05.11.2013 Aufrufe

Impuls 2007 - iti-germany.de

Impuls 2007 - iti-germany.de

Impuls 2007 - iti-germany.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Gel<strong>de</strong>r für kulturelle Belange, die man, theoretisch zumin<strong>de</strong>st,<br />

beantragen kann. Aber das ist außeror<strong>de</strong>ntlich<br />

kompliziert, zumal die Informationslage nicht ganz einfach<br />

ist. Da wäre es sehr hilfreich, wenn man die Fonds<br />

für zivilgesellschaftliche Projekte und Organisationen in<br />

Kooperation mit <strong>de</strong>n nationalen und vor allem regionalen<br />

Behör<strong>de</strong>n, die dafür zuständig sind, zugänglicher<br />

machen wür<strong>de</strong>.<br />

Ein vierter Punkt, über <strong>de</strong>n wir auch im Rahmen <strong>de</strong>s<br />

Kongresses diskutiert haben, betrifft die Erinnerungskultur.<br />

Wie sind Fragen <strong>de</strong>r Erinnerung kulturpol<strong>iti</strong>sch,<br />

kulturell zu fassen und zu thematisieren? Das ist ein<br />

ganz, ganz wichtiger Punkt, auch ein sehr schwieriger.<br />

Wir sollten uns aber auch vor diesen schwierigen Fragen<br />

nicht verstecken.<br />

Schnei<strong>de</strong>r:<br />

Ich erlaube Ihnen jetzt noch eine ganz kurze Werbeeinblendung.<br />

Sie haben von <strong>de</strong>r Kontinuität gesprochen,<br />

Sie haben von <strong>de</strong>m Diskurs gesprochen und Sie<br />

haben dazu auch publizistisch etwas beizutragen.<br />

Sievers:<br />

Ja, wir <strong>de</strong>nken, Kongresse sind Inszenierungen, aber<br />

man darf Sie nicht nur auf drei Tage begrenzen, son<strong>de</strong>rn<br />

muss sie vorbereiten. Das haben wir durch einen<br />

Newsletter, durch eine Webseite (www.kupoge.<strong>de</strong>)<br />

und durch eine Publikation versucht, in <strong>de</strong>nen wir dann<br />

etwas systematischer die Fragen <strong>de</strong>r europäischen Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

behan<strong>de</strong>lt haben. Die Publikation ist das Jahrbuch<br />

für Kulturpol<strong>iti</strong>k, eine Grundlage, auf die man sich<br />

beziehen kann, und ich <strong>de</strong>nke, wenn man die verschie<strong>de</strong>nsten<br />

Instrumente, die man hat, so bün<strong>de</strong>lt, dann<br />

kommt man auch weiter.<br />

Schnei<strong>de</strong>r:<br />

Herr Reiche, Wir haben jetzt über die Themensetzungen<br />

<strong>de</strong>r kulturpol<strong>iti</strong>schen Konferenzen und Debatten<br />

gesprochen. Wie fließt dies in die konkrete Pol<strong>iti</strong>k<br />

ein? Was wird im Bericht <strong>de</strong>r Enquête-Kommission über<br />

Europa- und Kulturpol<strong>iti</strong>k drinstehen?<br />

Europäische<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />

Reiche:<br />

Ich bin im Moment sehr optimistisch. Es ist unglaublich,<br />

wie viel in Europa im Kulturbereich in Bewegung<br />

geraten ist. Dinge, die man sich vor kurzem<br />

noch gar nicht vorstellen konnte. Die Hymne und die<br />

Fahne haben <strong>de</strong>n Gipfel nicht überlebt, aber <strong>de</strong>r Kulturartikel,<br />

<strong>de</strong>r hat überlebt. Und<br />

das macht <strong>de</strong>utlich, dass die<br />

Europäische Union in <strong>de</strong>r tiefen<br />

Krise, in <strong>de</strong>r sie im Moment steckt, merkt, dass sie<br />

die Kultur braucht, um voran zu kommen, um I<strong>de</strong>ntität<br />

in Europa zu schaffen, um <strong>de</strong>n Lissabon-Prozess GL voranzubringen,<br />

um Kultur einfach wie<strong>de</strong>r stärker in <strong>de</strong>n<br />

öffentlichen Fokus zu bringen. In <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />

wollte man viele Jahre über Kultur immer nur ganz<br />

am Ran<strong>de</strong> sprechen, das war immer ein Nebenthema.<br />

Die Europäische Union dürfe dafür eigentlich nicht zuständig<br />

sein, es ginge ja um Subsidiarität GL . Zuallererst<br />

war es eine Wirtschaftsunion und dann wur<strong>de</strong> daraus<br />

ein Rechtsraum und mit <strong>de</strong>r Europäischen Union dann<br />

auch ein pol<strong>iti</strong>scher Raum. Jetzt merkt man stärker<br />

als je zuvor, dass wir auch die Kultur brauchen, um<br />

die I<strong>de</strong>ntität zu entwickeln, um <strong>de</strong>n europäischen<br />

Traum voranzubringen. Grönland beispielsweise ist<br />

im Grun<strong>de</strong> viel größer als Europa, aber warum ist Europa<br />

be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r als Grönland? Weil <strong>de</strong>r Rohstoff Europas<br />

die Kultur ist. Das heißt, unsere gemeinsame Kultur<br />

in ihrer Vielfalt, in ihrer Verschie<strong>de</strong>nheit, die vielen<br />

verschie<strong>de</strong>nen Geschichten, die eine gemeinsame Geschichte<br />

ergeben, das ist das, was uns eint und verbin<strong>de</strong>t.<br />

Und wenn wir wollen, dass Europa, neben Indien,<br />

neben China, neben <strong>de</strong>n USA, neben <strong>de</strong>n vielen großen<br />

an<strong>de</strong>ren Akteuren in diesem Globalisierungsprozess<br />

perspektivisch eine Rolle spielen soll, wenn wir wollen,<br />

dass nach <strong>de</strong>m 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt, das maßgeblich vom<br />

amerikanischen Traum geprägt wur<strong>de</strong>, im 21. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

<strong>de</strong>r europäische Traum, und das heißt unsere<br />

Werte, eine Rolle spielen sollen, dann wer<strong>de</strong>n wir dafür<br />

zentral die Kultur brauchen, als <strong>Impuls</strong>geber, als Motor.<br />

Unter diesem Gesichtspunkt bekommt das Diktum, das<br />

Jean Monnet* zugeschrieben wird, das er aber tatsächlich<br />

nie geäußert hat, eine ganz neue Be<strong>de</strong>utung. Er<br />

soll gesagt haben, dass er, wenn er noch einmal mit<br />

<strong>de</strong>m Aufbau von Europas bzw. <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />

beginnen wür<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>r Kultur anfinge. In <strong>de</strong>r jetzigen<br />

tiefen Krise beginnen wir tatsächlich, <strong>de</strong>r Kultur eine<br />

größere Rolle zuzuschreiben. Als die Mitteilung <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Kommission GL veröffentlicht wur<strong>de</strong>, dachte<br />

ich, einige Län<strong>de</strong>r in Deutschland müssten sofort in<br />

Ohnmacht fallen. Ich war mir sicher, dass die Bayern<br />

sofort protestieren und mit <strong>de</strong>m Austritt aus <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Union und Schlimmerem drohen wür<strong>de</strong>n. Das<br />

ist alles nicht passiert, obwohl da etwas drinstand, was<br />

man vor drei, vier Jahren für völlig un<strong>de</strong>nkbar gehalten<br />

hätte. Die Europäische Kommission schlägt in <strong>de</strong>r Mitteilung<br />

GL vor, <strong>de</strong>n Prozess <strong>de</strong>r offenen Koordinierung GL ,<br />

<strong>de</strong>n man bisher bloß für <strong>de</strong>n Bildungsbereich reklamiert<br />

hat, nun auch auf <strong>de</strong>n Kulturbereich auszu<strong>de</strong>hnen, da<br />

die offene Koordinierung nötig ist, um in diesem Bereich<br />

voran zu kommen. Auch daran wird <strong>de</strong>utlich, ein<br />

wichtiger, zentraler Baustoff für Europa ist die Kultur.<br />

Wir haben in <strong>de</strong>r Enquête-Kommission GL eine Reihe von<br />

Empfehlungen gegeben, damit Sie das nicht nur lesen,<br />

son<strong>de</strong>rn auch in Ihre Arbeit aufnehmen. Da ist zum Beispiel<br />

die Empfehlung drin, dass wir gera<strong>de</strong> als Deutsche<br />

mit <strong>de</strong>m berühmten German Vote nicht immer<br />

nur als Bremser im Kulturbereich auftreten. German<br />

Vote heißt soviel wie: Wir wissen nichts, wir können nichts<br />

sagen, weil Kulturfragen bei uns Län<strong>de</strong>rsache sind.<br />

Wir müssen als größter Staat in Europa aus <strong>de</strong>m<br />

Bremserhäuschen nach vorne gehen und wirklich<br />

Dynamik hineinbringen, damit wir ein Mobilitätsprogramm<br />

eben nicht nur für die Studieren<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn<br />

auch für die Künstler bekommen, damit wir eine europäische<br />

Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste eröffnen können.<br />

Wir haben zum Glück nun endlich eine vom Bund finanzierte<br />

Aka<strong>de</strong>mie. Nationale Aka<strong>de</strong>mie darf man sie<br />

nicht nennen, obwohl sie das im Grun<strong>de</strong> genommen<br />

ist, aber wir brauchen auch eine solche europäische<br />

Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste, wir brauchen eine europäische<br />

Kulturstiftung, also Institutionen, die wirklich mit einer<br />

Stimme für Europa die Vielfalt, aber zugleich auch<br />

* Jean Omer Marie Gabriel Monnet, französischer Unternehmer und Pol<strong>iti</strong>ker. Er<br />

gilt als einer <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong>rväter <strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaften<br />

Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />

45

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!