Impuls 2007 - iti-germany.de
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„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
so genannten Cash-Flow betrifft, einfacher wird. Kultur<br />
<strong>2007</strong> GL – för<strong>de</strong>rt zwar wie manch an<strong>de</strong>rer die Mobilität<br />
<strong>de</strong>r Künstler, was sicher gut ist, aber die nationalen und<br />
kommunalen För<strong>de</strong>rungen schließen Reisen gera<strong>de</strong>zu<br />
aus.<br />
Ich war für zwei Jahre Mitte <strong>de</strong>r 90er Mitglied in<br />
einem kleinen EU-Komitee unter griechischem Vorsitz,<br />
das die Aufgabe hatte, Vorschläge zur Vereinfachung<br />
<strong>de</strong>r Antragsverfahren zu machen. Es gab gute Ergebnisse,<br />
aber die Griechen wur<strong>de</strong>n ersetzt und das Papier<br />
verschwand in <strong>de</strong>r Schubla<strong>de</strong>. Wir haben auch Anträge<br />
gesichtet und entschie<strong>de</strong>n. Da saßen Leute, die zum<br />
Thomas Lehmen<br />
Choreograf, Berlin<br />
Zunächst mal ein Lob an das Europäische Netzwerk.<br />
Vor ca. 10 Jahren begann ich meine internationale<br />
Arbeit mit <strong>de</strong>r Hilfe <strong>de</strong>s Netzwerkes Aerowaves und<br />
Künstler-<br />
Netzwerke<br />
konnte so frühe Soli in Aarhus,<br />
London, Tallinn und Bergen<br />
zeigen. Dann ging alles ganz<br />
schnell und durch die Tanzplattform Deutschland und<br />
weitere internationale Festivals war meine Arbeit im Nu<br />
über einige Kontinente verteilt. Maßgeblich waren an<br />
dieser rapi<strong>de</strong>n Entwicklung bei <strong>de</strong>r „Aufbauarbeit“ zum<br />
einen die engagierten Produzenten Petra Roggel, Dirk<br />
Schlüter, André Theriault und Ulrike Becker vor Ort hier<br />
in Berlin beteiligt, zum an<strong>de</strong>ren einige internationale<br />
Produzenten wie Simon Dove, <strong>de</strong>r bis vor kurzem das<br />
Springdance Festival in Utrecht leitete. Die gut ausgebaute<br />
europäische Festivalstruktur, die es schon gab,<br />
ließ keine künstlerisch relevante Arbeit unent<strong>de</strong>ckt. Das<br />
überall vertretene Goethe-Institut GL unterstützte seit<strong>de</strong>m<br />
annähernd 100% meiner Auftritte im Ausland.<br />
Ich erlaube mir an dieser Stelle ein Dankeschön für<br />
Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />
Bsp. Goethe-Institut<br />
diese Unterstützung bei<br />
<strong>de</strong>r Entwicklung meiner<br />
Kunst und die Hilfe bei<br />
<strong>de</strong>r Präsentation, ohne die diese Arbeit gar nicht möglich<br />
wäre.<br />
Neben <strong>de</strong>n Stücken, in <strong>de</strong>nen ich selber auf <strong>de</strong>r<br />
Bühne stehe, wur<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>re Teile meiner Arbeit gera<strong>de</strong><br />
auch durch die Möglichkeit <strong>de</strong>s Reisens und <strong>de</strong>s<br />
Austauschs mit an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn inspiriert, in<strong>de</strong>m diese<br />
Differenzen bewusst genutzt wur<strong>de</strong>n, wie z.B. bei<br />
„Baustelle - Einfahrt freihalten“ in Tallinn o<strong>de</strong>r „Schreibstück“<br />
das Buch mit <strong>de</strong>r Partitur, das jeweils 3 Choreographen<br />
aus verschie<strong>de</strong>nen Kontexten auf einer Bühne<br />
realisieren. Mittlerweile gibt es, glaube ich, 21 Versionen<br />
aus 11 verschie<strong>de</strong>nen Län<strong>de</strong>rn und in diesem und<br />
im nächsten Jahr wollen sich Choreographen aus Brasilien,<br />
<strong>de</strong>n USA und Australien in <strong>de</strong>n austauschbaren<br />
Reigen einreihen.<br />
Teil relativ ahnungslos waren. Der Portugiese sprach<br />
fast nur Portugiesisch und er war <strong>de</strong>r einzige, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
in Portugiesisch eingereichten Antrag verstehen konnte.<br />
Er konnte uns dies aber nicht vermitteln. Das mag<br />
heute an<strong>de</strong>rs sein.<br />
En<strong>de</strong><br />
Hoffen wir, das es weniger unglücklich Ba<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
im europäischen Netzwerkhaifischteich gibt, son<strong>de</strong>rn<br />
mehr glücklich Plätschern<strong>de</strong> im Kunsthaus Europa.<br />
Später dann mit „Funktionen“ legte ich <strong>de</strong>n Fokus<br />
auf autopoetische, emergente Systeme, die sich in verschie<strong>de</strong>nen<br />
Projekten und Stücken auch an<strong>de</strong>rer Künstler<br />
weiterentwickeln. Im Ausland entstan<strong>de</strong>n auch<br />
weitere Auftragsarbeiten, die teilweise die Notwendigkeiten<br />
<strong>de</strong>s örtlichen Kontextes bearbeiten und diesen<br />
durch die Arbeit entwickeln lassen. Tallinn war ein solcher<br />
Ort und zuletzt auch Montevi<strong>de</strong>o in Uruguay, wo<br />
<strong>de</strong>r Staat erstmals in diesem Post-Diktatur gebeutelten<br />
Land ein Tanzstück mit Geld ausgestattet hat, um es<br />
in mehreren Städten aufzuführen. Auch hier war maßgeblich<br />
das Goethe-Institut GL an <strong>de</strong>r Realisation <strong>de</strong>s<br />
Projektes beteiligt.<br />
Aber mittlerweile ist man geneigt, sich und seine<br />
Kunst als europäisches bzw. globales Warengut zu<br />
verstehen.<br />
Wie bei einer komplizierten Maschine, die in Deutschland<br />
entwickelt wird, einige Einzelteile aus Tschechien<br />
geliefert wer<strong>de</strong>n, die in Portugal vormontiert wer<strong>de</strong>n,<br />
dann das Ganze wie<strong>de</strong>r nach Italien geschickt wird um<br />
es zu lackieren, in Frankreich mit <strong>de</strong>r kostbaren Elektronik<br />
bestückt wird und letztendlich wird es in alle Welt<br />
verkauft, in China kopiert und billiger hergestellt und<br />
schon funktioniert <strong>de</strong>r Markt zu Hause nicht mehr.<br />
Was ist geschehen?<br />
Die lokalen Strukturen kämpfen mit enormen finanziellen<br />
Schwierigkeiten und richten ihre Arbeit immer<br />
mehr nach <strong>de</strong>n thematischen Vorgaben und Koproduktionsmöglichkeiten<br />
aus. Für die lokale künstlerische<br />
Tätigkeit bleibt we<strong>de</strong>r Geld, Raum noch Zeit. Das<br />
Gleichgewicht von lokaler<br />
und internationaler<br />
Finanzierung hat<br />
sich eklatant zu einem<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung<br />
Thematische För<strong>de</strong>rschwerpunkte<br />
vs. Freie För<strong>de</strong>rung<br />
Muss von Kooperationen entwickelt. Zunächst ist ja<br />
nichts dagegen einzuwen<strong>de</strong>n, wenn man sich Kosten<br />
teilt und gleich bei dieser Gelegenheit Gastspiele vereinbart.<br />
Lei<strong>de</strong>r führt <strong>de</strong>r Zwang von Kooperation auch<br />
zu thematischer Einengung, führt <strong>de</strong>r Wettlauf um junge<br />
Talente und I<strong>de</strong>en zu einer Benachteiligung lokaler<br />
Künstler bei gleichze<strong>iti</strong>ger inflationärer Ausdünnung<br />
<strong>de</strong>r Qualität. Wie beim wirtschaftlichen Phänomen besteht<br />
auch im choreographischen Sektor ein Warenü-<br />
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