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Impuls 2007 - iti-germany.de

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Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />

Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />

berschuss. In unserer jetzigen Situation gibt es wenig<br />

stabilisieren<strong>de</strong> Struktur, mit <strong>de</strong>r die Kunst reifen kann.<br />

Die überbetonte Fluktuation, das europäische<br />

Postulat <strong>de</strong>s mobilen flexiblen europäischen Künstlers<br />

mag ein in <strong>de</strong>r heutigen pol<strong>iti</strong>schen Situation erstrebenswerter<br />

Gedanke sein, wenn man ein gesamt-europäisches<br />

Bewusstsein als Priorität setzt. Die realen<br />

Effekte dieser Kulturpol<strong>iti</strong>k benötigen jedoch eine genauere<br />

Betrachtung.<br />

Lokal und Deutschlandweit trete ich schätzungsweise<br />

etwa nur zu 5 - 10% auf. 70% <strong>de</strong>r Auftritte fin<strong>de</strong>n im<br />

ausländischen Europa, 20 bis 25% in Übersee statt.<br />

Allerdings ist es mir als Künstler nicht möglich, direkt<br />

europäische Finanzen zu beantragen. Um europäisch<br />

funktionieren zu können und auf europäischer Ebene<br />

wahrgenommen zu wer<strong>de</strong>n, brauche ich aber auch einen<br />

Ort, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Lage ist, meine Arbeit in qualitativer<br />

Adäquatheit zu stützen.<br />

So muss ich z.B. meine Kunst lokal in Aufführungsund<br />

Besucherzahlen rechtfertigen, um lokal för<strong>de</strong>rungswürdig<br />

zu sein. Kein lokales Theater kann aber<br />

mehr als 3 - 6 Aufführungen buchen, bei einer Bezahlung,<br />

die gegen Null tendiert,<br />

versteht sich, weil die<br />

Theater zu viele Stücke verschie<strong>de</strong>ner<br />

Künstler zeigen<br />

müssen, unter an<strong>de</strong>rem auch <strong>de</strong>shalb, weil sie durch<br />

för<strong>de</strong>rungsrichtlinientaugliche Koproduktionen überhaupt<br />

ihren Etat zusammenbekommen.<br />

Für mich als lokalen Künstler heißt das, dass ich im<br />

Prinzip mit <strong>de</strong>m Geld, z.B. aus <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung vom Senat<br />

Berlin, das ich bekam, um mein Stück zu produzieren,<br />

die Struktur <strong>de</strong>s Theaters stützen muss, um dort<br />

auftreten zu können. Vorschläge, ob ich für weitere<br />

minimale Produktionshilfen eines Theaters auch noch<br />

zahlen wür<strong>de</strong>, schockieren mich <strong>de</strong>rmaßen, dass mein<br />

mit nie<strong>de</strong>rgeschlagenen Augen peinlich berührtes<br />

Schweigen dann auch als negative Antwort richtig verstan<strong>de</strong>n<br />

wird.<br />

Letztendlich kommt es dann doch wie<strong>de</strong>r auf die<br />

persönlichen Kontakte an, um überhaupt eine Kontinuität<br />

<strong>de</strong>r Unterstützung zu erreichen. Solche direkten<br />

Kontakte zu EU- Vertretern bleiben aber <strong>de</strong>m<br />

Künstler, meist sogar <strong>de</strong>n Produzenten unzugänglich.<br />

Auf internationaler Ebene sucht man sich die Produzenten<br />

zusammen, mit <strong>de</strong>nen man arbeiten will,<br />

Produzenten, die Arbeiten nicht nur kurzfristig zeigen,<br />

son<strong>de</strong>rn auch langfristig dazu stehen. Manchmal ergibt<br />

sich dann auch die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung.<br />

Die Menge an Kommunikation und die Menge<br />

an Menschen, die man in die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

und I<strong>de</strong>enfindung mit einbeziehen muss, überschreitet<br />

natürlich das normale menschliche Vermögen und ist<br />

bei paralleler künstlerischer Arbeit eigentlich nicht zu<br />

bewältigen.<br />

Sinn macht es durchaus, in einer an<strong>de</strong>ren Umgebung<br />

zu arbeiten, um vor <strong>de</strong>m Alltag Ruhe zu haben, um<br />

sich konzentrieren zu können. Der Austausch von I<strong>de</strong>en<br />

kann natürlich sehr inspirierend sein. Das internationale<br />

Touren und die damit einhergehen<strong>de</strong> Informations-Distribution<br />

führt aber lei<strong>de</strong>r auch dazu, dass überall die<br />

gleichen Fragen gestellt wer<strong>de</strong>n. Das Europrodukt Tanz<br />

gleicht sich. Anstatt sich thematisch-künstlerisch aus-<br />

einan<strong>de</strong>r zu setzen, wer<strong>de</strong>n Konzepte und Ästhetiken<br />

kopiert, im günstigen Fall leicht variiert. Man versucht<br />

<strong>de</strong>n Vorgaben <strong>de</strong>r internationalen Zusammenarbeit gerecht<br />

zu wer<strong>de</strong>n, doch ist <strong>de</strong>r Anspruch an hochwertige<br />

Kunst bei <strong>de</strong>r Suche nach eurotauglichen I<strong>de</strong>en bisher<br />

nicht eingelöst wor<strong>de</strong>n. Ich frage mich, ob bei all <strong>de</strong>n<br />

Funktionalisierungsversuchen<br />

<strong>de</strong>r Kunst<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung<br />

eine eigenständige<br />

Thematische För<strong>de</strong>rschwerpunkte<br />

Kunst überhaupt noch<br />

vs. Freie För<strong>de</strong>rung<br />

erwünscht ist. Will man dies, dann muss <strong>de</strong>r Kunst ein<br />

gewisser Freiraum zugestan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r nicht<br />

kontrollierbar ist. Thematische Vorgaben und pol<strong>iti</strong>sch-geographische,<br />

wirtschaftliche Interessen als Orientierungsmarken<br />

sind keine <strong>de</strong>r europäischen Kultur<br />

adäquate Herangehensweise.<br />

Im Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s europäischen Warentransfers wird<br />

die Kunst <strong>de</strong>rzeit verfeuert.<br />

Das Gute an <strong>de</strong>r Kunst aber ist, dass man kein Konzept<br />

vorgeben kann, ohne die Kunst <strong>de</strong>ssen zu berauben,<br />

was sie ausmacht. Diesem kunstinhärenten Faktor<br />

nämlich ist es zu verdanken, dass sich die Kunst immer<br />

wie<strong>de</strong>r eine Nische, einen Freiraum sucht, um ein unvorhergesehenes<br />

Produkt hervor zu bringen, auf das<br />

eigentlich auch alle warten. Da es kein Konzept gibt,<br />

wie man Kunst machen muss, kann es folglich auch<br />

kein Konzept geben, die Kunst zu lenken, zu instrumentalisieren.<br />

Damit die Kunst die Kunst ist, die außerhalb<br />

<strong>de</strong>r Regeln eine eigenständige, diskursive, kr<strong>iti</strong>sche,<br />

ihre eigene gesellschaftliche Aufgabe ernst nehmen<strong>de</strong><br />

Funktion erfüllt, sollte auf pol<strong>iti</strong>scher Ebene verstan<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n, dass die interessanten Projekte aus <strong>de</strong>r Friktion<br />

mit <strong>de</strong>r Struktur, aus <strong>de</strong>r unerhofften Begegnung<br />

mit <strong>de</strong>r Differenz, aus einem beschützten Freiraum und<br />

einem immer weiter hinterfragen<strong>de</strong>n Geist <strong>de</strong>s Künstlers<br />

hervorgehen. Alles Faktoren, die man we<strong>de</strong>r messen<br />

noch zählen, in <strong>de</strong>n meisten Fällen sogar nicht beschreiben<br />

kann, da es bei <strong>de</strong>m sich schnell wan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n<br />

Phänomen Kunst keine fixen Kriterien geben kann.<br />

Nur wenn die Kunst ihre Aufgabe in <strong>de</strong>r Natur ihrer<br />

Funktionsweise ausführt, können auch an<strong>de</strong>re Bereiche<br />

wie die <strong>de</strong>r Wirtschaft, <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Erziehungssystems<br />

im Wechselspiel mit <strong>de</strong>r Kunst von dieser prof<strong>iti</strong>eren.<br />

Nicht, wenn ihr artfrem<strong>de</strong> Funktionsweisen<br />

aufgezwängt wer<strong>de</strong>n.<br />

Man möge mich bitte nicht falsch verstehen: Große<br />

Teile meiner Arbeit beinhalten die Absicht ein komplettes,<br />

intelligentes, selbst bestimmtes und nicht zuletzt<br />

auch kommunikatives und <strong>de</strong>mokratisches Menschenbild<br />

auf <strong>de</strong>r Bühne zu zeigen. Einen Menschen,<br />

<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Lage ist, die Welt zu reflektieren und sich so<br />

zu gestalten, wie es nach einigen tausend Jahren europäischer<br />

Philosophie eigentlich angebracht ist. Und für<br />

diese I<strong>de</strong>e bin ich auch gerne im Staatsauftrag unterwegs,<br />

habe ich doch selbst noch einen Vater gehabt,<br />

<strong>de</strong>r in vielen Län<strong>de</strong>rn Europas im Staatsauftrag an<strong>de</strong>ren<br />

Menschen <strong>de</strong>n Schä<strong>de</strong>l einschlagen sollte. Allerdings,<br />

eventuell auch gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb, lasse ich mich nicht<br />

gerne als Bin<strong>de</strong>glied, Vorhut o<strong>de</strong>r Lückenbüßer für Wirtschaftsinteressen<br />

o<strong>de</strong>r Expansionspol<strong>iti</strong>k missbrauchen.<br />

Das Kreative Potential<br />

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