Impuls 2007 - iti-germany.de
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„Europäisch kooperieren und produzieren“<br />
Begriff eines kulturell <strong>de</strong>finierten Europas mit vorantreiben.<br />
In diesem Zusammenhang fällt mir als Kernthema<br />
<strong>de</strong>r Kulturpol<strong>iti</strong>k auch die Migration ein - Europa als<br />
ein kosmopol<strong>iti</strong>sches Projekt und die Kulturpol<strong>iti</strong>k dann<br />
als Diversitätspol<strong>iti</strong>k. Genau die nationalen Grenzziehungen,<br />
auch im Rahmen <strong>de</strong>r europäischen Pol<strong>iti</strong>k, wie<br />
wir gera<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r aktuell in <strong>de</strong>r Tagespol<strong>iti</strong>k erfahren<br />
haben, sind eigentlich obsolet. Und da die Migration<br />
tatsächlich ein alles beherrschen<strong>de</strong>s Thema ist, jenseits<br />
davon, was die Pol<strong>iti</strong>k will o<strong>de</strong>r nicht, kann Kulturpol<strong>iti</strong>k<br />
nur Diversitätspol<strong>iti</strong>k sein.<br />
Dann wur<strong>de</strong> weiterhin das schöne Argument gebracht,<br />
dass <strong>de</strong>r Rohstoff Europas die Kultur sei. In diesem<br />
Zusammenhang ein kleiner Exkurs: Nele Hertling<br />
und ich waren letzten November zusammen in China,<br />
in Shanghai beim China Shanghai International Arts<br />
Festival. Da ging es um die Entwicklung Chinas als Kulturstaat.<br />
Man beschäftigte sich dort mit <strong>de</strong>r Frage, wie<br />
schaffen wir es, von einem Volk <strong>de</strong>r Produzenten und<br />
Kopisten zu einem Volk <strong>de</strong>r Kreateure zu wer<strong>de</strong>n. Interessanterweise<br />
gibt es z.B. in Shanghai eine gut funktionieren<strong>de</strong><br />
U-Bahn. Das ist die Linie 1, die von Siemens<br />
gebaut wur<strong>de</strong>. Die restlichen U-Bahnen in Shanghai<br />
sind allesamt kopiert und fallen ständig aus. Und warum<br />
ist das so? Weil es eben nicht reicht, das, was an<strong>de</strong>re<br />
erdacht haben, zu kopieren. Denn dann kommt<br />
man nicht darauf, wie es wirklich funktioniert. In diesem<br />
Sinne sollte man sich in Europa vielleicht darauf<br />
konzentrieren, wie wir unser kreatives Potential erhalten<br />
können und wie wir unser kreatives Potential, auch<br />
kosmopol<strong>iti</strong>sch gesehen, dazu einbringen, eine Gesellschaft<br />
mitzukreieren, die jenseits rein ökonomischer<br />
und machtstrategischer Überlegung auch wie<strong>de</strong>r so<br />
etwas wie ein Ethos hat. Vielleicht ist es unpopulär, so<br />
etwas zu for<strong>de</strong>rn, aber ich möchte es einfach einmal in<br />
die Run<strong>de</strong> werfen.<br />
Es wur<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ne Strategien aufgezeigt,<br />
es wur<strong>de</strong> gefor<strong>de</strong>rt, ein EU- Mobilitätsprogramm für<br />
Künstler einzurichten. Ein Vorschlag war, flexible Fonds<br />
zu etablieren. Eine ganz zentrale For<strong>de</strong>rung war auch,<br />
die EU-Kulturför<strong>de</strong>rung effektiver zu gestalten, <strong>de</strong>nn in<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
EU- und nationale Ebene<br />
<strong>de</strong>r Art und Weise, wie sie im<br />
Moment funktioniert, schließt<br />
sie eigentlich die kleinen, par-<br />
tisanenartigen Organisationen aus. Es wur<strong>de</strong> weiterhin<br />
<strong>de</strong>r Vorschlag gemacht, Kulturför<strong>de</strong>rungspol<strong>iti</strong>k nicht<br />
isoliert zu sehen, son<strong>de</strong>rn auch eine Kulturordnungspol<strong>iti</strong>k<br />
mitzu<strong>de</strong>nken. Einzelne Projekte, wie z.B. die<br />
Gründung einer europäischen Kunstaka<strong>de</strong>mie o<strong>de</strong>r die<br />
Erschaffung eines europäischen Kulturrates wur<strong>de</strong>n formuliert.<br />
Dies alles zielt sehr auf die europäische Union<br />
ab. Wir sollten aber auch be<strong>de</strong>nken, dass in Deutschland<br />
auf allen Ebenen <strong>de</strong>r öffentlichen För<strong>de</strong>rung<br />
Fonds o<strong>de</strong>r Projektetats für so genannte Joint Projects,<br />
also für Gemeinschaftsprojekte, etabliert wer<strong>de</strong>n<br />
müssten, die nicht zwangsläufig europäisch sein müssen.<br />
Das Land Thüringen hat z.B. einen kleinen Topf für<br />
internationale Kooperationen entwickelt. Warum soll<br />
das nicht auch auf Lan<strong>de</strong>sebene o<strong>de</strong>r auf kommunaler<br />
Ebene möglich sein? Da wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />
immer nur daran gedacht, Projekte mit <strong>de</strong>n Partnerstädten<br />
zu machen, aber, warum kann man solche Programme<br />
nicht offener formulieren?<br />
Und jetzt kommt <strong>de</strong>r letzte, vielleicht auch schwierigste<br />
Punkt: die pol<strong>iti</strong>sche Einmischung. Wir haben<br />
das Thema Kulturwirtschaft einerseits als eine Chance<br />
gesehen, die Kulturför<strong>de</strong>rung auch im Wirtschaftsbereich<br />
anzusie<strong>de</strong>ln. An<strong>de</strong>rerseits besteht in diesem<br />
Kontext auch die Gefahr <strong>de</strong>r Instrumentalisierung<br />
von Kultur bzw. <strong>de</strong>s Kulturwirtschaft<br />
Mainstreaming in <strong>de</strong>r Kultur. Auch<br />
in diesem Zusammenhang ist es <strong>de</strong>shalb wichtig, daran<br />
zu <strong>de</strong>nken, dass wir in <strong>de</strong>r Kultur auch so eine Art<br />
Gegenbewegung zur Ökonomisierung aller Lebensbereiche<br />
entwickeln. Wenn ich da <strong>de</strong>n Titel <strong>de</strong>s Tanzkongresses<br />
Deutschland <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>skulturstiftung GL , „Tanz<br />
als Wissenskultur“, ein bisschen abwan<strong>de</strong>ln darf, und<br />
wir dann Kunst und Kultur als „Wesenskultur“ einer<br />
europäischen Seele verstehen, dann wird uns vielleicht<br />
auch in <strong>de</strong>r täglichen Praxis klarer, dass die Kunst- und<br />
Kulturschaffen<strong>de</strong>n schon längst so etwas wie die Vorreiter<br />
<strong>de</strong>r europäischen Seele sind, dass sie auch jenseits<br />
<strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rmechanismen, die bestehen o<strong>de</strong>r noch im<br />
Wachstum begriffen sind, schon längst diese Pionierrolle<br />
übernommen haben.<br />
Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite möchte ich vielleicht noch<br />
ganz kurz zum Schluss <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips<br />
GL einführen, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Pol<strong>iti</strong>k und<br />
Verwaltung ganz wichtig ist und in Zeiten knapper<br />
Kassen regelmäßig als Totschlagargument verwen<strong>de</strong>t<br />
wird, um so etwas wie<br />
eine kontinuierliche För<strong>de</strong>rung<br />
zu verhin<strong>de</strong>rn. Projektför<strong>de</strong>rung vs.<br />
Kulturför<strong>de</strong>rung:<br />
Ich möchte <strong>de</strong>shalb an Institutionelle För<strong>de</strong>rung<br />
dieser Stelle noch einmal<br />
darauf aufmerksam<br />
EU- und nationale Ebene<br />
machen, dass man sowohl in Deutschland als auch in<br />
Europa immer mehr zu Projektför<strong>de</strong>rung übergeht. Immer<br />
weniger Ebenen <strong>de</strong>r Pol<strong>iti</strong>k sind dazu bereit, auch<br />
kontinuierlich und strukturell zu för<strong>de</strong>rn. Das fin<strong>de</strong> ich<br />
einen ganz wichtigen Punkt, <strong>de</strong>n wir weiter diskutieren<br />
sollten.<br />
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