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Impuls 2007 - iti-germany.de

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pos<strong>iti</strong>onieren. Es gibt im Bereich Kulturhauptstadt noch<br />

viele Möglichkeiten, auch für <strong>de</strong>n Produzenten vor Ort.<br />

Aber das Projekt muss spezifisch sein, es muss genau<br />

sein, und es muss pol<strong>iti</strong>sch <strong>de</strong>n richtigen Weg<br />

weisen.<br />

Freundt:<br />

Mit <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Beiträgen haben wir also das Feld<br />

zwischen <strong>de</strong>n Produzenten, wie wir jetzt die Fonds,<br />

Geldgeber, Stiftungen und die Steuergeld verwalten<strong>de</strong>n<br />

Institutionen genannt haben, und <strong>de</strong>n Künstlern noch<br />

einmal aufgemacht.<br />

Dabei steht auch die Frage im Raum, wie stark sind<br />

die Künstler? Wie ist ihre Situation, die soziale Situation,<br />

in <strong>de</strong>r sie arbeiten? Ich möchte Dieter Welke bitten,<br />

diese Frage, von <strong>de</strong>r ich <strong>de</strong>nke, dass wir sie bis dato<br />

in unserem Programm zu wenig eingeblen<strong>de</strong>t haben,<br />

hier einzubringen. Denn letztlich ist die soziale Lage<br />

<strong>de</strong>r Künstler die Basis für Kreation und Kunstproduktion<br />

überhaupt.<br />

Welke:<br />

Ich spreche hier als offizieller Sprecher <strong>de</strong>s ITI GL bei<br />

<strong>de</strong>r UNESCO und als Theatermensch, <strong>de</strong>r in seiner Berufspraxis<br />

mit <strong>de</strong>n materiellen Nöten und Schwierigkeiten<br />

seines Berufes zu kämpfen hat, wie je<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

auch. Die Diskussion <strong>de</strong>r sozialen Lage <strong>de</strong>r Bühnenkünstler<br />

ist in erster Linie Sache <strong>de</strong>s Künstlers selbst.<br />

D.h. ich wür<strong>de</strong> mich freuen, wenn sich die Künstler auf<br />

europäischer Ebene <strong>de</strong>utlicher artikulieren wür<strong>de</strong>n und<br />

wenn auch die Gewerkschaften – das ist zum Teil in <strong>de</strong>n<br />

Län<strong>de</strong>rn unterschiedlich – die materiellen Belange von<br />

Künstlern vertreten wür<strong>de</strong>n.<br />

Ich möchte diese Diskussion in einen Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>r UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt<br />

GL stellen.<br />

Es gibt einen Artikel in <strong>de</strong>r Konvention GL , Artikel<br />

7.2., <strong>de</strong>r besagt, dass es die Pflicht <strong>de</strong>r Staaten ist, sich<br />

Kulturelle<br />

Vielfalt<br />

um <strong>de</strong>n sozialen und legalen Status<br />

<strong>de</strong>r Künstler zu kümmern, sie also<br />

zu schützen. Dieser Artikel wur<strong>de</strong><br />

Soziale Lage<br />

<strong>de</strong>r Künstler<br />

zung für kulturelle Vielfalt GL<br />

zunächst einmal die Tatsache<br />

ist, dass Künstler überhaupt<br />

arbeiten können und nicht arbeitslos rumhocken<br />

– was sie ja zum großen Teil tun. Da komme ich<br />

jetzt auf die konkrete Situation. Spätestens seit 2003,<br />

übrigens auch durch die große Einflussnahme <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Union so stark abgeschwächt, dass man das<br />

heute kaum als Verpflichtung wahrnehmen kann, sonst<br />

wären diese Verpflichtungen individuell o<strong>de</strong>r kollektiv<br />

einklagbar. Das wirft natürlich ein entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Licht<br />

auf die Kräfteverhältnisse.<br />

Man will die staatliche Souveränität im Bereich <strong>de</strong>r<br />

Kulturpol<strong>iti</strong>k, aber mit daraus entstehen<strong>de</strong>n Pflichten,<br />

was die Künstler angeht, geht man an<strong>de</strong>rs um. Das ist<br />

übrigens ein Kennzeichen in vielen Bereichen dieser<br />

Konvention GL . Immerhin, <strong>de</strong>r Artikel 11 <strong>de</strong>r Konvention<br />

GL , um das Thema abzuschließen, gibt uns die Möglichkeit,<br />

als Zivilgesellschaft an <strong>de</strong>r Verwirklichung <strong>de</strong>r<br />

Konvention mitzuwirken.<br />

Es steht natürlich außer Frage, dass die Voraussetals<br />

in Frankreich die großen Festivals abgesagt wur<strong>de</strong>n,<br />

ist es offenkundig, dass es <strong>de</strong>n Künstlern nicht nur im<br />

Bühnenbereich, son<strong>de</strong>rn im noch größeren Bereich <strong>de</strong>r<br />

darstellen<strong>de</strong>n Künste, immer schlechter geht. In Frankreich<br />

hat sich die Sache damals an <strong>de</strong>r Künstlerversicherung<br />

entzün<strong>de</strong>t. Die damals durchgeführte Reform<br />

hatte zur Folge, dass sehr viele Leute aus diesem Versicherungssystem<br />

herausgeflogen sind. Diese Situation<br />

ist immer noch virulent und wird sich auch in Zukunft<br />

nicht so schnell bereinigen lassen. In Deutschland gibt<br />

es eine ähnliche Situation. Grund hierfür ist die allgemeine<br />

Finanzkrise <strong>de</strong>r Theater, die mit <strong>de</strong>m Rückzug<br />

<strong>de</strong>s Staates bzw. <strong>de</strong>r öffentlichen Hand aus vielen öffentlichen<br />

Strukturen zu tun hat. Das ist europaweit<br />

eine Ten<strong>de</strong>nz; nicht nur europaweit, das ist weltweit<br />

eine Ten<strong>de</strong>nz.<br />

Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass die Sozialversicherungssysteme,<br />

soweit sie überhaupt existieren,<br />

das so nicht mehr tragen können o<strong>de</strong>r eigentlich nicht<br />

mehr dafür gemacht sind. In Deutschland haben wir<br />

im Augenblick eine Pet<strong>iti</strong>on GL laufen, die von mehr als<br />

10.000 Kollegen unterzeichnet wur<strong>de</strong>. In <strong>de</strong>r Pet<strong>iti</strong>on GL<br />

wird auf die Situation <strong>de</strong>r Schauspieler aufmerksam gemacht.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r Tatsache, dass nach einem Jahr<br />

das Arbeitslosengeld ausläuft und für viele Schauspieler<br />

immer kurzfristigere Verträge abgeschlossen wer<strong>de</strong>n,<br />

rutschen je<strong>de</strong>s Mal mehr Kollegen in die Hartz IV-Maschinerie<br />

rein und wer<strong>de</strong>n dann zu Arbeiten gezwungen,<br />

die nichts mehr mit ihrem Beruf zu tun haben.<br />

Dabei wird nicht berücksichtigt, dass auch die Zeit,<br />

in <strong>de</strong>r man nicht probiert, für viele Arbeitszeit ist. Da<br />

wird an Projekten gearbeitet, da wer<strong>de</strong>n Inszenierungen<br />

vorbereitet, die Künstler trainieren usw. Was wir<br />

feststellen können, ist also eine wachsen<strong>de</strong> Präkarisierung,<br />

die uns im Grun<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r weltweiten Ten<strong>de</strong>nz<br />

verbin<strong>de</strong>t. In Abstrichen zwar, aber immerhin.<br />

Zugleich ist die Lage sehr unübersichtlich, da die<br />

Sozialversicherungssysteme und auch die einzelnen<br />

vertraglichen Regelungen pro Land doch sehr verschie<strong>de</strong>n<br />

sind. Die Theatersysteme in Deutschland und in<br />

an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn sind ja sehr unterschiedlich.<br />

Ein weiterer Punkt, <strong>de</strong>r mir persönlich immer mehr<br />

auffällt, ist die Vermehrung <strong>de</strong>s Praktikantenwesens. Da<br />

gibt es Praktikanten, die bereits seit drei o<strong>de</strong>r vier Jahren<br />

Praktikanten sind. Es gibt ganze Regiestäbe, die leben<br />

von Praktikanten. Mit was wird da gespielt? Selbstausbeutung<br />

hat immer zu unserem Beruf gehört. Aber<br />

dass man sich auf <strong>de</strong>r Selbstausbeutung in diesem Sinn<br />

ausruht, darf es in Zukunft so nicht mehr geben.<br />

Auch die Situation <strong>de</strong>r Freischaffen<strong>de</strong>n, das betrifft<br />

einen großen Teil <strong>de</strong>s Regiepersonals, <strong>de</strong>r Bühnenbildner<br />

und an<strong>de</strong>re, hat sich verschlechtert.<br />

Eine generelle Frage, die mich immer wie<strong>de</strong>r beschäftigt:<br />

Wie setzt sich eigentlich unser Marktwert zusammen?<br />

Der berühmte Marktwert. Wer steckt hinter <strong>de</strong>m<br />

Marktwert? Was ist das, <strong>de</strong>r Marktwert? Auf was stützt<br />

sich das im Einzelnen? Ist das jetzt das Pressebuch? O<strong>de</strong>r<br />

das Geraune, das durch das Theater geht? O<strong>de</strong>r…? Was<br />

ist es eigentlich? Also, wie wird das gemacht und wie<br />

schnell gehen Karrieren kaputt? O<strong>de</strong>r wie schnell gehen<br />

Karrieren hoch und dann wie<strong>de</strong>r runter? Die Durchlaufgeschwindigkeit<br />

hat sich auf je<strong>de</strong>n Fall sehr stark erhöht.<br />

Das ist feststellbar, auch statistisch.<br />

Das Kreative Potential<br />

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