Impuls 2007 - iti-germany.de
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„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Rolf Dennemann<br />
Regisseur, Dortmund<br />
Reisen, schauen und re<strong>de</strong>n – das sind die Schlüssel<br />
zur Verhin<strong>de</strong>rung von Arroganz, auch in <strong>de</strong>r Kunst.<br />
Schwer zu sagen, ob die Künstler auf diesem Gebiet <strong>de</strong>r<br />
Pol<strong>iti</strong>k voraus sind.<br />
Trotz aller Projekte und Mobilität wissen wir in Europa<br />
immer noch sehr wenig über die jeweils an<strong>de</strong>ren.<br />
Meine Reisen zu Festivals, Kongressen, wie <strong>de</strong>n IETM GL<br />
-Meetings, und an<strong>de</strong>ren Gelegenheiten in <strong>de</strong>n letzten<br />
zwanzig Jahren haben sicherlich dazu beigetragen,<br />
mein Welt- und Menschenbild zu formen. Über Theaterarbeit,<br />
ob schauen o<strong>de</strong>r selbst gestalten, weitet<br />
sich das Feld <strong>de</strong>r Kreativität. Trotz<strong>de</strong>m sind all diese<br />
Begegnungen nur kleine Teile, die sich in <strong>de</strong>m europäischen<br />
Mosaik verlieren. Das abgenutzte Wort „Vielfalt“<br />
gewinnt an Be<strong>de</strong>utung, wenn man die zahlreichen<br />
gleichförmigen Produktionen sieht, die man europäisch<br />
nennen könnte. Begegnet man <strong>de</strong>n Arbeiten und Menschen<br />
in <strong>de</strong>n Regionen, <strong>de</strong>n kleineren Zusammenhängen,<br />
kann das zu so etwas wie Beschei<strong>de</strong>nheit beitragen<br />
o<strong>de</strong>r Achtung.<br />
Nationale<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
Mit diesem Teil-Wissen übereinan<strong>de</strong>r geht man zurück<br />
in die eigene Region, um neu über die Welt o<strong>de</strong>r<br />
Europa nachzu<strong>de</strong>nken. Die Konzepte<br />
europäischer Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
Europäische<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
sind auf diesem Weg. Das unterschei<strong>de</strong>t<br />
sich <strong>de</strong>utlich von nationaler und kommunaler<br />
Pol<strong>iti</strong>k. Dort liegt <strong>de</strong>r eigentliche Schwachpunkt. Dort,<br />
wo man seine Arbeit ansetzt, umsetzt, zeigt, <strong>de</strong>r<br />
Heimatort o<strong>de</strong>r Ort <strong>de</strong>r Realisation seiner künstlerischen<br />
Konzepte, wo man sein Publikum hat, dort<br />
braucht <strong>de</strong>r Künstler die Unterstützung, sei er noch<br />
so europäisch. Denn dort zählt <strong>de</strong>r oft klein karierte<br />
Egoismus, dort wer<strong>de</strong>n Stadtgrenzen zur Zwangszone.<br />
Die Pol<strong>iti</strong>ker vor Ort wollen ihre Kommune beglücken,<br />
nicht die in <strong>de</strong>r Nachbarschaft und erst recht<br />
nicht die, die drei ICE-Stun<strong>de</strong>n entfernt liegt. Es gibt allerdings<br />
auch die Retourkutschen.<br />
Der Künstler zieht hinaus in die<br />
Welt, o<strong>de</strong>r sagen wir in die europä-<br />
ische Welt, wird in Land X o<strong>de</strong>r Ort Y gefeiert, geliebt.<br />
Plötzlich ist <strong>de</strong>r Sohn, die Gruppe, die Tochter <strong>de</strong>r Stadt<br />
– das hat man ja schon immer gewusst – willkommen.<br />
Zurzeit bereitet sich das Ruhrgebiet auf das Jahr<br />
2010 vor. Das ist das Kulturhauptstadt-Jahr und die 52<br />
(!) Gemein<strong>de</strong>n und Kommunen <strong>de</strong>r Region fin<strong>de</strong>n zueinan<strong>de</strong>r<br />
(wer alles plötzlich zum Ruhrgebiet gezählt wer<strong>de</strong>n<br />
will!). Es wird Kompromisse geben müssen. Man<br />
wird sich zusammenraufen müssen, und zwar zunächst<br />
mal nicht aus wirtschaftlichen Grün<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn aus<br />
kulturellen! Hoffen wir, dass das Programm kein Kompromiss<br />
sein wird, <strong>de</strong>r es allen recht machen will. Hoffen<br />
wir, dass es europäische Strahlung hat, auch und<br />
vor allem durch eigene Kreationen und Künstler. Aber<br />
ich schweife ab…<br />
Kommunikation!<br />
Wenn man sich entschei<strong>de</strong>t, international o<strong>de</strong>r europäisch<br />
zu arbeiten, muss man kommunizieren. Wie<br />
will man das schaffen, wenn man mit kleinen Teams<br />
arbeitet? Das braucht viel Energie. Wo lerne ich wen<br />
Künstler-<br />
Netzwerke<br />
kennen? Wer gibt mir Geld? Man<br />
braucht Produzenten und Manager.<br />
Es ist ein <strong>de</strong>utsches Dilemma,<br />
dass dies noch immer nicht sehr verbreitet ist. Der<br />
Tanz macht da weiter gute Fortschritte.<br />
Warum will ich eine Koproduktion mit <strong>de</strong>m Ausland?<br />
Was ist <strong>de</strong>r künstlerische Hintergrund und Sinn?<br />
Weil es Geldgeber gerne sehen? Weil es überall nach<br />
Vernetzung schreit? Haben Sie sich heute schon vernetzt?<br />
Weil Gent o<strong>de</strong>r Prag schöne Städte sind?<br />
Ein <strong>de</strong>ftiger, guter Grund ist: Da haben sich zwei<br />
MacherInnen kennen gelernt und spüren, dass es gut<br />
wäre, etwas zusammen zu gestalten. O<strong>de</strong>r sie machen<br />
was zusammen, weil es die Freundschaft hergibt. Diese<br />
Geschichten entstehen in erster Linie über Festivals<br />
o<strong>de</strong>r ähnliche Anlässe.<br />
Ein an<strong>de</strong>rer Weg ist, man beschließt von vorn herein,<br />
international zu arbeiten und setzt seine Produktionsgruppen<br />
entsprechend zusammen. In <strong>de</strong>n Metropolen<br />
fin<strong>de</strong>t man Künstler aus zahlreichen Län<strong>de</strong>rn,<br />
o<strong>de</strong>r man wechselt <strong>de</strong>n Wohnort. Krepsko aus Prag ist<br />
eine internationale Gruppe mit Sitz eben dort. Im Tanz<br />
ist das normaler Alltag.<br />
Ich habe auch einige gescheiterte Projekte gesehen,<br />
die durch Geld<br />
zustan<strong>de</strong> gekommen<br />
sind. „Wir machen<br />
das nächste Jahr was<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
Thematische För<strong>de</strong>rschwerpunkte<br />
vs. Freie För<strong>de</strong>rung<br />
mit <strong>de</strong>r Schweiz. Könnt ihr da nicht was koproduzieren?“<br />
Dafür gibt es Geld. Das wird gemacht und heraus<br />
kam eine Art Auftragsproduktion, die Käse war. Auch<br />
für die Macher.<br />
Die Kulturhauptstadt grast nun die Stadt Pecs nach<br />
Künstlern ab, die eine Zusammenarbeit mit Essen/<br />
Ruhrgebiet machen könnten. Da gibt es gar nicht so<br />
viele… wahrscheinlich. Wahrscheinlich wer<strong>de</strong>n dort<br />
Resi<strong>de</strong>nzen eingerichtet, damit es zu zahlreichen Austauschen<br />
kommt.<br />
Es herrscht ein Koproduktionswahn, <strong>de</strong>r pol<strong>iti</strong>sch<br />
und von För<strong>de</strong>rerseite gesteuert und gewollt<br />
ist. Immer mehr wer<strong>de</strong>n Vorgaben gemacht und Themen<br />
gesetzt. Mir scheint, <strong>de</strong>r Künstler, speziell <strong>de</strong>r<br />
Theaterkünstler, wird zu einem Gehilfen, zu einem Instrument,<br />
gesellschaftliche Fehlentwicklungen zu korrigieren.<br />
Inhaltlich sollten die Theatermacher <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k<br />
voraus sein, meint man. Viele sind es auch. Es wer<strong>de</strong>n<br />
vor allem von freien, unabhängigen Kreativen Themen<br />
behan<strong>de</strong>lt, die bei <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k erst ankommen, wenn das<br />
Feuer brennt.<br />
Aber Gel<strong>de</strong>r gibt es über Kuratoren, Ratsbeschlüsse<br />
und Landtagsbeschlüsse. Machen Sie was mit kultureller<br />
Bildung! Migration, Jugend, Kin<strong>de</strong>r, am besten alles<br />
zusammen.<br />
Europa spricht über Kultur. Besser gesagt, in<br />
Deutschland spricht man viel von Europa und seiner<br />
Kultur. Ich habe das Gefühl, es wur<strong>de</strong> noch nie so viel<br />
auf pol<strong>iti</strong>scher Ebene über Kultur gesprochen und <strong>de</strong>-<br />
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