05.11.2013 Aufrufe

Impuls 2007 - iti-germany.de

Impuls 2007 - iti-germany.de

Impuls 2007 - iti-germany.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />

Von <strong>de</strong>r EU wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gedanke formuliert, ein gesamteuropäisches<br />

Bewusstsein durch <strong>de</strong>n mobilen<br />

flexiblen Künstler hervorzurufen. Sprich, man bekommt<br />

Geld, wenn man diesen Leitgedanken mit seiner<br />

Kunst transportiert.<br />

Einerseits ist dies eine pol<strong>iti</strong>sche For<strong>de</strong>rung, die eigentlich<br />

nicht mit <strong>de</strong>n Grundlagen einer freien künstlerischen<br />

und kulturellen Ausübung einhergeht. An<strong>de</strong>rerseits<br />

geht diese For<strong>de</strong>rung nicht weit genug, <strong>de</strong>nn was<br />

sind <strong>de</strong>nn eigentlich die Stärken <strong>de</strong>r Kunst, <strong>de</strong>s Kunstaustausches?<br />

Was kann <strong>de</strong>nn die Kunst leisten, was die<br />

Wirtschaft, die Erziehung o<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>s an<strong>de</strong>re soziale System<br />

nicht leisten kann?<br />

Und, tut die Kunst das Verlangte nicht schon immer?<br />

Ist es nicht das kunsteigene Interesse in Differenz<br />

zu treten, von <strong>de</strong>r Verschie<strong>de</strong>nheit zu lernen, um immer<br />

wie<strong>de</strong>r eine neue Differenz zu kreieren? Waren es<br />

nicht Künstler und Produzenten, die als erste in <strong>de</strong>r<br />

Lage waren menschlich miteinan<strong>de</strong>r zu kommunizieren,<br />

während es in <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k noch um Besitz, Macht<br />

und höchstenfalls i<strong>de</strong>ologische Auseinan<strong>de</strong>rsetzung,<br />

allerdings mit kriegerischen Mitteln, ging?<br />

Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />

Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />

Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />

Produzenten und Künstler<br />

praktizieren lange schon diesen<br />

gefor<strong>de</strong>rten Austausch, das<br />

Touren und die Kooperation,<br />

aus einem künstlerischen Interesse heraus. Es braucht<br />

keine weiteren Zwänge dies zu tun.<br />

Woran es fehlt, sind Strukturen und Menschen, die<br />

unkompliziert und direkt über Räumlichkeiten und Mit-<br />

tel verfügen, um sie <strong>de</strong>r Kunstpraxis zur Verfügung zu<br />

stellen, ohne sofortige, zählbare, vorzeigbare, in <strong>de</strong>n<br />

pol<strong>iti</strong>schen Kontext einzubin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>, benutzbare Ergebnisse<br />

zu erwarten. Europa ist überall. Nicht nur in Bukarest,<br />

Warschau, Tallinn und vielen weiteren Orten <strong>de</strong>r<br />

neuen Beitrittslän<strong>de</strong>r, son<strong>de</strong>rn Europa ist auch Berlin,<br />

Hamburg, Essen, Gelsenkirchen,<br />

Saarbrücken, Cottbus<br />

und Finsterwal<strong>de</strong>.<br />

Dialog zwischen<br />

Kultur und Pol<strong>iti</strong>k<br />

In allen Orten und Einrichtungen arbeiten bereits<br />

Menschen, die von <strong>de</strong>r lokalen Szene und <strong>de</strong>m dort<br />

Benötigten am meisten verstehen. Ein direkter Dialog<br />

mit diesen Produzenten und nicht zuletzt auch mit<br />

<strong>de</strong>n Künstlern selbst wäre hier seitens <strong>de</strong>r EU von<br />

Nöten. Fällt die lokale Struktur <strong>de</strong>n wirtschaftlichen<br />

Zwängen und Themen zum Opfer, wird man bald keinen<br />

konstruktiven Beitrag zum europäischen Gedanken<br />

mehr machen können und dies führt zu einer qualitativen<br />

Schwächung <strong>de</strong>s Gesamten.<br />

Wirtschaftliche Strategien sind nur begrenzt o<strong>de</strong>r<br />

gar nicht für <strong>de</strong>n Betrieb <strong>de</strong>r Kunst tauglich.<br />

Ich möchte eine Auseinan<strong>de</strong>rsetzung über die I<strong>de</strong>en<br />

anregen, nach <strong>de</strong>nen wir unsere Mo<strong>de</strong>lle einer europäischen<br />

För<strong>de</strong>rung und eines Europäischen Netzwerkgedankens<br />

praktikabel auf die realen unterschiedlichen<br />

Notwendigkeiten <strong>de</strong>r Künstler und <strong>de</strong>r Gesellschaft neu<br />

ausrichten können.<br />

Janek Müller<br />

Künstlerischer Leiter Theaterhaus Weimar<br />

Die In<strong>iti</strong>ative Theaterhaus Weimar ist eine ohne<br />

Immobilie seit 1999 existieren<strong>de</strong> Künstlergruppe in<br />

Weimar, <strong>de</strong>ren Inhalte und Formen sich immer wie<strong>de</strong>r<br />

gewan<strong>de</strong>lt haben und wan<strong>de</strong>ln und die sich von <strong>de</strong>r<br />

dünn besie<strong>de</strong>lten Freien Theaterlandschaft im Osten<br />

seit einigen Jahren immer wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Weg macht,<br />

um vornehmlich mit Künstlern in Polen und Lettland<br />

zusammen zu arbeiten. Mein Name ist Janek Müller.<br />

Zunächst möchte ich ein Projekt vorstellen, das meine<br />

Weimarer Mitkünstler und ich in <strong>de</strong>r letzten Zeit im<br />

Sinne <strong>de</strong>r europäischen Zusammenarbeit beschäftigt<br />

hat. Eben komme ich aus Riga, <strong>de</strong>r lettischen Hauptstadt,<br />

wo im Mai diesen Jahres eine Aufführung <strong>de</strong>r<br />

„Räuber“ stattfand. Zwar auf Friedrich Schillers Erstling<br />

basierend, aber quasi in einer Uraufführung <strong>de</strong>r bisher<br />

links liegen gelassenen Übersetzung eines jungen<br />

Letten aus <strong>de</strong>m Jahre 1818. Dieser junge Mann, Janis<br />

Peitans, hatte seinen Gutsherren in ein Theater begleitet<br />

und war von <strong>de</strong>m, was er dort zu sehen und zu<br />

hören bekam, <strong>de</strong>r pol<strong>iti</strong>schen Brisanz <strong>de</strong>r „Räuber“ <strong>de</strong>rart<br />

begeistert, dass er sich daran machte, das Drama<br />

zu übersetzen und es nach 3jähriger Arbeit mit seinen<br />

Kumpels in einer Scheune aufzuführen. Wir haben hier<br />

nicht nur ein schönes Beispiel für <strong>de</strong>n Kultur- und I<strong>de</strong>en-<br />

transfer zu Beginn <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts, son<strong>de</strong>rn auch<br />

einen Stichpunkt in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s Freien Theaters:<br />

Jemand hat eine I<strong>de</strong>e, fragt seine Kumpels, ob sie mitmachen<br />

und an einem abse<strong>iti</strong>g gelegenen Ort wie einer<br />

Scheune wird die Sache dann aufgeführt. Übrigens floh<br />

Janis Peitans wenig später, um <strong>de</strong>r Leibeigenschaft zu<br />

entkommen.<br />

Ebenso lange wie Peitans Übersetzung, fast 3 Jahre<br />

also, dauerte nun die Vorbereitung <strong>de</strong>r Produktion<br />

<strong>de</strong>r lettischen „Räuber“<br />

gemeinsam mit <strong>de</strong>r Rigaer<br />

Gruppe „United Intimacy“<br />

und freundlicherweise hat<br />

hier das Goethe-Institut GL<br />

München im Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Rolle <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rer<br />

Bsp. Goethe Institut<br />

München und<br />

Kultur Kapital Fonds Riga<br />

Nachwuchsför<strong>de</strong>rung neben <strong>de</strong>m Kultur Kapital Fonds<br />

Riga Gel<strong>de</strong>r bereitgestellt. 2005 entstand im Rahmen<br />

<strong>de</strong>s Schillerfestivals „Räuber und Gendarmen“ in Weimar<br />

die I<strong>de</strong>e zur Aufführung, es brauchte die Zeit, die<br />

Textvorlage aus <strong>de</strong>n Originalaufzeichnungen im Archiv<br />

zu transkribieren, eine Fassung zu erstellen, Darsteller<br />

und ein Produktionsteam zu fin<strong>de</strong>n. Aufgeführt wur<strong>de</strong><br />

in lettischer Sprache.<br />

Meine Erfahrungen mit <strong>de</strong>m Projekt formulieren<br />

sich schließlich in zwei Fragen:<br />

Erstens, wie gelingt es, innerhalb von Projekten, die<br />

auf Sprache basieren, die Vielfalt <strong>de</strong>s europäischen<br />

Sprachraums zu entwickeln? Was be<strong>de</strong>utet z.B. das<br />

20

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!