung-bund.<strong>de</strong><br />

LabforCulture<br />

- ist eine Online Informations- und Wissensplattform<br />

zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r kulturellen<br />

Zusammenarbeit im erweiterten<br />

Europa, ergänzt durch ein breites Offline-Dienstleistungsangebot<br />

und Veranstaltungen.<br />

Die Website bietet eine<br />

beispiellose Fülle von Informationen<br />

zur län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>n kulturellen<br />

Zusammenarbeit im Großraum Europa<br />

und eine Plattform für <strong>de</strong>n län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>n<br />

Kulturaustausch, Diskussionen,<br />

News und Studien. Getragen<br />

wird LabforCulture von <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Kulturstiftung (European Cultural<br />

Foundation).<br />

www.LabforCulture.org<br />

Lissabon-Prozess<br />

Die Lissabon-Strategie (auch Lissabon-<br />

Prozess o<strong>de</strong>r Lissabon-Agenda) ist ein<br />

auf einem Son<strong>de</strong>rgipfel <strong>de</strong>r europä-<br />

72


ischen Staats- und Regierungschefs<br />

im März 2000 in Lissabon verabschie<strong>de</strong>tes<br />

Programm, das zum Ziel hat, die<br />

EU innerhalb von zehn Jahren, also bis<br />

2010, zum wettbewerbsfähigsten und<br />

dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum<br />

<strong>de</strong>r Welt zu machen. Als<br />

Messlatte dienen Japan und die USA.<br />

Schwerpunktbereiche sind: Innovation<br />

als Motor für Wirtschaftswachstum,<br />

die „Wissensgesellschaft“ sowie soziale<br />

Kohäsion (Angleichung) und Umweltbewusstsein.<br />

Weitgehen<strong>de</strong> Reformen<br />

wer<strong>de</strong>n hier z.B. im Bildungsbereich<br />

verwirklicht.<br />

Mitteilung <strong>de</strong>r EU-Kommission<br />

Die „Mitteilung über eine europäische<br />

Kulturagenda im Zeichen <strong>de</strong>r Globalisierung“<br />

wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r EU-Kommission<br />

am 10. Mai <strong>2007</strong> abgegeben. Die<br />

Agenda hat drei Hauptziele:<br />

- För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r kulturellen Vielfalt und<br />

<strong>de</strong>s interkulturellen Dialogs;<br />

- För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kultur als Katalysator<br />

<strong>de</strong>r Kreativität im Rahmen <strong>de</strong>r Strategie<br />

von Lissabon<br />

- För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kultur als wesentliches<br />

Element <strong>de</strong>r internationalen Beziehungen<br />

<strong>de</strong>r Union.<br />

Ein wesentliches Merkmal <strong>de</strong>r Strategie<br />

ist <strong>de</strong>r Vorschlag, die Zusammenarbeit<br />

zwischen <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten und <strong>de</strong>r<br />

Kommission durch die „offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong>“<br />

(OKM) zu strukturieren.<br />

Den <strong>de</strong>utschen Text <strong>de</strong>r Mitteilung<br />

gibt die Dokumentation <strong>de</strong>s Symposiums<br />

im Anhang wie<strong>de</strong>r.<br />

NPN – Nationales Performance Netz<br />

- för<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n Austausch zeitgenössischer<br />

Tanzproduktionen in Deutschland. Bei<br />

<strong>de</strong>r Gastspielför<strong>de</strong>rung können Veranstalter,<br />

die eine Kompanie aus einem<br />

an<strong>de</strong>ren Bun<strong>de</strong>sland einla<strong>de</strong>n, mit 25%,<br />

35% o<strong>de</strong>r 50% <strong>de</strong>r Gastspielkosten unterstützt<br />

wer<strong>de</strong>n. Neu seit 2005 ist die<br />

Koproduktionsför<strong>de</strong>rung. Hier können<br />

Veranstalter, Künstler o<strong>de</strong>r Kompanien<br />

Unterstützung beantragen. Die Unterstützung<br />

einer Koproduktion kann bis<br />

zu 50% <strong>de</strong>s gesamten Produktionsetats<br />

betragen. Die qualitative Auswahl unter<br />

<strong>de</strong>n Anträgen trifft eine Jury.<br />

www.jointadventures.net<br />

Offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong><br />

- auch offene Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Koordinierung<br />

(OMK). Sie ist eine Handlungsform<br />

<strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaft,<br />

mit <strong>de</strong>r die EG außerhalb ihrer vom<br />

EG-Vertrag (EGV) zugebilligten Kompetenzen<br />

zur Rechtsetzung pol<strong>iti</strong>sch tätig<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Instrumente <strong>de</strong>r OMK<br />

sind Gegense<strong>iti</strong>ges Lernen, Statistische<br />

Vergleiche, Leitlinien, Benchmarks und<br />

Empfehlungen <strong>de</strong>r Kommission an die<br />

Mitgliedsstaaten. Der EU wird bei <strong>de</strong>r<br />

OMK allerdings vorgeworfen, mit <strong>de</strong>r<br />

Strategie in Bereiche (Bildung, Kultur)<br />

vordringen zu wollen, in <strong>de</strong>nen sie gemäß<br />

ihrer Konstitution keine Kompetenz<br />

besitzt.<br />

On the move<br />

- ist eine Website, die <strong>de</strong>r Information<br />

für professionelle Mobilität in <strong>de</strong>n Bereichen<br />

Theater, Tanz, Musik und an<strong>de</strong>ren<br />

Disziplinen <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Kunst<br />

gewidmet ist. Manchmal wird <strong>de</strong>r/<br />

die UserIn an einen Link zu einer bestimmten<br />

Organisation o<strong>de</strong>r zu einem<br />

spezifischen Programm verwiesen, ein<br />

an<strong>de</strong>res Mal wird er/sie auf eine Frage<br />

eine allgemeine Auskunft erhalten. Die<br />

Information weist aber immer in eine<br />

bestimmte Richtung. On the move richtet<br />

sich hauptsächlich an professionelle<br />

Akteure im Bereich <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n<br />

Künste aus Europa und <strong>de</strong>r ganzen<br />

Welt.<br />

www.on-the-move.org<br />

Pearle*<br />

- ist <strong>de</strong>r europaweite Verband <strong>de</strong>r Arbeitgeberorganisationen<br />

<strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n<br />

Künste, gegrün<strong>de</strong>t 1991. Pearle*<br />

(Performing Arts Employers Associations<br />

League Europe) repräsentiert<br />

durch seine Mitgliedsgesellschaften<br />

(members associations) nahezu 4.000<br />

Theater, Schauspielensembles (theatre<br />

production companies), Orchester und<br />

musikalische Ensembles, Opernhäuser,<br />

Ballett- und Tanzensembles, Festivals<br />

und vergleichbare Organisationen.<br />

www.pearle.ws<br />

Pet<strong>iti</strong>on zur Grundsicherung <strong>de</strong>r<br />

Künstler<br />

Der Schauspieler Uwe Michael Wiebking<br />

hat beim Deutschen Bun<strong>de</strong>stag eine Pet<strong>iti</strong>on<br />

eingereicht: „Der Deutsche Bun<strong>de</strong>stag<br />

möge beschließen, dass die Auswirkungen<br />

<strong>de</strong>r Einführung <strong>de</strong>r Grundsicherung<br />

für Arbeitssuchen<strong>de</strong> auf Künstler<br />

(Schauspieler, Sänger, Tänzer etc.) überprüft<br />

wer<strong>de</strong>n. Ferner sollen die verschärften<br />

Anspruchsvoraussetzungen für das<br />

Arbeitslosengeld I seit <strong>de</strong>m 01.01.2005<br />

aufgehoben und die alte Rechtslage<br />

wie<strong>de</strong>r in Kraft gesetzt wer<strong>de</strong>n.“ Diese<br />

Pet<strong>iti</strong>on ist offiziell (Stand: 31.10.<strong>2007</strong>)<br />

von 10.639 Unterstützern mitgezeichnet<br />

wor<strong>de</strong>n. Wie <strong>de</strong>r Pet<strong>iti</strong>onsausschuss <strong>de</strong>s<br />

Deutschen Bun<strong>de</strong>stages damit verfährt<br />

ist <strong>de</strong>rzeit unklar.<br />

http://itc.napier.ac.uk/e-Pet<strong>iti</strong>on/Bun<strong>de</strong>stag/view_pet<strong>iti</strong>on.asp?Pet<strong>iti</strong>onID=369<br />

pro Helvetia<br />

Die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia<br />

ist eine Stiftung öffentlichen Rechts<br />

mit <strong>de</strong>m Auftrag, kulturelle Bestrebungen<br />

von gesamtschweizerischem<br />

Interesse zu för<strong>de</strong>rn. Sie wur<strong>de</strong> 1939<br />

gegrün<strong>de</strong>t und wird vollumfänglich<br />

vom schweizerischen Bun<strong>de</strong>sstaat finanziert.<br />

Die Stiftung ist bestrebt, für<br />

Schweizer Kulturschaffen<strong>de</strong> die bestmöglichen<br />

Bedingungen für die Entstehung<br />

und Verbreitung ihrer Werke zu<br />

schaffen. Sie verhilft ihnen im In- und<br />

Ausland zu einem überzeugen<strong>de</strong>n Auftritt<br />

und ermöglicht Begegnungen mit<br />

Kulturschaffen<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rer Län<strong>de</strong>r.<br />

In Schwerpunktbereichen gestaltet Pro<br />

Helvetia auch eigene Programme. Dazu<br />

gehören die Verständigung im Inland,<br />

<strong>de</strong>r Interkulturelle Dialog, die Volkskultur<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Tanz.<br />

www.pro-helvetia.ch<br />

Relais Culture Europe<br />

Relais Culture Europe wur<strong>de</strong> 1998 auf<br />

In<strong>iti</strong>ative <strong>de</strong>r europäischen Kommission<br />

und <strong>de</strong>m Ministerium für Kultur und<br />

Kommunikation als französischer CCP<br />

für das EU-Programm Kultur 2000 errichtet.<br />

Darüber hinaus übernimmt <strong>de</strong>r<br />

Relais Culture Europe einzelne Projekte,<br />

die ihm vom Ministerium für Kultur<br />

und Kommunikation, <strong>de</strong>r europäischen<br />

Kommission o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Institutionen,<br />

die europäische kulturelle Zusammenarbeit<br />

för<strong>de</strong>rn, übertragen wer<strong>de</strong>n.<br />

www.relais-culture-europe.org<br />

Soros Foundation / Open Society Institute<br />

(OSI)<br />

- wur<strong>de</strong> 1993 von <strong>de</strong>m Investor George<br />

Soros ins Leben gerufen, um <strong>de</strong>ssen<br />

Stiftungen in Zentral- und Osteuropa<br />

und <strong>de</strong>r ehem. Sowjetunion zu unterstützen,<br />

welche sich seit 1984 darum<br />

bemühten, Län<strong>de</strong>rn beim Übergang<br />

vom Kommunismus zu einer <strong>de</strong>mokratischen<br />

Ordnung zu helfen. Heute besteht<br />

<strong>de</strong>r erweiterte Auftrag von OSI in<br />

<strong>de</strong>r Hilfe für Län<strong>de</strong>r, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Übergang<br />

zur Demokratie von beson<strong>de</strong>rer<br />

Dringlichkeit ist.<br />

www.soros.org<br />

stability pact<br />

Der Stabilitäts-und Wachstumspakt<br />

(kurz: Euro-Stabilitätspakt) ist eine Vereinbarung,<br />

welche im Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Wirtschafts- und Währungsunion für<br />

einen stabilen Euro sorgen soll, in<strong>de</strong>m<br />

vor allem die Neuverschuldung <strong>de</strong>r Mitgliedstaaten<br />

begrenzt wird. Der Pakt<br />

for<strong>de</strong>rt von <strong>de</strong>n Eurolän<strong>de</strong>rn in wirtschaftlich<br />

normalen Zeiten einen annähernd<br />

ausgeglichenen Staatshaushalt,<br />

damit in wirtschaftlich ungünstigen<br />

Zeiten Spielraum besteht, durch eine<br />

Erhöhung <strong>de</strong>r Staatsausgaben die Wirtschaft<br />

zu stabilisieren.<br />

Steering Committee<br />

Gemeint ist das Steering Committee<br />

<strong>de</strong>r Berliner Konferenz. Es berät, unterstützt<br />

und stärkt die In<strong>iti</strong>ative <strong>de</strong>r Berliner<br />

Konferenz auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r aktiven<br />

Pol<strong>iti</strong>k, vornehmlich im Europäischen<br />

Parlament. Hans-Gert Pöttering, Präsi<strong>de</strong>nt<br />

<strong>de</strong>s Europäischen Parlaments, hat<br />

<strong>de</strong>n Vorsitz und die Schirmherrschaft<br />

im Steering Committee, <strong>de</strong>m auch <strong>de</strong>r<br />

Anhang<br />

73


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

EU-Kommissar für Kultur, Jan Figel’, angehört.<br />

Mitglie<strong>de</strong>r sind weitere EU-Parlamentarier.<br />

Strukturfonds<br />

Die EU hat auf Grundlage <strong>de</strong>s EG-Vertrags<br />

Strukturfonds eingerichtet, aus<br />

<strong>de</strong>nen ärmere EU-Län<strong>de</strong>r und Regionen<br />

Hilfen erhalten. Dabei sind die Europäischen<br />

Fonds für regionale Entwicklung<br />

(EFRE) wichtige Strukturfonds, die für<br />

<strong>de</strong>n wirtschaftlichen Aufholprozess<br />

<strong>de</strong>r ärmeren Regionen sorgen sollen.<br />

So wer<strong>de</strong>n u. a. Infrastrukturprojekte<br />

durchgeführt. Eines <strong>de</strong>r EFRE-Ziele lautet<br />

„Europäische territoriale Zusammenarbeit”,<br />

d.h. die grenzüberschreiten<strong>de</strong><br />

wirtschaftliche und soziale Entwicklung<br />

sowie die transnationale Zusammenarbeit.<br />

Dies kann auch <strong>de</strong>n Kulturbereich<br />

betreffen.<br />

Die EU-Strukturfonds wur<strong>de</strong>n für die<br />

kommen<strong>de</strong> För<strong>de</strong>rperio<strong>de</strong> <strong>2007</strong>-2013<br />

neu ausgerichtet.<br />

Subsidiaritätsprinzip<br />

Subsidiarität (lat. zurücktreten, nachrangig<br />

sein) ist eine pol<strong>iti</strong>sche und gesellschaftliche<br />

Maxime und stellt Selbstverantwortung<br />

vor staatliches Han<strong>de</strong>ln.<br />

Demnach sind bei einer staatlich zu lösen<strong>de</strong>n<br />

Aufgabe zuerst und im Zweifel<br />

die untergeordneten, lokalen Glie<strong>de</strong>r<br />

wie Stadt, Gemein<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Kommune<br />

für die Umsetzung zuständig, während<br />

übergeordnete Glie<strong>de</strong>r zurücktreten.<br />

Das Subsidiaritätsprinzip ist eine wichtige<br />

Grundlage <strong>de</strong>r Europäischen Union,<br />

um die Organe <strong>de</strong>r EU in <strong>de</strong>r europäischen<br />

Gesetzgebung zu beschränken.<br />

Weißbuch-Prozess<br />

Das Weißbuch im ursprünglichen Sinn<br />

ist eines <strong>de</strong>r internationalen Bunt- o<strong>de</strong>r<br />

Farbbücher. Darunter versteht man Dokumentensammlungen,<br />

die die Regierung<br />

eines Staates veröffentlicht, um<br />

Orientierung über pol<strong>iti</strong>sche Fragen zu<br />

geben.<br />

Die von <strong>de</strong>r Europäischen Kommission<br />

veröffentlichten Weißbücher enthalten<br />

Vorschläge für ein gemeinschaftliches<br />

Vorgehen in einem bestimmten Bereich.<br />

Sie knüpfen zum Teil an Grünbücher an,<br />

die einen Konsultationsprozess auf europäischer<br />

Ebene in Gang setzen. Wird<br />

ein Weißbuch vom Rat pos<strong>iti</strong>v aufgenommen,<br />

kann aus ihm ein Aktionsprogramm<br />

<strong>de</strong>r Union für <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n<br />

Bereich entstehen.<br />

World Dance Alliance<br />

- ist ein Netzwerk, das 1990 bei <strong>de</strong>r<br />

Hong Kong International Dance Conference<br />

gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, um <strong>de</strong>n Zugang<br />

und das Verständnis von Tanz als<br />

künstlerischen Ausdruck und Mittel <strong>de</strong>r<br />

Verständigung und I<strong>de</strong>ntifikation <strong>de</strong>r<br />

verschie<strong>de</strong>nen Kulturen <strong>de</strong>r Welt zu begreifen.<br />

Ziel ist die Interessenvertretung,<br />

För<strong>de</strong>rung und Unterstützung aller sich<br />

mit Tanz beschäftigen<strong>de</strong>n Menschen.<br />

Sowohl Einzelpersonen als auch Organisationen<br />

können sich in <strong>de</strong>n Zentren<br />

<strong>de</strong>s WDA informieren und beraten lassen.<br />

Diese Zentren bil<strong>de</strong>n gleichze<strong>iti</strong>g<br />

ein Forum für <strong>de</strong>n Austausch von I<strong>de</strong>en<br />

und Erfahrungen in allen Bereichen <strong>de</strong>s<br />

Tanzes.<br />

www.yorku.ca/wda/<br />

MITTEILUNG DER KOMMISSION<br />

AN DAS EUROPÄISCHE<br />

PARLAMENT, DEN RAT, DEN<br />

EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS-<br />

UND SOZIALAUSSCHUSS UND<br />

DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN<br />

über eine europäische<br />

Kulturagenda im Zeichen <strong>de</strong>r<br />

Globalisierung<br />

Kultur ist die Gesamtheit aller<br />

Träume und Mühen, die auf die<br />

volle Entfaltung <strong>de</strong>s Menschen<br />

ausgerichtet sind. Die Kultur braucht<br />

diesen scheinbar wi<strong>de</strong>rsprüchlichen<br />

Pakt: Die Vielfalt zum Grundsatz <strong>de</strong>r<br />

Einheit machen, die Unterschie<strong>de</strong><br />

vertiefen, aber nicht um zu teilen,<br />

son<strong>de</strong>rn um zu bereichern. Europa<br />

ist eine Kultur o<strong>de</strong>r es bleibt<br />

be<strong>de</strong>utungslos.<br />

Denis <strong>de</strong> Rougemont<br />

1. Einleitung<br />

Kultur ist die Seele <strong>de</strong>r menschlichen<br />

Entwicklung und Zivilisation. Die Kultur<br />

lässt uns hoffen und träumen, in<strong>de</strong>m sie<br />

unsere Sinne anregt und neue Sichtweisen<br />

<strong>de</strong>r Wirklichkeit bietet. Sie bringt<br />

die Menschen zusammen, in<strong>de</strong>m sie<br />

<strong>de</strong>n Dialog anfacht und Lei<strong>de</strong>nschaften<br />

weckt, aber auf eine Art, die eint anstatt<br />

entzweit. Kultur sollte verstan<strong>de</strong>n wer-<br />

<strong>de</strong>n als eine bestimmte Anzahl unverwechselbarer<br />

geistiger und materieller<br />

Züge, die eine Gesellschaft und eine<br />

gesellschaftliche Gruppe kennzeichnet.<br />

Darunter fallen die Literatur und die<br />

Künste, aber auch Lebensweisen, Wertesysteme,<br />

Trad<strong>iti</strong>onen und Überzeugungen.<br />

Dario Fo beschrieb dies treffend so:<br />

„Noch bevor Europa wirtschaftlich geeint<br />

war o<strong>de</strong>r aufgrund von Wirtschafts- und<br />

Han<strong>de</strong>lsinteressen Gestalt annahm, war<br />

es eine Kultur, die alle europäischen Län<strong>de</strong>r<br />

einte. Die schönen Künste, Literatur,<br />

Musik, sie sind die Klammer, die Europa<br />

zusammenhält“. Tatsächlich haben die<br />

Europäer ein gemeinsames Kulturerbe,<br />

das Ergebnis mehrerer hun<strong>de</strong>rt Jahre <strong>de</strong>r<br />

Kreativität und <strong>de</strong>s Austauschs durch<br />

Wan<strong>de</strong>rungsbewegungen. Gleichze<strong>iti</strong>g<br />

herrscht eine große kulturelle und<br />

sprachliche Vielfalt, die viele Län<strong>de</strong>r auf<br />

<strong>de</strong>r ganzen Welt inspiriert hat und dies<br />

noch immer tut.<br />

Die Einzigartigkeit und <strong>de</strong>r Erfolg <strong>de</strong>r<br />

Europäischen Union liegen in ihrer Fähigkeit<br />

begrün<strong>de</strong>t, Geschichte, Sprache<br />

und Kultur <strong>de</strong>r Mitgliedstaaten zu respektieren,<br />

die zwar verschie<strong>de</strong>n, aber<br />

doch miteinan<strong>de</strong>r verflochten sind, und<br />

gleichze<strong>iti</strong>g eine Gemeinschaft aufzubauen,<br />

in <strong>de</strong>r Verständnis füreinan<strong>de</strong>r<br />

herrscht und in <strong>de</strong>r Regeln befolgt<br />

wer<strong>de</strong>n, wodurch Frie<strong>de</strong>n, Stabilität,<br />

Wohlstand und Solidarität und somit<br />

ein enormer Reichtum an kulturellem<br />

Erbe und schöpferischem Schaffen, <strong>de</strong>r<br />

durch Erweiterungen noch vergrößert<br />

wird, gewährleistet sind. Aufgrund dieser<br />

Einheit in <strong>de</strong>r Vielfalt sind <strong>de</strong>r Respekt<br />

<strong>de</strong>r kulturellen und sprachlichen Vielfalt<br />

und die För<strong>de</strong>rung eines gemeinsamen<br />

kulturellen Erbes zentrale Anliegen <strong>de</strong>s<br />

europäischen Projekts. Im Angesicht<br />

<strong>de</strong>r Globalisierung kann darauf weniger<br />

<strong>de</strong>nn je verzichtet wer<strong>de</strong>n.<br />

Im Europa von heute ist <strong>de</strong>r kulturelle<br />

Austausch so lebendig und dynamisch<br />

wie nie zuvor. Mit <strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n EG-<br />

Vertrag ermöglichten Freizügigkeit wur<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r kulturelle Austausch und Dialog<br />

über Grenzen hinweg enorm geför<strong>de</strong>rt.<br />

Die kulturelle Betätigung und die Nachfrage<br />

nach Kulturgütern wachsen an,<br />

und die neuen Kommunikationstechnologien<br />

bieten noch nie dagewesene<br />

Zugangsmöglichkeiten. Gleichze<strong>iti</strong>g hat<br />

durch die Globalisierung die Begegnung<br />

mit an<strong>de</strong>ren Kulturen in aller Welt<br />

zugenommen. Dies hat unsere Neugier<br />

erhöht und uns mehr Möglichkeiten<br />

gegeben, <strong>de</strong>n Austausch mit an<strong>de</strong>ren<br />

Kulturen zu suchen und von ihnen zu<br />

lernen, wodurch die Vielfalt unserer Gesellschaften<br />

noch größer gewor<strong>de</strong>n ist;<br />

allerdings wur<strong>de</strong> dadurch auch Europas<br />

I<strong>de</strong>ntität in Frage gestellt und seine Fähigkeit,<br />

interkulturelle und kohäsive Gesellschaften<br />

zu gewährleisten.<br />

Die kulturelle Vielfalt und <strong>de</strong>r interkulturelle<br />

Dialog sind weltweit zu einer<br />

großen Herausfor<strong>de</strong>rung gewor<strong>de</strong>n für<br />

eine globale Ordnung, die auf Frie<strong>de</strong>n,<br />

<strong>de</strong>m gegense<strong>iti</strong>gen Verständnis und<br />

<strong>de</strong>m Respekt gemeinsamer Werte mit<br />

<strong>de</strong>r Wahrung und För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Men-<br />

74


schenrechte und <strong>de</strong>m Schutz <strong>de</strong>r Sprachen<br />

beruht. Ein wesentlicher Schritt in<br />

diesem Zusammenhang ist das Inkrafttreten<br />

<strong>de</strong>s UNESCO-Übereinkommens<br />

über <strong>de</strong>n Schutz und die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Vielfalt kultureller Ausdrucksformen am<br />

18. März <strong>2007</strong>, zu <strong>de</strong>m die EU einen<br />

wichtigen Beitrag geleistet hat.<br />

Kultureller Reichtum und Vielfalt Europas<br />

sind eng mit seiner Rolle und seinem<br />

Einfluss in <strong>de</strong>r Welt verbun<strong>de</strong>n. Die<br />

Europäische Union ist nicht einfach ein<br />

wirtschaftlicher Prozess o<strong>de</strong>r eine Han<strong>de</strong>lsmacht,<br />

sie gilt bei vielen – und das<br />

zu Recht – als bisher einmaliges und erfolgreiches<br />

soziales und kulturelles Projekt.<br />

Schon jetzt ist die Europäische Union<br />

ein Beispiel für eine „sanfte Macht“,<br />

eine Rolle, die es zu verstärken gilt.<br />

Diese Rolle stützt sich auf Normen und<br />

Werte wie Menschenwerte, Solidarität,<br />

Toleranz, Meinungsfreiheit, Respekt <strong>de</strong>r<br />

Vielfalt und Dialog zwischen Kulturen<br />

– Werte, die für die ganze Welt als Inspirationsquelle<br />

dienen können, sofern<br />

sie aufrecht erhalten und geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />

Europas auf Vielfalt beruhen<strong>de</strong>r kultureller<br />

Reichtum ist zu<strong>de</strong>m auch immer<br />

mehr ein großer Vorzug in einer virtuellen<br />

und wissensbasierten Welt. Der<br />

Kultursektor in Europa ist bereits jetzt<br />

ein äußerst dynamischer Katalysator für<br />

Wirtschaftswachstum und Arbeitsplatzschaffung<br />

in <strong>de</strong>r gesamten EU. Kulturelle<br />

Tätigkeiten för<strong>de</strong>rn auch eine integrative<br />

Gesellschaft und tragen dazu<br />

bei, Armut und soziale Ausgrenzung zu<br />

verhin<strong>de</strong>rn und zu vermin<strong>de</strong>rn. In seinen<br />

Schlussfolgerungen auf <strong>de</strong>r Frühjahrstagung<br />

<strong>2007</strong> hat <strong>de</strong>r Europäische<br />

Rat anerkannt, dass kreative Unternehmer<br />

und eine lebendige Kulturindustrie<br />

eine einzigartige Innovationsquelle für<br />

die Zukunft darstellen. Dieses Potenzial<br />

muss noch stärker zur Geltung gebracht<br />

und voll genutzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Zweck <strong>de</strong>r Mitteilung<br />

Es herrscht ein zunehmen<strong>de</strong>s Bewusstsein<br />

dafür, dass die EU ihren kulturellen<br />

Reichtum und ihre kulturelle Vielfalt zur<br />

Geltung bringen sollte, sowohl innerhalb<br />

als auch außerhalb von Europa.<br />

Zu<strong>de</strong>m wird anerkannt, dass die Kultur<br />

unverzichtbar ist, damit die EU ihre strategischen<br />

Ziele Wohlstand, Solidarität<br />

und Sicherheit erreichen und gleichze<strong>iti</strong>g<br />

ihre Präsenz auf <strong>de</strong>r internationalen<br />

Bühne ausbauen kann.<br />

Auf <strong>de</strong>r Grundlage eingehen<strong>de</strong>r Anhörungen<br />

wird in dieser Mitteilung das<br />

Verhältnis zwischen Kultur und Europa<br />

im Zeichen <strong>de</strong>r Globalisierung erforscht<br />

und wer<strong>de</strong>n Ziele für eine neue EU-Kulturagenda<br />

vorgeschlagen. Diese Agenda<br />

muss Unterstützung bei allen Stakehol<strong>de</strong>rn<br />

(Kommission, Mitgliedstaaten<br />

sowie Zivilgesellschaft und Europäisches<br />

Parlament) fin<strong>de</strong>n können. Die Kommission<br />

wird sich daher auch bemühen,<br />

neue Partnerschaften aufzubauen und<br />

Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Zusammenarbeit zu entwickeln.<br />

2. Beitrag <strong>de</strong>r EU zur Kultur<br />

Gemeinhin ist „Kultur“ ein komplexer<br />

Begriff. Gemeint sein können die schönen<br />

Künste, einschließlich <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nsten<br />

Kunstwerke, Kulturgüter und<br />

-dienstleistungen. „Kultur“ hat auch<br />

eine anthropologische Komponente.<br />

Sie ist die Grundlage für eine symbolische<br />

Welt von Be<strong>de</strong>utungen, Überzeugungen,<br />

Werten und Trad<strong>iti</strong>onen,<br />

die ihren Ausdruck fin<strong>de</strong>n in Sprache,<br />

Kunst, Religion und Mythen. Insofern<br />

spielt sie eine wesentliche Rolle in <strong>de</strong>r<br />

Entwicklung <strong>de</strong>r Menschheit und <strong>de</strong>m<br />

komplexen Geflecht von I<strong>de</strong>ntität und<br />

Gewohnheiten von Individuen und Gemeinschaften.<br />

Für die Zwecke dieser Mitteilung steht<br />

die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Facetten<br />

von Kultur bei <strong>de</strong>r Entwicklung<br />

von Strategien innerhalb und außerhalb<br />

<strong>de</strong>r EU im Mittelpunkt.<br />

Grundlage für das Tätigwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r EU<br />

im Kulturbereich ist <strong>de</strong>r Vertrag. Artikel<br />

151 hat folgen<strong>de</strong>n Wortlaut:<br />

„Die Gemeinschaft leistet einen Beitrag<br />

zur Entfaltung <strong>de</strong>r Kulturen <strong>de</strong>r Mitgliedstaaten<br />

unter Wahrung ihrer nationalen<br />

und regionalen Vielfalt sowie gleichze<strong>iti</strong>ger<br />

Hervorhebung <strong>de</strong>s gemeinsamen<br />

kulturellen Erbes.“<br />

„Die Gemeinschaft för<strong>de</strong>rt durch ihre<br />

Tätigkeit die Zusammenarbeit zwischen<br />

<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten und unterstützt und<br />

ergänzt erfor<strong>de</strong>rlichenfalls <strong>de</strong>ren Tätigkeit…“<br />

„Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten<br />

för<strong>de</strong>rn die Zusammenarbeit mit<br />

dritten Län<strong>de</strong>rn und <strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Kulturbereich<br />

zuständigen internationalen Organisationen,<br />

insbeson<strong>de</strong>re mit <strong>de</strong>m Europarat.“<br />

„Die Gemeinschaft trägt bei ihrer Tätigkeit<br />

aufgrund an<strong>de</strong>rer Bestimmungen dieses<br />

Vertrags <strong>de</strong>n kulturellen Aspekten Rechnung,<br />

insbeson<strong>de</strong>re zur Wahrung und<br />

För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Vielfalt ihrer Kulturen.“<br />

In erster Linie sind für Kultur die Mitgliedstaaten<br />

zuständig und dies wird<br />

daher auch weitgehend so bleiben; in<br />

einigen Län<strong>de</strong>rn ist diese Zuständigkeit<br />

zum größten Teil auf regionaler o<strong>de</strong>r gar<br />

lokaler Ebene angesie<strong>de</strong>lt. Zum Beispiel<br />

ist auf <strong>de</strong>r Grundlage von Artikel 151<br />

keine Harmonisierung <strong>de</strong>r Rechts- und<br />

Verwaltungsvorschriften möglich. Bei<br />

allen Maßnahmen <strong>de</strong>r EU muss also das<br />

Subsidiaritätsprinzip voll berücksichtigt<br />

wer<strong>de</strong>n, wonach die EU Maßnahmen<br />

<strong>de</strong>r Mitgliedstaaten unterstützt und<br />

ergänzt, aber nicht ersetzt, und dabei<br />

<strong>de</strong>ren Vielfalt respektiert und <strong>de</strong>n Austausch,<br />

<strong>de</strong>n Dialog und das gegense<strong>iti</strong>ge<br />

Verständnis för<strong>de</strong>rt.<br />

2.1. Die Rolle EU-interner Maßnahmen<br />

und Programme<br />

Mit ihren Programmen und Maßnahmen<br />

trägt die EU bereits auf vielfältige<br />

Art zur För<strong>de</strong>rung kultureller Tätigkeiten<br />

in Europa bei:<br />

• Die Kulturprogramme <strong>de</strong>r<br />

Gemeinschaft waren sehr erfolgreich.<br />

Im laufen<strong>de</strong>n Kulturprogramm (<strong>2007</strong>-<br />

2013) wird <strong>de</strong>r Weg weitergegangen<br />

durch die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s gegense<strong>iti</strong>gen<br />

Verständnisses, die Stimulierung von<br />

Kreativität und <strong>de</strong>n Beitrag zur gegense<strong>iti</strong>gen<br />

Bereicherung unserer Kulturen.<br />

Mit <strong>de</strong>m Programm wer<strong>de</strong>n Tausen<strong>de</strong><br />

von Kulturorganisationen dabei unterstützt,<br />

kulturelle und künstlerische Projekte<br />

zu gestalten und durchzuführen,<br />

die <strong>de</strong>r besseren und breiteren Kenntnis<br />

<strong>de</strong>s europäischen Kulturerbes sowie <strong>de</strong>r<br />

För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Kulturaustauschs, <strong>de</strong>r<br />

künstlerischen und literarischen Schöpfung<br />

sowie <strong>de</strong>r literarischen Übersetzung<br />

dienen. Unterstützt wer<strong>de</strong>n zu<strong>de</strong>m Einrichtungen,<br />

die auf europäischer Ebene<br />

kulturell tätig sind. Durch europäische<br />

Preise für Architektur, Kulturerbe und<br />

Musik sowie die In<strong>iti</strong>ative „Europäische<br />

Kulturhauptstädte“ wer<strong>de</strong>n große europäische<br />

Kulturerrungenschaften anerkannt.<br />

• Zahlreiche an<strong>de</strong>re Programme<br />

haben eine enorme Auswirkung auf die<br />

Kultur, entwe<strong>de</strong>r durch gezielte Kulturprojekte,<br />

<strong>de</strong>n Einsatz <strong>de</strong>r durch sie geför<strong>de</strong>rten<br />

Fremdsprachen, die enge Verbindung<br />

zwischen Lernen und Kultur<br />

o<strong>de</strong>r die durch sie herbeigeführten Kulturerfahrungen:<br />

Dazu zählen das Programm<br />

„Europa für Bürgerinnen und<br />

Bürger” (<strong>2007</strong>-2013), das ebenfalls auf<br />

<strong>de</strong>n die Kultur betreffen<strong>de</strong>n Artikel <strong>de</strong>s<br />

Vertrags beruht und die aktive europäische<br />

Staatsbürgerschaft för<strong>de</strong>rt sowie<br />

Programme, die lebenslanges Lernen<br />

(auch Erasmus und Erasmus Mundus),<br />

Mehrsprachigkeit und <strong>de</strong>n Austausch<br />

Jugendlicher unterstützen.<br />

• Die Sektoren Film und Audiovisuelles<br />

wer<strong>de</strong>n durch das Programm<br />

MEDIA abge<strong>de</strong>ckt, das seit 1991 läuft<br />

und die Wettbewerbsfähigkeit <strong>de</strong>r audiovisuellen<br />

Industrie in Europa stärkt. Ein<br />

weiteres Ziel ist die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Dialogs<br />

zwischen Kulturen, die Stärkung<br />

<strong>de</strong>s Bewusstseins <strong>de</strong>r europäischen<br />

Kulturen füreinan<strong>de</strong>r und die Entwicklung<br />

<strong>de</strong>s kulturellen Potenzials. Zu<strong>de</strong>m<br />

wur<strong>de</strong> am 16. November 2005 eine<br />

Empfehlung über das Filmerbe und die<br />

Wettbewerbsfähigkeit <strong>de</strong>r damit zusammenhängen<strong>de</strong>n<br />

Tätigkeiten verabschie<strong>de</strong>t,<br />

in <strong>de</strong>r konkrete Maßnahmen in diesem<br />

Bereich aufgezeigt wer<strong>de</strong>n.<br />

• Ein weiterer wichtiger Beitrag<br />

zur Kultur wird durch an<strong>de</strong>re För<strong>de</strong>rprogramme<br />

<strong>de</strong>r Gemeinschaft geleistet.<br />

So kann die Unterstützung durch<br />

die Kohäsionspol<strong>iti</strong>k o<strong>de</strong>r die Pol<strong>iti</strong>k<br />

zur Entwicklung <strong>de</strong>s ländlichen Raums<br />

Anhang<br />

75


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

eine wichtige För<strong>de</strong>rfunktion haben,<br />

beispielsweise durch die Wie<strong>de</strong>rherstellung<br />

<strong>de</strong>s Kulturerbes und die För<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r kunstschaffen<strong>de</strong>n Industrie, um die<br />

Attraktivität von Regionen zu erhöhen<br />

o<strong>de</strong>r die Fortbildung Kulturschaffen<strong>de</strong>r<br />

zu unterstützen. Dies gilt auch für die<br />

Entwicklung <strong>de</strong>r Informationsgesellschaft<br />

(z. B. durch die In<strong>iti</strong>ative „Digitale<br />

Bibliotheken“, die <strong>de</strong>n online-Zugang<br />

zu Europas vielfältigem kulturellen<br />

und wissenschaftlichen Erbe erleichtern<br />

soll) o<strong>de</strong>r die Forschung (durch die Forschungsrahmenprogramme).<br />

Auch zahlreiche Gemeinschaftsmaßnahmen<br />

spielen eine wichtige Rolle dabei,<br />

<strong>de</strong>n Rechtsrahmen für <strong>de</strong>n Kultursektor<br />

abzustecken.<br />

Bei Gemeinschaftsmaßnahmen nach<br />

Artikel 151 Absatz 4 <strong>de</strong>s Vertrags gilt<br />

es oft, das richtige Gleichgewicht zwischen<br />

verschie<strong>de</strong>nen leg<strong>iti</strong>men Zielen<br />

<strong>de</strong>r öffentlichen Pol<strong>iti</strong>k, wie etwa die<br />

För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r kulturellen Vielfalt, zu<br />

fin<strong>de</strong>n.<br />

• Es gibt einen engen Zusammenhang<br />

zwischen <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung von<br />

Kultur und Kreativität und <strong>de</strong>n urheberrechtlichen<br />

und damit zusammenhängen<strong>de</strong>n<br />

Vorschriften <strong>de</strong>r EU. Diese Vorschriften<br />

schützen die Rechte von Autoren,<br />

Produzenten und Künstlern, damit<br />

diese einen angemessenen Ausgleich<br />

für ihr Schaffen erhalten können, und<br />

ermöglichen eine weite Verbreitung von<br />

geschützten Arbeiten und Tonaufzeichnungen,<br />

wodurch mehr Bürger Zugang<br />

zum reichen und vielfältigen europäischen<br />

Kulturerbe erhalten.<br />

• Die 1989 verabschie<strong>de</strong>te<br />

Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“<br />

hat durch die Regelung <strong>de</strong>r grenzüberschreiten<strong>de</strong>n<br />

Ausstrahlung von Sendungen<br />

im europäischen Binnenmarkt<br />

einen Rechtsrahmen für <strong>de</strong>n freien Verkehr<br />

europäischer audiovisueller Inhalte<br />

in <strong>de</strong>r EU geschaffen; dies hat merklich<br />

zur größeren Vielfalt an Medien und<br />

Kulturprodukten beigetragen. Die kulturelle<br />

Vielfalt wird in diesem Zusammenhang<br />

auch durch die Unterstützung<br />

europäischer und unabhängiger<br />

Produktionen geför<strong>de</strong>rt.<br />

• Seit <strong>de</strong>r Einführung von Artikel<br />

87 Absatz 3 Buchstabe d durch <strong>de</strong>n<br />

Vertrag von Maastricht spielen bei <strong>de</strong>n<br />

staatlichen Beihilfen auch kulturelle Erwägungen<br />

eine Rolle. Unter dieser Bestimmung<br />

hat die Kommission in <strong>de</strong>r<br />

Vergangenheit ein breites Spektrum an<br />

Maßnahmen in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten<br />

gebilligt, die so unterschiedlichen Bereichen<br />

wie Museen, nationalen Denkmälern,<br />

Theater- und Musikproduktionen,<br />

gedruckten Kulturmedien sowie<br />

<strong>de</strong>m Sektor Film und Audiovisuelles zugute<br />

kamen.<br />

• In Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m<br />

Europarat wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>s offenen<br />

Denkmals sowie einige Aktionen in <strong>de</strong>n<br />

westlichen Balkanlän<strong>de</strong>rn durchgeführt.<br />

• Die EU hat das Jahr 2008 zum<br />

Europäischen Jahr <strong>de</strong>s interkulturellen<br />

Dialogs erklärt, um damit vorbildlichen<br />

Verfahren und Abläufen <strong>de</strong>s interkulturellen<br />

Dialogs Geltung und Be<strong>de</strong>utung<br />

zu verschaffen. Angestrebt wird damit<br />

eine nachhaltige Strategie für die Zeit<br />

nach 2008. Die Dimension <strong>de</strong>r Mehrsprachigkeit<br />

<strong>de</strong>s Dialogs wird dabei beson<strong>de</strong>re<br />

Berücksichtigung fin<strong>de</strong>n.<br />

• Mit Hilfe <strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n<br />

gemeinschaftlichen För<strong>de</strong>rprogramme<br />

möchte die Kommission schließlich<br />

2009 zum europäischen Jahr von Kreativität<br />

und Innovation durch Bildung und<br />

Kultur erklären, um dadurch die Öffentlichkeit<br />

zu sensibilisieren, die öffentliche<br />

Debatte in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten zu för<strong>de</strong>rn<br />

und zur Unterstützung von Kreativität,<br />

Innovation und interkulturellen<br />

Kompetenzen beizutragen.<br />

In <strong>de</strong>n letzten Jahren haben die Mitgliedstaaten<br />

neue Formen <strong>de</strong>r flexiblen<br />

Zusammenarbeit erforscht, um enger<br />

bei gemeinsamen Zielen kooperieren<br />

zu können. Der Rat hat einen mehrjährigen<br />

Arbeitsplan für <strong>de</strong>n Zeitraum<br />

2005-<strong>2007</strong> beschlossen, und bei einzelnen<br />

Aspekten, wie etwa <strong>de</strong>r Mobilität<br />

von Kunstsammlungen aus Museen,<br />

wur<strong>de</strong>n flexible Formen <strong>de</strong>r Zusammenarbeit<br />

entwickelt. Regelmäßige Ministerkonferenzen<br />

haben ebenfalls zum<br />

Austausch vorbildlicher Verfahren und<br />

zum Dialog über mögliche Maßnahmen<br />

beigetragen.<br />

Das Europäische Parlament hat in seinen<br />

Berichten und Empfehlungen regelmäßig<br />

eine engere Zusammenarbeit<br />

eingefor<strong>de</strong>rt. Der Europäische Wirtschafts-<br />

und Sozialausschuss und <strong>de</strong>r<br />

Ausschuss <strong>de</strong>r Regionen haben auf die<br />

Rolle <strong>de</strong>r organisierten Zivilgesellschaft<br />

und <strong>de</strong>r lokalen und regionalen Behör<strong>de</strong>n<br />

verwiesen.<br />

Aufgrund dieser Erfahrungen und <strong>de</strong>r<br />

Ergebnisse <strong>de</strong>r umfassen<strong>de</strong>n Anhörung<br />

zur Vorbereitung dieser Mitteilung ist<br />

die Kommission zu <strong>de</strong>m Schluss gelangt,<br />

dass es an <strong>de</strong>r Zeit ist, eine gemeinsame<br />

Kulturagenda und neue Partnerschaften<br />

und Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Zusammenarbeit<br />

mit <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten, <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft<br />

und Drittlän<strong>de</strong>rn zu entwickeln.<br />

2.2. Die Außenbeziehungen <strong>de</strong>r EU<br />

Die Kultur ist anerkanntermaßen ein<br />

wichtiger Teil <strong>de</strong>r großen Programme<br />

und Instrumente <strong>de</strong>r EU für Zusammenarbeit<br />

sowie <strong>de</strong>r bilateralen Abkommen<br />

<strong>de</strong>r Union mit Drittlän<strong>de</strong>rn. Sie ist auch<br />

ein Schlüsselelement <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Europarat<br />

entwickelten Zusammenarbeit,<br />

die in <strong>de</strong>r gemeinsamen Durchführung<br />

<strong>de</strong>s „Tags <strong>de</strong>s offenen Denkmals” und<br />

einigen Aktionen in <strong>de</strong>n westlichen<br />

Balkanlän<strong>de</strong>rn mün<strong>de</strong>te.<br />

Viele Jahre wur<strong>de</strong> ein breites Spektrum<br />

an Kulturprojekten und -programmen<br />

als Teil <strong>de</strong>r finanziellen und technischen<br />

Hilfe <strong>de</strong>r Union in allen Entwicklungsregionen<br />

<strong>de</strong>r Welt durchgeführt. Diese<br />

Aktionen zielten auf die Erhaltung und<br />

Restauration <strong>de</strong>s Kulturerbes, die Produktion<br />

und Verbreitung von Kunstwerken,<br />

die Gründung o<strong>de</strong>r Restaurierung<br />

von Museen, <strong>de</strong>n Kompetenzaufbau bei<br />

lokalen Kulturakteuren und Künstlern<br />

sowie die Veranstaltung großer Kulturereignisse.<br />

Die Kommission unterstützt<br />

mit finanziellen Mitteln und In<strong>iti</strong>ativen<br />

neue und bereits etablierte Kulturindustrien<br />

in <strong>de</strong>n Partnerlän<strong>de</strong>rn, vor allem<br />

in <strong>de</strong>n Bereichen Film und Audiovisuelles,<br />

sowie <strong>de</strong>n Zugang zu Kultur und<br />

kultureller Vielfalt in Drittlän<strong>de</strong>rn auf lokaler<br />

Ebene.<br />

Eng verbun<strong>de</strong>n damit ist das zunehmen<strong>de</strong><br />

Engagement <strong>de</strong>r Union zum<br />

Schutz und zur Stärkung <strong>de</strong>r Menschenrechte,<br />

auch <strong>de</strong>r kulturellen Rechte, <strong>de</strong>r<br />

Rechte einheimischer Völker sowie <strong>de</strong>r<br />

Rechte von Min<strong>de</strong>rheiten und sozial<br />

ausgegrenzter Menschen.<br />

Der interkulturelle Dialog als eines <strong>de</strong>r<br />

Hauptinstrumente für Frie<strong>de</strong>n und Konfliktvermeidung<br />

ist offensichtlich eines<br />

<strong>de</strong>r grundlegen<strong>de</strong>n Ziele solcher Aktionen.<br />

Entsprechen<strong>de</strong> Schwerpunktaktionen<br />

in diesem Bereich wur<strong>de</strong>n durch<br />

<strong>de</strong>n Anstoß einer vom Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r<br />

Kommission eingesetzten beraten<strong>de</strong>n<br />

Gruppe eingeleitet und führten unter<br />

an<strong>de</strong>rem zur Gründung <strong>de</strong>r Anna-<br />

Lindh-Stiftung Europa/Mittelmeer für<br />

<strong>de</strong>n Kulturdialog in Alexandria sowie<br />

zur Aufnahme einer gezielten Debatte<br />

in die pol<strong>iti</strong>schen Gespräche mit vielen<br />

Drittlän<strong>de</strong>rn.<br />

Zu<strong>de</strong>m hat die Kommission unlängst<br />

damit begonnen, ihre öffentliche Diplomatie<br />

zu verstärken, auch durch Kulturereignisse,<br />

wobei häufig kulturelle Institutionen<br />

in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten einbezogen<br />

sind, um in Drittlän<strong>de</strong>rn wichtige<br />

Botschaften über Europa, seine I<strong>de</strong>ntität<br />

und die Erfahrungen mit <strong>de</strong>m Brückenschlag<br />

zwischen verschie<strong>de</strong>nen Kulturen<br />

zu vermitteln<br />

Im allgemeineren Rahmen hat die<br />

Kommission unter <strong>de</strong>r Finanziellen Vorausschau<br />

<strong>2007</strong>-2013 mehrjährige thematische<br />

Programme vorgeschlagen,<br />

um Gemeinschaftsinterventionen in<br />

Entwicklungslän<strong>de</strong>rn und -regionen einerseits<br />

und auf internationaler Ebene<br />

an<strong>de</strong>rerseits zu finanzieren. Die thematischen<br />

Programme „In die Menschen<br />

investieren” und „Nichtstaatliche Akteure<br />

und lokale Behör<strong>de</strong>n im Entwicklungsprozess”<br />

sollen die geografische<br />

Zusammenarbeit durch die Län<strong>de</strong>rstrategiepapiere<br />

im Kulturbereich ergänzen.<br />

Aus aktuellen Umfragen geht ein<strong>de</strong>utig<br />

hervor, dass die große Mehrheit<br />

<strong>de</strong>r europäischen Bürgerinnen und Bürger<br />

– angeführt von <strong>de</strong>n Staats-und Regierungschefs<br />

im Juni 2006 – für Europa<br />

unter <strong>de</strong>m Druck <strong>de</strong>r Globalisierung eine<br />

76


stärkere Präsenz auf <strong>de</strong>r Weltbühne und<br />

eine Außenpol<strong>iti</strong>k wünschen, die europäische<br />

Werte <strong>de</strong>utlich zum Ausdruck<br />

bringt. Die Kultur ist selbstverständlich<br />

ein Kernbereich dieses mehrse<strong>iti</strong>gen,<br />

auf Konsens aufbauen<strong>de</strong>n Ansatzes.<br />

Die rasche Umsetzung <strong>de</strong>s UNESCO-<br />

Übereinkommens über <strong>de</strong>n Schutz und<br />

die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Vielfalt kultureller<br />

Ausdrucksformen unterstreicht die neue<br />

Rolle <strong>de</strong>r kulturellen Vielfalt auf internationaler<br />

Ebene: Die Gemeinschaft und<br />

ihre Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet,<br />

eine neue kulturelle Säule <strong>de</strong>s<br />

globalen Regierens und <strong>de</strong>r nachhaltigen<br />

Entwicklung zu stärken, vor allem<br />

durch die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r internationalen<br />

Zusammenarbeit.<br />

3. Ziele einer europäischen Kulturagenda<br />

Die 2006 durchgeführte ausführliche<br />

Konsultation hat <strong>de</strong>r Kommission die<br />

Erkenntnis gebracht, dass ein starker<br />

Konsens für eine neue Kulturagenda<br />

<strong>de</strong>r EU, die auf vergangene Errungenschaften<br />

aufbauen und laufen<strong>de</strong> Aktivitäten<br />

verstärken könnte, besteht. Die<br />

Agenda wür<strong>de</strong> sich an drei miteinan<strong>de</strong>r<br />

zusammenhängen<strong>de</strong>n Zielbereichen<br />

orientieren:<br />

• För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r kulturellen Vielfalt<br />

und <strong>de</strong>s interkulturellen Dialogs;<br />

• För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kultur als Katalysator<br />

für Kreativität im Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Strategie von Lissabon für Wachstum<br />

und Beschäftigung;<br />

• För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kultur als wesentlicher<br />

Bestandteil <strong>de</strong>r internationalen<br />

Beziehungen <strong>de</strong>r Union.<br />

An diesen Zielen wür<strong>de</strong>n sich die künftigen<br />

EU-Maßnahmen ausrichten. An<br />

alle Akteure wür<strong>de</strong> ein Appell gehen, bei<br />

voller Berücksichtigung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips<br />

einen Beitrag zu leisten.<br />

• Für die Mitgliedstaaten und<br />

ihre Regionen wür<strong>de</strong> dies be<strong>de</strong>uten,<br />

ihre Maßnahmen in diesen Bereichen<br />

mit Bezug auf gemeinsame Ziele weiterzuentwickeln<br />

und sich darum zu bemühen,<br />

gemeinsame Aktivitäten unter<br />

an<strong>de</strong>rem durch eine offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong><br />

und die Auslotung <strong>de</strong>r<br />

durch EU-Mittel gebotenen Möglichkeiten<br />

zu steuern.<br />

• Für die Stakehol<strong>de</strong>r im Kulturbereich,<br />

beispielsweise Berufsverbän<strong>de</strong>,<br />

kulturelle Einrichtungen, Nichtregierungsorganisationen,<br />

europäische<br />

Netze, Stiftungen, usw. wür<strong>de</strong> dies die<br />

Aufnahme eines intensiven Dialogs mit<br />

<strong>de</strong>n EU-Institutionen, die Unterstützung<br />

bei <strong>de</strong>r Entwicklung neuer Maßnahmen<br />

und Aktionen <strong>de</strong>r EU sowie die Entwicklung<br />

<strong>de</strong>s Dialogs untereineinan<strong>de</strong>r be<strong>de</strong>uten.<br />

• Für die Kommission wür<strong>de</strong> dies<br />

be<strong>de</strong>uten, dass sie ihre Innen- und Außenpol<strong>iti</strong>k<br />

und die gemeinschaftlichen<br />

För<strong>de</strong>rprogramme mobilisiert und ihre<br />

Rolle als In<strong>iti</strong>atorin sowie <strong>de</strong>n Austausch<br />

vorbildlicher Verfahren sowie <strong>de</strong>n Dialog<br />

mit sämtlichen Akteuren neu gestaltet.<br />

• Für alle Akteure wür<strong>de</strong> dies ein<br />

neues Verständnis <strong>de</strong>r Partnerschaft und<br />

<strong>de</strong>r Ownership bei <strong>de</strong>n EU-Aktionen zur<br />

Erreichung dieser Ziele be<strong>de</strong>uten.<br />

Im folgen<strong>de</strong>n Abschnitt sind diese allgemeinen<br />

Ziele ausführlicher erläutert.<br />

3.1. Kulturelle Vielfalt und interkultureller<br />

Dialog<br />

Die Kunst kann die Persönlichkeit junger<br />

Menschen prägen, um ihre Toleranz<br />

zu för<strong>de</strong>rn und in ihnen <strong>de</strong>n Respekt für<br />

an<strong>de</strong>re und <strong>de</strong>n Wunsch nach Frie<strong>de</strong>n zu<br />

wecken. Yehudi Menuhin<br />

Die Entfaltung <strong>de</strong>r Kulturen <strong>de</strong>r Mitgliedstaaten<br />

entsprechend ihrer nationalen<br />

und regionalen Vielfalt ist als<br />

wichtiges Ziel <strong>de</strong>r EU im EG-Vertrag<br />

festgeschrieben. Um gleichze<strong>iti</strong>g unser<br />

gemeinsames Erbe zu betonen und <strong>de</strong>n<br />

Beitrag aller in unseren Gesellschaften<br />

vertretenen Kulturen anzuerkennen,<br />

muss die kulturelle Vielfalt in einem Kontext<br />

<strong>de</strong>r Offenheit und <strong>de</strong>s Austauschs<br />

zwischen verschie<strong>de</strong>nen Kulturen genährt<br />

wer<strong>de</strong>n. Da wir in zunehmend<br />

multikulturellen Gesellschaften leben,<br />

gilt es daher, <strong>de</strong>n interkulturellen Dialog<br />

und die interkulturellen Kompetenzen<br />

zu för<strong>de</strong>rn. Dies ist auch sehr nützlich<br />

in einer globalen Wirtschaft im Hinblick<br />

auf die bessere Beschäftigungsfähigkeit,<br />

Anpassungsfähigkeit und Mobilität <strong>de</strong>r<br />

Künstler und <strong>de</strong>r im kulturellen Bereich<br />

Beschäftigten sowie auf die Mobilität<br />

von Kunstwerken. Da die Bürger großen<br />

Nutzen aus <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r kulturellen<br />

Vielfalt ziehen, müssen wir ihren<br />

Zugang zur Kultur und zu Kulturwerken<br />

för<strong>de</strong>rn.<br />

Folgen<strong>de</strong> spezifische Ziele sind zu setzen:<br />

• För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Mobilität von<br />

Künstlern und Beschäftigten im Kulturbereich<br />

sowie Verbreitung aller künstlerischen<br />

Ausdrucksformen über nationale<br />

Grenzen hinweg:<br />

– Mobilisierung öffentlicher und<br />

privater Geldquellen zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Mobilität von Künstlern und Beschäftigten<br />

<strong>de</strong>s Kultursektors innerhalb <strong>de</strong>r<br />

EU;<br />

– För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Mobilität von<br />

Kunstwerken und an<strong>de</strong>ren künstlerischen<br />

Ausdrucksformen;<br />

– Verbesserung <strong>de</strong>r europaweiten<br />

Koordinierung bei Aspekten, welche<br />

die Mobilität von Beschäftigten <strong>de</strong>s Kulturbetriebs<br />

innerhalb <strong>de</strong>r EU betreffen,<br />

um kurzfristigen und häufigen Aufenthalten<br />

in an<strong>de</strong>ren Mitgliedstaaten Rechnung<br />

zu tragen.<br />

• För<strong>de</strong>rung und Stärkung <strong>de</strong>r<br />

interkulturellen Kompetenzen und <strong>de</strong>s<br />

interkulturellen Dialogs, vor allem durch<br />

die Entwicklung von „Kulturbewusstsein<br />

und -ausdruck“, „sozialen und zivilen<br />

Kompetenzen“ und „Kommunikation<br />

in Fremdsprachen“, was alles zu <strong>de</strong>n<br />

Schlüsselkompetenzen für lebenslanges<br />

Lernen zählt, die vom Europäischen Parlament<br />

und vom Rat 2006 aufgelistet<br />

wur<strong>de</strong>n.<br />

3.2. Kultur als Katalysator für Kreativität<br />

im Rahmen <strong>de</strong>r Strategie von Lissabon für<br />

Wachstum und Beschäftigung<br />

Die Intelligenz ist für die Schaffung<br />

von Unterschie<strong>de</strong>n programmiert.<br />

Francesco Alberoni<br />

Die Kulturindustrien und <strong>de</strong>r kreative<br />

Sektor tragen kräftig zu BIP, Wachstum<br />

und Beschäftigung in Europa bei. Einer<br />

jüngst für die Kommission durchgeführten<br />

unabhängigen Studie zufolge<br />

arbeiteten 2004 mehr als 5 Millionen<br />

Personen im Kultursektor, das entspricht<br />

3,1 % <strong>de</strong>r erwerbstätigen Bevölkerung<br />

insgesamt in EU-15. Der Kultursektor<br />

trug 2003 mit etwa 2,6 % zum BIP <strong>de</strong>r<br />

EU bei, wobei sein Wachstum zwischen<br />

1999 und 2003 erheblich stärker war<br />

als das <strong>de</strong>r Wirtschaft im Allgemeinen.<br />

Im Kontext <strong>de</strong>r Globalisierung sind diese<br />

Wirtschaftszweige und die durch sie<br />

geschaffene Kreativität ein erheblicher<br />

Wert für die Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit<br />

Europas.<br />

Die Rolle <strong>de</strong>r Kultur bei <strong>de</strong>r Unterstützung<br />

und För<strong>de</strong>rung von Kreativität und<br />

Innovation muss erforscht und verstärkt<br />

wer<strong>de</strong>n. Kreativität ist die Grundlage<br />

sozialer und technologischer Innovationen<br />

und damit eine wichtige Antriebskraft<br />

für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit<br />

und Arbeitsplätze in <strong>de</strong>r EU.<br />

Folgen<strong>de</strong> spezifische Ziele sind zu setzen:<br />

• För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kreativität in<br />

<strong>de</strong>r allgemeinen Bildung durch die<br />

Einbeziehung <strong>de</strong>s Kultursektors bei <strong>de</strong>r<br />

Nutzung <strong>de</strong>s Potenzials <strong>de</strong>r Kultur als<br />

konkretes Input/Tool für das lebenslange<br />

Lernen und durch die För<strong>de</strong>rung von<br />

Kultur und Künsten in <strong>de</strong>r nichtformalen<br />

und formalen Bildung (auch Fremdsprachenerwerb).<br />

• För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Kapazitätsaufbaus<br />

im Kultursektor durch die Unterstützung<br />

von Ausbildungsmaßnahmen<br />

in <strong>de</strong>n Bereichen Management und Unternehmertum,<br />

die Vermittlung <strong>de</strong>r europäischen<br />

Dimension/Marktaktivitäten<br />

sowie durch die Erschließung innovativer<br />

Geldquellen (auch Sponsorentum)<br />

und <strong>de</strong>n besseren Zugang dazu.<br />

• Aufbau kreativer Partnerschaften<br />

zwischen <strong>de</strong>m Kultursektor<br />

und an<strong>de</strong>ren Sektoren (IKT, Forschung,<br />

Tourismus, Sozialpartner usw.), um die<br />

soziale und wirtschaftliche Wirkung von<br />

Invest<strong>iti</strong>onen in Kultur und Kreativität<br />

zu verstärken, vor allem im Hinblick<br />

auf mehr Wachstum und Arbeitsplätze<br />

sowie die Entwicklung und Attraktivität<br />

von Regionen und Städten.<br />

3.3. Kultur als wichtiges Element <strong>de</strong>r internationalen<br />

Beziehungen<br />

Je<strong>de</strong> Kultur hat ihren Ursprung in <strong>de</strong>r Vermischung,<br />

<strong>de</strong>r Interaktion, <strong>de</strong>r Konfron-<br />

Anhang<br />

77


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

tation. Dies be<strong>de</strong>utet umgekehrt, dass<br />

die Zivilisation in Isolation stirbt. Octavio<br />

Paz<br />

Mit <strong>de</strong>r Unterzeichnung <strong>de</strong>s UNESCO-<br />

Übereinkommens über <strong>de</strong>n Schutz und<br />

die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Vielfalt kultureller<br />

Ausdrucksformen haben die Gemeinschaft<br />

und die Mitgliedstaaten ihr Engagement<br />

bei <strong>de</strong>r Entwicklung einer neuen<br />

und stärker pro-aktiven kulturellen Rolle<br />

Europas im Rahmen <strong>de</strong>r internationalen<br />

Beziehungen und bei <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r kulturellen Dimension als wichtiges<br />

Element in <strong>de</strong>n Beziehungen Europas<br />

mit Partnerlän<strong>de</strong>rn und -regionen bekräftigt.<br />

Dies sollte dazu beitragen, das<br />

Wissen über die europäischen Kulturen<br />

und ihr Verständnis in <strong>de</strong>r Welt zu för<strong>de</strong>rn.<br />

Wesentliche Voraussetzung für diese<br />

Einglie<strong>de</strong>rung ist die Entwicklung <strong>de</strong>s<br />

aktiven interkulturellen Dialogs mit allen<br />

Län<strong>de</strong>rn und Regionen, wobei Europa<br />

beispielsweise die sprachliche Bindung<br />

zu vielen Län<strong>de</strong>rn entgegenkommt. In<br />

diesem Zusammenhang sollten unbedingt<br />

auch <strong>de</strong>r Reichtum <strong>de</strong>r kulturellen<br />

Vielfalt unserer Partner geför<strong>de</strong>rt, die<br />

lokale I<strong>de</strong>ntität berücksichtigt, <strong>de</strong>r Zugang<br />

ländlicher Bevölkerungsgruppen<br />

zur Kultur geför<strong>de</strong>rt und eine wirtschaftliche<br />

Ressource entwickelt wer<strong>de</strong>n, die<br />

direkte Auswirkungen auf die sozio-ökonomische<br />

Entwicklung hat.<br />

Vor diesem Hintergrund wird die EU einen<br />

„zweigleisigen“ Ansatz verfolgen:<br />

• Systematische Einglie<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r kulturellen Dimension und verschie<strong>de</strong>ner<br />

kultureller Komponenten in alle<br />

Massnahmen, Projekte und Programme<br />

<strong>de</strong>r Aussenbeziehungen und <strong>de</strong>r Entwicklungspol<strong>iti</strong>k<br />

als Mittel zur Stärkung<br />

<strong>de</strong>r Qualität <strong>de</strong>r diplomatischen Tätigkeiten<br />

und <strong>de</strong>r Berechtigung und Nachhaltigkeit<br />

aller Kooperationstätigkeiten<br />

<strong>de</strong>r EU;<br />

• Unterstützung spezifischer kultureller<br />

Aktionen und Veranstaltungen<br />

– die Kultur ist eine eigenständige Ressource<br />

und <strong>de</strong>r Zugang dazu sollte bei<br />

entwicklungspol<strong>iti</strong>schen Maßnahmen<br />

einen Schwerpunkt bil<strong>de</strong>n.<br />

Folgen<strong>de</strong> spezifischen Ziele sind zu setzen:<br />

• Weiterer Ausbau <strong>de</strong>s pol<strong>iti</strong>schen<br />

Dialogs mit allen Län<strong>de</strong>rn und<br />

Regionen im Kulturbereich und För<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>s kulturellen Austauschs zwischen<br />

<strong>de</strong>r EU und an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn und<br />

Regionen;<br />

• För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Zugangs zu<br />

europäischen und an<strong>de</strong>ren Märkten<br />

für Kulturgüter und -dienstleistungen<br />

aus Entwicklungslän<strong>de</strong>rn durch gezielte<br />

Aktionen und Abkommen, die eine bevorzugte<br />

Behandlung ermöglichen o<strong>de</strong>r<br />

durch han<strong>de</strong>lsbezogene Hilfsmassnahmen;<br />

• Nutzung <strong>de</strong>r Aussenbeziehungen<br />

und <strong>de</strong>r Entwicklungspol<strong>iti</strong>k<br />

zum Schutz und zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

kulturellen Vielfalt durch die finanzielle<br />

und technische Unterstützung bei <strong>de</strong>r<br />

Erhaltung <strong>de</strong>s kulturellen Erbes und <strong>de</strong>n<br />

Zugang dazu einerseits sowie die aktive<br />

Belebung und För<strong>de</strong>rung kultureller<br />

Aktivitäten in <strong>de</strong>r ganzen Welt an<strong>de</strong>rerseits;<br />

• Bei allen Kooperationsprogrammen<br />

und -projekten müssen bei<br />

Konzeption und Umsetzung die lokale<br />

Kultur in vollem Umfang berücksichtigt<br />

und <strong>de</strong>m besseren Zugang <strong>de</strong>r<br />

Menschen zu Kultur und zu <strong>de</strong>n unterschiedlichen<br />

kulturellen Ausdrucksformen,<br />

auch durch <strong>de</strong>n direkten persönlichen<br />

Kontakt, Rechnung getragen<br />

wer<strong>de</strong>n. Von vorrangiger Be<strong>de</strong>utung ist<br />

die Bildung, wozu auch das Plädoyer<br />

für die Einbeziehung <strong>de</strong>r Kultur in die<br />

Bildungsinhalte auf allen Ebenen in <strong>de</strong>n<br />

Entwicklungslän<strong>de</strong>rn zählt;<br />

• För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r aktiven Mitarbeit<br />

<strong>de</strong>r EU in internationalen, mit Kultur<br />

befassten Organisationen sowie an<br />

<strong>de</strong>m von <strong>de</strong>n Vereinten Nationen eingeleiteten<br />

Prozess „Allianz <strong>de</strong>r Zivilisationen“.<br />

4. Neue Partnerschaften und Arbeitsmetho<strong>de</strong>n<br />

Um seine Kulturagenda aufstellen zu<br />

können, muss sich Europa auf eine soli<strong>de</strong><br />

Partnerschaft aller Betroffenen verlassen,<br />

die vier wesentliche Elemente<br />

aufweist.<br />

4.1. Ausbau <strong>de</strong>s Dialogs mit <strong>de</strong>m Kultursektor<br />

Die Kommission strebt an, einen strukturierten<br />

Dialog mit <strong>de</strong>m Sektor aufzubauen,<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Rahmen für <strong>de</strong>n regelmäßigen<br />

Austausch von Standpunkten<br />

und vorbildlichen Verfahren, Beiträge<br />

zum pol<strong>iti</strong>schen Gestaltungsprozess,<br />

Follow-up und Bewertung bieten wür<strong>de</strong>.<br />

Der Kultursektor sollte sich aus Grün<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Leg<strong>iti</strong>mität auch weiterhin selbst organisieren<br />

und geeignete und repräsentative<br />

Partner ermitteln. Die Kommission<br />

begrüßt, dass mit <strong>de</strong>r Gründung<br />

einiger repräsentativer Organisationen<br />

und einiger Kooperationseinrichtungen<br />

wie <strong>de</strong>r Plattform <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft<br />

für <strong>de</strong>n interkulturellen Dialog bereits<br />

einige Strukturen am Entstehen sind.<br />

Gleichze<strong>iti</strong>g stellt die Kommission fest,<br />

dass <strong>de</strong>r Sektor beson<strong>de</strong>re Merkmale<br />

aufweist, vor allem eine gewisse Heterogenität<br />

(Berufsverbän<strong>de</strong>, kulturelle<br />

Institutionen mit unterschiedlichem<br />

Grad <strong>de</strong>r Unabhängigkeit, Nichtregierungsorganisationen,<br />

europäische und<br />

nicht-europäische Netze, Stiftungen<br />

usw.) und die bisherige mangeln<strong>de</strong><br />

Kommunikation zwischen <strong>de</strong>n Kulturindustrien<br />

und an<strong>de</strong>ren im Kulturbereich<br />

Tätigen. Sie sieht eine wichtige Aufgabe<br />

darin, <strong>de</strong>n Sektor stärker zu strukturieren.<br />

Diese beson<strong>de</strong>ren Merkmale haben<br />

dazu geführt, dass <strong>de</strong>r Kultursektor<br />

auf europäischer Ebene bisher nur eine<br />

schwache Stimme hatte.<br />

Zum Aufbau eines konstruktiveren Dialogs<br />

zwischen <strong>de</strong>r Kommission und<br />

<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Akteuren schlägt die<br />

Kommission die folgen<strong>de</strong>n Schritte vor:<br />

• Kartografierung <strong>de</strong>s Sektors<br />

mit <strong>de</strong>m Ziel, die Gesamtheit <strong>de</strong>r Stakehol<strong>de</strong>r<br />

zu ermitteln und besser zu verstehen;<br />

• Einrichtung eines „Kulturforums“<br />

für die Anhörung <strong>de</strong>r Stakehol<strong>de</strong>r<br />

und Unterstützung bei <strong>de</strong>r Gründung<br />

einer Plattform, die sich selbst<br />

organisiert bzw. einer Reihe von Stakehol<strong>de</strong>r-Plattformen;<br />

• Hilfe bei <strong>de</strong>r Schaffung einer<br />

Grundlage, auf <strong>de</strong>r einzelne Künstler<br />

und Intellektuelle auf europäischer<br />

Ebene („Kulturbotschafter“) repräsentative<br />

Ansichten äussern können, unter<br />

an<strong>de</strong>rem durch Prüfung <strong>de</strong>r Eignung<br />

und Machbarkeit eines europäischen<br />

Internet-Forums für <strong>de</strong>n Meinungsaustausch,<br />

<strong>de</strong>n künstlerischen Ausdruck<br />

und <strong>de</strong>n Kontakt zu <strong>de</strong>n Bürgerinnen<br />

und Bürgern;<br />

• Ermutigung <strong>de</strong>r Sozialpartner<br />

in <strong>de</strong>n Kultursektoren, ihren autonomen<br />

Sozialdialog gemäß <strong>de</strong>n Artikeln<br />

138 und 139 <strong>de</strong>s Vertrags weiter zu entwickeln.<br />

Entsprechen<strong>de</strong> Ausschüsse für<br />

<strong>de</strong>n sektoralen sozialen Dialog bestehen<br />

bereits für die darstellen<strong>de</strong>n Künste und<br />

<strong>de</strong>n audiovisuellen Sektor;<br />

• Erweiterung <strong>de</strong>r öffentlichen<br />

Debatten in Europa um eine kulturelle<br />

Dimension unter Nutzung <strong>de</strong>r Vertretungen<br />

<strong>de</strong>r Kommission; wenn die Kultur<br />

ins Rampenlicht geholt wird, wird<br />

dies <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Dialogs dienen<br />

und neue Interessenten gewinnen.<br />

4.2. Einrichtung einer offenen Koordinierungsmetho<strong>de</strong><br />

Wie bereits erwähnt, genehmigten die<br />

Mitgliedstaaten im Rat einen gemeinsamen<br />

Arbeitsplan für 2005-<strong>2007</strong>. Der<br />

Plan muss jetzt erneuert wer<strong>de</strong>n und<br />

nach Ansicht <strong>de</strong>r Kommission wäre es<br />

an <strong>de</strong>r Zeit, dass die Mitgliedstaaten<br />

in ihrer Zusammenarbeit einen Schritt<br />

weitergehen und dafür die offene Koordinierungsmetho<strong>de</strong><br />

in einem partnerschaftlichen<br />

Verständnis wählen.<br />

Diese Metho<strong>de</strong> bietet einen geeigneten<br />

Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen<br />

<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten im Kulturbereich.<br />

Sie ermöglicht <strong>de</strong>n unverbindlichen<br />

Austausch zwischen Regierungen<br />

über geplante Maßnahmen und gemeinsame<br />

Aktionen, <strong>de</strong>r sich für einen<br />

solchen Bereich eignet, in <strong>de</strong>m die Zuständigkeiten<br />

weitgehend auf Ebene<br />

<strong>de</strong>r Mitgliedstaaten verbleiben. Es geht<br />

darum, gemeinsame Ziele zu vereinbaren,<br />

die Fortschritte bei <strong>de</strong>r Umsetzung<br />

regelmäßig zu prüfen und vorbildliche<br />

Verfahren sowie einschlägige Daten<br />

auszutauschen, um mehr voneinan<strong>de</strong>r<br />

lernen zu können.<br />

78


Die Metho<strong>de</strong> wird in <strong>de</strong>n Bereichen<br />

Beschäftigung, Sozialschutz, Bildung<br />

und Jugend angewandt. Sie hat <strong>de</strong>n<br />

Mitgliedstaaten bei <strong>de</strong>r Konzeption ihrer<br />

Pol<strong>iti</strong>k geholfen, da die regelmäßige<br />

Beteiligung an einem europäischen<br />

Prozess das Profil <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k auf nationaler<br />

Ebene verstärkt und sie bereichert.<br />

Zu<strong>de</strong>m können die Mitgliedstaaten<br />

dadurch voneinan<strong>de</strong>r lernen. Schließlich<br />

gibt die Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Akteuren in<br />

diesen Pol<strong>iti</strong>kbereichen eine Stimme auf<br />

europäischer Ebene, die sie sonst nicht<br />

hätten.<br />

Auf je<strong>de</strong>n Fall aber muss bei <strong>de</strong>r Konzeption<br />

<strong>de</strong>r offenen Koordinierungsmetho<strong>de</strong><br />

für diesen Bereich <strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>ren<br />

Merkmalen <strong>de</strong>s Kultursektors Rechnung<br />

getragen wer<strong>de</strong>n. Dies beinhaltet<br />

eine flexible Vorgehensweise in einem<br />

partnerschaftlichen Verständnis mit <strong>de</strong>n<br />

Mitgliedstaaten für die Berichterstattung<br />

mit allgemeinen Zielen und nur<br />

wenigen Vorgaben.<br />

Die Kommission schlägt vor, dass <strong>de</strong>r<br />

Rat auf <strong>de</strong>r Grundlage dieser Mitteilung<br />

die oben genannten Ziele unterstützt<br />

und Schwerpunkte sowie einen zweijährigen<br />

Rhythmus für die Prüfung <strong>de</strong>r<br />

Ergebnisse festlegt. Dazu wür<strong>de</strong> die<br />

Kommission unter an<strong>de</strong>rem alle zwei<br />

Jahre mit hochrangigen Vertretern <strong>de</strong>r<br />

Mitgliedstaaten einen Bericht verfassen,<br />

in<strong>de</strong>m die wichtigsten Themen und<br />

Ten<strong>de</strong>nzen zusammengefasst und die<br />

Fortschritte bei <strong>de</strong>r Umsetzung <strong>de</strong>r gemeinsamen<br />

Ziele in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten<br />

erörtert wer<strong>de</strong>n.<br />

Den Mitgliedstaaten wür<strong>de</strong> empfohlen,<br />

lokale und regionale Behör<strong>de</strong>n und die<br />

Stakehol<strong>de</strong>r im inländischen Kulturbetrieb<br />

voll einzubeziehen und in ihrem<br />

Bericht darzulegen, wie sie dabei vorgegangen<br />

sind. Auf EU-Ebene wür<strong>de</strong> diese<br />

Einbeziehung über das oben genannte<br />

Kulturforum geschehen. Ein Jahr vor<br />

<strong>de</strong>r Veröffentlichung <strong>de</strong>s Berichts wür<strong>de</strong><br />

die Kommission ein Treffen veranstalten,<br />

um Beiträge <strong>de</strong>r Zivilgesellschaft zu<br />

sammeln.<br />

Das Europäische Parlament, <strong>de</strong>r Europäische<br />

Wirtschafts- und Sozialausschuss<br />

und <strong>de</strong>r Ausschuss <strong>de</strong>r Regionen sollten<br />

in <strong>de</strong>n Prozess einbezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Für die Ziele <strong>de</strong>r Außenbeziehungen<br />

wür<strong>de</strong> gegebenenfalls <strong>de</strong>r dafür bestehen<strong>de</strong><br />

EU-Rahmen, auch <strong>de</strong>r Rat <strong>de</strong>r<br />

Außenminister, genutzt. Die Kommission<br />

wür<strong>de</strong> zusammen mit <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten<br />

anstreben, die EU-weite Koordinierung<br />

<strong>de</strong>r kulturellen Zusammenarbeit<br />

zu intensivieren. Dazu zählt auch<br />

die Ermittlung vorbildlicher Verfahren<br />

und <strong>de</strong>ren Austausch. Im Mittelpunkt<br />

<strong>de</strong>r verstärkten Bemühungen um Koordinierung<br />

und Harmonisierung wür<strong>de</strong><br />

weiterhin die Ausarbeitung von Län<strong>de</strong>rstrategiepapieren<br />

und gemeinsamen<br />

Hilfsstrategien stehen.<br />

4.3. Unterstützung einer empirischen Pol<strong>iti</strong>kgestaltung<br />

Die Kommission wür<strong>de</strong> bei je<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />

genannten Ziele und <strong>de</strong>r vorgeschlagenen<br />

Koordinierungsmetho<strong>de</strong> für die<br />

Unterstützung und Koordinierung zur<br />

Verfügung stehen.<br />

Um die genannten Ziele erreichen zu<br />

können, muss besser verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n,<br />

welchen Beitrag <strong>de</strong>r Kultursektor<br />

zur Agenda von Lissabon leisten könnte,<br />

um eine empirische Pol<strong>iti</strong>k zu för<strong>de</strong>rn.<br />

Dazu zählt die gemeinsame Nutzung<br />

bereits vorliegen<strong>de</strong>r Daten und Fallstudien<br />

und die Zusammenarbeit bei<br />

<strong>de</strong>r Methodik zur Bewertung und Folgenanalyse.<br />

Voraussetzung sind aber<br />

auch die Prüfung und gegebenenfalls<br />

Verbesserung nationaler Statistiken und<br />

die Gewährleistung einer besseren Vergleichbarkeit<br />

<strong>de</strong>rselben, was von Eurostat<br />

koordiniert wer<strong>de</strong>n könnte.<br />

In diesem Zusammenhang wird die<br />

Kommission eine Reihe von Studien<br />

und internen Aktionen unter Beteiligung<br />

verschie<strong>de</strong>ner Generaldirektionen<br />

auf <strong>de</strong>n Weg bringen, um die vorgeschlagenen<br />

Ziele und empirischen Vorhaben<br />

zu unterstützen. Sie wird zu<strong>de</strong>m<br />

die Vernetzung <strong>de</strong>r Akteure för<strong>de</strong>rn, die<br />

auf europäischer, nationaler, regionaler<br />

o<strong>de</strong>r lokaler Ebene an <strong>de</strong>r Folgenabschätzung<br />

und Bewertung von Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

beteiligt sind.<br />

4.4. Einbeziehung <strong>de</strong>r Kultur in an<strong>de</strong>re<br />

betroffene Pol<strong>iti</strong>kbereiche<br />

Nach Artikel 151 Absatz 4 <strong>de</strong>s EG-Vertrags<br />

ist die Gemeinschaft gehalten, bei<br />

ihrer Tätigkeit aufgrund an<strong>de</strong>rer Bestimmungen<br />

<strong>de</strong>s Vertrags <strong>de</strong>n kulturellen<br />

Aspekten Rechnung zu tragen, insbeson<strong>de</strong>re<br />

zur Wahrung und För<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r Vielfalt ihrer Kulturen.<br />

Um <strong>de</strong>m nachzukommen, wird die<br />

Kommission die Koordinierung zwischen<br />

ihren Dienststellen verstärken und<br />

ihre Analyse <strong>de</strong>r Schnittstelle zwischen<br />

kultureller Vielfalt und an<strong>de</strong>ren Gemeinschaftsmaßnahmen<br />

vertiefen, um bei<br />

Entscheidungen o<strong>de</strong>r Vorschlägen, die<br />

eine Regelung beinhalten o<strong>de</strong>r Folgen<br />

für <strong>de</strong>n Haushalt haben, für Ausgewogenheit<br />

zwischen <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />

leg<strong>iti</strong>men pol<strong>iti</strong>schen Zielen, zu <strong>de</strong>nen<br />

auch die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r kulturellen Vielfalt<br />

zählt, zu sorgen. Zum Beispiel hat<br />

die Kommission vor kurzem zu diesem<br />

Zweck eine dienststellenübergreifen<strong>de</strong><br />

Gruppe eingesetzt.<br />

Im Hinblick auf die externe Dimension<br />

wird vor allem <strong>de</strong>r multi- und interkulturelle<br />

Dialog sowie <strong>de</strong>r Dialog zwischen<br />

<strong>de</strong>n Religionen ins Auge gefasst, um das<br />

Verständnis zwischen <strong>de</strong>r EU und ihren<br />

internationalen Partnern zu verbessern<br />

und mehr Menschen in <strong>de</strong>n Partnerlän<strong>de</strong>rn<br />

direkt anzusprechen. Hier spielt die<br />

Bildung, insbeson<strong>de</strong>re im Bereich <strong>de</strong>r<br />

Menschenrechte, eine beduten<strong>de</strong> Rolle.<br />

Das neue Programm Erasmus Mundus<br />

wird dazu einen Beitrag leisten. Die<br />

Kommission unterstützt <strong>de</strong>n Dialog und<br />

kulturbezogene Tätigkeiten im Rahmen<br />

<strong>de</strong>r Europäischen Nachbarschaftspol<strong>iti</strong>k<br />

(ENP), <strong>de</strong>s Programms „In Menschen<br />

investieren“, von Einrichtungen wie <strong>de</strong>r<br />

Anna-Lindh-Stifung im Mittelmeerraum<br />

sowie <strong>de</strong>r Allianz <strong>de</strong>r Zivilisationen <strong>de</strong>r<br />

UN. Für einige Partnerlän<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r ENP-<br />

Region, in Asien und auch an<strong>de</strong>rswo,<br />

wer<strong>de</strong>n spezifische Programme <strong>de</strong>r kulturellen<br />

Zusammenarbeit eingerichtet<br />

(beispielsweise <strong>de</strong>r Kulturfonds für Indien).<br />

Diese Tätigkeiten sind voneinan<strong>de</strong>r<br />

abhängig.<br />

Die Europäische Kommission schlägt<br />

vor, zu einer wirksamen Unterstützung<br />

gezielter kultureller Aktionen in AKP-<br />

Län<strong>de</strong>rn einen EU-AKP-Kulturfonds einzurichten,<br />

<strong>de</strong>r ein gemeinsamer europäischer<br />

Beitrag zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Vertriebs<br />

und unter Umstän<strong>de</strong>n auch <strong>de</strong>r<br />

Herstellung von Kulturgütern <strong>de</strong>r AKP-<br />

Län<strong>de</strong>r wäre. Dieser Fonds wird neue lokale<br />

Märkte und Industrien för<strong>de</strong>rn und<br />

damit <strong>de</strong>n Zugang von Menschen zur<br />

Kultur und zu <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen kulturellen<br />

Ausdrucksformen in ihrer Umgebung<br />

unterstützen und gleichze<strong>iti</strong>g <strong>de</strong>n<br />

Zugang von Kulturgütern <strong>de</strong>r AKP-Län<strong>de</strong>r<br />

zu europäischen Märkten durch <strong>de</strong>n<br />

leichteren Zugang zu Vertriebsnetzen<br />

und Plattformen in <strong>de</strong>r EU verbessern.<br />

Der 10. Europäische Entwicklungsfonds<br />

wird eine Starthilfe zur Finanzierung <strong>de</strong>s<br />

Fonds leisten, die durch Beiträge <strong>de</strong>r<br />

EU-Mitgliedstaaten ergänzt wird.<br />

5. Schlussfolgerung<br />

Kultur ist kein Luxus, sie ist eine Notwendigkeit.<br />

Gao Xingjian<br />

Nach Ansicht <strong>de</strong>r Kommission ist <strong>de</strong>r<br />

Zeitpunkt für eine neue europäische<br />

Kulturagenda gekommen, die <strong>de</strong>n Realitäten<br />

<strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Welt im Zeichen<br />

<strong>de</strong>r Globalisierung Rechnung trägt.<br />

In dieser Mitteilung wer<strong>de</strong>n konkrete<br />

Vorschläge vorgebracht, die sowohl<br />

eine Reihe gemeinsamer Ziele als auch<br />

neue Metho<strong>de</strong>n zur Intensivierung <strong>de</strong>r<br />

kulturellen Zusammenarbeit in <strong>de</strong>r EU<br />

betreffen.<br />

Das Europäische Parlament, <strong>de</strong>r Rat, <strong>de</strong>r<br />

Ausschuss <strong>de</strong>r Regionen und <strong>de</strong>r Europäische<br />

Wirtschafts-und Sozialauschuss<br />

wer<strong>de</strong>n ersucht, sich zu dieser Mitteilung<br />

zu äussern.<br />

Der Rat wird gebeten, die entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Schritte zu ergreifen, um im<br />

Rahmen <strong>de</strong>r offenen Koordinierungsmetho<strong>de</strong><br />

gemeinsame Ziele zu setzen<br />

und eine geeignete Berichterstattung<br />

beschließen zu können; <strong>de</strong>r Europäische<br />

Rat wird ersucht, dies in seinen Schlussfolgerungen<br />

zu unterstützen.<br />

Anhang<br />

79


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Entschließung <strong>de</strong>s Europäischen<br />

Parlaments vom 7. Juni <strong>2007</strong> zum<br />

Sozialstatut <strong>de</strong>r Künstler und<br />

Künstlerinnen<br />

2006/2249(INI)<br />

Entschließung <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments<br />

vom 7. Juni <strong>2007</strong> zum Sozialstatut<br />

<strong>de</strong>r Künstler und Künstlerinnen<br />

(2006/2249(INI))<br />

Das Europäische Parlament ,<br />

– in Kenntnis <strong>de</strong>s UNESCO-Übereinkommens<br />

zum Schutz und zur För<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r Vielfalt kultureller Ausdrucksformen,<br />

– in Kenntnis <strong>de</strong>r Mitteilung <strong>de</strong>r<br />

Kommission mit <strong>de</strong>m Titel „Nichtdiskriminierung<br />

und Chancengleichheit<br />

für alle – eine Rahmenstrategie“<br />

(KOM(2005)0224),<br />

– in Kenntnis <strong>de</strong>s Grünbuchs <strong>de</strong>r<br />

Kommission mit <strong>de</strong>m Titel „Ein mo<strong>de</strong>rneres<br />

Arbeitsrecht für die Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

<strong>de</strong>s 21. Jahrhun<strong>de</strong>rts“<br />

(KOM(2006)0708),<br />

– unter Hinweis auf seine Entschließung<br />

vom 22. Oktober 2002 zu <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung<br />

und <strong>de</strong>r Dynamik <strong>de</strong>s Theaters<br />

und <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste im erweiterten<br />

Europa(1) ,<br />

– unter Hinweis auf seine Entschließung<br />

vom 4. September 2003 zur Kulturwirtschaft(2)<br />

,<br />

– unter Hinweis auf seine Entschließung<br />

vom 13. Oktober 2005 zu neuen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

für <strong>de</strong>n Zirkus als Teil<br />

<strong>de</strong>r Kultur Europas(3) ,<br />

– unter Hinblick auf die Verordnung<br />

(EWG) Nr. 1408/71 <strong>de</strong>s Rates vom 14.<br />

Juni 1971 zur Anwendung <strong>de</strong>r Systeme<br />

<strong>de</strong>r sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer<br />

und Selbständige sowie <strong>de</strong>ren Familien,<br />

die innerhalb <strong>de</strong>r Gemeinschaft<br />

zu- und abwan<strong>de</strong>rn(4) ,<br />

– unter Hinblick auf die Verordnung<br />

(EG) Nr. 883/2004 <strong>de</strong>s Europäischen<br />

Parlaments und <strong>de</strong>s Rates vom 29. April<br />

2004 zur Koordinierung <strong>de</strong>r Systeme<br />

<strong>de</strong>r sozialen Sicherheit(5) ,<br />

– unter Hinweis auf die Richtlinie<br />

2001/29/EG <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments<br />

und <strong>de</strong>s Rates vom 22. Mai 2001<br />

zur Harmonisierung bestimmter Aspekte<br />

<strong>de</strong>s Urheberrechts und <strong>de</strong>r verwandten<br />

Schutzrechte in <strong>de</strong>r Informationsgesellschaft(6)<br />

,<br />

– unter Hinweis auf seine Entschließung<br />

vom 9. März 1999 zur Lage und Rolle<br />

<strong>de</strong>r Künstler in <strong>de</strong>r Europäischen Union(7)<br />

,<br />

– unter Hinweis auf die Richtlinie<br />

2006/115/EG <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments<br />

und <strong>de</strong>s Rates vom 12. Dezem-<br />

ber 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht<br />

sowie zu bestimmten <strong>de</strong>m Urheberrecht<br />

verwandten Schutzrechten<br />

im Bereich <strong>de</strong>s geistigen Eigentums(8) ,<br />

– unter Hinweis auf die Richtlinie<br />

2006/116/EG <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments<br />

und <strong>de</strong>s Rates vom 12. Dezember<br />

2006 über die Schutzdauer <strong>de</strong>s Urheberrechts<br />

und bestimmter verwandter<br />

Schutzrechte(9) ,<br />

– in Kenntnis <strong>de</strong>s Urteils <strong>de</strong>s Gerichtshofs<br />

vom 30. März 2000 in <strong>de</strong>r Rechtssache<br />

C-178/97, Barry Banks u.a.(10) ,<br />

– in Kenntnis <strong>de</strong>s Urteils <strong>de</strong>s Gerichtshofs<br />

vom 15. Juni 2006 in <strong>de</strong>r Rechtssache<br />

C-255/04, Kommission /Frankreich(11)<br />

,<br />

– gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,<br />

– in Kenntnis <strong>de</strong>s Berichts <strong>de</strong>s Ausschusses<br />

für Kultur und Bildung (A6-<br />

0199/<strong>2007</strong>),<br />

A. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass die Kunst auch<br />

als eine Arbeit und als ein Beruf betrachtet<br />

wer<strong>de</strong>n kann,<br />

B. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass sowohl die<br />

oben genannten Urteile als auch die<br />

Richtlinie 96/71/EG spezifisch für die<br />

darstellen<strong>de</strong>n Künste gelten,<br />

C. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass man sich, um<br />

Kunst auf höchstem Niveau zu betreiben,<br />

von frühester Jugend an für die<br />

Welt <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste und <strong>de</strong>r<br />

Kultur interessieren und die Schlüssel<br />

für <strong>de</strong>n Zugang zu <strong>de</strong>n wichtigsten<br />

Werken unseres kulturellen Erbes besitzen<br />

muss,<br />

D. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass in mehreren<br />

Mitgliedstaaten Personen, die bestimmte<br />

künstlerische Berufe ausüben,<br />

keinen Rechtsstatus besitzen,<br />

E. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass Flexibilität und<br />

Mobilität im Rahmen <strong>de</strong>r Ausübung<br />

künstlerischer Berufe untrennbar miteinan<strong>de</strong>r<br />

verbun<strong>de</strong>n sind,<br />

F. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass kein Künstler<br />

zu keinem Zeitpunkt seiner beruflichen<br />

Laufbahn vollständig vor materieller<br />

Unsicherheit geschützt ist,<br />

G. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass als Ausgleich<br />

für die vom Zufall abhängige und<br />

manchmal ungewisse Natur <strong>de</strong>s Künstlerberufs<br />

die Garantie eines sicheren sozialen<br />

Schutzes erfor<strong>de</strong>rlich ist,<br />

H. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass es für einen<br />

Künstler in Europa auch heute noch<br />

praktisch unmöglich ist, seine berufliche<br />

Laufbahn neu auszurichten,<br />

I. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass <strong>de</strong>r Zugang<br />

von Künstlern zur Information über die<br />

für sie gelten<strong>de</strong>n Bedingungen in Bezug<br />

auf ihre Arbeit, Mobilität, Arbeitslosigkeit,<br />

Gesundheit und Rente erleichtert<br />

wer<strong>de</strong>n muss,<br />

J. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass die künstlerischen<br />

Anlagen, die natürliche Begabung<br />

und das Talent nur selten ausreichen,<br />

<strong>de</strong>n Weg zu einer professionellen<br />

Künstlerkarriere zu ebnen,<br />

K. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass die Lehr- und/<br />

o<strong>de</strong>r Qualifizierungsverträge für eine<br />

künstlerische Ausbildung, die an je<strong>de</strong><br />

Disziplin angepasst sind, noch nicht<br />

ausreichend entwickelt wur<strong>de</strong>n,<br />

L. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass berufliche Umschulungsmöglichkeiten<br />

für Künstler<br />

geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n müssen,<br />

M. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass die Freizügigkeit<br />

von Arbeitnehmern im Allgemeinen,<br />

einschließlich <strong>de</strong>r Künstler, aus<br />

<strong>de</strong>n neuen Mitgliedstaaten immer noch<br />

gewissen Einschränkungen aufgrund<br />

<strong>de</strong>r möglichen Übergangsregelungen,<br />

wie sie in <strong>de</strong>n Beitrittsakten vorgesehen<br />

sind, unterliegen,<br />

N. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass künstlerische<br />

Produktionen häufig Künstler aus Europa<br />

und aus Drittstaaten zusammenführen,<br />

<strong>de</strong>ren Mobilität durch die Schwierigkeit,<br />

mittelfristig Visa zu erhalten,<br />

häufig eingeschränkt wird,<br />

O. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass Aufenthalte<br />

von Künstlern in einem Mitgliedstaat<br />

meistens Kurzaufenthalte (weniger als 3<br />

Monate) sind,<br />

P. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass sämtliche dieser<br />

mit <strong>de</strong>r grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Mobilität<br />

- wichtigstes Merkmal <strong>de</strong>r Künstlerberufe<br />

- verknüpften Probleme, die<br />

Notwendigkeit <strong>de</strong>utlich wer<strong>de</strong>n lassen,<br />

konkrete Maßnahmen in diesem Bereich<br />

ins Auge zu fassen,<br />

Q. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass es vorrangig<br />

ist, künstlerische Amateur-Darbietungen<br />

von professionellen künstlerischen Darbietungen<br />

zu unterschei<strong>de</strong>n,<br />

R. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass die Aufnahme<br />

von Unterricht in verschie<strong>de</strong>nen Kunstsparten<br />

in die Lehrpläne <strong>de</strong>r Schulen<br />

<strong>de</strong>r Mitgliedstaaten auf wirksame Weise<br />

gewährleistet wer<strong>de</strong>n muss,<br />

S. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass das erwähnte<br />

UNESCO-Übereinkommen eine ausgezeichnete<br />

Grundlage darstellt, um<br />

die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Arbeit von professionellen<br />

Kunstschaffen<strong>de</strong>n anzuerkennen,<br />

T. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass die Richtlinie<br />

2001/29/EG von <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten,<br />

die sie noch nicht anwen<strong>de</strong>n, verlangt,<br />

dass sie zugunsten <strong>de</strong>r Urheber einen<br />

gerechten Ausgleich im Fall von Ausnahmen<br />

und Beschränkungen in Bezug<br />

auf das Vervielfältigungsrecht vorsehen<br />

(Reprografie, Privatkopie, …),<br />

U. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass die Richtlinie<br />

2006/115/EG die ausschließlichen<br />

Rechte, <strong>de</strong>ren Inhaber insbeson<strong>de</strong>re die<br />

ausüben<strong>de</strong>n Künstler sind, und <strong>de</strong>ren<br />

Rechte auf eine angemessene Vergütung<br />

festlegt, auf die nicht verzichtet<br />

wer<strong>de</strong>n kann,<br />

V. in <strong>de</strong>r Erwägung, dass die Urheberrechte<br />

und die Persönlichkeitsrechte von<br />

Urhebern und ausüben<strong>de</strong>n Künstlern in<br />

dieser Hinsicht die Anerkennung ihrer<br />

schöpferischen Arbeit und ihres Beitrags<br />

zur Kultur allgemein darstellen,<br />

W. in <strong>de</strong>r Erwägung, das das künstlerische<br />

Schaffen an <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s<br />

80


kulturellen Erbes teilhat und auf Werken<br />

<strong>de</strong>r Vergangenheit basiert, <strong>de</strong>ren Erhaltung<br />

die Staaten gewährleisten, woraus<br />

es Inspiration und Stoff schöpft,<br />

Verbesserung <strong>de</strong>r Lage <strong>de</strong>r Künstler<br />

in Europa<br />

Das Vertragsverhältnis<br />

1. for<strong>de</strong>rt die Mitgliedstaaten auf, einen<br />

rechtlichen und institutionellen Rahmen<br />

zu entwickeln o<strong>de</strong>r umzusetzen, um das<br />

künstlerische Schaffen durch die Annahme<br />

o<strong>de</strong>r Anwendung eines Bün<strong>de</strong>ls kohärenter<br />

und umfassen<strong>de</strong>r Maßnahmen<br />

zu unterstützen, die das Vertragsverhältnis,<br />

die soziale Sicherheit, die Krankenversicherung,<br />

die direkte und indirekte<br />

Besteuerung und die Übereinstimmung<br />

mit <strong>de</strong>n europäischen Vorschriften beinhalten;<br />

2. betont, dass <strong>de</strong>r atypische Charakter<br />

<strong>de</strong>r Arbeitsmetho<strong>de</strong>n von Künstlern berücksichtigt<br />

wer<strong>de</strong>n muss;<br />

3. unterstreicht ferner, dass <strong>de</strong>r atypische<br />

und prekäre Charakter aller Bühnenberufe<br />

berücksichtigt wer<strong>de</strong>n muss;<br />

4. ermutigt die Mitgliedstaaten, die<br />

Einführung von Lehr- o<strong>de</strong>r Qualifizierungsverträgen<br />

für künstlerische Berufe<br />

voranzutreiben;<br />

5. schlägt daher <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten<br />

vor, die Anerkennung <strong>de</strong>r Berufserfahrung<br />

von Künstlern zu för<strong>de</strong>rn;<br />

Der Schutz <strong>de</strong>r Künstler<br />

6. for<strong>de</strong>rt die Kommission und die Mitgliedstaaten<br />

auf, nach Konsultation <strong>de</strong>r<br />

Künstlerbranche ein „Europäisches Berufsregister“<br />

in <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>s EUROPASS<br />

für Künstler einzurichten, in <strong>de</strong>m ihr<br />

Status, die Art und die jeweilige Dauer<br />

ihrer Verträge sowie Angaben über ihre<br />

Arbeitgeber o<strong>de</strong>r die Dienstleistungserbringer,<br />

die sie engagieren, aufgeführt<br />

wer<strong>de</strong>n könnten;<br />

7. ermutigt die Mitgliedstaaten, die<br />

Koordinierung und <strong>de</strong>n Austausch bewährter<br />

Verfahren und Informationen<br />

zu verbessern;<br />

8. for<strong>de</strong>rt die Kommission nachdrücklich<br />

auf, in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m<br />

betroffenen Sektor einen einheitlichen<br />

und verständlichen praktischen Leitfa<strong>de</strong>n<br />

für die europäischen Künstler wie<br />

auch für die betroffenen Verwaltungseinrichtungen<br />

auszuarbeiten, <strong>de</strong>r alle<br />

Bestimmungen in Bezug auf Krankenversicherung,<br />

Arbeitslosigkeit und Rente,<br />

die sowohl national als auch europaweit<br />

gelten, enthalten wür<strong>de</strong>;<br />

9. for<strong>de</strong>rt die Kommission und die Mitgliedstaaten<br />

auf, nach Maßgabe <strong>de</strong>r<br />

gelten<strong>de</strong>n bilateralen Abkommen die<br />

Möglichkeit von In<strong>iti</strong>ativen zu prüfen,<br />

um die Übertragung von Renten- und<br />

Sozialversicherungsansprüchen von<br />

Künstlern aus Drittlän<strong>de</strong>rn nach ihrer<br />

Rückkehr in ihr Land und die Berücksichtigung<br />

ihrer durch die Arbeit in<br />

einem Mitgliedstaat erworbenen Berufserfahrung<br />

zu gewährleisten;<br />

10. ermutigt die Kommission, ein Pilotprojekt<br />

aufzulegen, um die Einführung<br />

einer spezifisch für europäische Künstler<br />

bestimmten europäischen elektronischen<br />

Sozialversicherungskarte zu<br />

erproben;<br />

11. ist in <strong>de</strong>r Tat <strong>de</strong>r Auffassung, dass<br />

eine solche Karte, die somit sämtliche<br />

Informationen über <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n<br />

Künstler enthält, Abhilfe bei bestimmten<br />

berufsinhärenten Problemen schaffen<br />

könnte;<br />

12. betont die Notwendigkeit, die spezifische<br />

Mobilität <strong>de</strong>r Künstler von <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Arbeitnehmer <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Union im Allgemeinen genau zu unterschei<strong>de</strong>n;<br />

13. for<strong>de</strong>rt diesbezüglich die Kommission<br />

auf, die Fortschritte, die in Bezug<br />

auf diese spezifische Mobilität erreicht<br />

wur<strong>de</strong>n, zusammenzufassen;<br />

14. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, die kulturellen<br />

Bereiche förmlich zu ermitteln,<br />

in <strong>de</strong>nen die Gefahr <strong>de</strong>s Verlusts von<br />

Kreativität und Talenten offenkundig<br />

ist, und for<strong>de</strong>rt die Mitgliedstaaten auf,<br />

durch Anreize ein günstiges Umfeld zu<br />

schaffen, so dass ihre Künstler in <strong>de</strong>n<br />

Mitgliedstaaten bleiben o<strong>de</strong>r dorthin<br />

zurückkehren;<br />

15. for<strong>de</strong>rt ferner die Mitgliedstaaten<br />

auf, <strong>de</strong>r gemeinschaftsweiten Anerkennung<br />

von Diplomen und an<strong>de</strong>ren<br />

Zeugnissen, die von sämtlichen europäischen<br />

und staatlichen Konservatorien<br />

und Kunstschulen sowie an<strong>de</strong>ren<br />

offiziellen Schulen <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n<br />

Künste für Künstler ausgestellt wer<strong>de</strong>n,<br />

beson<strong>de</strong>res Augenmerk zu widmen,<br />

um ihren Inhabern zu ermöglichen, im<br />

Einklang mit <strong>de</strong>m Bologna-Prozess in allen<br />

Mitgliedstaaten zu arbeiten und zu<br />

studieren; ermutigt in diesem Sinne die<br />

Mitgliedstaaten, künstlerische Regelstudiengänge<br />

zu för<strong>de</strong>rn, die eine gute<br />

persönliche und berufliche Ausbildung<br />

bieten, die es <strong>de</strong>n Studieren<strong>de</strong>n ermöglicht,<br />

ihr künstlerisches Talent zu entwickeln,<br />

ihnen jedoch auch allgemeine<br />

Fähigkeiten vermittelt, um in einem an<strong>de</strong>ren<br />

Berufsfeld bestehen zu können;<br />

betont ferner, wie wichtig es ist, europaweite<br />

In<strong>iti</strong>ativen vorzuschlagen, um<br />

die Anerkennung von Diplomen und<br />

an<strong>de</strong>ren Zeugnissen, die von nationalen<br />

Konservatorien und Schulen für Künstler<br />

aus Drittstaaten ausgestellt wer<strong>de</strong>n,<br />

zugunsten <strong>de</strong>r Mobilität von Künstlern<br />

in Richtung <strong>de</strong>r Mitgliedstaaten zu erleichtern;<br />

16. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, eine<br />

„Europäische Charta für das künstlerische<br />

Schaffen und die Bedingungen<br />

seiner Ausübung“ auf <strong>de</strong>r Grundlage<br />

einer In<strong>iti</strong>ative wie <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r UNESCO zu<br />

verabschie<strong>de</strong>n, um die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r<br />

Tätigkeiten von Angehörigen künstlerischer<br />

Berufe zu bekräftigen und die<br />

europäische Integration zu erleichtern;<br />

17. for<strong>de</strong>rt die Mitgliedstaaten auf, je<strong>de</strong><br />

Art von Einschränkung in Bezug auf <strong>de</strong>n<br />

Zugang zum Arbeitsmarkt für aktiv im<br />

künstlerischen Bereich tätige Personen<br />

aus <strong>de</strong>n neuen Mitgliedstaaten aufzuheben;<br />

18. for<strong>de</strong>rt die Mitgliedstaaten, die sie<br />

noch nicht anwen<strong>de</strong>n, auf, unter Einhaltung<br />

<strong>de</strong>r Richtlinie 92/100/EWG und<br />

<strong>de</strong>r Richtlinie 2001/29/EG tatsächlich<br />

für die Erhebung sämtlicher gerechter<br />

Ausgleichszahlungen für das Vervielfältigungsrecht<br />

und die angemessenen Entgelte,<br />

die <strong>de</strong>n Inhabern von Urheberrechten<br />

und verwandten Schutzrechten<br />

zustehen, wirksam zu sorgen;<br />

19. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, eine<br />

Studie aufzulegen, um die Maßnahmen<br />

<strong>de</strong>r Mitgliedstaaten zu untersuchen, damit<br />

<strong>de</strong>n Inhabern von Urheberrechten<br />

und verwandten Schutzrechten tatsächlich<br />

<strong>de</strong>r gerechte Ausgleich verschafft<br />

wird, <strong>de</strong>r ihnen als Gegenleistung für<br />

die von <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten gemäß<br />

<strong>de</strong>r Richtlinie 2001/29/EG erlassenen<br />

gesetzlichen Ausnahmeregelungen und<br />

als Ausgleich für die legale Nutzung ihrer<br />

von <strong>de</strong>r Richtlinie 2006/115/EG bestätigten<br />

Rechte zusteht;<br />

20. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, eine<br />

Studie aufzulegen, um die Maßnahmen<br />

<strong>de</strong>r Mitgliedstaaten zu untersuchen,<br />

damit ein Teil <strong>de</strong>r durch die Wahrnehmung<br />

<strong>de</strong>s Rechts auf einen gerechten<br />

Ausgleich, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Inhabern von Urheberrechten<br />

und verwandten Schutzrechten<br />

zusteht, erzielten Einnahmen<br />

für die Unterstützung <strong>de</strong>s Schaffens und<br />

<strong>de</strong>s sozialen und finanziellen Schutzes<br />

<strong>de</strong>r Künstler aufgewen<strong>de</strong>t wird, und um<br />

die Rechtsinstrumente und die Mittel<br />

zu analysieren, die eingesetzt wer<strong>de</strong>n<br />

könnten, um zu einer Finanzierung <strong>de</strong>s<br />

Schutzes <strong>de</strong>r leben<strong>de</strong>n europäischen<br />

Künstler beizutragen;<br />

21. hält es für wünschenswert, dass die<br />

Mitgliedstaaten die Möglichkeit prüfen,<br />

<strong>de</strong>n Künstlern zusätzlich zu <strong>de</strong>n bereits<br />

bestehen<strong>de</strong>n Hilfen eine Unterstützung<br />

zu gewähren, in<strong>de</strong>m sie beispielsweise<br />

eine Abgabe auf die kommerzielle Nutzung<br />

<strong>de</strong>r originellen Schöpfungen und<br />

ihrer rechtlich nicht geschützten Darstellungen<br />

ins Auge fassen;<br />

Die Visa-Pol<strong>iti</strong>k: Mobilität und Beschäftigung<br />

von Drittstaatsangehörigen<br />

22. betont die Notwendigkeit, die<br />

Schwierigkeiten, die bestimmte Künstler<br />

aus Europa und aus Drittstaaten haben,<br />

um ein Visum für die Ausstellung<br />

einer Arbeitserlaubnis zu bekommen,<br />

und die daraus folgen<strong>de</strong> Ungewissheit<br />

zu berücksichtigen;<br />

23. verweist auf die Tatsache, dass es<br />

Künstler mit kurzfristigen Arbeitsverträgen<br />

schwer haben, die Bedingungen für<br />

Anhang<br />

81


„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

die Ausstellung von Visa und Arbeitserlaubnissen<br />

zu erfüllen;<br />

24. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, sich<br />

Gedanken über die <strong>de</strong>rze<strong>iti</strong>gen Visaund<br />

Arbeitserlaubnisvergabesysteme<br />

für Künstler zu machen sowie eine Gemeinschaftsregelung<br />

in diesem Bereich<br />

auszuarbeiten, die zur Einführung eines<br />

speziell für Künstler aus Europa und aus<br />

Drittstaaten gelten<strong>de</strong>n befristeten Visums<br />

führen könnte, wie dies in einigen<br />

Mitgliedstaaten bereits besteht;<br />

Lebenslange Weiterbildung und Umschulung<br />

25. for<strong>de</strong>rt die Mitgliedstaaten auf,<br />

spezialisierte Weiterbildungs- und Lehrstrukturen<br />

für die Kulturschaffen<strong>de</strong>n<br />

einzurichten, um eine echte Beschäftigungspol<strong>iti</strong>k<br />

in diesem Bereich zu entwickeln;<br />

26. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, alle<br />

bereits vorhan<strong>de</strong>nen Forschungen und<br />

Veröffentlichungen zusammenzutragen<br />

und in Form einer Studie zu bewerten,<br />

wie in <strong>de</strong>r Europäischen Union für<br />

künstlerische Berufe typische Berufskrankheiten<br />

wie Arthrose <strong>de</strong>rzeit berücksichtigt<br />

wer<strong>de</strong>n;<br />

27. erinnert daran, dass alle Künstler ihre<br />

Tätigkeit ständig ausüben, und sich dies<br />

e nicht auf die Zeiten <strong>de</strong>r künstlerischen<br />

Darbietungen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bühnendarbietungen<br />

beschränkt;<br />

28. erinnert in diesem Zusammenhang<br />

daran, dass die Probezeiten in vollem<br />

Umfang tatsächliche Arbeitszeit darstellen<br />

und dass alle diese Zeiträume in <strong>de</strong>r<br />

Karriereplanung sowohl während <strong>de</strong>r<br />

Zeiten von Arbeitslosigkeit als auch für<br />

die Rente unbedingt angerechnet wer<strong>de</strong>n<br />

müssen;<br />

29. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, das<br />

tatsächliche Ausmaß <strong>de</strong>r europäischen<br />

Zusammenarbeit und <strong>de</strong>s Austauschs<br />

im Bereich <strong>de</strong>s professionellen Erlernens<br />

<strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Künste zu bewerten<br />

und diese Aspekte im Rahmen<br />

<strong>de</strong>r Programme für lebenslanges Lernen<br />

und Kultur <strong>2007</strong> sowie im Rahmen <strong>de</strong>s<br />

Europäischen Jahres für Erziehung und<br />

Kultur 2009 zu för<strong>de</strong>rn;<br />

Auf <strong>de</strong>m Weg zu einer Neuorientierung<br />

<strong>de</strong>r Amateurdarbietungen<br />

30. beharrt auf <strong>de</strong>r Notwendigkeit,<br />

alle künstlerischen und kulturellen Aktivitäten<br />

zu unterstützen, die insbeson<strong>de</strong>re<br />

zugunsten eines gesellschaftlich<br />

benachteiligten Publikums dargeboten<br />

wer<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>ssen Integration zu verbessern;<br />

31. betont die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s künstlerischen<br />

Amateurwesens als wichtiges<br />

Element <strong>de</strong>s Integrationsvermögens<br />

lokaler Gemeinschaften und für die Entwicklung<br />

einer Bürgergesellschaft;<br />

32. legt beson<strong>de</strong>ren Nachdruck auf die<br />

Tatsache, dass Künstler ohne beson<strong>de</strong>re<br />

formelle Ausbildung, die sich Hoffnungen<br />

auf eine professionelle Künstlerkarriere<br />

machen, über bestimmte<br />

Berufsaspekte gut informiert wer<strong>de</strong>n<br />

müssen;<br />

33. for<strong>de</strong>rt in dieser Hinsicht die Mitgliedstaaten<br />

auf, das Amateurwesen in<br />

ständigem Kontakt zu professionellen<br />

Künstlern zu ermutigen und zu för<strong>de</strong>rn;<br />

Die künstlerische und kulturelle<br />

Ausbildung von frühester Jugend an<br />

gewährleisten<br />

34. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, eine<br />

Studie über die künstlerische Ausbildung<br />

in <strong>de</strong>r Europäischen Union (ihre<br />

Inhalte, die Ausbildungsart – ob geregelt<br />

o<strong>de</strong>r nicht –, die Ergebnisse und die<br />

beruflichen Möglichkeiten) auszuarbeiten<br />

und ihm <strong>de</strong>ren Ergebnisse innerhalb<br />

von zwei Jahren zu übermitteln;<br />

35. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, die Mobilität<br />

<strong>de</strong>r europäischen Studieren<strong>de</strong>n<br />

künstlerischer Fächer durch <strong>de</strong>n Ausbau<br />

von Austauschprogrammen zwischen<br />

Studieren<strong>de</strong>n nationaler Konservatorien<br />

und Schulen für Künstler sowohl in Europa<br />

als auch außerhalb zu ermutigen<br />

und zu begünstigen;<br />

36. for<strong>de</strong>rt die Kommission auf, die Finanzierung<br />

von Pilotmaßnahmen und<br />

-projekten vorzusehen, die es insbeson<strong>de</strong>re<br />

ermöglichen, geeignete Mo<strong>de</strong>lle<br />

<strong>de</strong>r künstlerischen Ausbildung an <strong>de</strong>n<br />

Schulen durch die Einführung eines europäischen<br />

Systems für <strong>de</strong>n Austausch<br />

von Informationen und Erfahrungen<br />

speziell für die mit <strong>de</strong>m Unterricht in<br />

verschie<strong>de</strong>nen Kunstsparten betrauten<br />

Lehrkräfte festzulegen;<br />

37. empfiehlt <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten, die<br />

Ausbildung <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Kunsterziehung<br />

betrauten Lehrkräfte zu verbessern;<br />

38. for<strong>de</strong>rt die Kommission und die Mitgliedstaaten<br />

auf, die Einrichtung eines<br />

Fonds für europäische Mobilität nach<br />

<strong>de</strong>m Beispiel von Erasmus zu untersuchen,<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Austausch von Lehrkräften<br />

und jungen Künstlern dient; erinnert<br />

diesbezüglich an seine For<strong>de</strong>rung nach<br />

einer Aufstockung <strong>de</strong>r europäischen<br />

Haushaltsmittel für Kultur;<br />

39. for<strong>de</strong>rt die Kommission und die Mitgliedstaaten<br />

auf, eine Informationskampagne<br />

aufzulegen, die eine Qualitätsgarantie<br />

für die Kunsterziehung bieten<br />

soll;<br />

40. beauftragt seinen Präsi<strong>de</strong>nten, diese<br />

Entschließung <strong>de</strong>m Rat und <strong>de</strong>r Kommission<br />

sowie <strong>de</strong>n Parlamenten und<br />

Regierungen <strong>de</strong>r Mitgliedstaaten zu<br />

übermitteln.<br />

Quelle: www.europarl.europa.eu<br />

82


Sonntag, 24. Juni<br />

Veranstaltungsort:<br />

Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste (Hanseatenweg 10, Berlin)<br />

19:00<br />

Studio, Kleines Parkett<br />

Begrüßung: Michael Freundt (Internationales Theaterinstitut),<br />

Günter Jeschonnek (Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste)<br />

Erstes Kennen lernen, Aktualisierungen im Programm <strong>de</strong>s Symposiums,<br />

Strategie<br />

21:00 - 22:00 Studio (Parallelveranstaltung)<br />

Aktuelle För<strong>de</strong>rten<strong>de</strong>nzen in <strong>de</strong>r Schweiz – Verstärkte Diffusion als<br />

Chance für Internationale Kooperationen?<br />

Philippe Bischof (Dramaturg und Regisseur, Genf)<br />

21:00 - 22:00 Clubraum (Parallelveranstaltung)<br />

Erfahrungen und Ergebnisse <strong>de</strong>s Programms „Bipolar – <strong>de</strong>utschungarische<br />

Kulturprojekte“ und Perspektiven für das Programm<br />

<strong>de</strong>utsch-tschechischer Kulturprojekte <strong>de</strong>r Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<br />

Flóra Tálasi (Projektmanagerin)<br />

Montag, 25. Juni<br />

Veranstaltungsort:<br />

Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste (Hanseatenweg 10, Berlin)<br />

09:00<br />

Ankunft, Registrierung, Kaffee<br />

09:30 - 09:45<br />

Begrüßung:<br />

Dr. Thomas Engel (Direktor ITI Deutschland), Nele Hertling (Vize-<br />

Präsi<strong>de</strong>ntin Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste), Günter Jeschonnek (Geschäftsführer<br />

Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste)<br />

09:45 – 10:00<br />

Keynote 1:<br />

Gottfried Wagner (Direktor European Cultural Foundation, Amsterdam):<br />

„Go Europe!“<br />

10:00 – 11:30<br />

Panel 1:<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k in Europa / Europäische Einigung, Creative Industries<br />

und das Potenzial <strong>de</strong>r Künstler: Hoch gelobt und gut geför<strong>de</strong>rt?<br />

Frithjof Berger (Referatsleiter „Internationale Zusammenarbeit im<br />

Kulturbereich“ beim Beauftragten <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung für Kultur<br />

und Medien), Ruth Hieronymi (Mitglied <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments),<br />

Nele Hertling (Vize-Präsi<strong>de</strong>ntin Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste,<br />

Mit-In<strong>iti</strong>atorin <strong>de</strong>r Berliner Konferenz „Europa eine Seele geben“),<br />

Steffen Reiche (Mitglied <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stages, Mitglied <strong>de</strong>s Kulturausschusses),<br />

Dr. Nobert Sievers (Geschäftsführer Kulturpol<strong>iti</strong>sche<br />

Gesellschaft / Kongress „kultur.macht.europa“), Xavier Troussard<br />

(Generaldirektion Kultur und Bildung, Brüssel)<br />

Mo<strong>de</strong>ration: Prof. Dr. Wolfgang Schnei<strong>de</strong>r (Direktor <strong>de</strong>s Instituts für<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k, Universität Hil<strong>de</strong>sheim)<br />

11:30 – 12:30<br />

Statements: Künstler in Europa – die Kreativen sind <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k voraus<br />

Rolf Dennemann (Regisseur, Dortmund), Thomas Lehmen (Choreograf,<br />

Berlin), Matthias Lilienthal (Intendant HAU), Jonathan Mack<br />

(Projektkoordinator), Janek Müller (Künstlerischer Leiter Theaterhaus<br />

Weimar), Jochen Sandig (Sasha Waltz & Guests, Berlin)<br />

12:30 – 12:45<br />

Zwischenbemerkung:<br />

Walter Heun (Joint Adventures, München): „Visionen entwickeln,<br />

strategisch han<strong>de</strong>ln, pol<strong>iti</strong>sch einmischen“<br />

12:45 – 13:45<br />

Mittagessen<br />

13:45 – 14:00<br />

Keynote 2:<br />

Kirsten Haß (Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s): „Projekte für Europa“<br />

14:00-15:00<br />

Panel 2:<br />

För<strong>de</strong>rer, Projektin<strong>iti</strong>atoren und Netzwerke – Wer setzt die <strong>Impuls</strong>e?<br />

Martin Berg (Abt. Tanz/ Theater Goethe-Institut), Mary Ann DeVlieg<br />

(International Network for Contemporary Performing Arts – IETM,<br />

Brüssel), Bertram Müller (tanzhaus nrw), Georg Schwarz (Allianz<br />

Kulturstiftung), Flóra Tálasi („Bipolar“ – Projekt <strong>de</strong>r Kulturstiftung<br />

<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s) Mo<strong>de</strong>ration: Bettina Milz (Dramaturgin, Stuttgart)<br />

15:00 – 17:00 Studio (Parallelveranstaltung)<br />

Mit Übersetzung Deutsch-Englisch / Englisch-Deutsch<br />

Mo<strong>de</strong>ration: Kathrin Tie<strong>de</strong>mann<br />

15:00<br />

Best Practice künstlerischer Kooperation: Zoltán Imely (Kulturberater,<br />

Budapest), Petra Roggel (Kaaitheater Brüssel)<br />

15:40<br />

Rechtliche Probleme und Hin<strong>de</strong>rnisse internationaler Zusammenarbeit:<br />

Rolf Bolwin (PEARLE*), Judith Staines (On-the-move Association)<br />

16:20<br />

EU-För<strong>de</strong>rung: Culture <strong>2007</strong> und darüber hinaus – Interreg,<br />

EFRE: Sabine Bornemann (CCP Deutschland), Pascal Brunet (Relais<br />

Culture Europe)<br />

15:00 – 17:00 Club (Parallelveranstaltung)<br />

In Englischer Sprache<br />

Mo<strong>de</strong>ration: Michael Freundt<br />

15:00<br />

Datenbanken und Informationsressourcen: Dries Moreels (ENICPA),<br />

Katherine Watson (LabforCulture.org), Andrea Zagorski (playservice.net)<br />

15:40<br />

Nationaler Support für Internationale Projekte: Henk Scholten<br />

(Theaterinstitut Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>), Riitta Seppälä (Theatre Info Centre<br />

Finland), Caroline Williams (Irish Theatre Institute)<br />

16:20<br />

Netzwerke und kulturpol<strong>iti</strong>sche Plattformen: Mary-Ann DeVlieg<br />

(IETM), Dr. Thomas Engel (ITI), Daphne Tepper (European Forum<br />

for the Arts and Heritage, Brüssel), Gottfried Wagner (ECF)<br />

17:00 – 17:30<br />

Kaffeepause<br />

17:30 – 18:15<br />

Panel 3:<br />

Kreative I<strong>de</strong>en, kulturpol<strong>iti</strong>sche Strategien – neue <strong>Impuls</strong>e für<br />

Künstler und Netzwerke<br />

Dieter Buroch (Mousonturm Frankfurt/Main), Nele Hertling (Aka<strong>de</strong>mie<br />

<strong>de</strong>r Künste), Ralf R. Ollertz (Cie. Toula Limnaios), Prof. Hanns-Dietrich<br />

Schmidt (Essen 2010), Dieter Welke (Regisseur, Frankfurt/Main)<br />

Mo<strong>de</strong>ration: Michael Freundt<br />

18:15 – 19:45<br />

Panel 4:<br />

Hin<strong>de</strong>rnisse abbauen, För<strong>de</strong>rung ausbauen – Anfor<strong>de</strong>rungen an<br />

die Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

Hans Heinrich Bethge (Berichterstatter <strong>de</strong>s Kulturausschusses <strong>de</strong>r<br />

KMK), Rolf Bolwin (PEARLE*, Dt. Bühnenverein), Cord Meier-Klodt<br />

(Auswärtiges Amt, Referatsleiter „Grundsatzfragen Kultur“), Dr. Gerhard<br />

Sabathil (Leiter <strong>de</strong>r Vertretung EU-Kommission in Deutschland),<br />

Daphne Tepper (European Forum for the Arts and Heritage, Brüssel)<br />

Offene Diskussion zu bei<strong>de</strong>n Panels<br />

Mo<strong>de</strong>ration: Walter Heun (Joint Adventures, München)<br />

19:45 – 20:00<br />

Fazit und Ausblick: Dr. Thomas Engel (ITI), Günter Jeschonnek<br />

(Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste)<br />

20:00<br />

Aben<strong>de</strong>ssen<br />

83


Impressum<br />

Team Symposium: Michael Freundt, Ljubinka Petrovic-Ziemer, Sabrina Apitz, Tina Hoffmann (ITI-Deutschland)<br />

Günter Jeschonnek, Dr. Amina Tall, Heike Bagusch (Fonds Darstellen<strong>de</strong> Künste)<br />

Zentrum Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland <strong>de</strong>s Internationalen Theaterinstituts e.V.<br />

Präsi<strong>de</strong>nt: Dr. Manfred Beilharz Herausgeber: Dr. Thomas Engel<br />

Redaktion: Michael Freundt Mitarbeit: Tina Hoffmann, Sabrina Apitz<br />

Fotos: Sabrina Apitz, Marcus Lieberenz, Karsten Nessler,<br />

Redaktionsschluss: 21. November <strong>2007</strong><br />

Internationales Theaterinstitut<br />

PF 41 11 28, 12121 Berlin<br />

Schloßstr. 48, 12165 Berlin<br />

Tel. +49 (0)30 791 17 77<br />

Fax +49 (0)30 791 18 74<br />

info@<strong>iti</strong>-<strong>germany</strong>.<strong>de</strong><br />

www.<strong>iti</strong>-<strong>germany</strong>.<strong>de</strong><br />

Satz: Albrecht Grüß<br />

Druck: Tastomat Druck GmbH<br />

Geför<strong>de</strong>rt durch<br />

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