Impuls 2007 - iti-germany.de
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Gel<strong>de</strong>r für kulturelle Belange, die man, theoretisch zumin<strong>de</strong>st,<br />
beantragen kann. Aber das ist außeror<strong>de</strong>ntlich<br />
kompliziert, zumal die Informationslage nicht ganz einfach<br />
ist. Da wäre es sehr hilfreich, wenn man die Fonds<br />
für zivilgesellschaftliche Projekte und Organisationen in<br />
Kooperation mit <strong>de</strong>n nationalen und vor allem regionalen<br />
Behör<strong>de</strong>n, die dafür zuständig sind, zugänglicher<br />
machen wür<strong>de</strong>.<br />
Ein vierter Punkt, über <strong>de</strong>n wir auch im Rahmen <strong>de</strong>s<br />
Kongresses diskutiert haben, betrifft die Erinnerungskultur.<br />
Wie sind Fragen <strong>de</strong>r Erinnerung kulturpol<strong>iti</strong>sch,<br />
kulturell zu fassen und zu thematisieren? Das ist ein<br />
ganz, ganz wichtiger Punkt, auch ein sehr schwieriger.<br />
Wir sollten uns aber auch vor diesen schwierigen Fragen<br />
nicht verstecken.<br />
Schnei<strong>de</strong>r:<br />
Ich erlaube Ihnen jetzt noch eine ganz kurze Werbeeinblendung.<br />
Sie haben von <strong>de</strong>r Kontinuität gesprochen,<br />
Sie haben von <strong>de</strong>m Diskurs gesprochen und Sie<br />
haben dazu auch publizistisch etwas beizutragen.<br />
Sievers:<br />
Ja, wir <strong>de</strong>nken, Kongresse sind Inszenierungen, aber<br />
man darf Sie nicht nur auf drei Tage begrenzen, son<strong>de</strong>rn<br />
muss sie vorbereiten. Das haben wir durch einen<br />
Newsletter, durch eine Webseite (www.kupoge.<strong>de</strong>)<br />
und durch eine Publikation versucht, in <strong>de</strong>nen wir dann<br />
etwas systematischer die Fragen <strong>de</strong>r europäischen Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
behan<strong>de</strong>lt haben. Die Publikation ist das Jahrbuch<br />
für Kulturpol<strong>iti</strong>k, eine Grundlage, auf die man sich<br />
beziehen kann, und ich <strong>de</strong>nke, wenn man die verschie<strong>de</strong>nsten<br />
Instrumente, die man hat, so bün<strong>de</strong>lt, dann<br />
kommt man auch weiter.<br />
Schnei<strong>de</strong>r:<br />
Herr Reiche, Wir haben jetzt über die Themensetzungen<br />
<strong>de</strong>r kulturpol<strong>iti</strong>schen Konferenzen und Debatten<br />
gesprochen. Wie fließt dies in die konkrete Pol<strong>iti</strong>k<br />
ein? Was wird im Bericht <strong>de</strong>r Enquête-Kommission über<br />
Europa- und Kulturpol<strong>iti</strong>k drinstehen?<br />
Europäische<br />
Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
Reiche:<br />
Ich bin im Moment sehr optimistisch. Es ist unglaublich,<br />
wie viel in Europa im Kulturbereich in Bewegung<br />
geraten ist. Dinge, die man sich vor kurzem<br />
noch gar nicht vorstellen konnte. Die Hymne und die<br />
Fahne haben <strong>de</strong>n Gipfel nicht überlebt, aber <strong>de</strong>r Kulturartikel,<br />
<strong>de</strong>r hat überlebt. Und<br />
das macht <strong>de</strong>utlich, dass die<br />
Europäische Union in <strong>de</strong>r tiefen<br />
Krise, in <strong>de</strong>r sie im Moment steckt, merkt, dass sie<br />
die Kultur braucht, um voran zu kommen, um I<strong>de</strong>ntität<br />
in Europa zu schaffen, um <strong>de</strong>n Lissabon-Prozess GL voranzubringen,<br />
um Kultur einfach wie<strong>de</strong>r stärker in <strong>de</strong>n<br />
öffentlichen Fokus zu bringen. In <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />
wollte man viele Jahre über Kultur immer nur ganz<br />
am Ran<strong>de</strong> sprechen, das war immer ein Nebenthema.<br />
Die Europäische Union dürfe dafür eigentlich nicht zuständig<br />
sein, es ginge ja um Subsidiarität GL . Zuallererst<br />
war es eine Wirtschaftsunion und dann wur<strong>de</strong> daraus<br />
ein Rechtsraum und mit <strong>de</strong>r Europäischen Union dann<br />
auch ein pol<strong>iti</strong>scher Raum. Jetzt merkt man stärker<br />
als je zuvor, dass wir auch die Kultur brauchen, um<br />
die I<strong>de</strong>ntität zu entwickeln, um <strong>de</strong>n europäischen<br />
Traum voranzubringen. Grönland beispielsweise ist<br />
im Grun<strong>de</strong> viel größer als Europa, aber warum ist Europa<br />
be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r als Grönland? Weil <strong>de</strong>r Rohstoff Europas<br />
die Kultur ist. Das heißt, unsere gemeinsame Kultur<br />
in ihrer Vielfalt, in ihrer Verschie<strong>de</strong>nheit, die vielen<br />
verschie<strong>de</strong>nen Geschichten, die eine gemeinsame Geschichte<br />
ergeben, das ist das, was uns eint und verbin<strong>de</strong>t.<br />
Und wenn wir wollen, dass Europa, neben Indien,<br />
neben China, neben <strong>de</strong>n USA, neben <strong>de</strong>n vielen großen<br />
an<strong>de</strong>ren Akteuren in diesem Globalisierungsprozess<br />
perspektivisch eine Rolle spielen soll, wenn wir wollen,<br />
dass nach <strong>de</strong>m 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt, das maßgeblich vom<br />
amerikanischen Traum geprägt wur<strong>de</strong>, im 21. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
<strong>de</strong>r europäische Traum, und das heißt unsere<br />
Werte, eine Rolle spielen sollen, dann wer<strong>de</strong>n wir dafür<br />
zentral die Kultur brauchen, als <strong>Impuls</strong>geber, als Motor.<br />
Unter diesem Gesichtspunkt bekommt das Diktum, das<br />
Jean Monnet* zugeschrieben wird, das er aber tatsächlich<br />
nie geäußert hat, eine ganz neue Be<strong>de</strong>utung. Er<br />
soll gesagt haben, dass er, wenn er noch einmal mit<br />
<strong>de</strong>m Aufbau von Europas bzw. <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />
beginnen wür<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>r Kultur anfinge. In <strong>de</strong>r jetzigen<br />
tiefen Krise beginnen wir tatsächlich, <strong>de</strong>r Kultur eine<br />
größere Rolle zuzuschreiben. Als die Mitteilung <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Kommission GL veröffentlicht wur<strong>de</strong>, dachte<br />
ich, einige Län<strong>de</strong>r in Deutschland müssten sofort in<br />
Ohnmacht fallen. Ich war mir sicher, dass die Bayern<br />
sofort protestieren und mit <strong>de</strong>m Austritt aus <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Union und Schlimmerem drohen wür<strong>de</strong>n. Das<br />
ist alles nicht passiert, obwohl da etwas drinstand, was<br />
man vor drei, vier Jahren für völlig un<strong>de</strong>nkbar gehalten<br />
hätte. Die Europäische Kommission schlägt in <strong>de</strong>r Mitteilung<br />
GL vor, <strong>de</strong>n Prozess <strong>de</strong>r offenen Koordinierung GL ,<br />
<strong>de</strong>n man bisher bloß für <strong>de</strong>n Bildungsbereich reklamiert<br />
hat, nun auch auf <strong>de</strong>n Kulturbereich auszu<strong>de</strong>hnen, da<br />
die offene Koordinierung nötig ist, um in diesem Bereich<br />
voran zu kommen. Auch daran wird <strong>de</strong>utlich, ein<br />
wichtiger, zentraler Baustoff für Europa ist die Kultur.<br />
Wir haben in <strong>de</strong>r Enquête-Kommission GL eine Reihe von<br />
Empfehlungen gegeben, damit Sie das nicht nur lesen,<br />
son<strong>de</strong>rn auch in Ihre Arbeit aufnehmen. Da ist zum Beispiel<br />
die Empfehlung drin, dass wir gera<strong>de</strong> als Deutsche<br />
mit <strong>de</strong>m berühmten German Vote nicht immer<br />
nur als Bremser im Kulturbereich auftreten. German<br />
Vote heißt soviel wie: Wir wissen nichts, wir können nichts<br />
sagen, weil Kulturfragen bei uns Län<strong>de</strong>rsache sind.<br />
Wir müssen als größter Staat in Europa aus <strong>de</strong>m<br />
Bremserhäuschen nach vorne gehen und wirklich<br />
Dynamik hineinbringen, damit wir ein Mobilitätsprogramm<br />
eben nicht nur für die Studieren<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn<br />
auch für die Künstler bekommen, damit wir eine europäische<br />
Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste eröffnen können.<br />
Wir haben zum Glück nun endlich eine vom Bund finanzierte<br />
Aka<strong>de</strong>mie. Nationale Aka<strong>de</strong>mie darf man sie<br />
nicht nennen, obwohl sie das im Grun<strong>de</strong> genommen<br />
ist, aber wir brauchen auch eine solche europäische<br />
Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste, wir brauchen eine europäische<br />
Kulturstiftung, also Institutionen, die wirklich mit einer<br />
Stimme für Europa die Vielfalt, aber zugleich auch<br />
* Jean Omer Marie Gabriel Monnet, französischer Unternehmer und Pol<strong>iti</strong>ker. Er<br />
gilt als einer <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong>rväter <strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaften<br />
Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />
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