Impuls 2007 - iti-germany.de
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Recht, wo die Kunst explizit von Notwendigkeiten freigestellt<br />
wird, die für an<strong>de</strong>re Wirtschaftsbereiche gelten?<br />
Herr Sabathil, wie ist Ihre Haltung dazu?<br />
Sabathil:<br />
Ich habe mich in <strong>de</strong>n letzten Tagen sehr viel mit pol<strong>iti</strong>scher<br />
Kultur beschäftigt, allerdings im Zusammenhang<br />
mit <strong>de</strong>r Gipfelkonferenz und <strong>de</strong>n Lösungen, die<br />
man da gefun<strong>de</strong>n hat. Es ist auf diesem Gipfel nicht<br />
immer kulturell sehr hochstehend zugegangen, das haben<br />
sie vielleicht auch gemerkt. Insofern ist es für mich<br />
ein Aha-Erlebnis nun bei Ihnen zu sein und die praktischen<br />
Probleme, die uns bekannt sind, in <strong>de</strong>r Breite<br />
präsentiert zu bekommen. Sie sagen ganz richtig, dass<br />
es sich um Probleme han<strong>de</strong>lt, die nicht einem Bereich<br />
allein zugehörig sind. Das Steuerrecht zu än<strong>de</strong>rn ist<br />
z.B. nur einstimmig möglich, und da gibt es eine ganze<br />
Latte von Maßnahmen, die immer wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m<br />
Programm je<strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>ntschaft stehen. Fortschritte<br />
stellen sich jedoch nur sehr langsam ein. Der letzte EU-<br />
Gipfel hat eine beson<strong>de</strong>re Reserve eingebaut, damit die<br />
Kommission und die Europäische Union nicht zu sehr<br />
in <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r sozialversicherungsrechtlichen Bedingungen<br />
<strong>de</strong>r Mitgliedsstaaten eingreifen. Wir haben<br />
einige Erscheinungen feststellen müssen, die nicht unbedingt<br />
mit <strong>de</strong>n Hoffnungen und Erwartungen zusammenhängen,<br />
die hier gera<strong>de</strong> geäußert wur<strong>de</strong>n. Es wird<br />
im Gegenteil versucht, Dinge wie<strong>de</strong>r etwas zurückzudrehen.<br />
Ich sage Ihnen einfach mal ganz offen, wie<br />
Wirklichkeit und Erwartungen nebeneinan<strong>de</strong>r stehen.<br />
Ich bedanke mich sehr, dass Sie das Thema <strong>de</strong>r Kulturagenda<br />
GL schon eingeführt haben. Da ist in <strong>de</strong>r Tat<br />
ein Satz drin, <strong>de</strong>r ganz konkret besagt: Wir wollen alles<br />
tun, um die Verbesserung <strong>de</strong>r Mobilität <strong>de</strong>r Kunstschaffen<strong>de</strong>n<br />
in Europa herbeizuführen.<br />
Ich glaube aber, man wird das<br />
Mobilität nicht erreichen, in<strong>de</strong>m man eine<br />
eigene Kulturpol<strong>iti</strong>k für diese Dinge<br />
schafft, son<strong>de</strong>rn es kann nur, so ist die europäische<br />
Gemeinschaft gestrickt, ein Ausfluss allgemeiner Regelungen<br />
sein. Und da sind wir auf <strong>de</strong>m Weg und viel ist<br />
bereits geschehen. Die Kommission hat auf Grund <strong>de</strong>r<br />
Kulturagenda GL zu einem verstärkten Dialog mit <strong>de</strong>n<br />
Kulturschaffen<strong>de</strong>n aufgerufen. Sie hat einen ganzen<br />
Fragenkatalog an die Betroffenen gerichtet. Wir la<strong>de</strong>n<br />
Sie zur Zeit alle ein, aufzuschreiben, welche Probleme<br />
Sie beschäftigen, damit das konkret nie<strong>de</strong>rgelegt wird,<br />
damit <strong>de</strong>r Kulturkommissar und auch alle an<strong>de</strong>ren,<br />
Kultur ist ein Querschnittsthema, sich dieser Dinge annehmen.<br />
Aber ich kann Ihnen keine schnelle Lösung<br />
versprechen.<br />
Im Gegenteil, die Kommission, die Europäische<br />
Union han<strong>de</strong>lt im Bereich <strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>k immer<br />
aus einer Art Defensive heraus, weil Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
eben nicht primär Gemeinschaftspol<strong>iti</strong>k ist. Es gibt<br />
zu viele Mitgliedsstaaten, Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r und an<strong>de</strong>re,<br />
die sagen, dass die europäische Ebene mit Ausnahme<br />
ganz allgemeiner Regelungen, die sich z.B. auf Freizügigkeit<br />
beziehen, bitte die Finger davon lassen soll. Daher<br />
war <strong>de</strong>r Kultursektor auch nicht immer <strong>de</strong>r primäre<br />
Bereich. An<strong>de</strong>re Sektoren hat man wegen ihrer Größe<br />
und Be<strong>de</strong>utung bei <strong>de</strong>r Bese<strong>iti</strong>gung von Barrieren für<br />
wichtiger gehalten. Das soll sich nach Möglichkeit mit<br />
<strong>de</strong>r Kulturagenda GL än<strong>de</strong>rn. Die Kommission will ein<br />
Kulturforum für einen besseren Dialog mit <strong>de</strong>n wirktet<br />
wer<strong>de</strong>n, nehmen eher die Kulturpol<strong>iti</strong>ker als die<br />
lich Betroffenen einrichten. Ich<br />
stimme Ihnen zu, an <strong>de</strong>n großen<br />
Konferenzen, die veranstal-<br />
Dialog zwischen<br />
Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />
Kulturschaffen<strong>de</strong>n teil. Es ist ein Problem <strong>de</strong>r Kommunikation<br />
zwischen Pol<strong>iti</strong>k und Kultur, nicht nur im europäischen<br />
Rahmen. Wir sprechen über Kultur, sind<br />
aber mit <strong>de</strong>n Betroffenen zu wenig im Gespräch.<br />
Abgesehen von <strong>de</strong>n allgemeinen Regelungen, die für<br />
alle Wirtschaftssektoren gelten, stehen wir doch relativ<br />
am Anfang. Einige Dinge wur<strong>de</strong>n zwar vorangetrieben,<br />
meine Kollegen haben die Probleme auch erkannt, aber<br />
aufgrund <strong>de</strong>r Breite und <strong>de</strong>r Spezifität dieser Probleme<br />
sind Lösungsvorschläge noch in relativ weiter Ferne. Ich<br />
kann Sie daher nur ermuntern, im Rahmen <strong>de</strong>r Konsultationen,<br />
und ich wer<strong>de</strong> das von mir aus auch tun, die<br />
Dinge in Brüssel noch konkreter auf <strong>de</strong>n Tisch zu legen.<br />
Ich glaube, ein Grund für das langsame Vorankommen<br />
ist die Tatsache, dass die Kultur an sich keine<br />
homogene Lobby hat. Das ist kein Vorwurf. Das ist<br />
ganz einfach eine Feststellung. Aus eigener Erfahrung<br />
weiß ich, dass sich v.a. in <strong>de</strong>n Bereichen etwas bewegt,<br />
in <strong>de</strong>nen starke Kräfte dahinterstehen.<br />
Ich kann sie daher nur aufrufen, alles, was hier besprochen<br />
wur<strong>de</strong>, nach Brüssel weiterzutragen, um es<br />
auch dort zum Thema zu machen. Es braucht dann<br />
Zeit, viele Kompromisse und Konsultationen, um<br />
beispielsweise in einer Frage nur zum Steuerrecht o<strong>de</strong>r<br />
in <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r Freizügigkeit <strong>de</strong>r angebotenen Dienstleistungen<br />
zu einer Lösung zu kommen.<br />
Heun:<br />
Ich bin noch nicht ganz zufrie<strong>de</strong>n mit dieser Aussage.<br />
Das klingt ein bisschen so, wie Herr Bolwin das<br />
schon befürchtet hat. Jetzt sollen wir noch einmal das<br />
leisten, was die „Impediments to Mobility“ GL bereits<br />
geleistet hat. Es gibt schon ein Dokument dazu. Das<br />
ist auf breitester Ebene ausführlich recherchiert wor<strong>de</strong>n<br />
und liegt auch schriftlich vor. Die Kulturpol<strong>iti</strong>k ist, wie<br />
sie es gera<strong>de</strong> formuliert haben, bereit, ein Gespräch<br />
aufzunehmen und hat erkannt, dass es ein komplexes<br />
Feld ist, das nicht von heute auf morgen gelöst wer<strong>de</strong>n<br />
kann. Dieser gordische Knoten ist nicht so schnell zu<br />
durchschlagen. Muss sich die Pol<strong>iti</strong>k, wenn sie in so einer<br />
Situation ist, nicht trotz<strong>de</strong>m gemüßigt fühlen, auch<br />
mittelfristige Lösungen aufzuzeigen? Wie kann man in<br />
<strong>de</strong>r momentan bestehen<strong>de</strong>n Situation mittelfristige Angebote<br />
schaffen, um die Schwierigkeiten, die für Künstler<br />
in ganz Europa bestehen, zu lin<strong>de</strong>rn? Ich habe vor<br />
Jahren ein Gespräch mit meinem Steuerberater zu genau<br />
diesen Fragen gehabt. Er hat am Schluss einen sehr<br />
sinnvollen Satz gesagt, <strong>de</strong>r etwa so lautete: Ein Künstler<br />
hat in <strong>de</strong>m Moment, wo er nicht mehr allein arbeitet,<br />
son<strong>de</strong>rn noch eine zweite Person hinzuzieht, sämtliche<br />
Pflichten eines freien Unternehmers im Wirtschaftbereich<br />
zu erfüllen. Das Einzige, was er nicht hat, ist die<br />
Gewinnchance. Denn in <strong>de</strong>m Moment, wo er Gewinn<br />
macht, muss er diesen an die öffentlichen Geldgeber<br />
zurückzahlen. Die Frage wäre also wirklich: Was kann<br />
man auf EU-Ebene anbieten, um für Künstler diese Mobilitätseinschränkung<br />
zu lin<strong>de</strong>rn?<br />
Die Pol<strong>iti</strong>schen Debatten<br />
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