05.11.2013 Aufrufe

Impuls 2007 - iti-germany.de

Impuls 2007 - iti-germany.de

Impuls 2007 - iti-germany.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Es gibt auch ein paar weiche Faktoren, die mir Sorge<br />

machen. Der inhaltliche Wettbewerb ist das beleben<strong>de</strong><br />

Element <strong>de</strong>s Theaters. Aber wenn es dann in eine<br />

ökonomische Konkurrenz geht, fürchte ich manchmal<br />

doch sehr, dass sich im Theater allgemein, je<strong>de</strong>r klebt<br />

an seinem Job, so etwas wie Revierförsterei breit macht.<br />

Dieses Abstecken von „claims“ hat sehr stark zugenommen<br />

- auch als Konkurrenzsituation in <strong>de</strong>n Ensembles.<br />

Ich sehe das auch mit <strong>de</strong>m Blick von außen, weil ich<br />

nicht nur in Deutschland arbeite.<br />

Diese materielle Situation <strong>de</strong>r Künstler hat Auswirkungen<br />

auf die Theater. Es ist allerdings schwer, das<br />

genau zu analysieren, weil man an die Statistiken z.T.<br />

nicht heran kommt. Ich bin selbst mehrmals daran gescheitert,<br />

als ich dies im Hinblick auf meine Arbeit in <strong>de</strong>r<br />

UNESCO untersuchen wollte. Es wäre daher durchaus<br />

wichtig, dass wir bald auf ein einheitliches, europäisch<br />

vergleichbares System <strong>de</strong>r Datenerhebung, was die soziale<br />

Lage <strong>de</strong>r Künstler angeht, zurückgreifen könnten,<br />

um herauszufin<strong>de</strong>n, wie die Beschäftigungslage wirklich<br />

ist. Da müssten auch die Gewerkschaften aktiver<br />

wer<strong>de</strong>n. Die Gewerkschaften sind da gefor<strong>de</strong>rt, genauso<br />

wie die Theaterverbän<strong>de</strong>.<br />

Schlussbemerkung: Ich glaube, es muss auf einen<br />

europäischen Report hinauslaufen. Und <strong>de</strong>r wür<strong>de</strong><br />

auch von <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k begrüßt wer<strong>de</strong>n, weil es <strong>de</strong>mentsprechen<strong>de</strong><br />

In<strong>iti</strong>ativen, ich beziehe mich da auf die<br />

Entschließung zur Situation <strong>de</strong>r Künstler GL , im Europäischen<br />

Parlament gibt. Danke.<br />

Freundt:<br />

In genau dieser Entschließung <strong>de</strong>s Europäischen<br />

Parlaments GL wur<strong>de</strong> noch einmal festgehalten, dass<br />

es um die Anerkennung <strong>de</strong>s sozialen Status <strong>de</strong>r<br />

Künstler gehen muss, dass es darum gehen muss,<br />

die arbeitsrechtlichen Systeme in Europa aneinan<strong>de</strong>r<br />

anzugleichen, dass Vergleichbarkeiten und Anschlusssysteme<br />

geschaffen wer<strong>de</strong>n müssen. Und da<br />

wird auch die Frage gestellt: was gilt als Arbeitszeit<br />

<strong>de</strong>s Künstlers? Ist es nur die im Vertrag festgehaltene<br />

Proben- und Auftrittszeit? O<strong>de</strong>r wird auch die individuelle<br />

Trainings- und Vorbereitungszeit angerechnet,<br />

wenn es später um Rente o<strong>de</strong>r um soziale Absicherung<br />

geht?<br />

Das Stichwort, dass wir Informationen brauchen,<br />

dass wir unsere Kräfte sammeln müssen, um in diesem<br />

Prozess weiter im Spiel zu bleiben, wür<strong>de</strong> ich gern als<br />

Überleitung zu Nele Hertling aufgreifen, die in ihrer<br />

Arbeit für <strong>de</strong>n Prozess <strong>de</strong>s „Netzwerkens“ steht, für<br />

<strong>de</strong>n Dialog, auch <strong>de</strong>n kontinuierlichen Dialog mit <strong>de</strong>r<br />

Pol<strong>iti</strong>k. Ich gebe Ihnen, Frau Hertling, das Wort für Anmerkungen.<br />

Was ist zu beachten, wenn wir diesen<br />

Dialog zwischen Künstlern und Pol<strong>iti</strong>k weiterbewegen<br />

wollen? Und was sollte aus Ihrer Sicht <strong>de</strong>n Pol<strong>iti</strong>kern<br />

als wichtigster Punkt übergeben wer<strong>de</strong>n?<br />

Hertling:<br />

Erlauben sie mir noch eine ganz kurze Bemerkung<br />

zur Frage <strong>de</strong>r sozialen Lage. Man muss natürlich immer<br />

davon ausgehen, dass wir in manchen Län<strong>de</strong>rn und vor<br />

allen Dingen in <strong>de</strong>n neuen Beitrittslän<strong>de</strong>rn ganz unterschiedliche<br />

Situationen haben. Ich war in Avignon<br />

zugegen, als die Künstler zu Protesten aufriefen. Da<br />

waren in diesem Jahr sehr viele osteuropäische o<strong>de</strong>r lateinamerikanische<br />

Kompanien, die<br />

Soziale Lage<br />

überhaupt nicht verstehen konnten,<br />

auf welch einem hohen Niveau<br />

<strong>de</strong>r Künstler<br />

die französischen Künstler in einen Protest gingen, aus<br />

einer Lage heraus, von <strong>de</strong>r sie nur träumen konnten.<br />

Ich glaube, es ist eine europäische Aufgabe, dass wir<br />

hier nicht eine Zweiklassensituation zwischen <strong>de</strong>n alten<br />

und <strong>de</strong>n neuen Län<strong>de</strong>rn schaffen, auch was die soziale<br />

Lage betrifft. Und zum Beitrag von Hanns-Dietrich<br />

Schmidt wollte ich noch sagen, dass ich <strong>de</strong>r Meinung<br />

bin, dass es kaum Kulturstädte gab, die so pol<strong>iti</strong>sch waren<br />

wie Amsterdam, Berlin und Glasgow. Glasgow hat<br />

ein extrem urbanistisches Programm gehabt. Amsterdam<br />

hat sich extrem um Migranten gekümmert. Und<br />

Berlin hatte nicht ein repräsentatives Projekt, son<strong>de</strong>rn<br />

hatte die Aufgabe übernommen, 1988 die junge Kunst<br />

aus Mittel- und Osteuropa durch <strong>de</strong>n Eisernen Vorhang<br />

zu bringen, was uns auch weitgehend gelungen<br />

ist. Weshalb ich das sage: Ich fin<strong>de</strong> es furchtbar, dass<br />

in <strong>de</strong>n späteren Kulturhauptstädten mehr und mehr<br />

Verwaltung und pol<strong>iti</strong>sche Kräfte die Programme bestimmt<br />

haben. In <strong>de</strong>n ersten Jahren waren es Kulturleute,<br />

die es in ihrem Sinne versucht haben. Später kippte<br />

das, und das ist etwas, wo man generell sehr aufpassen<br />

muss. Ich fand, das war eine furchtbare Entwicklung.<br />

Jetzt merkt man, dass es wie<strong>de</strong>r in die an<strong>de</strong>re Richtung<br />

geht, das ist ganz entschei<strong>de</strong>nd.<br />

Zu <strong>de</strong>m, was heute gesagt wur<strong>de</strong>: Wir haben sehr<br />

viele pos<strong>iti</strong>ve Vorschläge, sehr viel interessante Analysen<br />

gehört. Aber wie ist das alles weiterzugeben? Wo<br />

sind die Kräfte, die für die<br />

Implementierung sorgen? Pol<strong>iti</strong>scher Dialog<br />

Es hat jetzt keinen Sinn, hier<br />

groß darüber zu lamentieren, dass die Zwischenschritte<br />

noch viel schwieriger sein wer<strong>de</strong>n, als sich die guten<br />

I<strong>de</strong>en auszu<strong>de</strong>nken und die Pol<strong>iti</strong>ker anzuklagen; das<br />

geht leicht. Aber wo sind die Schnittstellen? Wie, wenn<br />

nicht gemeinsam, kriegen wir beispielsweise zustan<strong>de</strong>,<br />

was Gottfried Wagner gesagt hat: die Kultur als<br />

Gegenmacht zum Marktmechanismus zu etablieren?<br />

Die Kultur ist in Europa nach wie vor keine eigenständige<br />

Macht im pol<strong>iti</strong>schen Sinne. Wie können wir das<br />

überwin<strong>de</strong>n? Alle Pol<strong>iti</strong>kfel<strong>de</strong>r haben in Brüssel eine<br />

Be<strong>de</strong>utung, allein die Kultur hat bisher, Stichwort Sub-<br />

sidiarität GL , keine europäische<br />

pol<strong>iti</strong>sche Be<strong>de</strong>utung. Ganz<br />

sicher hängt das Defizit <strong>de</strong>r<br />

Europäische<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

Sichtbarkeit und auch <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rungspol<strong>iti</strong>k damit zusammen.<br />

Wie schaffen wir es, <strong>de</strong>r Kultur gegen viele<br />

an<strong>de</strong>re Argumente und Kräfte diese sichtbar gleichberechtigte,<br />

wenn nicht gar höhere Be<strong>de</strong>utung zu geben?<br />

Wir alle sagen, Europa ist ein kultureller Prozess.<br />

Und dieser kulturelle Prozess wird getragen von einer<br />

Zivilgesellschaft, sprich von <strong>de</strong>r Kultur. Von uns! Wir<br />

sind es ja im Grun<strong>de</strong> genommen, die Europa sind<br />

und die Europa schaffen müssen. Und ich weise noch<br />

einmal darauf hin: Wenn wir es nicht schaffen, auch aus<br />

<strong>de</strong>n kulturellen Kräften, aus <strong>de</strong>n künstlerischen Kräften<br />

heraus, diese Aufgabe zu <strong>de</strong>r unsrigen zu machen und<br />

nicht einfach nur als Bittsteller aufzutreten, son<strong>de</strong>rn als<br />

38

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!